Und so kann man auch Kicken. Mit FernglĂ€sern falsch rum. đ
Geschichte einer völlig verkorksten Ăberschrift.
Heute morgen schaute ich auf die Seite DerWesten.de und war ĂŒberrascht. Da hieĂ es doch tatsĂ€chlich:
GrĂŒnen Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann erteilt schwarz-grĂŒn eine klare Absage.
Ich war deswegen ĂŒberrascht, weil diese Aussage, allen anderen Aussagen, die ich von den GrĂŒnen kenne und kannte, Hundertprozentig widersprach.
Noch ĂŒberraschter war ich, als die Ăberschrift auch noch ĂŒber Twitter ging:

Was fĂŒr ein Bullshit, dachte ich, erzĂ€hlt Löhrmann denn da. Was soll das?
Ich hab mir dann das Interview durchgelesen. Darin war nicht die Rede von einer Absage an schwarz-grĂŒn. Im Gegenteil. Sylvia Löhrmann öffnete in dem GesprĂ€ch die Partei fĂŒr ein BĂŒndnis mit den Schwatten. Sie sagte, dass es auf die Inhalte ankomme und die GrĂŒnen in der Regierung ihre Inhalte umsetzen wollten. Egal mit wem â und wenn das nicht möglich sei, dann wĂŒrden sie halt in der Opposition bleiben.
Das ist die abgestimmte Position, die im Augenblick alle GrĂŒnen Spitzenpolitiker vertreten. Löhrmann redete keinen Bullshit.
Weiter sagte Löhrmann, natĂŒrlich gebe es inhaltliche Differenzen mit der CDU â gerade in der Schulpolitik. Hier halte MinisterprĂ€sident JĂŒrgen RĂŒttgers an einer ĂŒberholten Vorstellung fest. Aber sie lies offen, ob man sich hier annĂ€hern könne.
Nur ein BĂŒndnis mit der FDP schloss Löhrmann aus. War die Ăberschrift aus politischer Unkenntnis oder aus einem politischen Antrieb heraus falsch, um fĂŒr ein wenig Unruhe morgen beim Parteitag der GrĂŒnen zu sorgen? Wir werden es sicher nicht erfahren. Vielleicht war es auch einfach eine Shit-Happens-Nummer.
Wie dem auch sei, die Nummer lief ĂŒber die Kabel und auch wir hatten die falsche Ăberschrift auch in unserem Ruhrpiloten verlinkt – wenn auch nur kurzzeitig.
Gott sei Dank hat nun einer bei DerWesten bemerkt, dass die Headline komplett Nonsense war. Dort heiĂt es jetzt:
Nun ja, wenigstens das stimmt. Denn ein BĂŒndnis mit der FDP wird es wohl tatsĂ€chlich nicht geben. Gott sei Dank kann man im Netz Ăberschriften Ă€ndern.
Pele Caster
Pele Caster, Freitag, 5. Februar, 20.30 Uhr, BahĂa de Cochinos, Castrop Rauxel
Ruhrpilot – Das Navigationssystem fĂŒr das Ruhrgebiet
Theater: Dortmund ehrt Tana Schanzara…Der Westen
Ruhr2010: BrĂŒcke vom Ruhrgebiet zum Bosporus…Neue OsnabrĂŒcker Zeitung
Pop: Westfalenhallen gegen FZW…Ruhr Nachrichten
HIV: Zahnarzt verweigerte Behandlung…Marceldams
NRW: Löhrmann ĂŒber Schwarz-GrĂŒn…Der Westen
Integrationsrat: CDU, DTF und DITIB â Wahl am 7.2….Dirk Schmidt
Ruhr2010: Instanbul Symphonie…Hometown Glory
Medien: Ich bin bereit, den Preis zu zahlen, den die Verlage verlangen…Mediaclinique
Indie Ruhr Festival: Kostenloser Sampler zum Download!…News of Metal
Internet: Kommentare?…Bo Alternativ
Rudolf Steiners Rassenlehre
Wie der âBund der Freien Waldorfschulenâ Steiners Rassismus vertuscht. Von unserem Gastautor Ansgar Martins.
Bild: Tafelzeichnung Rudolf Steiners 1923
âJa, ich kann meinen Namen tanzen.â Alles klar? Ich bin WaldorfschĂŒler und habe inzwischen eine gewisse Routine entwickelt, die vielen bunten Fragen zur Waldorf-Folklore zu beantworten. âTöpfern, Schmieden, Strickenâ alles kein Problem. Ein anderer Typ Fragen bringt mich dagegen jedes Mal ernsthaft ins Schwitzen â und zwar Fragen wie: âJa, schon interessant das alles, aber war da nicht was mit R A S S I S M U S an Waldorfschulen?â
Denn die Antwort enthÀlt eine wirklich unschöne Geschichte:
Die erste Waldorfschule wurde 1919 von Rudolf Steiner (1861-1925) gegrĂŒndet. Steiner hat in vielen Schriften und ĂŒber 7000 mitstenographierten VortrĂ€gen ein esoterisches Weltkonzept namens Anthroposophie (âWeisheit vom Menschenâ) entwickelt â die Steiner Gesamtausgabe (âGAâ) hat schlappe 354 BĂ€nde. Und vieles, was Steiner da so von sich gab, verschlĂ€gt einem heute schlicht die Sprache:
âDa werden wir begreifen, daĂ die indianische Bevölkerung Amerikas, die uns so rĂ€tselhaft erscheint mit ihren sozialen Gliederungen und ihren eigentĂŒmlichen Instinkten, ganz anders sein muĂ. Wieder anders ist die afrikanische, die Ă€thiopische, die Negerrasse. Da sind Instinkte, welche sich an das niedere Menschliche anknĂŒpfen. Und bei den Malayen finden wir ein gewisses traumhaftes Element. (…) die mongolische Rasse [wird] es immer ablehnen, eine pantheistische Anschauung anzunehmen. Ihre Religion ist ein DĂ€monenglaube, ein Totenkult. Die Bevölkerung, die man die kaukasische Rasse [d.h. âdie Weisse Rasseâ â A.M.] nennt, stellt die eigentliche Kulturrasse dar, welche (…) nicht mehr die magischen KrĂ€fte handhaben kann, sondern sich auf das Mechanische verlassen muĂ.â [GA 54, 9.11.1905]
âĂ€h …?â
Solche und andere rassistische Phantasien glaubte Steiner durch die Lehre abzumildern, dass der Mensch als âGeistiges Wesenâ via Reinkarnation einmal alle Rassen live erleben mĂŒsse:
âDerjenige, der heute als Angehöriger der europĂ€ischen Menschenrasse erscheint, hat in frĂŒherer Zeit andere Menschenrassen durchlaufen und wird in spĂ€terer Zeit andere durchlaufen als unsere. Es erscheinen uns die Rassen wie Lehrstufen, und es kommen Zusammenhang und Zweck in diese Mannigfaltigkeit hinein.â [GA 54, 9.11.1905]
WaldorfschĂŒler, -eltern, und oft genug auch -lehrer, stehen vor diesem immer wieder durch die Medien gehenden Unfug âihresâ SchulgrĂŒnders genauso ratlos wie Nicht-Waldorfianer. AufklĂ€rung wĂŒrde man eigentlich von der Waldorf-Dachorganisation erwarten. In der Tat distanzierte sich der âBund der Freien Waldorfschulenâ 2007 in seiner âStuttgarter ErklĂ€rungâ formal von âjeglicher Formâ des Rassismus und Nationalismus und gab schon 2001/02 zwei BĂ€nde zum Thema âAnthroposophie und der Rassismusvorwurfâ heraus, Kurzfassungen stehen als Download im Internet bereit:
* âRassenideale sind der Niedergang der Menschheitâ
* âRudolf Steiner als aktiver Gegner des Antisemitismusâ
Die Autoren von âRassenideale sind der Niedergang der Menschheitâ, Lorenzo Ravagli, Redakteur der waldorfeigenen Zeitschrift âErziehungskunstâ, sowie Hans-JĂŒrgen Bader und Manfred Leist, Justiziare des âBundesâ, weisen darauf hin, dass Steiner seine Anthroposophie als âinternationalistischâ verstand und eine âWeltkultur aus dem Geist der Freiheitâ forderte, die alle âRassenâ und âKlassenâ ĂŒberwinde. Statt solchen Ansichten allerdings eine historisch-kritische Distanzierung von Steiners Rassentheorien hinzuzufĂŒgen, wird mit abenteuerlichen Interpretationen versucht, diese Theorien als sachlich richtig und unproblematisch, mehr noch: als menschenfreundlich umzudeuten.
Wenn Steiner etwa von einer lemurischen, atlantischen und arischen âWurzelrasseâ der âMenschheitsentwickelungâ spreche, sei das gar nicht weiter schlimm:
âWer Begriffe wie den der âWurzelrasseâ verwendet, wie Steiner dies fĂŒr kurze Zeit tat, muss deshalb noch kein Rassist sein. Denn er meinte damit in Abwandlung eines Ă€lteren Sprachgebrauches Entwicklungsepochen der Menschheit und nicht anthropologische Rassen.â [Rassenideale, S. 1]
Steiner sagte aber:
âSchwarz sind die Ăberreste der lemurischen Rasse, gelb sind die Ăberreste der atlantischen Rasse, und weiĂ sind die ReprĂ€sentanten der 5. Wurzelrasse, der nachatlantischen oder arischen. Der EuropĂ€er Melchior [Steiner redet gerade ĂŒber die Opfergaben der âHeiligen drei Königeâ â A.M.] bringt Gold, das Symbol der Weisheit, der Intelligenz.â [BeitrĂ€ge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe, hg. R. Steiner Verlag, Bd. 60, S. 4]
Davon völlig unbeeindruckt erklĂ€ren die Autoren Bader/Ravagli weiter: Steiner habe mit âRassencharakterenâ gar keine Charaktereigenschaften gemeint, denn er âbetonte (…) ausdrĂŒcklich, dass er von körperlichen Eigenschaften rede und nicht von seelischen oder geistigen.â [Rassenideale, S. 3].
DafĂŒr gibt es Indizien, aber Steiner fabulierte eben auch:
âSehen Sie, meine Herren, alles dasjenige, was ich jetzt [ĂŒber Rassen â A.M.] geschildert habe, das sind ja Dinge, die im Leibe des Menschen vor sich gehen. Die Seele und der Geist sind mehr oder weniger unabhĂ€ngig davon. Daher kann der EuropĂ€er, weil ihn Seele und Geist am meisten in Anspruch nimmt, Seele und Geist am meisten verarbeiten.â [GA 349, 3.3.1923]
In Bezugnahme auf obigen Vortrag heiĂt es bei Bader/Ravagli schlieĂlich: Steiner betone, âder âNegerâ könne aufgrund seiner andersgearteten Konstitution âseine Menschlichkeitâ nicht verlieren, wĂ€hrend dies bei den WeiĂen sehr wohl der Fall sein könne, weil sie zu einseitig auf die Sinne und den Intellekt hin organisiert seien.â [Rassenideale, S. 3]
Diese Formulierung ist selber ein MusterstĂŒck rassentheoretischen Denkens: Hier wird von der âandersgearteten Konstitutionâ der âNegerâ und ĂŒber âauf den Intellekt organisiert[e]â âWeiĂeâ gesprochen. DarĂŒber hinaus sah Steiner den âVerlust der Menschlichkeitâ bei EuropĂ€ern nur gegeben, da diese sich angeblich statt auf das âVerarbeitenâ des âGeistigenâ nur auf einen inhumanen âMaterialismusâ konzentrierten, denn eigentlich sei die âweiĂeâ als âdie zukĂŒnftige, die am Geist schaffende Rasseâ vorgesehen [GA 349].
Statt Aufarbeitung und sachlicher Distanzierung von Steiners rassistischem Unfug geht es den Autoren und dem Herausgeber âBund der Freien Waldorfschulenâ nur um Abwehr und Apologie, sowie darum, Kritikern eine âunhistorische und selektiveâ Arbeitsweise zu unterstellen [Rassenideale, S. 1]. Das kann höchstens dazu fĂŒhren, Waldorfvertreter auf eine â sachlich falsche â ideologische Linie einzuschwören. Und natĂŒrlich dazu, dass die Debatte um Steiners Rassismen und die Waldorfschulen weiterhin explosiv bleibt. Auch manche Anthroposophen, denen diese Rassismen peinlich sind, fĂŒrchten daher inzwischen, Zitat Ralf Sonnenberg: âDas apologetische Unternehmen der Autoren Bader, Leist und Ravagli könnte sich somit auf lange Sicht hin noch als Bumerang erweisen.â
Zum Autor:
Ansgar Martins, Jahrgang 1991, besucht die Freie Waldorfschule Mainz und setzt sich auf seinem âWaldorf Blogâ konstruktiv-kritisch mit Anthroposophie und WaldorfpĂ€dagogik auseinander.
Neuer Politblog – CDU Kampfblog?
In den vergangenen Tagen wurde ich von verschiedenen Leuten auf den Blog Klare Kante hingewiesen. Dies sei der neue Kampfblog der CDU in NRW. Nun, ich hab mir das Ding jetzt mal angeschaut. Und muss sagen: Wenn das die Vorhut der schwarzen Wahlkampf-Maschine sein soll, dann weiĂ ich es auch nicht.
Der Blog ist zunÀchst einmal mager. Da passiert nix. Erst eine Handvoll BeitrÀge und die noch schlecht geschrieben. Ein Twitteraccount fast ohne Follower. Das prickeligste bisher: Ein Interview mit Peter Ramsauer. Peter Wer? Ramsauer. Das ist ein Typ aus Bayern, der in Berlin Verkehrsminister ist und in NRW nix zu sagen hat.
Der Ramsauer jedenfalls schwadroniert bei der Klaren Kante ĂŒber die Bedeutung der NRW-Wahlen fĂŒr Berlin. Wettert gegen die Linke. Aber sagt kein Wort zum besch.ssenen Nahverkehr im Ruhrgebiet und warum eigentlich der RuhrXpress nicht kommt, der mal als Ersatz fĂŒr den Metrorapid angedacht war und von Berlin cofinanziert werden sollte. Ein völlig belangloses Interview. Ăhnlich die QualitĂ€t der anderen Texte.
Als Macher hinter Klare Kante outet sich Gerd Reuter. Ein alternder Journalist, der als âKanzlerkorrespondentâ mit Alt-Kanzler Helmut Kohl (CDU) „auf allen fĂŒnf Kontinenten“ war.
Wer Helmut Kohl ist, muss man den jĂŒngeren Lesern sicher erklĂ€ren. Das ist der Mann mit den verschwiegenen Millionenspenden, der von dem Skandal vor ein paar Jahren. Ja genau der, der seinen Ehrenvorsitz bei der CDU aufgeben musste, weil er das mit den Finanzen nicht hingekriegt hat. Ich finde, es ist ein merkwĂŒrdiger Versuch fĂŒr einen Blogger, seine Qualifikation mit der NĂ€he zu einem Bimbesmauschler beweisen zu wollen. Aber egal. Seine Motivation fĂŒr den Blog sieht Reuter in der „Schicksalswahl„, die auf NRW im Mai zurolle. Als Domain-Inhaber und Admin fungiert ein CDU-Mann und Ex-Vize-Schatzmeister aus der Heimat-Gegend von NRW-Medienminister Andreas Krautscheid (CDU), der sich vor einem Jahr in den Wahlkampf abgemeldet hat. Erst vor Kurzem ist der Mann, Niels Litzka, aus dem Impressum der Internetseite der CDU-Meckenheim als Webmaster gelöscht worden.
Nur zur ErklÀrung: Krautscheid ist Vorsitzender der CDU im Kreis Rhein Sieg, zu dem die CDU Meckenheim gehört.
Ich rechne ganz scharf damit, dass die CDU in diesem Wahlkampf versucht, Blogs neben sich im Untergrund zu platzieren, um eine Wahlbotschaft zu transportieren. Nun sagen einige Leute in DĂŒsseldorf, der Blog Klare Kante soll eines dieser U-Boote sein. Gleiches vermuten andere Leute auch hinter dem Blog „Wir in NRW“ – nur mit anderen Vorzeichen. Es wird gespottet, die Schreiber unter dem Ex-WAZ-Vormann Alfons Pieper seien „Rotblogger“.
Tja, wie dem auch sei: Ich glaube nicht, dass Pieper „Rotblogger“ anfĂŒhrt. DafĂŒr sind die Berichte dort meist zu gut, zu fundiert und zu journalistisch. Zudem zeugen sie von einer intimen Kenntnis der CDU-Strukturen. Ich denke eher, da machen Leute mit, die von der jetzigen CDU unter dem MinisterprĂ€sidenten JĂŒrgen RĂŒttgers enttĂ€uscht sind. Ich glaube, bei „Wir in NRW“ sind Leute aller Colour mit einem journalistischen Interesse.
Wenn der Blog „Wir in NRW“ reine Wahlkampfmasche wĂ€re, so wĂ€re das fĂŒr mich eine RiesenenttĂ€uschung.
Aber zurĂŒck zur Klaren Kante. Auch hier fĂ€llt es mir schwer zu glauben, dass hinter dem Schrott eine Parteistruktur steht. DafĂŒr ist das Ding zu uninformiert und schwach. Und wenn doch, dann sollten sich die Wahlkampfmanager der CDU ihr Geld zurĂŒckgeben lassen. Das Ding langweilt. Die Zugriffsraten werden miserabel sein. Unter 1000 Leser am Tag – da halte ich jede Wette.
Zudem wĂ€re zu prĂŒfen, ob es sich um Rechtsbruch handelt, wenn eine Partei wie die CDU den Blog aus Parteikassen finanzieren wĂŒrde, ohne sich als Financier zu outen. Auch hier glaube ich, wird sich die CDU kaum in die Brennnesseln setzen wollen und kurz vor der Wahl einen kleinen Finanzskandal anheizen.
Aus diesen GrĂŒnden denke ich lieber, Klare Kante ist das Werk eines alten Mannes, der im Netz Unsinn macht und sich dabei von einem jĂŒngeren Parteigenossen der CDU helfen lĂ€sst.
Den Rest wird die Zeit beweisen.
Auschwitz – oft verglichen, doch unvergleichbar
Gut drei Jahre vor dem Fall der Berliner Mauer fand in der Bundesrepublik Deutschland eine heftige Debatte statt, die unter dem Namen âHistorikerstreitâ Eingang (nicht nur) in die deutschen GeschichtsbĂŒcher finden sollte. Gestritten wurde ĂŒber die Frage, ob es sich bei âAuschwitzâ â der Ortsname der Vernichtungsfabrik steht hier symbolisch fĂŒr die millionenfache Ermordung europĂ€ischer Juden â um einen Völkermord handelt, der sich von den mannigfachen anderen Genoziden in der Menschheitsgeschichte im Grunde nicht nennenswert unterscheidet – „mit alleiniger Ausnahme des technischen Vorgangs der Vergasung“ (Ernst Nolte). Oder ob der Holocaust bzw. die Schoah als ein historisch einzigartiges Verbrechen zu betrachten, âAuschwitzâ also mit nichts Anderem vergleichbar sei. JĂŒrgen Habermas prĂ€gte das Wort von der âSingularitĂ€tâ der Nazi-Verbrechen. Von unserem Gastautor Werner Jurga
Diese Sicht der Dinge scheint sich im damaligen Historikerstreit durchgesetzt zu haben. Und so gilt bis heute ein Vergleich von âAuschwitzâ bzw. des Naziterrors insgesamt mit anderen historischen Ereignissen gemeinhin als ein Versuch, den Holocaust zu historisieren, zu relativieren und dadurch zu verharmlosen.
Dagegen wird die stetige Warnung vor jedwedem Extremismus, egal ob von links oder rechts, selten beanstandet. âUnsere Historie hat bewiesen, dass Radikalismus von links oder rechts in den Abgrund fĂŒhrtâ, heiĂt es jetzt bspw. in einem Kommentar hier bei den Ruhrbaronen, in dem der Verfasser (âJunge Union Dortmundâ) vor âlinken Bedrohungâ warnt, die sich seines Erachtens aus rot-rot-grĂŒnen Koalitionen ergeben könnte.
Der Publizist Henryk M. Broder, um ein ganz anderes Beispiel zu nennen, fĂŒhrt seit einiger Zeit einen erbitterten Streit gegen Wolfgang Benz, den Leiter des Berliner Zentrums fĂŒr Antisemitismusforschung. Broder nimmt AnstoĂ daran, dass Benz den Antisemitismus mit der Islamophobie vergleicht.
Die âSingularitĂ€t von Auschwitzâ wird von Broder instrumentalisiert, um dem fĂŒhrenden deutschen Antisemitismusforscher nicht nur Ahnungslosigkeit zu unterstellen, sondern implizit auch Antisemitismus. Der Antisemitismus-Experte als Antisemit.
Dabei ist sich Broder durchaus darĂŒber im Klaren, dass das Tabu, Auschwitz nicht mit anderen PhĂ€nomenen vergleichen zu dĂŒrfen, weil der Holocaust und wie auch  der Antisemitismus ĂŒberhaupt einzigartige Abscheulichkeiten sind, in sich nicht schlĂŒssig ist. Denn um zu dem Urteil zu gelangen, dass sich das Ereignis A substanziell von den Ereignissen B,C,D usw. unterscheidet, muss A vorher mit B,C,D usw. verglichen worden sein. Anders formuliert: Unvergleichlichkeit lĂ€sst sich erst nach dem Vergleich attestieren.
So nimmt denn Broder auch â z.B. in seinem in der âWeltâ erschienenen Essay âSind Muslime die Juden von heute?â â zur Kenntnis, dass Benz und Kollegen âaufrichtig versichern, sie wĂŒrden das eine mit dem anderen nicht gleichsetzen, sondern nur vergleichen. Und Vergleiche anzustellen sei eine wissenschaftlich bewĂ€hrte und zulĂ€ssige Methode.â
Doch diese Kenntnisnahme bleibt ziemlich konsequenzlos, wie der folgende Satz deutlich macht: âDas stimmt. GrundsĂ€tzlich kann man alles mit allem vergleichen. Die Wehrmacht mit der Heilsarmee, einen Bikini mit einer Burka und die GEZ mit der Camorra.â
Oder â an anderer Stelle, weil Broders Polemiken so viel SpaĂ machen: „Praktisch lĂ€uft der Vergleich â ausgesprochen oder insinuiert â darauf hinaus, dass die Moslems die Juden von heute sind und die so genannte Islamophobie ’strukturell‘ dem Antisemitismus verwandt ist. Was auch nicht ganz falsch ist, wenn man bedenkt, dass ein Nilpferd mit einem Menschen einiges gemeinsam hat: Es isst, schlĂ€ft, verdaut und pflanzt sich heterosexuell fort.“
Doch wie sehr auch Broder gegen das Vergleichen polemisiert: entkleidet man seine SprĂŒche der blanken â wenn auch unterhaltsamen â Polemik, bleibt inhaltlich kein Ertrag ĂŒbrig. âVergleiche anzustellen sei eine wissenschaftlich bewĂ€hrte und zulĂ€ssige Methodeâ, zitiert er seine Gegner, wobei er offen lĂ€sst, ob der Konjunktiv (âseiâ) ausschlieĂlich der indirekten Rede geschuldet ist, oder ob er selbst diese Feststellung in Zweifel zieht. Wie auch immer: der Vergleich ist nicht irgend eine, sondern die entscheidende wissenschaftliche Methode herauszufinden, was A von B,C,D usw. unterscheidet, und was eben nicht.
Derselbe Broder weist â allerdings in einem ganz anderen Zusammenhang â darauf hin, dass wenn man den Holocaust als MaĂstab nehme, jedes andere Unrecht zwangslĂ€ufig verblassen muss. Gemessen an Auschwitz ist die Berliner Mauer nicht der Rede wert. Gemessen an Auschwitz erscheint ĂŒberhaupt alles Jammern und Klagen, alles Protestieren und Sich-Wehren als weinerlich bis hysterisch. Auschwitz kann nicht der MaĂstab sein; die MeĂlatte hinge in diesem Fall zu hoch.
Ich halte an der Auffassung fest, dass der Holocaust ein beispielloses Verbrechen, wenn Sie so wollen: ein singulĂ€res Ereignis, darstellt. Ich erlaube mir diese Meinung, weil ich âAuschwitzâ gedanklich mit anderen schrecklichen Verbrechen verglichen habe und meine, dessen Unvergleichlichkeit an einer Reihe von Punkten festmachen zu können. Was immer man auch von den Studien ĂŒber Antisemitismus und Islamophobie von Benz und anderen halten mag: es ist prinzipiell geboten zu vergleichen. Denn Vergleichen ist das Gegenteil von Gleichsetzen. Gleiches ist nicht miteinander zu vergleichen.
Manche Vergleiche sind freilich â die beiden von Broder konstruierten Beispiele machen es offenkundig â von vornherein absurd. Der gestern hier, ansonsten immer und ĂŒberall bemĂŒhte Vergleich zwischen Faschismus und Kommunismus gehört nicht dazu. Es macht durchaus Sinn, die Parallelen, Ăhnlichkeiten und Unterschiede von Rechts- und Linksextremismus ganz genau zu untersuchen. Die Gleichsetzung des âRadikalismus von links oder rechtsâ, wie sie von der  Jungen Union Dortmund hier zum Besten gegeben wurde, ist unzulĂ€ssig, jedoch keineswegs unĂŒblich. Der Kalte Krieg ist beendet, die Totalitarismus-Theorie lebt weiter.
Dass die jungen Bengel von der CDU sie fĂŒr Wahlkampf-MĂ€tzchen nutzen, muss einen nicht sonderlich kĂŒmmern. Auch dass zu vermuten ist, dass sie diesen Unsinn selbst glauben, ist an und fĂŒr sich nicht zu beanstanden. Ich frage mich allerdings schon, was in den Köpfen vorgeht, die so arglos ĂŒber die âAbgrĂŒnde in unserer Historieâ plappern, in die uns der âRadikalismus von links oder rechtsâ gefĂŒhrt habe. Sie wissen doch, was in Auschwitz passiert ist. Sind sie wirklich so unsensibel?
Die Jung-Unionisten dĂŒrften annehmen, der Holocaust sei Vergangenheit, und so etwas werde sich niemals wiederholen. Wer weiĂ? Aber dass sich auf dieser Welt noch auf unabsehbare Zeit Völkermorde ereignen werden, darf als sicher gelten. Und was die Gegenwart betrifft: Ruanda ist nicht der einzige Schauplatz.
Man darf Auschwitz mit anderen GrĂ€ueln vergleichen; man sollte es sogar tun. Der amerikanische Sozialwissenschaftler Daniel Goldhagen, der mit seiner Studie âHitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaustâ fĂŒr weltweite Debatten sorgte, hat es in seinem jĂŒngsten Buch gemacht. Es heiĂt âSchlimmer als Krieg: Wie Völkermord entsteht und wie er zu verhindern istâ und ist Ă€uĂerst lesenswert.
Foto: Wikipedia/Bundesarchiv
Game-Show-Woche Tag 4
LaufrĂ€der können lustig sein. Crazy werden sie mit den richtigen KostĂŒmen und bescheuerten Aufgaben. đ
Van Dinther klebt am Sitz
Gerade hat die LandtagsprĂ€sidentin Regina van Dinther eine ErklĂ€rung vor der Presse in DĂŒsseldorf abgegeben zu ihren diversen AffĂ€ren um RAG-Kohle und fehlenden MitgliedsbeitrĂ€ge. Sie sagt, sie habe ausreichend „Zuwendungen“ an die CDU getĂ€tigt. Damit stelle sich die Frage nach offenen MitgliedsbeitrĂ€gen nicht. Die RAG-BezĂŒge seien ein „Fehler“ gewesen, mehr nicht. Zum RĂŒcktritt wird sie nicht von der eigenen Partei gedrĂ€ngt. Deswegen passiert jetzt gar nichts weiter. Es gilt nach wie vor das Prinzip von MinisterprĂ€sident JĂŒrgen RĂŒttgers (CDU): Keiner geht – egal warum!
Van Dinther sagte sinngemÀà zu ihren MitgliedsbeitrĂ€gen, sie könne belegen, dass sie Sachzuwendungen und andere Zuwendungen an die CDU getĂ€tigt habe, so dass es unerheblich sei, wenn es aus ihrem Kreisverband hieĂe, sie habe ihre MitgliedsbeitrĂ€ge jahrelang nicht abgefĂŒhrt. Es habe höchstens „ein Kommunikationsfehler zwischen Kreisverband und Ortsebene“ vorgelegen. Van Dinther sagte weiter, sie habe zudem einen Abbuchungsauftrag von ihrem Konto unterschrieben, so dass sie sich nichts vorzuwerfen habe. Wegen der RAG-Kohle habe es nur Fehler in der Kommunikation gegeben – und auch ein wenig fehlendes FingerspitzengefĂŒhl. Das war es. Bei ihrem Vorgehen kann sich die LandtagsprĂ€sidentin auf ihre Partei verlassen. Dort wird sie unterstĂŒtzt. Zuletzt sagte CDU-Fraktionschef Helmut Stahl, die Sache sei erledigt. Erst gestern hatte Regina van Dinther eine Karnevalssitzung im Landtag abgesagt, weil sie sich ob der AffĂ€re unpĂ€sslich fĂŒhlte.
Nach der neuesten Wahlumfrage von Forsa liegt die CDU noch bei 41 Prozent, die FDP bei nur noch sechs Prozent. Damit kippelt die Mehrheit. Die GrĂŒnen haben zugelegt auf elf Prozent und die SPD liegt bei 32 Prozent. Die Linke sitzt bei fĂŒnf Prozent am Rand des Tisches. In den anderen Umfragen sieht das Bild Ă€hnlich aus, mit mal mehr mal weniger starken Schwankungen bei der CDU. In so einer engen Lage können am Ende doch die Skandale entscheiden.
Keine Chance fĂŒr Grubenponys

Auch im kommenden Landtagswahlkampf wird die Kohle wieder eine Rolle spielen. SPD und Linkspartei wollen, dass die Zechen auch in Zukunft weiter fördern. Das wĂŒrde teuer werden, denn eine wirtschaftliche Perspektive hat die Steinkohle aus Deutschland nicht, sagt Manuel Frondel, der Energieexperte des RWI-Essen.
Herr Frondel, die Stimmen, die noch 2008 von einer Renaissance der deutschen Steinkohle gesprochen haben sind ruhig geworden.
DafĂŒr gibt es auch gute GrĂŒnde: Die damals dem hohen Ălpreis geschuldete kurzzeitige Hochpreisphase ist lĂ€ngst vorbei. Der Kohlemarkt hat sich stabilisiert. Die Tonne Kraftwerkskohle, und die macht auch in Deutschland den gröĂten Teil der Förderung aus, kostet auf dem Weltmarkt wieder etwa so viel wie in den Jahren 2005-2007, als der Preis nahezu konstant bei 65 Euro die Tonne lag. Die Förderkosten fĂŒr eine Tonne Steinkohle liegen in Deutschland im Schnitt bei 170 Euro.
Sind die 65 Euro nicht nur ein Preistief, das mit dem Ende der Krise vorbei ist?
Nein, das ist das Preisniveau fĂŒr Kraftwerkskohle, mit dem auch in Zukunft zu rechnen sein dĂŒrfte. Die FörderkapazitĂ€ten sind weltweit gestiegen. Mit einem dauerhaften Preisanstieg fĂŒr Kohle ist nicht zu rechnen.
Ein HoffnungstrÀger war ja die Kokskohle. Dort lag nach Angaben des Vereins der Kohleimporteure der Weltmarktpreis im vergangenen Jahr in Schnitt bei 200 Euro.
Ja, aber mit stark fallender Tendenz. Die Zeit der hohen Kokskohlenpreise geht zu Ende. Auch fĂŒr Kokskohle wurden die FörderkapazitĂ€ten erhöht. Das sehen offensichtlich auch potentielle Investoren so, denn bislang hat sich niemand gefunden, der mit seinem eigenen Geld in Deutschland Kokskohle fördern will.
Auch wenn der Preis im Moment unter dem Weltmarktpreis liegt?
Ja, denn eine neue Zeche muss sich ĂŒber Jahrzehnte mit Gewinn betreiben lassen und offensichtlich gibt es niemanden, der den Optimismus der Kohlelobby teilt, denn sonst wĂŒrde ja irgendein Unternehmen sagen: âIch will eine Koskohlenzeche ohne Subventionenâ. Der Preis von 170 Euro ist auch nicht ehrlich. Der Bergbau verursacht SchĂ€den, die folgende Generationen noch in Jahrhunderten zu tragen haben â wĂ€ren die mit eingepreist, wĂŒrde niemand mehr ĂŒber die Zukunft der Steinkohle in Deutschland sprechen.
Foto: RWI-Essen

