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Hammer Kanäle im Risiko

Foto: Flickr.com / jphintze

Mitten in der Wirtschaftskrise bedrohen Geschäfte mit dem eigenen Kanalnetz den ohnehin angespannten Haushalt der Stadt Hamm. Erst vor wenigen Wochen hat die Europäische Union ein Vertragverletzungsverfahren gegen die Ruhrgebietsstadt eröffnet. Nach Ansicht der EU hat die Gemeinde ihr Abwassernetz unrechtmäßig auf den Lippeverband übertragen. Bis Anfang Juni hat nun die Bundesregierung Zeit, die Angelegenheit zu bereinigen, gelingt ihr dies nicht, kann die EU ein saftiges Zwangsgeld oder im Extremfall sogar die Rückabwicklung des Geschäftes anordnen. Hamm hatte bei der Übertragung vor zwei Jahren insgesamt 172 Mio Euro vom Lippeverband bekommen.

Nach Ansicht der EU ist das Hammer Geschäft gegen die geltenden Wettbewerbsregeln in Europa durchgezogen worden, nach denen ab einem Schwellenwert von rund 200.000 Euro alle öffentlichen Dienstleistungen ausgeschrieben werden müssen. Da der Lippeverband sich verpflichtet hatte, das Kanalnetz von Hamm zu unterhalten, habe also auch dieses Geschäft ausgeschrieben werden müssen. Besonders schwerwiegend ist nach Ansicht der EU, dass im Lippeverband neben Kommunen auch Privatunternehmen Mitglieder sind. Ihnen sei so unrechtmäßig Eigentum zugeschanzt worden. Die EU sieht die Entsorger benachteiligt, die sich seit Jahren bemühen den Markt für den Unterhalt der Kanalnetze zu öffnen. Ihrer Ansicht nach könnten in den Kloaken Geschäfte wie mit der privaten Müllentsorgung aufgezogen werden.

Die Stadt Hamm widerspricht dieser Ansicht. Bei der Übertragung der Netze handele es sich um ein Geschäft ausschließlich innerhalb der öffentlichen Hand. So seien die Leistungen von einem kommunalen Träger auf den anderen übertragen worden, sagte ein Sprecher der Stadt. Die privaten Anteilseigner im Lippeverband seien per Gesetz Zwangsmitglieder und würden keinen eigenen Nutzen verfolgen. Diese Ansicht wird vom NRW-Umweltministerium unterstützt. Ein Sprecher von Minister Eckhard Uhlenberg bestätigte, dass es sich bei dem Deal zwischen Stadt und Verband um „einen staatsorganisatorischen Akt“ gehandelt habe, auf den das Gemeinschaftsrecht nicht anwendbar sei. Die Bundesregierung werde sich entsprechend äußern.

Nach Ansicht von Martin Burgi, Professor für EU-Recht an der Uni Bochum, ist es nicht leicht auszumachen, wer hier richtig liegt. „Die Sache steht auf der Kippe.“ So sei das Konstrukt der sondergesetzlichen Abwasserverbände in Nordrhein-Westfalen europaweit einmalig. In diesen Verbänden sind Privatunternehmen zur Mitgliedschaft verpflichtet und müssen Geld bezahlen – ohne Aussicht auf Gewinne. Die Verbände selbst würden zudem öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Andererseits sei nicht von der Hand zu weisen, dass hier ohne Ausschreibung Eigentum unter anderem auf private Firmen übertragen worden sei. „Die EU sagt, deswegen handelt es sich nicht um ein In-House-Geschäft der öffentlichen Hand.“

In Hamm gibt man sich gelassen. „Wir werden alle Rechtsmittel ausschöpfen“, sagte ein Sprecher. Und wenn am Ende die Europäische Kommission gewinnen sollte, sei kaum damit zu rechnen, dass noch etwas in die Vergangenheit hinein geändert würde. Das Urteil dürfte sich dann wohl eher auf zukünftige Geschäfte beziehen, hieß es.

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