Inspiriert von den Wäschewagen-Randalen des Kollegen Meiser einige grundsätzlichere Gedanken zum Thema Zivildienst, und warum man dieses Relikt aus dem Kalten Krieg abschaffen sollte. Oder einfach nur zwei Kategorien, in denen man das diskutieren kann. Erst die Moral, wie es sich gehört, dann die volkswirtschaftlichen Ineffizienzen.
Zivildienst ist ungerecht, denn nur die Hälfte muss ihn machen. Frauen nicht. (Das einzig valide Gegenargument, das ich zu diesem Punkt bisher gehört habe: Frauen müssen mit ihrer Lebenszeit haushalten, weil sie nicht ewig Kinder bekommen können. Dass Frauen und Familien Kinder und Beruf hinbekommen, ist für mich eine unserer großen Herausforderungen. Wir brauchen Kinder. Was letzlich mehr wiegt, weiß ich nicht.)
Es gibt also keine Wehrgerechtigkeit, nur etwas über der Hälfte der Hälfte muss den Dienst leisten, denn weniger als zwei Drittel der Männer eines Jahrgangs leisten Wehr- oder Zivildienst.
Zur Wirtschaft. Ohne Zivildienst hätten wir nach einer Anpassungsphase einen Jahrgang mehr im Arbeitsmarkt (minus Wehrungerechtigkeit!). Das erhöht die Lebensarbeitszeit und entlastet die Rentenkassen. Es ist ein verlorenes Jahr für junge Leute im besten Alter, in dem sie Ausbildung und Bildung vertiefen können. Wer Leichen im Krankenhaus umher schiebt, nimmt von mir aus etwas fürs Leben mit. Hört man auch mal als Argument. (Wer nach der Schule nicht weiß, wo er hin will, kann ja immer noch ein FSJ machen.) Aber im globalen Wettbewerb ist Bildung und Ausbildung wichtiger.
Wenn ich jemandem etwas umsonst gebe, der sich dran gewöhnt, kommt er nicht mehr davon los: Träger werden heulen und zetern und fluchen, dass sie nicht auf die billigen Arbeitskräfte verzichten können. Aber billige Arbeitskräfte werden nicht effektiv eingesetzt. Eben weil sie billig sind. Grundlegendes Prinzip der Wirtschaft.
Reguläre Arbeitskräfte sind sehr viel teurer. Aber wieviel produktiver sind sie, wenn sie über Jahre aufgebaut werden, Wissen ansammlen, sich mit ihrem Arbeitgeber identifizieren? Wie produktiv ist ein Zivi, der in der Woche direkt aus der Disko halbwegs ausgenüchtert beim Dienst aufschlägt? Kann von seinem Arbeitgeber ja nicht wirklich belangt? Der Zivildienst ist ein Jahr mit viel Party und wenig Verantwortung.
Ich habe keinen blassen Schimmer von Krankenhaus-Management, aber mich würde interessieren, wieviele reguläre Arbeitsplätze durch den Wegfall von zehn Zivistellen entstehen würden. Sagen wir mal zwei – das sind halbwegs sozialversicherte Jobs, die Steuern bringen. Mit in die volkswirtschaftliche Bilanz müsste einfließen, dass zehn jungen Leuten ein Jahr lang etwas beigebracht werden kann. Oder sie arbeiten und zahlen auch Steuern.
Zivis dürfen nicht in der Verwaltung eingesetzt werden – in der Praxis hört man aber immer wieder, dass das geschieht. Oder, sicherlich ein extremer Fall: Zivis organisieren in einem Altenheim für Millionäre das hauseigene Café – und verprassen ihre Trinkgelder an Wochenenden beim Skifahren in den Alpen oder auf Mallorca. Ist das Sinn der Sache? Solche Dienstleistungen sollten wirklich von der Wirtschaft bezogen werden, das schafft Arbeitsplätze in der Gastronomie.
Leider kann man den Zivildienst nicht isoliert von der Wehrpolitik betrachten. Eine Wehrpflichtigenarmee liegt mir eher als eine Berufsarmee. Wir sind eine Wissensgesellschaft (oder haben diesen Anspruch), in der jeder Mann und jede Frau an einer Waffe eine Verschwendung ist, aber wer weiß, wie die Welt in fünfzig oder hundert Jahren aussieht. Irgendwann brauchen wir wieder eine Armee, die in der Gesellschaft verankert ist. Aber man sollte nicht die Augen vor den Fragwürdigkeiten des Zivildiensts verschließen.





OB Reiniger (CDU und 2. vr) ließ sich bei Rot-Weiß Essen feiern. Foto: Stadt Essen