Glücklich auch ohne Lokalzeitung: Wie das Medienhaus Bauer seine Zeitung selbst überflüssig machte

Eine ‚Waltroper Zeitung‘ . Archiv-Foto: Robin Patzwaldt

Seit den 1970er-Jahren habe ich regelmäßig die Waltroper Zeitung gelesen. Über Jahrzehnte war die Lokalzeitung für mich ein fester Bestandteil des Alltags – hier verfolgte ich Nachrichten aus meiner Heimat, las Kommentare, Hintergründe und Analysen.

Im Januar dieses Jahres habe ich mein Abo gekündigt. Und was mich selbst erstaunt: Ich vermisse die Zeitung überhaupt nicht. Das ist ein klares Zeichen – und zugleich ein Armutszeugnis für das Medienhaus Bauer in Marl, das die Zeitung herausgibt.

Von der Lokalstimme zur Inhaltsattrappe

Der Niedergang ist kein Schicksal, sondern hausgemacht. Die Waltroper Zeitung hat, wie viele andere Lokalzeitungen auch, in den letzten Jahren massiv an Substanz verloren. Ausführliche Lokalberichte, einst ihre Stärke, wurden immer seltener. Stattdessen dominieren kurze Meldungen ohne Tiefgang, Agenturmaterial und Inhalte, die man überall lesen kann. Gerade die regionale Verwurzelung, die eine Lokalzeitung unersetzbar machen sollte, wurde nach und nach aufgegeben. Besonders deutlich wurde dies, als die Lokalredaktionen aus Datteln, Waltrop und Oer-Erkenschwick kurzerhand zusammengelegt wurden.

Kaputtsparen statt Qualitätsjournalismus

Verantwortlich dafür ist das Medienhaus Bauer selbst. Mit immer neuen Sparrunden hat man die Redaktionen ausgedünnt, Ressourcen gekürzt und damit die eigene Produktqualität systematisch heruntergefahren. Anstatt die Zeitung inhaltlich zu stärken, wurde auf Kostenoptimierung gesetzt. Wer aber nur noch ein inhaltsarmes Produkt liefert, darf sich nicht wundern, wenn die Leser in Scharen davonlaufen.

Digitale Zeiten, analoge Antworten

Natürlich, die Konkurrenz durch digitale Medien ist real. Aber sie allein ist nicht schuld. Das eigentliche Versäumnis liegt darin, dass Bauer – wie viele Regionalverlage – die digitale Transformation verschlafen hat. Auch nach der Übernahme durch den Dortmunder Verlag Lensing-Wolff, in dessen Hand u.a. die Ruhr Nachrichten liegen, hat sich daran nichts Grundlegendes geändert. Während andere Medienhäuser längst auf innovative Online-Formate, investigative Recherchen oder multimediale Angebote setzen, klammert man sich in Marl überwiegend noch immer an ein veraltetes Geschäftsmodell. Gleichzeitig wird am Printprodukt so drastisch gespart, dass es, bei stetig steigenden Abo-Preisen, kaum noch einen Mehrwert bietet.

Selbst verschuldetes Zeitungssterben

Das Ergebnis ist ein doppelter Verlust: Die Zeitung hat ihren Stellenwert in der Region eingebüßt – und die Leser gleich mit. Wer wie ich nach Jahrzehnten kündigt und sie nicht im Geringsten vermisst, dokumentiert damit, wie überflüssig das Blatt geworden ist. Die Verantwortlichen im Medienhaus Bauer sollten sich nicht länger über sinkende Auflagen beklagen – sie sind das Resultat ihrer eigenen Entscheidungen.

Dir gefällt vielleicht auch:

Abonnieren
Benachrichtigen bei
guest
2 Comments
Älteste
Neueste
Inline-Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
J.A.
Gast
J.A.
3 Monate zuvor

Die Probleme der meisten Zeitungsverlage sind teils hausgemacht, das stimmt. Fakt aber ist: Bauer war (und ist) durchaus innovativ – der Verlag war deutschlandweit einer der ersten, der mit einer eigenen Website an den Start ging; 1997, als man noch dachte, dieses Internet setzt sich nie durch.

Über die Jahre gab’s durchaus Innovation und Veränderung bei Bauer – aber wie bei so vielen Verlagen drehte man sich oft im Kreis. Erst wurden die Texte kürzer, wie im Internet, dann gab’s wieder extrem lange Lesestücke, weil Zeitung ja mehr bieten soll. Man spiegelte fast immer in 2-4-1, zeitweise dann doch in 1-5-1, weil die bisherige Form altbacken war, bis dann kurz darauf wieder die Rolle rückwärts gemacht wurde.

Der Verlag fischte mit Immobilien- und Reisebeilagen dort, wo immoscout und Co. seit schon vor Jahren riesige Marktanteile abgegraben hatte. Der Verlag kam viel zu oft viel zu spät – etliche dieser Produkte sind heute längst eingestampft.

Schon früh experimentierte der Verlag auch mit Videos und Social Media – aber da liegt bekanntlich nicht das große Geld begraben.

Bis heute ist Print der Bereich, der den meisten Verlagen durch mittlerweile absurd teure Abos und Anzeigen Gewinne einbringt. Ein ordentliches Monetarisierungsmodell
für die Website gibt’s meines Wissens bis heute nicht, die ePaper-Abo-Zahlen und die Plus-Zugänge sind nicht in dem Maße angestiegen, wie die Print-Auflage in den Keller gerauscht ist.

Die Zeit gedruckter Zeitungen ist meines Erachtens vorbei; es ist ja auch aus heutiger Sicht irre, jeden Tag Tausende Druckwerke aufwändig durchs Land zu bewegen.

Aber es gibt keine Alternative! Journalismus ist eine unverzichtbare Säule unserer Demokratie, vor allem der Lokaljournalismus soll die Themen, die die Menschen
bewegen, anpacken und einordnen. Wenn er stirbt, taumelt unsere Demokratie …

Lothar Lange
Gast
3 Monate zuvor

Genau so ergeht es mir mit der WAZ, die ich seit weit mehr als fünfzig Jahren abonniert habe – eigentlich nur noch der Lokalnachrichten wegen. Ein Luxus mittlerweile: viel Geld für Wenig.

Werbung