Herne: Mutiger Kampf gegen Alkoholchaos

Ein Bild des Bösen: Alkohol in öffentlichen Räumen. (Foto: Sebastian Bartoschek)
Ein Bild des Bösen: Alkohol in öffentlichen Räumen. (Foto: Sebastian Bartoschek)

Was Teheran und Riad können, kann auch Herne. Mit strenger Hand greift das Rathaus gegen den Sittenverfall in der Ruhrpottstadt durch. Ein Effekt: Alkohol ist der Öffentlichkeit ist ab jetzt untersagt. Das wurde heute mit den Stimmen von SPD und CDU beschlossen. „Völlig wirkungsloser Verdrängungsmechanismus,“ sagt GRÜNEN-Fraktionschef Thomas Reinke. Und das ist nicht alles.Es ging um nicht mehr und nicht weniger als um die „Änderung der Ordnungsbehordlichen Verordnung über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Stadtgebiet Herne“. Denn eben jene Sicherheit und Ordnung drohte in Herne aus dem Ruder zu laufen. So meinte wohl zumindest die Stadtverwaltung. Und machte das, was Verwaltungen am besten können: Vorschläge, was wem wo verboten sein sollte, damit einfach alles wieder gut ist. So wie früher. Also irgendwann früher. Auf jeden Fall anders als jetzt. Und dabei ging es tatsächlich nicht um Fakten sondern, wie in der Verwaltungsvorlage ausgeführt wird um

das subjektive Empfinden von Unsauberkeit und Unsicherheitsempfinden, indem optische Eindrücke wie Betteln oder Plakatieren auf Privatgrundstücken eingeschränkt werden.
Gleichzeitig soll daher auch der Alkoholverzehr in öffentlichen Bereichen eingeschränkt werden.

Die GRÜNEN im Rat wandten ein: zum einen könne man doch schon derzeit gegen Personen vorgehen, die die öffentliche Ordnung stören, und zum anderen bringe es ja wohl nichts, Trinker von Ort A nach Ort B zu verdrängen, statt zu überlegen, was sonst gemacht werden könne. Aber was so eine SPD-geführte Verwaltung ist, lässt sich nicht von Argumenten verunsichern. Man wolle die neuen Regelungen ja auch gar nicht so anwenden, wie sie nun in der Verordnung stünden, eilte sich die Verwaltung zu versichern. Wieso man dann die Verordnung so brauche, das blieb (natürlich) unklar. Und so wurde als neues Verbot beschlossen:

In Fußgängerzonen, verkehrsberuhigten Straßen sowie auf allen öffentlichen Plätzen ist der Aufenthalt zum Genuss alkoholischer Getränke verboten, wenn hierdurch öffentliche Einrichtungen wie Ruhebänke, Grünanlagen, Spieleinrichtungen und Einrichtungen des ÖPNV dem Gemeingebrauch und damit ihrer Zweckbestimmung entzogen werden.

Was aber heisst das genau? Beispielsweise wohl, dass, wenn ich an einer Bushaltestelle sitze, und ein Bier trinke, und dann nicht den Bus nehme, dass eben dies verboten ist. Aber: nehme ich den Bus, dann muss es ja wohl OK sein, weil die Bank an der Bushaltestelle ja dem Warten auf den Bus dient. Was aber, wenn ich auf einen Bus warte, ein Bier trinke, und beim Warten entscheide, dass ich den Bus doch nicht nehmen will, aber auf Nachfrage des Ordnungsamtes erkläre, bevor der Bus da ist, dass ich ihn doch nehmen wolle, und ergo auf der Bank ein Bier trinken dürfe? Solch ein Gedankenverbrechen erscheint den roten und schwarzen Genossen im Rat der Stadt Herne sicherlich verdammenswert – wir dürfen auch hierzu auf Kontrollmechanismen hoffen.

Interessant auch die Betrachtung der Grünanlagen. Was genau ist eigentlich auf einer öffentlich zugänglichen Wiese im Herner Stadtgebiet erlaubt? Was ist ihre Zweckbestimmung? Ist die Zweckbestimmung einer Grünanlage nur das Ergötzen an der Betrachtung des geschnittenen Rasens und das Sinieren über die Fragen des Düngens desselben? Entweihen Jugendliche, die sich auf einem solchen Rasen treffen, um einfach abzuhängen, die heilige Zweckbestimmung der Grünfläche?

Und wenn ich auf einer Ruhebank sitze, mit einer offenen Dose Whiskey-Cola, und zu jedem Schluck aufstehe, um mich danach wieder zu setzen, entgehe ich dann der sittsamen Hand des Ordnungsamtes? Wie sollen solche Orts-Trink-Nachweise in Zukunft aussehen?

Soviel Regulierungsmöglichkeiten, soviele gesicherte Stellen im Rathaus.

Neben dem zitierten Verbot streute die Verwaltung dann noch ein:

Aggressives Betteln durch Anfassen, Festhalten, Versperren des Weges, bedrängendes oder hartnäckiges Ansprechen ist verboten.

Das Betteln durch Kinder und in Begleitung von Kindern ist verboten. Kinder im Sinne dieser Verordnung sind Personen, die noch nicht 14 Jahre alt sind.

Die Kinder. Endlich denkt mal jemand an die Kinder. Sie sind ja unsere Zukunft, diese kleinen niedlichen Wesen. Und erklärt uns, was Kinder sind. Übrigens: Betteln durch Kinder ist verboten. Wie wird das eigentlich bei einem nicht strafmündigen Kind durchgesetzt? Zumal wenn es sich weigert, seine Personalien aufzugeben? Hm. Ach, egal. Kinder sind toll. Jeder mag Kinder.

Der Vollständigkeit halber noch das Abstimmungsergebnis: SPDCDU (wie man in Herne sagt) stimmten geschlossen für die Vorlage der Verwaltung, GRÜNE und Piraten enthielten sich; sie hätten gerne Punkt für Punkt abgestimmt. Das ging aber nicht, sagte die Geschäftsordnung, und die ist wahrscheinlich noch ein wenig wichtiger als die „Verordnung über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Stadtgebiet Herne“. Aber nur ein bisschen. GRÜNEN-Chef Thomas Reinke: „Wir hätten gerne etwas gegen das wilde Plakatieren, oder das Betteln getan. Aber dieses Alkoholverbot macht für uns keinen Sinn. So konnten wir uns nur enthalten.“ Gegen den Antrag stimmten LINKE und AfD.

Darauf einen Dujardin. (Aber nicht auf einer Parkbank im Grünen während man auf einen Bus warten könnte – wo käme man denn da hin?)

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Gerd
Gerd
8 Jahre zuvor

Ein nichtssagendes Bild mit 3500 x 5000 Punkten sieht man auf dem Handy immer wieder gern.

Danke.

thomas weigle
thomas weigle
8 Jahre zuvor

Es wird doch immer wieder zu Recht darauf hingewiesen, dass man seinen PKW nicht alkoholisiert bewegen soll. Wenn ich also, das gilt nicht nur für Herne, mich mit einem Unterwegstrunk auf den Weg mache, werde ich in Zukunft Gefahr laufen, mich mindestens bußgeldbewehrt zu verhalten, bspw. in ausgewählten Zügen der DB und anderer Unternehmen des SPNV.

John Matrix
John Matrix
8 Jahre zuvor

Der gute polnische Wodka steht in Herne an den Plätzen der Alki-Szene? 😉

Cynthia
Cynthia
8 Jahre zuvor

Wohne seit 4 Jahren direkt am Buschmannshof und habe so etwas wie: “Aggressives Betteln durch Anfassen, Festhalten, Versperren des Weges, bedrängendes oder hartnäckiges Ansprechen,
oder Betteln durch Kinder und in Begleitung von Kindern.." niemals erlebt.
Eher das Gegenteil. Eine ganz normale und höfliche Frage nach einer Zigarette oder nach der gerade ausgetrunkenen Pfandflasche ist üblich. Bierflaschen werden entsorgt, sowie jeglicher anderer Müll der anfällt. Selbst der 'wunderschöne' Postpark, rund ums Junkiehäuschen wird von einigen Leuten sauber gehalten. Also wo ist das Problem? Achja… Sieht ja nicht hübsch aus, so ein leben.

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