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NRW: Karl Arnolds Fluch


Karl Arnold Bild: Konrad-Adenauer-Stiftung Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE


Egal ob CDU und SPD regieren: Nordrhein-Westfalen bleibt unter seinen Möglichkeiten. Es wurde von seinem zweiten Ministerpräsidenten verflucht.

 

Nordrhein-Westfalen war gerade ein Jahr alt, als Karl Arnold (CDU) zu dessen zweitem Ministerpräsidenten gewählt wurde. Das Land lag noch in Trümmern, das „Wirtschaftswunder“ hatte gerade an Fahrt aufgenommen als Arnold in seiner Regierungserklärung 1950 sagte: „Nordrhein-Westfalen will und wird das soziale Gewissen der Bundesrepublik sein“. Ein Satz, der zum Fluch wurde. Das aus dem Rheinland, Westfalen und dem Ruhrgebiet zusammengestückelte Land fühlte sich zu höherem berufen. Andere Länder wollen besser sein als ihre Nachbarn, die am besten gebildete und wohlhabendste Bevölkerung haben. NRW will die Welt, zumindest die Bundesrepublik verändern. Arnolds Satz fühlten sich alle bisherigen

Ministerpräsidenten verpflichtet. Sie wähnten sich in einem Wolkenkuckucksheim jenseits der Wirklichkeit. Alles, was sie taten, leidet seitdem an einem idealistischen Überschuss: In NRW wurden in den 60er und 70er Jahren nicht nur neue Hochschulen gegründet, sondern mit der Gesamthochschule gleich eine neue Hochschulform gegründet mit dem Ziel, die Kluft zwischen Theorie und Praxis zu schließen. Bis auf Hessen kam kein Land auf die Idee, dem Modell zu folgen und auch in NRW gibt es längst keine Gesamthochschulen mehr. In den 90ern verzichtete man auf Bundesmittel für den Ausbau der Schiene, um den Metrorapid, eine Art Magnetschwebe-S-Bahn zu bauen, die nie kam. Hier wollte man die mit Welt einem selbstentwickelten analogen, hochauflösendem Fernsehen beglücken, als längst klar war, dass die Zukunft digital sein würde. In NRW geht es nie um Wachstum. Es geht vor allem um Erhalt. Milliarden steckte das Land über Jahrzehnte unter dem Banner der Solidarität in den Bergbau. Jetzt ist es der Wasserstoff. Das Forschungszentrum Jülich hat ausgerechnet, was der Umstieg auf Wasserstoff kosten würde. Die 1,8 Billiarden Euro bis 2050 werden vom Land als Chance bejubelt.

Es ist egal, wer die Regierung stellt: Immer schlägt die Verführung des idealistischen Rausches die schnöde Beschäftigung mit den Problemen der Gegenwart: Man will die Welt verändern, aber Straßen, Hochschulen und Schwimmbäder zerbröseln, das Bruttoinlandsprodukt pro Bürger liegt unter dem Bundesschnitt. Ja, nicht einmal einen vernünftigen Nahverkehr bekommt man hin, weil geduldet wird, dass Dutzenden Verkehrsgesellschaften nebeneinander werkeln. Aber man ist ja solidarisch in Nordrhein-Westfalen. Auch mit erfolglosen und überflüssigen Vorständen.

NRW würde besser dastehen, wenn es nicht als Ziel hätte, das soziale Gewissen der Bundesrepublik, sondern ihr erfolgreichstes Bundesland zu sein. Mit 18 Millionen Einwohnern im Rücken könnten seine Bundestagsabgeordneten zum Beispiel wie ihre bayerischen Kollegen Mittel für Autobahnen und Schienenwege erpressen. Es könnte mehr Geld in die Bildung statt in Bildungsexperimente fließen. Das Investitionsklima müsste günstiger sein. Und natürlich hätte das Land, wenn es aggressiver wäre, auch bessere Chancen im Wettbewerb um neue Ansiedlungen. Aber da ist ja der Fluch des Karl Arnold.

 

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Bochumer
Bochumer
1 Jahr zuvor

Schlecht geschlafen? In dem Artikel ist ja mal gar keine Substanz.

Philipp
Philipp
1 Jahr zuvor

Vlt. muss man in einem Bindestrichland zu viel Rücksicht auf Befindlichkeiten nehmen – in Hessen und Bayern jedenfalls zeigen die großen, erfolgreichen Städte dem Rest wo’s langgeht.

Neue Industrie entsteht hier nämlich kaum noch, Biontech in Mainz, Tesla in Brandenburg/Berlin und jetzt die große Chipfabrik von Intel in Magdeburg.

Und was man bei dem ganzen Ruhrgebietsproblemen nicht vergessen sollte: Es gibt in NRW auch noch andere Problemregionen, z.B das Bergische Land. Auch Krefeld und Mönchengladbach haben schon bessere Tage gesehen.

Viele NRW Städte (v. Münster mal abgesehen) haben noch ein ganz anderes Problem: sie sind relativ hässlich. Die architektonischen Antworten auf die Flächenbombardements im 2. Weltkrieg locken heute niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Da tun sich auch Köln und Düsseldorf zum Ruhrgebiet manchmal überraschend wenig.

Die neuen Produktivkräfte im Digitalkapitalismus gucken sich Wien, Berlin, Amsterdam an und sagen, dann doch lieber da.

Hans Neusidler
Hans Neusidler
1 Jahr zuvor

Das was NRW für Deutschland sein will, will Deutschland für den Rest der Welt sein: Das soziale Gewissen. Siehe Atomausstieg, Putinversteherei über Jahrzehnte etc … Der deutsche Idealismus galoppiert. Die Deutschen meinen immer, sie müssten der erhobene Zeigefinger der Welt sein. Das Ergebnis zeigt sich in den gerösteten Städten des Ruhrgebiets

Hans Neusidler
Hans Neusidler
1 Jahr zuvor

Der letzte Satz in meinem Kommentar sollte lauten: „Das Ergebnis zeigt sich in den zerstörten Innenstädten des Ruhrgebiets“. Da hat die Autovervollstaendigung nicht korrekt gearbeitet.

Walter Stach
Walter Stach
1 Jahr zuvor

Karl Arnold,

für mich eine der herausragendsten politischen Persönlichkeiten in der politischen Geschichte des Landes NRW.

Stefan Laurin,
ich finde Deinen Beitrag und vor allem die damit einhergehende (Be-) Wertung Arnolds absolut „daneben“ -sorry.
Ich mache mir auch deshalb nicht die Mühe, hier meine Sicht auf die Persönlichkeit Arnolds näher zu erläutern, zB. bezogen auf seine große Bedeutung für die Festlegung der Sozialstaatsidee in der NRW Verfassung und im GG (!!) -im harten Kampf gegen Adenauer.

Wenn -zurecht- darüber gestritten wird, wie , wo durch, warum sich NRW z.B. von Bayern Baden-Würt. unterscheidet -positiv wie negativ-, dann ließe sich dazu „so oder so“ Vieles an Begründungen/Erklärungen vortragen. Wenn man das Negative herausarbeiten will, kann „man“ dazu naheliegend u.a. die Parteien in NRW und ihre Führungspersonal bemühen, aber nicht ursächlich und nicht primär und erstrecht nicht Karl Arnold sozusagen als „der“ Verursacher alles Negativen hierzulande ausmachen.

Jim Bob
Jim Bob
1 Jahr zuvor

@ Walter Stach

Herr Laurin tut nichts, der will doch nur spielen.

Walter Stach
Walter Stach
1 Jahr zuvor

-7-

Jim Bob

O.K.

thomas weigle
thomas weigle
1 Jahr zuvor

@ Walter Stach
Kam Karl Arnold nicht aus der katholischen Soziallehre,war er gar ein Herz-Jesu-Sozialist? Also war er praktisch ein lupenreiner Sozialdemokrat! Das erklärt dann auch den obigen Artikel.

Jim Bob
Jim Bob
1 Jahr zuvor

Karl Arnold war ein sachorientierter Politiker. und hat als CDU-Ministerpräsident sogar mit der KPD koaliert. Im Kabinett Arnold I gab es daher 2 KPD-Minister., für Verkehr und Wiederaufbau.

Walter Stach
Walter Stach
1 Jahr zuvor

Thomas Weigle,
ja , so ist das.

Ich durfte „als Jüngling“ Karl Arnold persönlich kennen – und schätzen lernen.
Sein „Spiritus Rector“ war Oswald von Nell-Breuning, ein deutscher Jesuit und maßgeblicher Vertreter der kath. Soziallehrer. Was Nell-Breuning, dem ich mit einiger Begeisterung zugehört habe und dessen „Werke“ für mich seinerzeit Pflichtlektüre waren, als Wissenschaftler dachte, sagte, schrieb und lehrte, war Grundlage und Leitlinie für die Politik Karl Arnolds.

Stefan Laurin liegt also insofern „richtig“ , wenn er davon auszugehen scheint , daß bei Karl Arnold und bei Nell-Breuning „viel Sozialismus“ im Spiel war -politisch, wissenschaftlich-, kein marxistischer, ein christlicher.

Ist es müßig , heute z.B. auf Karl Arnold und Nell-Breuning zurückzublicken und das zu verbinden mit „zeitgemäßen“ Fragen, z.B. der, ob die weltweiten Auswüchse eines willkürlichen, grenzen- und schrankenlosen Individualismus, eines darauf basierenden grenzen- und schrankenlosen „globalen“ Kapitalismus nicht unaufhaltsam dazu führen, dazu führen müssen, daß die derzeit bekannten gesellschaftlich-staatlichen Ordnungssysteme , so auch das freiheitlich-demokratische-rechtstaatliche-, ihrem Kollaps entgegen gehen? Die ins Unermeßlich wachsende Kluft zwischen den Armen und den Reichen, den Besitzenden und den Nichtbesitzenden, den Wohlstandsprotzen und den Entwürdigten könnten ua. dazu führen, ‚mal wieder über Nell-Breuning und Karl Arnold nachzudenken, über einen Wissenschaftler und einen Politiker, die sich -vereinfacht gesagt – als christliche Sozialisten gegen „den Kapitalismus“ -seine Entartung- positioniert hatten. „Schnee von gestern“? Nein, meine ich, weil Aktueller denn je. Die Erschütterungen der liberalen Demokratien weltweit – u.a. in den USA, in Frankreich- sollten zu denken geben. Ihr Feind kommt nicht nur von Außen, sondern m.E. langfristig primär aus ihrem Innersten.

Insofern gebührt also Stefan Laurin Dank dafür, nach langer, langer Zeit ‚mal wieder an Karl Arnold erinnert zu haben,, was immer er dabei im Sinn gehabt haben mag.

Philipp
Philipp
1 Jahr zuvor

Ach und einen habe ich noch und da kann man jetzt drüber lachen, aber:

Anderswo in Deutschland gibt es teils deutlich mehr Sonne.

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Ich weiß, dass das unter IT-lern vor Jahren mal rumgeschickt wurde.

Suwarin
Suwarin
1 Jahr zuvor

Wirklich was neues zu NRW hat der Autor leider auch nicht mehr zu sagen. Erklärt vielleicht warum der Blog sich die Begleitung des hiesigen Wahlkampfes weitgehend geschenkt hat.

Schade eigentlich

Berthold Grabe
Berthold Grabe
1 Jahr zuvor

Der Fluch NRW´s sind die verbandspolitischen Besitzstände, keine Bundesland hat so viele Kostgänger von der öffentlichen Hand wie NRW.
Und diese gut dotierten Machtstrukturen ohne Sinn und Effizienz werden deshalb nicht zerschlagen, weil nach dem Zusammenbruch von Kohle und Stahl ein erheblicher Teil der Bürger direkt oder indirekt an diesen Lobby- und Verwaltungsorganisationen hängt.
Baut man eine Autobahn sind sämtliche Umweltverbände auf dem Plan und das Dickicht der Verordnungen und Bürgerproteste tut ihr Übriges.
Will man die Bahn effizienter machen müsste man die drei obersten Etagen komplett rausschmeissen und durch unbelastete und kompetente Fachleute ersetzen.
Die vielen Verkehrsverbünde Berufsverbände, Kammern haben alle in NRW ein größere Dichte und massiven Bedarf an öffentlicher Finanzierung.
Ohne Auflösung des Kultusministeriums bleibt die Bildung auf der Strecke und bei all der Bevölkerungsenge dient das Ganze auch dazu den Wettbewerbsdruck von den Besitzenden fern zu halten und damit meine ich nicht Hausbesitzer, sondern Machtbesitzer.
Die Politik hat da keine Chance, weil eine legal korrumpiertes System erst fällt, wenn die ganzen kleinen Machtstrukturen durch ihre schiere Existenz sich nicht mehr selbst erhalten können, so wie dereinst der Feudalismus zusammenbrach.

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