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Rechtsextremismus als soziale Bewegung: Feindbild Stadt

Nazi-Demo in Dortmund

Anti-städtische Einstellungen sind kein Alleinstellungsmerkmal für überzeugte Rechtsextremisten. Heimatfilme gleichen sich zumeist erschreckend: Die ehrlichen und unverdorbenen Dörfler setzen sich tugendhaft und gewitzt, aber stets fair, gegen Eindringlinge aus der Stadt zur Wehr. Die NPD nennt sowas einen ” erd- und bluthaften Widerstand”.  Teil II der Serie “Rechtsextremismus als soziale Bewegung”. Von unserem Gastautor Patrick Gensing/Publikative

Die Stadt dient Rechtsextremen als ein zentrales Feindbild, das Land wird hingegen stets idealisiert – hier findet sich  die Volksgemeinschaft im Kleinen. In NPD-Papieren ist gerne von Kulturlandschaften und familiären Bauernbetriebe die Rede. Und der NPD-Landtagsabgeordnete Jürgen Gansel schrieb über die “multi-ethischen” Metropolen:

Schon im 20. Jahrhundert haben Nationalisten bei Wahlen auf dem Land stets ihre besten Ergebnisse erzielt, weil Menschen, die in intakte Sozial-, Kultur- und Traditionsverhältnisse hineingeboren werden, immer eine Ader für das Natürliche und Gewachsene, also das Nationale, haben. […] Die Globalisten wollen den identitätskastrierten, wurzellosen und gemeinschaftsunfähigen Konsumbürger, wie er gerade in multi-ethnischen Großstädten gedeiht. Dörfer und Kleinstädte könnten zum Kristallisationspunkt eines fast erd- und bluthaften Widerstands werden.

Im Weltbild der NPD “gedeihen” Menschen auf einem gesunden Boden – und dies im Dorf, nicht in der Großstadt. Das Bild der Stadt war bereits ein Feindbild der NS-Mythen, auch die Juden waren stets im urbanen Raum verortet: als hinterlistige Kaufleute und raffende Spekulanten beispielsweise. Neonazis rufen in aktuellen Strategiepapieren dazu auf, die Städte vom Land aus zu erobern. Auch die Rechtsterroristen der NSU suchten ihre Opfer überwiegend in westdeutschen Großstädten, in denen ein vermeintlicher Multi-Kulti-Wahn herrsche.

Schwarz-Weiß-Denken – getarnt hinter leuchtenden Alpenpanoramen

Anti-städtische Einstellungen sind aber bei Weitem kein Alleinstellungsmerkmal für überzeugte Rechtsextremisten, es sei jedem empfohlen, sich am Sonnabend zur Hauptfernsehzeit einen Heimatfilm in einem der großen TV-Sender anzuschauen. Der Plot gleicht sich zumeist frappierend: Das Ganze spielt in einer heilen und natürlichen Dorfidylle mit glücklichen, traditionsbewussten und in sich ruhenden Menschen. Dann taucht das Problem, die Herausforderung auf, eine Veränderung beziehungsweise Bedrohung von Außen. Oft kommt diese daher in Person eines skrupellosen Spekulanten oder eines verlorenen Sohnes, der in der Stadt verdorben wurde, und nun als Erbe oder gewissenloser Geschäftsmann in sein Heimatdorf zurückkehrt. Die ehrlichen und unverdorbenen Dörfler setzen sich tugendhaft und gewitzt, aber stets fair, gegen die Eindringlinge zur Wehr – und siegen. Immer. Die heile und vor allem unveränderte Welt bleibt bestehen. Der verlorene Sohn lernt seine Lektion und verliebt sich in die unscheinbare biedere Dorfbraut, mit der er schon in der Kindheit gespielt hatte. „Echte“ Städter verlassen hingegen das Dorf nach ihrer Niederlage wieder und sind für immer verloren. Fazit: Alles Schlechte kommt aus der Stadt, das Leben auf dem Land ist ehrlich und gut. Ein simples Schwarz-Weiß-Denken – getarnt hinter den leuchtenden Farben von Alpenpanoramen und frisch gestrichenen Fachwerkhäusern.

Solche Vorstellungen von „ursprünglichen“ Zuständen sind weit verbreitet, diese Filme und deren immensen Einschaltquoten bei fast immer gleicher Handlung belegen eine antimoderne Sehnsucht – auch andere Trends wie der Mittelalter-Kult weisen darauf hin. All dies kann (!) rechtsextreme Einstellungen begünstigen – allerdings ist es ein weiter Weg, bis aus Einstellungen auch Handlungen werden. Denn auch in Westdeutschland hegen und pflegen Studien zufolge zehn bis 15 Prozent der Bevölkerung ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild – allerdings wählen diese zumeist keine rechtsextremen Parteien, sondern Union oder SPD, Sarrazin lässt grüßen, oder sie wählen gar nicht.

Ausgangspunkt der Globalisierung

Große Städte präsentieren sich Besuchern zumeist unübersichtlich, wirken unkontrollierbar – und damit möglicherweise auch bedrohlich – zumindest für Menschen, die nach Sicherheit und gewohnten Abläufen streben. Stadtluft verspricht aber oft auch Freiheit. Gerade das macht ihren Reiz aus. Stadtplaner setzen zunehmend auf „weiche Standortfaktoren“ – Vielfalt und Subkulturen als Standortvorteil. Wirtschaftsinstitute legen ganze Studien über die Vielfalt in Städten vor, um Fachkräften einen Zuzug schmackhaft zu machen.

Städte können als Ausgangspunkt der Globalisierung gesehen werden, sowohl der kulturellen als auch der wirtschaftlichen – hier besonders die Hafenstädte, die mit anderen Städten und Ländern Handel treiben, und wo Menschen aus anderen Ländern ankommen und neue Einflüsse bringen. Menschen ziehen aber nicht nur aus Spaß und wegen der Suche nach Abwechslung und der Sehnsucht nach Kultur in Städte: Auch Bildung, Arbeit oder Reichtum stellen wichtige Gründe da – gleichzeitig fürchten sich viele aber auch vor den urbanen Zentren, vor Kriminalität und fremden Menschen. Nicht alle Dörfler sind stockkonservativ, nicht alle Städter tolerante Weltenbürger. Law-and-order-Politiker, wie Ronald Barnabas Schill in Hamburg mit fast 20 Prozent gezeigt hat, können in den Städten große Wahlerfolge erreichen: Ihre Versprechen nach geordneten Verhältnissen in der Stadt kommen bei Teilen der Bevölkerung gut an. Schreckensgeschichten aus den Städten von brandschatzenden Chaoten sind Legion, die Vororte gruppieren sich um die Städte als Rückzugsgebiet für Leute, die zwar in Ballungsräumen leben wollen oder müssen, gleichzeitig aber die Sicherheit und Ordnung von Dörfern benötigen. Sie sind ein Abbild des Land im städtischen Umfeld, „Disney-World Suburbia“, wie die Journalistin Petra Steinberger von der Süddeutschen Zeitung es formulierte. Und der kleine Garten dient als Ersatz für die ursprüngliche Natur.

“Kreuzberger Heimatschutz”?

Mittlerweile sind solche Phänomene nicht mehr auf die Vororte begrenzt. Familien, die es sich leisten können, bleiben in den Szene-Vierteln wohnen. Dies führt zu neuen Konflikten, da nun zunehmend die Bedürfnisse der Eltern mit denen der Pistengänger kollidieren. Mangelnde Toleranz, identitäres Gehabe und Tellerrand-Mentalität bei allen Beteiligten verstärken  Auseinandersetzungen, deren Niveau wiederum an der Idee der Stadt zweifeln lässt.

Die Stadt wächst oft nicht im Sinne der aktuellen Anwohner. Zurzeit sind in Berlin einige Anti-Gentrifizierungsritter zum offenen Heimatschutz übergegangen und drohen gegen Ladenbetreiber, die angeblich schuld an der Umwandlung im jeweiligen Kiez seien. Hier werden komplexe Vorgänge personalisiert – ein Einfallstor für reaktionäre Ideen. Zudem wird gerne übersehen, dass auch die Pioniere der Subkulturen die damaligen Alteingesessenen nicht nach ihrer Meinung gefragt hatten, als sie in die günstigen, weil heruntergekommene Innenstadtviertel zogen – und so die Voraussetzungen für den heutigen Aufschwung schufen. Im Gegensatz zu heute wurde damals allerdings niemand verdrängt. Die Wut darüber sollte aber keine neuen Ausgrenzungsmechanismen in Gang setzen.

Dennoch: Die Stadt ist für alle da – so ein vollkommen zutreffender Slogan von Anti-Gentrifizierungsinitiativen. Alle heißt aber auch der zugezogene Gutverdiener aus dem Schwabenland – und nicht nur die Leute, die mir ins Konzept passen.

Rechtsextreme Strukturen auf dem Land

Städte verändern sich. Ständig. Wer das nicht ertragen kann oder nicht mit sehr unterschiedlichen Menschen in einem Viertel leben will, sollte nicht in der Stadt leben. Dörfer bleiben über Jahrzehnte fast unverändert in ihrer Struktur. In den urbanen Zentren kommen und gehen Menschen andauernd, das Beständige ist der Wechsel, das Leben ist überraschend und oft unvorhersehbar durch die vielen unterschiedlichen Charaktere, welche auf engen Raum aufeinandertreffen.

In einigen Stadtteilen deutscher Großstädte entstehen durch das Aufeinandertreffen von grundverschiedenern Menschen neue Moden, Stile und Trends, die dann von Trendscouts, Medien und Werbung aufgegriffen und vermarktet werden. Und irgendwann gehören dann auch Irokesen-Schnitte in die Dorfdisco – 20 Jahre zuvor wurden Punks mit einer solchen Frisur dort noch herausgeprügelt. Die rechtsextreme Bewegung basiert aber vor allem auf Strukturen im ländlichen Bereich – beispielsweise in Vorpommern oder der Sächsischen Schweiz. Mit fatalen Folgen für die kulturelle Ausstattung dieser Bewegung, wie der dritte Teil der Reihe Rechtsextremismus als soziale Bewegung zeigt.

Teil 1: Terror-Trio? Rechtsextremismus als soziale Bewegung

Crossposting: Der Artikel ist bereist auf Publikative.org erschienen.

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Betroffener
Betroffener
12 Jahre zuvor

Sorry, aber das Geschreibe vom Kreuzberger Heimatschutz komplett niveaulos und ohne jegliches Kennen der Gegebenheiten verfasst. Insgesamt ist die Tendenz dieses Artikels rechtes Gedankengut mit berechtigten Entwurzlungsängsten gleichzusetzen in meinen Augen beschähmend.

DH
DH
12 Jahre zuvor

Der Text ist die gewissermaßen jungleworld-eske Verkürzung eines im Prinzip interessanten Themas; es ist allerdings Unsinn zu glauben, nur Reaktionäre würden ihre Territorien verteidigen oder wahre Urbaniten würden jede Veränderung ihres Viertels gutheißen („weil Städte sich ja verändern“).

Tatsächlich ist es eher so, dass die unterschiedlichsten Milieus ihr „Recht auf Dorf in der Stadt“ reklamieren.

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