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Jugend Kultur Zentren 2010 – Teil 3: Druckluft in Oberhausen (2)

?: Und wie entscheidet man dann über die Vergabe von Räumen und Zeiten und die Inhalte?

!: Entscheidend sind dazu gar nicht mal die Strukturen, sondern die Tatsache, dass jeder Mitarbeiter verinnerlicht, was Anspruch und Konzept des Ladens ist. Junge Leute werden hier ernst genommen und können hier etwas umsetzen. Punkt. Insofern sehen wir uns auch als Dienstleister, als Ermöglicher. Denn so ein Konstrukt lebt natürlich vom Input, sogar von Reibereien und Konflikten zwischen den unterschiedlichen Nutzern. Das Engagement junger Leute ist aber auch nicht mehr so groß wie es vielleicht einmal vor zehn Jahren war. Da wollte man immer eher Druckluft als gesamtes machen, mittlerweile wird eher gezielt Druckluft aufgesucht, um bestimmte Sachen umzusetzen. Die engagierten Leute mit künstlerischem Ansatz haben ja nicht mehr nur ein Haus, auf dass sie sich konzentrieren. Und gesellschaftlich ist der Druck ja auch gestiegen, ältere Jugendliche sind Karriere orientierter. Da würde ich mir schon mehr Beteiligung und Engagement wünschen.

?: Gerade bei der Integration von einigen Jugendlichen fragt man sich ja oft was zuzulassen ist, von Sexismen über von rechts gefährdete bis hin zur Debatte wer was essen oder sonst wie zu sich nehmen darf.

!: Die Ska Disco der Antifa Duisburg war ein Beispiel. Skinhead-Kultur nicht den rechten überlassen. Dann bekommen die Gäste schon mit, dass dies in einem Laden passiert, der sich als antifaschistisch versteht und das auch deutlich macht. Die Aktiven hier kennen sich ja auch in der Szene aus. Und bei niedrig schwelligen Formaten wie der Open Stage oder im Metal-Bereich muss man dann öfter auch aufpassen, was man da eigentlich macht. Das gehört dazu. Im HipHop kamen beim Open Mic irgendwann nur noch Frauen oder Schwulen feindliche Sprüche von der Bühne – um aufzufallen. Daraufhin haben wir ein Konzept erarbeitet, wie das zu vermeiden ist. Das gefiel der Szene dann nicht, also zieht man letztlich die Konsequenz.

?: Im Gegensatz dazu: Erfolgreiche Eigengewächse? Jetzt mal ab von der erfolgreichen Jugendarbeit?

!: Da kann man zum Beispiel die „Textverarbeitung“-Reihe nennen. Eine etwas andere Literaturveranstaltung, mit Musik gekoppelt und eben nicht in einer Buchhandlung, aber auch kein Poetry Slam. So etwas macht inzwischen jedes größere Haus, und wir waren ganz früh dabei und haben das mitentwickelt, bevor es das Genre überhaupt gab. Aber wir lassen halt auch manche Formate dann wieder weg, wenn sie zu groß werden. Um Platz für neues zu schaffen. Denn umso mehr sich ein Thema etabliert, desto weniger kann Druckluft einfach zu einer Abspielstätte werden. Zu nennen ist auch die Beatplantation, die ein bestimmtes Verständnis von Party mit Kunst und Lesungen und Konzerten zusammen bringt. Und natürlich gibt es Proberäume, Werkstätten und Kurse, aus denen viel erwächst. Aber, wie gesagt, im Bereich kultureller Bildung würde ich mir noch mehr wünschen. Dass da Leute kommen und sagen: Ich will Theater spielen, oder etwas ähnliches. Und da sollte Druckluft dann auch jemand dafür bereit haben, um bei der Umsetzung zu helfen. Genau in diesem Bereich zwischen Jugendarbeit und Kulturprogramm. Diese Akzente können wir mit den bisherigen Mitteln leider noch nicht setzen.

?: Nun steht ja auch ein Umbau (Grafik) an, aber die Stadt ist gerade pleite. Wie sieht da die Situation aus, und wie werden sich die Strukturen ändern?

!: Nun, wir sind seit ein paar Jahren in einer ganz schwierigen Situation. Das Gelände drum herum wurde gerodet und hier wird Gewerbe angesiedelt. Wir sind dadurch präsenter, und die Stadt hat ein Interesse an einer Aufwertung dieses Standorts, nicht mehr nur wegen der akzeptierten Inhalte, sondern auch baulicher Art. Also arbeiteten wir mit Jugendamt und Stadtteilbüro ein Konzept aus, das beinhaltet, dass wir unsere Angebotspalette erweitern, zum Beispiel hin auf den Wohnpark Bebelstraße, ehemalige Neue Heimat. Für die Jugendlichen dort gibt es bislang keine Angebote, aber um das zu leisten müssen wir uns inhaltlich, baulich und strukturell etwas anders aufstellen. Die Hauptausrichtung wird also erhalten bleiben, aber von energetischen Fragen bis hin zur Nutzung der verschiedenen Räumlichkeiten wird sich einiges ändern. Es soll verschiedene Anlaufpunkte für verschiedene Gruppen geben, die übrigens auch alle in die Arbeit am Konzept einbezogen wurden – schon um Zielgruppenkonflikte von vornherein zu verhindern.

Der Bewilligungsbescheid hierzu vom Land ist da, aber in Oberhausen gibt es eine Haushaltssperre aufgrund der hohen Verschuldung der Stadt. Der 20%ige Eigenanteil kann daher jetzt nicht aufgebracht werden. Dafür muss es eine Lösung geben. Gerade Städte die unter Haushaltssicherung stehen sind auf die Teilhabe an Förderprogrammen des Landes angewiesen. Die Verbesserung der räumlichen Situation und der Infrastruktur bei Druckluft ist notwendiger denn je. Wir stoßen mittlerweile an unsere Grenzen, den Eigenanteil zur Finanzierung unserer Arbeit selbst zu erwirtschaften. Die Infrastruktur hier muss den aktuellen Ansprüchen genügen, sonst ist genau das mittelfristig nicht mehr möglich. Wir möchten in Kooperation mit der Stadt eine Aufwertung gerade der inhaltlichen Arbeit, und die Grundprinzipien von Druckluft werden bestehen bleiben.

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