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Medienhaus Bauer in der Krise: Anzahl der Geschäftsstellen reduziert sich von sieben auf vier

Eine ‚Waltroper Zeitung‘ . Archiv-Foto: Robin Patzwaldt

Seit Tagen schon kursieren wilde Spekulationen rund um die Zukunft der ‚Waltroper Zeitung‘ und der ‚Stimberg Zeitung‘ aus Oer-Erkenschwick im Kreis Recklinghausen. Von Schließungen von Redaktionen und Geschäftsstellen war darin die Rede, manch einer wollte sogar vom nahenden Ende der jeweiligen Ausgaben erfahren haben.

Kritische Zeitgenossen hatten schon länger einen Niedergang ihrer Lokalzeitungen aus dem Medienhaus Bauer in Marl beobachtet, beklagten seit Jahren einen stetigen Rückgang an lesenswerten Beiträgen und schwindende Umfänge.

Im August hat dieses Blog über die  Übernahme des Medienhauses Bauer durch die Dortmunder Lensing Media berichtet, im September hat das Kartellamt den Plänen zugestimmt.  Vor diesem Hintergrund erschienen die neuesten Spekulationen bezüglich der nahenden Schließungen der Geschäftsstellen im Kreis Recklinghausen durchaus plausibel.

Eine Ruhrbarone-Anfrage bezüglich der Gerüchte beantwortete jetzt Verleger Kurt Bauer schriftlich, und er schuf damit zumindest etwas mehr Klarheit in Bezug auf die Zukunft der in den Spekulationen genannten Blätter und ihrer Mitarbeiter:

„Unser Haus ist bereits seit ca. 12 Monaten dabei, die drei Ostvestredaktionen in Waltrop, Datteln und Oer-Erkenschwick in Datteln räumlich zu zentralisieren. Grundsätzlich sind wir seit einiger Zeit – auch vor dem Hintergrund der Chancen in der digitalen Entwicklung – zu der Erkenntnis gelangt, dass es künftig wichtiger sein wird, täglich mobil und flexibel in unserem gesamten Verbreitungsgebiet und somit nah an unseren Kunden und Lesern aktiv zu sein.

Wichtig ist uns also vor allem, dass unsere Redakteurinnen und Redakteure „draußen“ unterwegs sind und die Blattmacher sowie die Organisation für das Ostvest kompetent an einer zentralen Stelle in Datteln gebündelt werden.

Es ist schließlich einfacher, ein Team von bspw. 10 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu organisieren, als drei Teams aus jeweils maximal 3-4 Kräften. Hinzu kommt die – gerade in den Zeiten von Covid-19- stark gestiegene Anforderung an mobiles Arbeiten, die einerseits sicherstellt, dass die Kolleginnen und Kollegen in allen drei Städten vor Ort sind, um lokale Inhalte für unsere Medien zu recherchieren. Andererseits machen diese Arbeitsweisen große stationäre Räumlichkeiten für Redaktionen obsolet.

In diesem Zusammenhang wurde selbstverständlich auch die Notwendigkeit zur Beibehaltung der Geschäftsstelle in Waltrop kritisch auf den Prüfstand gestellt. Dabei hat sich herausgestellt, dass der ganz überwiegende Geschäftsverkehr mittlerweile digital oder telefonisch stattfindet. Tatsächliche Transaktionen finden gerade in kleineren Städten seit Jahren nicht mehr statt. Die Covid-Situation hat diese Veränderung nochmals verstärkt. Allerdings planen wir im Gegensatz zu anderen Medienhäusern lediglich eine Verkleinerung unseres Geschäftsstellennetzes. Aus sieben werden vier. Hervorzuheben ist außerdem, dass diese Maßnahme zu keinerlei Arbeitsplatzverlusten führen wird, da wir die betroffenen Mitarbeiter*innen in anderen Bereichen des Unternehmens einsetzen werden.

Die konkrete Antwort auf Ihre Frage setze ich bewusst an den Schluss dieser Mail, um Ihnen die Chance zu geben, unsere Hintergründe für diese Entscheidungen aufzunehmen. Die Räumlichkeiten der Geschäftsstelle und der Redaktion in Waltrop werden zum 30.11.2020 schließen. Für die Räume in Oer-Erkenschwick gibt es zurzeit noch kein konkret haltbares Datum. Die Redaktionen werden jedoch weiterhin und in gleicher Stärke vor Ort tätig sein.“

Die Corona-Pandemie fordert damit in der lokalen Medienlandschaft des Ruhrgebiets erste Opfer, wie zu befürchten war.

Bleibt zu hoffen, dass den wohlklingenden Worten des Verlegers nicht doch noch weitere üble Überraschungen für die Zeitungsleser im Kreis Recklinghausen folgen werden.

PS: Eine Nachfrage nach der dritten betroffenen Geschäftsstelle (neben Waltrop und Oer-Erkenschwick), die in der Antwort erwähnt wurde, blieb bisher unbeantwortet. Sollte es dazu noch Neues geben, werden wir es hier an dieser Stelle vermelden!

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Holger Krause
Holger Krause
3 Jahre zuvor

Ich sage es mal so: Ich beziehe die Morgenpost derzeit noch im Abo (aber nur, weil meine Frau immer noch die Zeitung bekommen möchte) Ich selber lese sie nicht mehr, weil mir die Qualität der Artikel einfach zu sehr zu wünschen übrig lässt. Sollten aber jetzt noch die Lokalredaktionen zusammengefasst werden (und damit eventuell auch die Printausgabe nur noch eine Zusammenfassung der Ortsausgaben sein) werde ich wohl endgültig einen Schlussstrich ziehen und das Abo kündigen…

Overwien
Overwien
3 Jahre zuvor

Um Missverständnissen vorzubeugen: dies ist keine Kommentierung des Statements des Verlegers Kurt Bauer. // Das Ostvest ist eine geografische Bezeichnung. So könnt man Herten und Marl als Westvest bezeichnen. Die Bürgergesellschaften der Städte Datteln, Waltrop und Oer-Erkenschwick könnten unterschiedlicher gar nicht "ticken". Waltrop war trotz Bergbau nie eine Industriestadt. Geprägt von mittelständischem Handwerk und Einzelhandel. Datteln war die klassische mittlere Industriestadt. Neben Bergbau eben auch Chemie. Oer-Erkenschwick war die klassische Bergbaustadt. Solange die SPD die Rolle der Milieupartei einnahm, hatten die Genossen am Stimberg über 4000 Mitglieder und Wahlergebnisse jenseits der 70 Prozent. Hinzu Kommt die Orientierung von Oer-Erkenschwick nach Recklinghausen, von Waltrop nach Dortmund ist historisch. Datteln war da angesichts der Größe eher ein bißchen autark. Danielsmeier nahm mit Rolltreppe ein bißchen die Karstadt-Rolle ein. Heute ist die Stadtgalerie hinzu gekommen. All das hat die WAZ gewusst. Warum also eine Ostvest-Ausgabe, die sich ökonomisch nie rechnen konnte? In waltrop keine 1000 Abonennten, in Oer-Erkenschwick noch weniger. Also konnte es nur darum gehen, keine Schusswunde in der WAZ-Landkarte im nördlichen Ruhrgebiet zu haben. Mit Blick auf die nationale Anzeigenkundschaft. Ein journalistisches Konzept gab es nicht. Konnte auch gar nicht funktionieren. Das ist alles Schnee von gestern. Was mich verwundert, ist die vergleichsweise geringe Resonanz in der Waltroper Netz-Kommune. Keine Zeitungsredaktion mehr in der Stadt. Dass die so typische Waltroper Aufgeregtheit um die rechtskonforme Pensionszahlung an die abgewählte Bürgermeisterin die Chats dominiert und nicht das Verschwinden einer Traditionszeitung zumindest aus dem Stadtbild, ist vielsagend. Mein ersterArbeitstag in einer Ein-Schreibtisch-Redaktion der"Waltroper" war im November 1972.

Alfred Grubbert
Alfred Grubbert
3 Jahre zuvor

Hallo Waltroper Zeitung, an wen wende ich mich wenn meine Zeitung morgens nicht im Briefkasten ist ?

Bernd Overwien
Bernd Overwien
3 Jahre zuvor

In der Corona-Pandemie haben sowohl Print als auch e-paper an Abos wieder zugelegt. Was sagt uns das?

Bauer-Strusel
Bauer-Strusel
3 Jahre zuvor

Nun, was man als Kurt Bauer halt so von sich gibt: „Die Redaktionen werden jedoch weiterhin und in gleicher Stärke vor Ort tätig sein.“ Und die Erde ist eine Scheibe, gelle ? Der erste Redakteur aus Waltrop ist ja bereits seit gut einer Woche weg – vielleicht weiß Herr Bauer davon nichts, weil ihm der Verlag ja nach der Übernahme durch die Ruhrnachrichten/Lambert Lensing-Wolff nicht mehr gehört und er da nichts mehr zu sagen hat. Der Redakteur Markus Wessling – Kraftwerksspezialist und politischer Berichterstatter in der Redaktion Waltrop – schreibt jetzt im „Medienhaus“ für die Marler Redaktion. Ein Leistungsträger, Tobias Ertmer aus der Online-Redaktion, macht in Kürze rüber zu „Funke“ (WAZ).
Krachend stringent auch das hier von Bauer (soll das wirklich der Text eines deutschen Ex-Verlegers und –Chefredakteurs sein?) : „Es ist schließlich einfacher, ein Team von bspw. 10 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu organisieren, als drei Teams aus jeweils maximal 3-4 Kräften.“ Tatsächlich mag die Rendite stimmiger sein, wenn man ein Team von 10 „Mitarbeitern“ organisiert, als eines von 12 „Kräften“. Logik nach Art des Hauses.
„Die Corona-Pandemie fordert damit in der lokalen Medienlandschaft des Ruhrgebiets erste Opfer, wie zu befürchten war“, schreiben die Ruhrbarone. Echt, die Corona-Pandemie? Nö, zu beobachten seit Jahren ein Abgleiten in publizistische, politische und gesellschaftliche Bedeutungslosigkeit.
Hier Fakten aus der 30-Jahre Bilanz des Verlegers und Chefredakteurs Kurt Bauer in Personalunion und alleiniger Verantwortung für ein von seiner Mutter geerbtes Unternehmen:

Der Verleger:
Druckauflage 1989: 100.211 (87.053 Abos/3. Quartal)
Druckauflage 2020: 46.222 (41.111 Abos/3. Quartal)
In den zuletzt ausgewiesen 41.111 Abos sind 1687 E-Paper enthalten, so entsteht ein kosmetisches Plus von 0,31% gegenüber dem Quartal 3/19 (ohne E-Paper). Wie viele E-Paper vergünstigt oder für umsonst an den Leser gebracht wurden („Freistücke“), ist noch mal eine andere Sache.
Bauer-Auflagenentwicklung als Quasi-Monopolist nach dem Rückzug der WAZ aus dem Kreis Recklinghausen ( s. auch hier https://taz.de/!434568/ oder hier https://taz.de/!442298/ ):
2007: 61.116 Abos 3. Quartal
2020: 41.111 Abos 3. Quartal
Macht ein Minus von 32,73%.
Austritt aus dem Verlegerverband mit von Gewerkschaften hart kritisierter Tarifflucht und nach unten gedrückten Entlohnungsmodellen, 2017/2018 Ausgliederung der Redaktionen in eine sogenannte „Medienproduktionsgesellschaft Vest Service GmbH & Co KG“.

Der Chefredakteur:
Ernstzunehmende Texte eines Chefredakteurs Kurt Bauer (Kommentare, Leitartikel usw.) haben Leser der Recklinghäuser Zeitung, Marler Zeitung, Waltroper Zeitung, Dattelner Morgenpost, Hertener Allgemeine, Stimberg-Zeitung in 30 Jahren nicht zu sehen bekommen. Und zwar nicht einen. Themensetzung als Quasi-Monopolist im Kreis Recklinghausen? Fehlanzeige.
Seit Monaten bestreiten das „Redaktionsetzwerk Deutschland“ der Madsack-Gruppe mit für den Leser anonymen Kommentarschreibern den überregionalen Teil der Bauer-Ausgaben – so wie für Dutzende Tageszeitungen im Land. Meinungsvielfalt? Fehlanzeige. Die WAZ bekommt fertige Seiten aus dem Hause Bauer geliefert, die Rheinische Post liefert Themenvorschläge an Bauer, die Ruhrnachrichten mit Verleger Lambert Lensing-Wolff hängen sowieso in allem drin. Gewerkschaften und Medienwissenschaftler sprechen von Zombie-Zeitungen ohne Seele und Inhalt – und das in Zeiten, wo seriöse Berichterstattung extrem wichtig ist.
Kennengelernt hat ein Teil der Leserschaft den Chefredakteur und Verleger Kurt Bauer gelegentlich beim vom Verlag organisierten Karnevalsveranstaltungen.

Der Arbeitgeber:
Zu Beginn und während des 1. Lockdown in der Corona-Pandemie hat es die damalige Unternehmensführung des Bauer-Verlages (Kurt Bauer, Verlagsleiter Gerd Blum) über Wochen und Monate nicht zustande gebracht, dem Personal Desinfektionsmittel und Gesichtsmasken in auch nur ansatzweise nennenswertem Umfang zur Verfügung zu stellen. Versuche, Homeoffice in größerem Umfang einzuführen, scheiterten kläglich an nicht vorhandener technischer Ausrüstung. Das immerhin gelang den Ruhrnachrichten nach Übernahme des Bauer-Verlages binnen weniger Wochen.

Hier noch Lesesteoff:
https://www.djv-nrw.de/startseite/info/aktuell/online-meldungen/details/news-marktbereinigung-im-ruhrgebiet-geht-weiter

Gregor Kortenjann
Gregor Kortenjann
3 Jahre zuvor

Ab heute (2.1.) haben die Zeitungen ein neues
Druckbild . Auch hier wird die Leserschaft wie zuvor vor vollendete Tatsachen gesetzt- keinerlei Informationen. Außerdem erfuhr ich heute aus Marl, dass der Druckbetrieb dort noch drei Monate läuft. Ich bin jahrzehntelange Leser, habe in den vergangenen Wochen durch diverse schriftliche Kontakte mit der Lokalredaktion RE versucht Klarheit und Öffentlichkeit in den Übernahmedschungel zu bekommen, habe dann allerdings aufgegeben, da mir die Mitarbeiter einfach leid taten.

trackback

[…] der örtlichen Lokalzeitung erschien heute zudem ein Aufruf, dass die Leute doch bitteschön ihre ‚Buttons‘, wie […]

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