Schwerverletzter Fan in Köln – Umdenken nötig

Fußballfans umgeben von Polizisten. Quelle: Wikipedia; Foto: Heptagon; Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Im Vorfeld eines Testspiels des 1.FC Köln gegen Schalke 04 kam es am heutigen Nachmittag auf dem Kölner Rudolfplatz zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen Anhängern der beiden Klubs. Bei der Schlägerei wurde ein vierzigjähriger Anhänger, der dem Schalker Hooligan-Milieu zugerechnet wird, schwer am Kopf verletzt und schwebte zeitweise in Lebensgefahr. Die Kölner Polizei hat eine Mordkommission eingesetzt. So bestürzend der Vorfall in Köln auch ist, und so seltsam es anmutet, dass jetzt schon Testspiele in der Winterpause dafür genutzt werden, um gewalttätige Auseinandersetzungen zu suchen, muss bei der anstehenden medialen Debatte mit großer Vorsicht argumentiert werden.

Das Verhältnis zwischen Fußballfans und den Sicherheitsbehörden hat sich in den vergangenen Jahren zugespitzt. Dabei spielten auch immer wieder die verschiedensten Medien mit Berichten über „gewalttätige Ultras“ und der ungeprüften Übernahme von Polizeimeldungen eine unrühmliche Rolle. Auffällig dabei ist, dass sich viele Vorfälle anders darstellen, wenn unbeteiligte Augenzeugen zu Wort kommen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang z.B. an den Vorfall in der Schalker Nordkurve, beim Champions-League-Qualifikationsspiel gegen PAOK Saloniki. Dort stürmten mehrere Hundertschaften der Polizei den Fanblock, um eine mazedonische Fahne zu beschlagnahmen. und verletzten 80 Personen durch den Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray. Nur durch massenhaften Protest von Schalke-Fans wurde der Polizeiübergriff kritisch beleuchtet und in großer Einigkeit verurteilt.

Die Berichterstattung über Auseinandersetzungen im Umfeld von Fußballspielen macht allerdings nur einen Teil des Problems aus. Auch auf Seiten von DFB, DFL und den Vereinen muss ein Umdenken einsetzen. Fanvereinigungen suchen immer wieder den Dialog, erhalten in der Regel allerdings nur Lippenbekenntnisse ohne tatsächliche Folgen als Antwort. Die Forderung nach einer Möglichkeit für Fans, Pyrotechnik kontrolliert abbrennen zu können, steht noch immer im Raum, und könnte, da es sonst immer wieder zu unkontrollierten und deswegen riskanten Pyrotechnikzündungen kommt, zu einer für alle Beteiligten guten Lösung führen. Auch die Praxis der inflationär ausgesprochenen Stadionverbote muss überdacht werden. Die von Stadionverboten betroffenen, zumeist jungen Fußballfans werden durch dieses Mittel in die Arme von Hooligans getrieben, da sie keine Möglichkeit mehr haben, ihre Vereine im Stadion zu unterstützen und andere „Erlebnisse“ im Umfeld der Spiele suchen.

Der erschreckende Vorfall in Köln sollte genutzt werden, um ohne Denkblockaden über Fanrechte, Polizeieinsätze und Sozialarbeit zu diskutieren. Es wäre nützlich, wenn die Debatte nicht in den üblichen Bahnen verliefe. Sicherheitsbehörden und Fanorganisationen sollten auf Augenhöhe miteinander ins Gespräch kommen und sich nicht von schrillen Zwischenrufen beeinflussen lassen. Es wird auch in Zukunft zu Ausschreitungen im Rahmen von Fußballspielen kommen, allerdings sollten alle Beteiligten ein Interesse daran haben, dass gewaltsuchende Gruppierungen keinen weiteren Zulauf bekommen. Die Polizei sollte sich darum bemühen, nicht als martialisch bewaffneter Feind der Fans aufzutreten, sondern diese, wo es nötig ist, zu schützen und sich sonst im Hintergrund halten.

 

 

 

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Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
10 Jahre zuvor

Wer wirklich glaubt, eine „kontrollierte Pyroerlaubnis“, evt. im Gitterkäfig neben einer Tribüne, würde egomane oder auf Gewalt fixierte Pyromanen von einer weiterhin illegalen Nutzung abhalten, der hat endgültig den Boden jedweder diskutablen Realität verlassen.

Und übrigens *hat* sich die Polizei lt. den einzelnen Meldungen von heute nicht „martialisch“ oder sonstwie provoziernd verhalten und es ist trotzdem zu lebensbedrohlichen Gewalttaten (inkl. Bengalo-Abfackeln im Vorgeld) seitens der Vollpfosten unter den Fußballfans gekommen.

Nun weiter die ewig gleiche Leier von der pösen Polizei zu tröten, senkt den Beachtungs-Anspruch der Diskussion für den Rest unserer Gesellschaft auf fast Null. Aber merken tut das von den selbsternannten Fußballpolitniks anscheinend Niemand.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
10 Jahre zuvor

Ach ja, übrigens berichten die RuhrNachrichten, dass an der Massenschlägerei die Dortmunder DES (Desperados) beteiligt waren und 15 von ihnen von der Polizei festgenommen wurden ( https://www.ruhrnachrichten.de/staedte/dortmund/44137-Dortmund~/Ein-Schalker-lebensgefaehrlich-verletzt-Dortmunder-Desperados-an-Schlaegerei-in-Koeln-beteiligt;art930,2250487).

Da wird also der Polizei schon am Beginn dieser Saison wg. einer taktischen Einkesselung des DES-„Ultras“ vor dem Braunschweig-Spiel Provokation und Unverhältnismäßigkeit vorgeworfen, da werden DES-Leute trotz erwiesener Kontakte zu Nazis weiterhin im Stadion geduldet und der Fast-Totschlag von heute soll auch noch Anlass sein, sich „sonst im Hintergrund zu halten“???

Sorry Sebastian, aber das ist grade vor dem heutigen Hintergrund fetter, eindeutiger Bullshit!

keineEigenverantwortung
keineEigenverantwortung
10 Jahre zuvor

Warum wird bei Gewalt und Feuerwerk in Menschenmassen etc. so oft aus dem Fan-Umfeld relativiert?

Es sollte doch klar sein, dass Gewalt und Personengefährdungen nicht toleriert werden können.

Zur EM/WM gab es doch genügend Massnahmen, um sicherzustellen, dass bekannte Gewalttäter sich an Spieltagen nicht im Spielumfeld aufhalten.

Hier müssen Grenzen gesetzt werden. Leider werden die Täter eher selten ermittelt, obwohl die Sicherheitskräft direkt daneben stehen und oft Videoaufnahmen existieren.

Natürlich gibt es auch berechtigte Kritik an Einsätzen (z.B. Fahne auf Schalke).

Was ist eigentlich so toll am Abfackeln von Feuerwerk etc.?

Feiert man sich selber oder unterstützt man die Mannschaft?

Nansy
Nansy
10 Jahre zuvor

Also jetzt muß ich mal sarkastisch werden 😉

Eine “kontrollierte Pyroerlaubnis”, evt. im Gitterkäfig, ist keine so gute Idee!
In Zeiten, in denen über Rauchverbote in Fußballstadien diskutiert wird um die umstehenden Leute vor giftigem „Passivrauch“ zu schützen, kann es ja wohl nicht angehen an ein „kontrolliertes“ Abbrennen von Pyrotechnik zu denken.
Was kann so ein Pyrotechnik-Cocktail enthalten?

Auf alle Fälle eine ganze Menge kanzerogener Stoffe. Um eine Rotfärbung bei Feuerwerken zu erhalten, wird Strontiumoxalat, Strontiumcarbonat, Strontiumoxid und Strontiumnitrat, für eine Grünfärbung Bariumoxolat, Bariumchlorat und Bariumnitrat, für die Knalleffekte ein Gemisch aus feinen Metallpulvern (das freut die Lunge ganz besonders und wirkt ähnlich wie Asbest, je nach PM-Größe) angereichert. Damit die Feuerwerkskörper auch genauso schön pfeifen, werden Oxidationsmittel sowie Chlorate, PERchlorate und weitere Salze aromatischer Säuren dem Cocktail beigemischt. Die Rauchsätze enthalten zudem, nebst dem abbrennbaren Teil, auch noch verdampfbare oder sublimierbare Stoffe, die dann bis in die Aviolen dringen. Barium reagiert mit fast allen nicht metallenen Stoffen und formt sie meist zu giftigen Verbindungen. Strontium-90 ist ein gefährliches, radioaktives Isotop. Strontiumchromat ist bekannt als Ursache für Lungenkrebs.
Alle Zutaten kann man hier finden: https://www.stop-fireworks.org/zusammensetzung.htm

Oder ist Pyrotechnik im Vergleich zu Zigarettenqualm ungefährlicher, weil es so schön leuchtet und knallt?

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