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Sarrazin und die Angst der SPD vor den Rechtspopulisten

Tilo Sarrazin

Sarrazin darf in der SPD bleiben – und soll Wähler sichern.

Die Rechtspopulisten sind in Europa auf dem Vormarsch: Ob in Holland, Finnland, Italien oder Frankreich – fast überall  sind ihre Zuwächse beängstigend groß. Und sie wachsen zu einem vor allem auf Kosten der sozialdemokratischen/sozialistischen Parteien. Sie werden häufig von Modernisierungsverlierern gewählt. Von jenen, die mit den immer schnelleren Innovationszyklen nicht klar kommen, deren Fähigkeiten nicht mehr benötigt werden und die die Veränderung ihrer Stadtteile durch Migration als Bedrohung empfinden. Auch wenn die meisten von ihnen Sarrazins Buch kaum gelesen  und sich nicht näher mit seinen abstrusen eugenischen Theorieversuchen beschäftigt haben werden, werden viele von ihnen sie dem zustimmen, was in der Diskussion über Sarrazin bei ihnen hängen blieb: Es gibt zu viele Ausländer, sie kosten Geld und bedrohen die Deutschen und ihre Lebensweise.

Der Entschluss Sarrazin in der Partei zu behalten, hat mit der Angst der SPD zu tun, auch diese Wählerklientel, den klassischen „kleinen Mann“, zu verlieren. Käme eine rechtspopulistische Partei, die keine Nazis in ihren Reihen hat, die SPD könnte unter 20 Prozent gedrückt werden. Mit ihrem Beschluss, Sarrazin in der SPD zu belassen, macht sie das Entstehen einer solchen Partei in Deutschland zudem wahrscheinlicher: Sie legitimiert die Thesen rechtspopulistischer Politik und kann nicht mehr glaubhaft dagegen halten. Beispiel? Wenn der Bochumer SPD-Bundestagsabgeordnete der Sprecher der NRW-Landesgruppe sich  empört über die Wahlergebnisse der Rechstpopulisten in Finnland äussert, auf Spiegel-Online hingegen erklärt „Die SPD muss auch Thesen wie die von Sarrazin aushalten“ ist das nur noch erbärmlich.

Natürlich ist diese Taktik dumm. Käme eine solche Partei würde sie die Ressemtiments besser bedienen als es die SPD könnte – und die eher braunen unter den SPD-Wählern würden zum Original wechseln. Die SPD erlebt das gerade bei den Grünen –  wer schon beim ersten warme Frühlingstag Angst vor dem Klimawandel bekommt wählt Grün und nicht SPD.

Dabei liegt für die SPD ein ganzes Themenfeld offen. Olaf Scholz und Sigmar Gabriel haben es erkannt, weite Teil der ergrünten Partei nicht: Den Erhalt des Industriestandorts Deutschlands und seiner Arbeitsplätze.  Das geht wunderbar ohne Pappköpfe wie Sarrazin – aber auch nur ohne Hardcore-Ökos wie den hessischen SPD-Chef Schäfer-Gümbel, der bis 2030 alle Kohlekraftwerke abschalten will. Nach dem ergrünen der Union und dem drohenden Untergang der FDP gäbe es dann für alle, die noch eine Idee davon haben, wo der Wohlstand dieses Landes erwirtschaftet wird, keine Alternative als die Wahl der SPD.

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Mirko
12 Jahre zuvor

richtig scheisse, dass Sarrazin immer noch das „Mitte“-Etikett-SPD tragen darf

obwohl – „Mitte“ doch „Rechts“, oder?

“DIE MITTE IN DER KRISE – Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2010″

https://library.fes.de/pdf-files/do/07504.pdf

Dieter Carstensen
12 Jahre zuvor

SPD – quo vadis?

In 25 Jahren werden Jungwähler eine Partei namens SPD, deren Mitglied ich immerhin von 1974 bis 2001 war, wohl nur noch vom Hörensagen kennen.

In den Kindermärchen wird man in jenen Jahren unter Gruselmärchen für Kinder berichten, das so lautet:

„Liebe Kinder,

vor langer Zeit trug es sich zu, dass es einmal Menschen gab, die sich wie Lemminge verhielten. Diese nannten sich Spezialdemokraten.

Sie stürzten alle gemeinsam, blind vor Panik vor den schlimmen, gemeinen GRÜNEN, ROTEN, GELBEN und SCHWARZEN Wölfen, welche ihnen ein Stück von ihrem Kuchen klauen wollten, den einst Onkel Willy aus dem Hause Brandt, gebacken hatte, gemeinsam in den Abgrund der Geschichte.

Und wenn sie nicht gestorben wären, so lebten diese Lemminge noch heute in jenem Wald, der viele Jahre „der dunkle Wald der Geschichte der SOZIALDEMOKRATIE“ hiess und in dem des Nachts der böse Onkel Noske und die Kriegskredite für Onkel Kaiser Wilhelm herumspukten.

Der Wald, der aber so dunkel war, dass man vor lauter Schröders, Steinmeiers, Sarazzins, Hartz IV Fallen, Leiharbeitsarbeitsverhältnissen, Hedge Fonds und all den anderen bösen Geistern im Wald, wie auch dem rundlichen Prinz Gabriel aus Niedesachsen, von Schröders Gnaden, denen die Lemminge auf den Leim gegangen waren, nicht mehr das Licht sah, war tückisch und gemein.

Und als dann Prinzessin Andrea, von Nahles Gnaden, um Gnade für die Sarrazins dieser Welt rief, war es zu spät.

Der Weg der Lemminge in den Abgrund war nicht mehr aufzuhalten.

Und so, liebe Kinder, starben sie aus, die Spezialdemokraten aus dem dunklen Wald der Sozialdemokratie und stürzten sich von der Klippe der Geschichte in die Dunkelheit des Vergessens …

Und die Moral von der Geschicht?

Schlaft gut liebe Kinder und folgt niemals den Lemmingen.“

Christian S.
12 Jahre zuvor

„Hardcore-Ökos wie den hessischen SPD-Chef Schäfer-Gümbel, der bis 2030 alle Kohlekraftwerke abschalten will“

Echt jetzt? Und wo soll die Energie herkommen? o_O

Bert
Bert
12 Jahre zuvor

Dass Einwanderung einer kulturellen Bereicherung gleichsteht, ist einer Mittelschicht in schöneren Wohnvierteln noch gut zu vermitteln. SPD-Wählern in weniger schönen Wohngegenden muss man da schon mehr „Toleranz“ abverlangen.

Zu lange hat die Politik das Thema Einwanderung nur machtfunktional als Zuwanderung von Wählerstimmen gesehen.

Frank (frontmotor)
12 Jahre zuvor

Der türkische Gemüsehändler in Moabit, den Sarrazin so verachtet, leistet immerhin einen Beitrag für seinen Kiez. Er bezahlt Steuern und bezieht keine Staatsknete. Im Gegensatz zu dem Berufsstand, den Sarrazin bis vor kurzem vertreten hat: Bankvorstand.

Als Finanzsenator hat er Bildungsetats zusammen gestrichen und die Folgen davon prangert er in einem rechtspopulistischen Buch an, dass er neben seiner Halbtagsstelle als Bundesbankvorstand geschrieben hat.

Andrea Nahles hat eines verstanden: Die meisten SPD-Mitglieder sind erzkonservativ und viele klatschen Sarrazin heimlich Beifall.

Wer aber so denkt, zieht die Grenzen der Interessenssphären nicht zwischen den Gesellschaftsschichten sondern Ethnien. Lenkt den Groll von der Oberschicht auf Minderheiten und spekuliert obendrein auf Anerkennung und Belohnung von der Oberschicht auf dass ihm dies für seine eigene Karriere nützlich werde. So wie bei Wolfgang Clement, Gerhard Schröder, Peer Steinbrück, Olaf Scholz und so weiter.

Stimmt, das hat etwas von Verrat.

trackback

[…] Sarrazin I: und die Angst der SPD … ruhrbarone […]

Manfred Michael Schwirske
Manfred Michael Schwirske
12 Jahre zuvor

Hätte man den TS in einer beliebigen privaten Berliner Ecke stehen lassen, in der ihn der Beifall der Gleichgesinnten kaum hätte erreichen können. Dann wär er jetzt draussen.

Da es aber die Medien allesamt nicht lassen konnten, ihn auf die Bühne zu stellen und seine beschränkten Weisheiten wieder und wieder von rechts auf links und zurück zu wenden, hat er den Adel der Publizität auf die Waagschale zu legen.

Weshalb seine Partei am Ende kaum anders konnte. So seh ich das.

Popeye
Popeye
12 Jahre zuvor

„Auch wenn die meisten von ihnen Sarrazins Buch kaum gelesen und sich nicht näher mit seinen abstrusen eugenischen Theorieversuchen beschäftigt haben werden, werden viele von ihnen sie dem zustimmen, was in der Diskussion über Sarrazin bei ihnen hängen blieb: Es gibt zu viele Ausländer, sie kosten Geld und bedrohen die Deutschen und ihre Lebensweise.“

Wer ist denn Schuld, das angeblich dieses Bild aus der Diskussion zurückbleibt? Sarrazin wohl nicht, sondern die, die unbedingt rassistisches, sozialdarwinistisches oder anderes in sein Buch hinein interpretieren wollen.

„Der türkische Gemüsehändler in Moabit, den Sarrazin so verachtet“

Wirklich, alle Achtung, es gehört schon was dazu, das aus dem Originalzitat heraus zu lesen!

„Eine große Zahl an Arabern und Türken in dieser Stadt, deren Anzahl durch falsche Politik zugenommen hat, hat keine produktive Funktion, außer für den Obst- und Gemüsehandel, und es wird sich vermutlich auch keine Perspektive entwickeln.“
https://eppinger.files.wordpress.com/2009/10/klasse-statt-masse.pdf

Ich habe mehere Kritikpunkte an seinem Buch, z.B. seine staatsgläubige, auf Zwang aufgebaute Bildungspolitik, aber hey, was solls, damit ist er ja voll auf SPD-Linie.

PS: Was für ein Schock, das hat tatsächlich Sarrazin gesagt:

„Wenn die Türken sich so integrieren würden, dass sie im Schulsystem einen anderen Gruppen vergleichbaren Erfolg hätten, würde sich das Thema auswachsen.
Der vietnamesische Kioskbesitzer wird immer gebrochen Deutsch sprechen, weil er erst mit dreißig eingewandert ist und ungebildet war. Wenn seine Kinder Abitur machen oder Handwerker werden, hat sich die Sache erledigt. Türkische Anwälte, türkische Ärzte, türkische Ingenieure werden auch Deutsch sprechen, und dann wird sich der Rest relativieren.“

Arnold Voß
Arnold Voß
12 Jahre zuvor

@ Popeye

Das ist ja das Problem. TS hat schon vieles gesagt. Und er bleibt dabei gerne im ideologischen Ungefähren. Das macht ja erst den erfolgreichen Demagogen aus.

Und nun zu dem Originalzitat das sie wiederum zitieren:

“Eine große Zahl an Arabern und Türken in dieser Stadt, deren Anzahl durch falsche Politik zugenommen hat, hat keine produktive Funktion, außer für den Obst- und Gemüsehandel, und es wird sich vermutlich auch keine Perspektive entwickeln.”

Dieser Satz ist einer dieser herrlichen Saarazinsätze die sehr wohl unterschiedliche Interpretationen erlauben aber doch für den sogenannten Stammtisch in eine bestimmte Richtung weisen.

1. Keine produktive Funktion haben in unserer aktuellen Volkswirtschaft in Wirklichkeit mehr als die Hälfte der Bevölkerung, und das ganz jenseits des Migrationsthemas. Nichts destotrotz hat dieser Teil der Bevölkerung eine wichtige volkswirtschaftliche Funktion als Konsumenten.

2. Die Araber und Türken Berlins sind nicht nur im Obst- und Gemüsehandel „produktiv“ tätig. Selbst die die angeblich nur dort tätig sind. Wobei hier der Begriff produktiv von Saarazin obendrein ökonomisch falsch verwendet wird.

3. Was der Satz aber auch aussagen kann und offensichtlich auch will: Die meisten Araber und Türken leisten nichts für uns und das wird sich auch nicht ändern. Schuld daran sind sie selbst und ein falsche Politik die dafür gesorgt hat, dass sie zuviele geworden sind.

Popeye
Popeye
12 Jahre zuvor

Eines der Probleme in der Debatte ist, das immer der ominöse „Stammtisch“ herhalten muss, einmal als Pool, aus dem angeblich die Sarrazinbefürworter kommen und zweitens als Plattform für eine Deutungsrichtung der Aussagen von Sarrazin, die man guten Gewissens bekämpfen kann.

zu 1. Sarrazin spricht sowohl im Lettre International als auch im Buch in diesem Zusammenhang nie nur Migranten an. Und diese wichtige volkswirtschaftliche Funktion als Konsumenten ist wohl hinfällig, wenn das Geld vom Staat, also von Steuern kommt.

zu 2. Während man Sarrazin schon mit seinem Ausdruck „Eine große Zahl“ Pauschalisierung vorwerfen kann, erhöhen Sie diese zum Zweck der Kritik noch, eine unter seinen Kritikern häufig vorzufindende Unart.

zu 3. Es ist zwar ganz platt ausgedrückt, beschreibt aber zum größten Teil richtig das Problem. Sein Vergleich Schweden-Chicago reißt kurz die Ursachen an. Und wie Sie an meinem letzten Zitat sehen können, meint er nicht, das sich nie was ändern könnte. In dem Zusammenhang finde ich seinen Gedanken des „Herauswachsens“ sehr gut. Wenn es die eine Generation nicht schafft, sich selbst zu versorgen oder aufzusteigen, hat sie doch die Pflicht, der nachfolgenden Generation, also ihren Kindern, entsprechende Fähigkeiten, natürlich auch mit Hilfe des Staates zu vermitteln. Und das gilt natürlich nicht nur für Migranten

Mir
Mir
12 Jahre zuvor

Zum Thema aus dem Hohlspiegel : Kurz und bündig

https://www.spiegel.de/fotostrecke/fotostrecke-67088-6.html

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[…] gelohnt. Für Sarrazin – und auch für die SPD. Also alles „Taktik“, wie Stefan Laurin schon vor drei Tagen vermutete, bzw. die Angst, „auch diese Wählerklientel, den klassischen, […]

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