
Mascara und Kajal, Glitzerhöschen und Glamour, Pailletten und Plateau. Wie der Topact einer Queer-Pride-Party von heute. Nur in den 70ern. Und ohne Erziehungsprogramm. Eine fröhliche Lässigkeit im Umgang mit Gender, Sex und Outfit, sie brüllten niemandem an: „Du musst“, sie spielten allen vor: „Du kannst“.
Was? Den aufrechten Tanz, so ein Plateau ragt schon mal 10 cm hoch. In einem Interview hat Andy Scott, Gitarrist und Gründungsmitglied der Band, einmal erzählt, wie sie anfangs in Stöckelschuhen aufgetreten seien und wie schwierig es für sie gewesen sei, solche Schuhe überhaupt in passender Größe aufzutreiben. Bis sie einen Schuhmacher fanden, der eigens für sie den Plateau-Schuh erfand. Den Stöckelschuh des Glam-Rock, des Bubblegum-Pop, die Basics der SWEET.
Die Briten wurden zu Superstars, waren aber keine Retorten-Band, sie haben live gelernt und sich inszeniert, als seien sie sich selber ein halbes Jahrhundert voraus. Vielleicht waren TRex oder David Bowie eher, vielleicht auch nicht, mit ihrem Style waren sie alle den Loveparades der 90er um eine Generation voraus. Und werden heute von einer Generation zitiert, die das sexuelle Bekenntnis zum Dogma macht und dabei tut, als sei vor ihr noch nie wer gewesen. Dabei war der Style der 70er ein lustvolles Spiel und kein Erziehungsprogramm, war ein ironisches Spiel mit Identitäten und Intimitäten. Und mit pop-politischen, damals schon.
Eben noch, Anfang der 70er, hatten sie alle auf den Straßen „Ho-Ho-Ho-Chi-Minh“ skandiert , jetzt „Ho Chi kaka Ho“ in den Partykellern, dem velvet underground einer blamierten Revolution. Im Grunde haben SWEET und die anderen Karl Marx viel besser kapiert als all die marxistisch-leninistisch-maoistisch-anarchistisch-sozialistischen Versteh-Verbünde, die sich zeitgleich wie SWEET zusammengefunden haben. Nur dass die Briten begriffen hatten, dass man – Zitat Karl Marx, dem ersten aller Theoretiker des Pop – „diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen (muss), dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt“.
Ho Ho Ho Chi kaka Ho. Spiel mit dem Kapital, das du nicht abschaffen kannst, spiel mit der Revolution, die dich vor die Wand gefahren hat. Mit ihrem Style haben SWEET Platten verkauft und keine Fördermittelanträge gestapelt. Eine solche Souveränität kann man der Pop-Kultur heute allenfalls noch wünschen. Natürlich wäre es möglich, die Antisemiten dieser Welt, dazu die Putins und Khameneis und Erdogans mit blitzendem Pop zu blamieren, mit Pailletten und Plateau. Stattdessen verständigt sich die Szene heute mehr und mehr darauf, auf Israel herumzutrampeln und über Juden hinweg zu stolzieren mit Glitzerhöschen und Glamour.
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THE SWEET – es wird Andy Scotts Abschied von der Bühne – am 24. und 25. Oktober in der Christuskirche Bochum, Tickets gibt es hier.

Na, das ist doch mal nen Artikel. So auf den Punkt! Natürlich haben sich die Konservativen damals über Musiker wie Sweet, Bowie, Marc Bolan und etwas später Jimy Sommerville und Boy George maßlos aufgeregt. Das hat die Protagonisten kalt gelassen, die wollten keine Botschaften unters Volk bringen, die wollten mit ihren Kunstfiguren unterhalten. Ob sie wirklich homosexuell waren, totale Nebensache. Und die Konservativen, obwohl an den Hebeln der Macht, haben die jungen Wilden gewähren lassen. Heute hast du gefälligst zu Gendern, Queer unfassbar wichtig zu finden und dem biologischen Geschlecht sowie dem Diesel abzuschwören. Gerade Künstler erheben ihre Zeigefinger gerne und oft mahnend, denn wenn du es nicht tust, bist du rechts.
Heute sind aber auch nicht die Konservativen an der Macht sondern die Linken und Linksgrünen.