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Kniefall und Blitzlicht – von einer etwas zu großen Geste

„Kneeling Knight in Prayer, (1470)“, Foto: Jim, The Photographer, Quelle: Flickr.com, CC BY 2.0

Manchmal hat man zu einer Angelegenheit ein Bauchgefühl, bevor man den Grund für dieses Gefühl richtig verstanden hat. Ganz unangenehm sind mir die Bilder, die mir momentan in Social Media begegnen, auf denen (weiße) Leute gegen Rassismus knien. Sie recken Schilder in die Höhe und sitzen im Staub. Es sind sehr starke Bilder. Und sie rücken den Knieenden in den Mittelpunkt.
Es ist nicht einfach, als Nicht-Betroffener die passende Form von Solidarisierung und Protest zu finden. Zunächst ist es ja großartig, dass so viele Menschen gegen Rassismus und Polizeigewalt aufstehen. Und es ist natürlich essentiell, dass auch die weiße Mehrheitsbevölkerung hinter diesen Zielen steht. Dass sie das auch zeigt und dass der Rassismus in ihren eigenen Reihen zu etwas Geächtetem wird. Es ist auch wichtig, dass Weiße nicht nur mit dem Finger auf brutale Psychopathen zeigen, seien es solche bei der Polizei, seien es solche in Springerstiefeln, sondern sich bewusst werden, wo sie selbst im Alltag ihre Vorurteile ausleben, wo sie selbst von Ungerechtigkeiten profitieren. Kurz: Die Erkenntnis „auch ich bin nicht frei von Rassismus“ ist zu begrüßen.
Aber braucht es dafür diese Geste? Der Kniefall durch amerikanische Polizisten ist in diesem Pathos vielleicht noch angemessen. Es geht schließlich um ein grausames Verbrechen durch einen der ihren und es geht darum, den Corps-Geist in Frage zu stellen, der bislang verhindert hat, dass die Knieenden sich gegen ihre brutalen Kollegen stellen, selbst wenn sie deren Verhalten vielleicht nicht gutheißen. Man kann darüber streiten: Die einen loben den Kniefall dieser Beamten als Zeichen, dass es auch ihnen nun endgültig zu weit gegangen ist und sie etwas ändern wollen. Dafür spricht, dass sie es taten, als bereits Plünderungen und Vandalismus die Schlagzeilen dominierten und sich alle Gelegenheit geboten hätte, sich aber bitte schön von diesen Protesten zu distanzieren. Andere sagen, deren Kniefall erinnert sie an den gewalttätigen Ehemann, der vor seiner Frau mit dem geschwollenen Gesicht kniet und verspricht, es nie, nie wieder zu tun. Zum zwölften Mal.
Der Kniefall betont die Selbsterniedrigung, aber er betont damit auch, aus welcher Höhe man kommt. Es ist ja nicht die routinemäßige Verbeugung des Untertanen vor dem König. Es ist ein feierlicher Akt, der im Film von majestätischen Akkorden begleitet würde, eine „große Geste“ für die es einen „großen Geist“ braucht. Vielleicht sieht man im Hintergrund sogar einen Sonnenaufgang, der dem knieenden Ritter einen kleinen Heiligenschein aufsetzt.
Das, was es wirklich braucht, ist weit weniger spektakulär. Es ist langwierig und leise und bringt wenig Likes. Denn was es braucht ist eine Änderung des Alltags. Zivilcourage, wo immer man Rassismus begegnet und zwar gerade da, wo er nicht allzu offensichtlich ist. Die Polizei rufen, wenn ein Schwarzer verprügelt wird, kann jeder. Aber den Kollegen ansprechen, der immer wieder mit zweierlei Maß misst, erfordert Mut im Kleinen. Die Bereitschaft zu reflektieren, die eigenen Vorurteile anzuschauen, nicht nur bei anderen zu suchen. Und vor allem: Interesse an dem, was Menschen sagen, die von Diskriminierung betroffen sind.
Wenn ein pathetischer, symbolischer Akt dabei hilft, diese Änderung im eigenen Alltag anzustoßen, soll mir das natürlich recht sein. Aber der Verdacht liegt nahe, dass bei vielen, die jetzt posieren, der Wille zur Veränderung so hell und so kurz ist, wie das Blitzlicht, in dem die beeindruckenden Instagram-Bilder entstanden sind.

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Berthold Grabe
Berthold Grabe
3 Jahre zuvor

Ein guter Artikel, der zu dem indirekt dazu aufruft, die Probleme nicht an den politischen Lagerkämpfen festzumachen, so ärgerlich eine Präsident Trump auch sein mag.
Denn die Demokraten sind massgeblich für die Zustände mitverantwortlich, da gibt es keinen parteipolitischen Unterschied.
Joe Biden hat eben nicht die gesellschaftlichen Zustände angeprangert, die einen Großteil der Schwarzen zu einer Risikogruppe macht die größer ist als in den 60ziger Jahren.
Das der Rassismus sich verschärft kann kaum verwundern, wenn man die Kriminalität unter Schwarzen zur Kenntnis nimmt.
Rassismus anzuklagen ist richtig, aber hier nicht zielführend.
Ohne Veränderung der gesellschaftlichen Grundlage gibt es keine Chance den Rassismus zu bekämpfen und paradoxerweise hat Trump trotz begrenzter Fähigkeiten hier mehr getan als seine 4 Vorgänger zusammen mit seiner Politik vor allem "Jobs" zu schaffen.
Sicher wäre es wünschenswert, wenn dies ein fähigerer Mann mit weniger Fehlern getan hätte, umso peinlicher ist die Unfähigkeit gerade der Demokraten.
Zumal sie außer über Trump zu geifern nichts Konstruktives vorzuweisen haben.

Coven Berlin
3 Jahre zuvor

Ich finde die ganze Reaktionen übertrieben.

realistreal
realistreal
3 Jahre zuvor

Es gibt auch etablierte Schwarze, die über sozial benachteiligte herziehen. Stand nicht der Zeitung. Stand aber neben mir im Bus.

Helmut Junge
3 Jahre zuvor

Wie im Text von Robert von Cube schön beschrieben
"Das, was es wirklich braucht, ist weit weniger spektakulär. Es ist langwierig und leise und bringt wenig Likes. Denn was es braucht ist eine Änderung des Alltags. Zivilcourage, wo immer man Rassismus begegnet und zwar gerade da, wo er nicht allzu offensichtlich ist. Die Polizei rufen, wenn ein Schwarzer verprügelt wird, kann jeder. Aber den Kollegen ansprechen, der immer wieder mit zweierlei Maß misst, erfordert Mut im Kleinen."
So ist es auch nach meiner Meinung.
Kniefälle vor laufender Kamera bringen den diskriminierten Menschen gar nichts. Die sind ja auch auf solchen Fotos nicht zu sehen.

Wolfram Obermanns
Wolfram Obermanns
3 Jahre zuvor

In der NZZ wundert man sich heute, warum ein mutmaßlicher Polizeimord in USA in D mehr Menschen auf die Straße bringt, als ein Attentat auf eine Synagoge mit zwei Toten im eigenen Land.
Die Antwort wird bereits in der Überschrift zum Artikel gegeben: McDonald's-Debatte.
Die Antrassismusbewegung wäre demnach einmal mehr politisches Fastfood ohne weiteren Nährwert. Mir scheint ebenfalls häufig die Selbstinszenierung als moralische Instanz im Vordergrund zu stehen, die es erlaubt die eigenen Ressentiments zu pflegen, wie z.B. gegen DIE Polizei. Den Mühen von Integration weicht man lieber aus und kürt sich seine Schuldigen.

Helmut Junge
3 Jahre zuvor

Wolfram Obermanns, ich hab deinen Hinweis
"in der NZZ wundert man sich heute, warum ein mutmaßlicher Polizeimord in USA in D mehr Menschen auf die Straße bringt, als ein Attentat auf eine Synagoge mit zwei Toten im eigenen Land." mal gesucht, gefunden war erstaunt und hab den betreffenden Artikel mal verlinkt
https://www.nzz.ch/meinung/die-mcdonalds-debatte-wer-amerikanische-diskurse-ueber-rassismus-und-gewalt-gedankenlos-auf-deutschland-uebertraegt-macht-es-sich-zu-einfach-ld.1560850
Das hatte ich tatsächlich überhaupt nicht mehr auf dem Schirm.
Was ist das für eine manipulierte Welt.

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