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Girls with guns und damsels in distress- Mercedes Alejandra Goudet Astudillo im Interview

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Die Künstlerin Mercedes Alejandra Goudet Astudillo lebt und arbeitet in Köln. Geboren im venezuelanischen Caracas, erlebte sie eine Kindheit in einer politisch und religiös geprägten Umwelt. In ihren Gemälden beschäftigt sie sich mit der Gleichstellung der Geschlechter und religiöser Heuchelei. Als Autodidaktin kämpft sie mit ihren grafischen Inszenierungen für die Emanzipation der Frau, Liberalismus, Toleranz und die freie Verfügung über den eigenen Körper.

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Mercedes Alejandra Goudet Astudillo im Interview

JH: Mit welchen Instrumenten arbeitest du und warum hast du dich für gerade diese Medien entschieden?
FLACA: Ich arbeite mit Photoshop und mache digitale Collagen, das heißt, ich verarbeite digitale Fotoausschnitte, bearbeite sie und füge sie zusammen. Dabei arbeiten mir Fotografen zu. Sie stellen mir ihre Bilder zur Verfügung. Neben Fotos arbeite ich eigene Zeichnungen und Aquarelle in meine Collagen ein.
JH: Das ist ja immer nah am Design dran. Photoshop ist schuld an viel digitalem Kitsch.
FLACA: Das stimmt. Gerade das will nicht machen. Ich möchte digitale Kunst schaffen, die mehr als nur Grafikdesign ist. Vieles, was mit Photoshop entsteht, ist sehr grafisch, zweidimensional und sehr platt. Ich möchte digitale Bilder schaffen, die wie Gemälde wirken. An meinen Bildern arbeite ich, bis ich wirklich zufrieden bin. An manchen Bildern arbeite ich zehn Tage, an anderen drei Wochen.

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JH: Du arbeitest viel mit popkultureller Ikonographie- von Marge Simpson über Superheldinnen wie Wonder Woman bis hin zu Schauspielerinnen aus Pulp-Filmen…
FLACA: Ich benutze Bilder von Frauen, die politisch interessant sind oder in ihrer Zeit etwas bewegt haben.
JH: Was steht dabei im Vordergrund- das Ästhetische oder das Politische an den Figuren?
FLACA: Beides. Ich bin eine Ästhetin und liebe das Schöne. Aber Schönheit und Ernst sind kein Widerspruch. Auch unangenehme Fragen lassen sich schön verpacken, sodass man bei genauem Blick erkennt, was dahintersteht.
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JH: Du hast im Studio Divas Dome ausgestellt. Wie kamst du dazu, in einem SM-Studio auszustellen?
FLACA: In meinen ersten Ausstellungen habe ich zwei Bilder präsentiert, bei denen Bondage im Fokus stand und die sehr gut angenommen wurden. Gleichzeitig hatte ich viel Material von Fotografen angesammelt, die ähnliche Motive zeigen. Daher habe ich eine Serie mit fünfzehn Arbeiten hergestellt. Eine befreundete Künstlerin wohnte in dem Haus, in dem sich auch das Studio befindet. Sie ist sehr gut mit der Inhaberin befreundet und hat den Kontakt hergestellt.
Die Innenräume des Studios waren sehr gut für eine Ausstellung geeignet- weiße Wände und viel Licht waren gute Voraussetzungen für eine Vernissage. Das Studio selbst ist nicht versteckt und schäbig, sondern steht mitten in einem Wohngebiet. Gleichzeitig setzt sich die Chefin sehr dafür ein, dass in ihren Räumen auch Kunst ausgestellt wird. Einmal im Jahr macht sie einen „Tag der offenen Tür“ mit Ausstellungen. Mittlerweile arbeite ich mit der Inhaberin intensiv zusammen. Sie macht Bondage- und Fetisch-Fotographie und stellt mir Aufnahmen zur Verfügung.

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JH: Auf deinen Bildern finden sich nicht nur girls with guns, sondern auch Motive von gefesselten Frauen- angelehnt an Bondage- und „damsel in distress“-Motive. Wie gehen die Fotographie von gefesselten Frauen in aufreizenden Posen und eine feministische Botschaft zusammen?
FLACA: Das ist Ansichtssache. Natürlich sind die Frauen eingeengt und gefesselt. Aber ich sehe Frauen, die dabei sind, sich zu befreien. In einem Bild ist Wonder Woman geknebelt. Man hat das Gefühl, sie will etwas sagen, sie will ihre Hände ausstrecken und schreien und für etwas kämpfen, das ihr wichtig ist.
JH: Und wie passt Barbarella in dieses Konzept?
FLACA: Barbarella ist ein Motiv meiner Reihe Girls with Guns. Wenn man die Figur sieht, kann man denken, es sei eine Fantasie für Männer. Aber dahinter steht Jane Fonda, die als öffentliche Person feministische Botschaften vertritt- eine wunderschöne Frau, die sich als öffentliche Person für die Gleichberechtigung von Mann und Frau eingesetzt hat.

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JH: Manche Vertreter des Feminismus sehen in der Darstellung weiblicher Sexualität in der Popkultur eine Form der Ausbeutung der Frau, die lediglich Ausdruck männlicher Phantasien ist. So behauptet die Genderphilosophin Judith Butler, die Burka sei  Ausdruck selbstgewählter Würde der Frau. Schleier und Burka gelten ihr nicht als Zeichen männlicher Unterdrückung, sondern als Akt weiblicher Selbstermächtigung. Auf der anderen Seite treten feministische Organisationen wie die Femen oder Pussy Riot entkleidet auf, um feministische Botschaften zu transportieren. Ist die Darstellung des weiblichen Körpers ein Instrument der Emanzipation oder der Unterdrückung?
FLACA: Feminismus bedeutet nicht, sich bedeckt zu halten. Ich stehe da auf der Seite von Pussy Riot. Wenn man Feministin ist, sollte man nicht nur das klassische Bild von Feministinnen sehen. Warum sollten wir unsere Körper verstecken? Als Feministin muss man sich auch nicht vermännlichen, um frei zu sein. Und warum sollte man weibliche Reize nicht nutzen, um seine Botschaft zu verbreiten? Das ist Ausdruck und Teil der Freiheit. Wenn eine Frau eine Burka trägt und sich dabei frei fühlt, kann sie das gerne tun. Aber man kann seine Weiblichkeit auch als Waffe benutzen, wenn man seine Brüste entblößt und schreit ‚Freiheit für alle!‘.

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JH: Im Augenblick wird über ein Verbot von Werbeplakaten mit aufreizenden Frauen im Bikini diskutiert. Aufhänger war ein Plakat eines Herstellers von Proteinpulver. Die Anzeige zeigt eine blonde, schlanke Frau in einem gelben Zweiteiler. Umrandet ist das Ganze mit den Worten „Are you beach body ready? Ist die Darstellung von attraktiven, leicht bekleideten Frauen im öffentlichen Raum diskriminierend gegenüber Frauen?
FLACA: An dieser Werbung ist nichts Schlimmes. Natürlich wollen Frauen schön sein, wenn sie zum Strand gehen. Es wird für Fitness geworben. Natürlich nimmt der Hersteller keine molligen Frauen. Ich verstehe nicht, warum Frauen sich darüber aufregen. Eine andere Sache sind diese Schönheitsideale, mit denen junge Mädchen nicht klarkommen und denken, sie müssen 35 Kilo wiegen.
JH: Die Franzosen denken gerade über ein Verbot der sogenannten „Magermodels“ nach.
FLACA: Diese Diskussion gibt es ja seit Jahren. Ich bin dafür, dass man auch Frauen mit Kleidergröße 40 zeigt. Schönheit hat viele Gesichter und findet sich in allen Gewichtsklassen. Das Wichtigste ist, dass man gesund ist und sich im eigenen Körper wohl fühlt. Aber zu magere Frauen kommen für meine Bilder oft nicht in Frage. Ich habe schon Arbeiten von Fotografen, die mir zuarbeiten, abgelehnt, weil ich an zu stark abgemagerten Frauen nichts finde.

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JH: Sind deine „girls without shame“ nicht nur eine Verklärung der Weiblichkeit ins Mystische oder gar die Verbildlichung allein männlicher Phantasien?
FLACA: Ich will mit der Reihe nicht „Frauen ohne Scham“ zeigen, sondern fordere, dass sich Frauen für ihre Weiblichkeit nicht schämen sollen. Ich habe mich lange für mein Frau-Sein geschämt. Das war ein Resultat meiner religiösen Erziehung- gerade in der Pubertät. Über den weiblichen Körper redet man in der katholischen Kultur nicht. Meine Pubertät wäre wesentlich schöner verlaufen, wenn man freier mit mir umgegangen wäre.

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JH: Wer sind die Helden des Feminismus der Gegenwart?
FLACA: Ich könnte natürlich Sängerinnen oder Künstlerinnen nennen. Wichtiger sind aber die Heldinnen des Alltags. Zum Beispiel die Frau, die ihre vier Kinder alleine großzieht. Das war auch Teil meiner Erziehung. Von Südamerika sagt man ja, dass es dort viele Machos gibt. Aber in meiner Familie hatten starke Frauen das Sagen. Sie haben sich ein freies Leben erkämpft.
JH: Trotz der katholischen Kultur?
FLACA: Natürlich sind wir sehr religiös erzogen worden. Aber wenn du eine Frau bist, die von ihrem Mann sitzen gelassen wurde, dann denkst du nicht mehr an Religion, sondern daran, wie du dich durchschlägst und deine Kinder groß ziehst. Dann merkst du: Lieben heißt kämpfen, das heißt arbeiten gehen und sich behaupten in Berufen, die nicht typisch für Frauen sind- weil man überleben muss. In meiner Familie lebt die Hälfte der Frauen geschieden. Diese Frauen arbeiten wie Männer. Das Latino-Macho-Bild ist eher eine romantische Vorstellung. Der Latino-Macho ist ein hilfloser Mann- ohne die Mama läuft da gar nichts. Die Männer sind dort irgendwann stehen geblieben, während die Frauen in meiner Heimat eine starke Entwicklung durchlaufen haben.
JH: Vielen Dank für das Gespräch!
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