
Sowohl für den amtierenden Dortmunder Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) als auch für seinen Herausforderer Alexander Kalouti (CDU) war der erste Wahlgang vor zwei Wochen eine Katastrophe.
Westphal kam nur auf 27,4 Prozent, Kalouti auf 17 Prozent. Die Ruhr Nachrichten hatten über Wochen eine Kampagne für den unabhängigen Kandidaten Martin Cremer gefahren, der trotzdem nur auf 14,6 Prozent kam und damit vor allem dem konservativen Kalouti geschadet hat. Für einen sich zur Wiederwahl stellenden Oberbürgermeister sind hingegen 27,4 Prozent eine Blamage. Zum Vergleich: Thomas Kufen (CDU) holte am 14. September in Essen 42 Prozent, Sören Link (SPD) in Duisburg 46 Prozent.
Eine vom Meinungsforschungsinstitut Forsa erstellte repräsentative Befragung der Dortmunder Bürger zeigt deutlich, dass die Dortmunder unzufrieden sind. 30 Prozent von ihnen würden die Stadt verlassen, wenn sie die Möglichkeit dazu hätten. Vor fünf Jahren sagte das nur 15 Prozent. Für 22 Prozent der Dortmunder sind nun Ausländer eines der größten Probleme der Stadt (2020: 5 %), 18 Prozent stören sich an den sozialen Brennpunkten (2020: 8 %) und der Verödung der Innenstadt (2020: 6 Prozent). Kriminalität, Drogen, die Lage auf dem Wohnungsmarkt – in vielen Bereichen hat die Unzufriedenheit seit der letzten Kommunalwahl zugenommen.
OB Westphal sieht die Ergebnisse der Forsa-Umfrage skeptisch: „Die Stadt führt regelmäßig eigene Befragungen durch – und dort sehen wir solche Ergebnisse so nicht. Für mich ergibt sich daraus kein stimmiges Gesamtbild.“ Die Kritik zeigt doch genau das Gegenteil: „Wer kritisiert, der möchte, dass sich Dinge verändern. Das beweist, dass den Menschen ihre Stadt wichtig ist.“ Und die Kritik nimmt er ernst: „Wir müssen die Drogenszene aus der Innenstadt herausholen – insbesondere in den Nacht- und frühen Morgenstunden ist sie dort sehr präsent. Das sind wir auch den Menschen schuldig, die dort leben, arbeiten oder unterwegs sind.“ Er setzt auf Hilfe und Repression. Crack verschärfe die Lage zusätzlich. Aber dieses Problem teile Dortmund mit vielen anderen Städten. „Es ist ärgerlich, dass das Drogenthema den Eindruck erweckt, die gesamte Innenstadt liege im Sterben. Das trifft absolut nicht zu. Wir haben viele gute Geschäfte und die Frequenzzahlen, also die Zahl der Besucher der Innenstadt, sind höher als vor Corona. Wir sehen immer wieder neue Besucherrekorde.“ Westphal sagt, er habe bereits damit begonnen, den Parkplatzabbau zu stoppen. „Wir sagen in diesem Wahlkampf: Wir stoppen den Parkplatzrückbau.“ Westphal glaubt, dass viele der Menschen, die früher vielleicht SPD gewählt haben, das heute aus Frust nicht mehr tun – weil sie sich nicht mehr wahrgenommen fühlen. „Das ist ein klares Warnsignal für uns als SPD. Deshalb ist es wichtig, das Gespräch mit diesen Wählern zu suchen. Ich will mit den AfD-Wählern sprechen – aber nicht mit der AfD selbst.“ Die Partei habe sich massiv radikalisiert.
Er hat auch einen Plan, was er in den kommenden fünf Jahren anstoßen will, wenn er wiedergewählt wird: Infrastruktur und Investitionsprogramm weiterentwickeln und nochmal weiter ausbauen – das sind die Kernpunkte, auch für die Menschen in der Stadt, die sich dann hinter den anderen Themen deutlich darstellen. Auch der Wohnungsbau sei sehr wichtig. „In den letzten fünf Jahren waren wir da nicht so schlecht: Wir haben etwa 8.000 neue Wohnungen gebaut. Das Ziel war 10.000, das haben wir nicht ganz geschafft, aber doch schon recht gut.“
Alexander Kalouti ist der Ansicht, dass es gute Gründe gibt, warum erstmals seit 1946 wieder ein Christdemokrat Dortmunder OB werden könnte: „Ich erlebe das in Gesprächen – von der alleinerziehenden Mutter bis zum CEO eines Unternehmens, und sogar innerhalb der Stadtverwaltung –, dass man das Gefühl hat: Die Probleme der Stadt werden nicht angegangen.“ Im Bereich Sicherheit, Sauberkeit und Ordnung – nicht nur in der Innenstadt, sondern auch in den Stadtteilzentren – gehe es nach Meinung der Bürger spürbar in Richtung Verwahrlosung.
In der Drogenpolitik steht Kalouti für einen harten Kurs: „Durch zusätzliche Drogenkonsumräume erhöht man sogar noch die Anziehungskraft. Das schafft einen Pull-Faktor. Und dann hat Rot-Grün auch noch die Wohnsitzauflage ausgesetzt. Damit holen wir uns Leute aus dem Umland nach Dortmund und verschärfen die Lage zusätzlich.“ Er will den öffentlichen Drogenkonsum massiv einschränken – durch die Wiedereinführung der Wohnsitzauflage und verstärkte Präsenz des kommunalen Ordnungsdienstes und gleichzeitig mehr in die aufsuchende Sozialarbeit investieren, um Betroffene in die vorhandenen Hilfseinrichtungen zu bringen. Kaloutis Sorge ist, dass eine künftige Welle der in den USA schon extrem verbreiteten Todesdroge Fentanyl Dortmund hart treffen wird, wenn nicht gegen die Drogenszene vorgegangen wird: „Ich bin ganz offen für eine Null-Toleranz-Strategie, bei der es darum geht, den Drogenkonsum so unattraktiv wie möglich zu machen.“
Er findet es alarmierend, dass fast jeder dritte Dortmunder am liebsten wegziehen will: „In den letzten Jahren hat sich vieles verändert. Das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit geht verloren. Die Menschen verlieren das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit ihrer Stadt.“ Dazu komme die weiterhin hohe Arbeitslosigkeit von 12 Prozent. „Wir sind im dritten Jahr der bundesweiten Rezession – und ein Rückgang der Arbeitslosigkeit ist nicht in Sicht.“
Kalouti will, dass sich auch in Dortmund mehr Menschen den Traum vom Eigenheim erfüllen können, er will, dass sie das Auto nutzen können, wenn sie wollen und nicht Objekt von Verkehrserziehung werden. Der Aufstieg der AfD bereitet ihm, wie Westphal, Sorge. Die Menschen hätten das Vertrauen verloren: „Ich meine damit die 85 Prozent, die diese Gesellschaft tragen. Die Mitte. Wir haben sie aus dem Blick verloren – uns stattdessen auf Randthemen konzentriert oder auf Probleme, die eigentlich gar keine sind.“ Es sei wichtiger, dass die Straßen saniert werden würden, als dass die Stadtverwaltung jedes Dokument korrekt gendere.
Nach einer aktuellen Umfrage der Ruhr Nachrichten ist der Ausgang der Wahl heute Abend offen, Kalouti und Westphal könnten sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern. Die Ruhrbarone werden ab 18.00 Uhr mit einem Liveticker über die Stichwahlen im Ruhrgebiet und dem Rest Nordrhein-Westfalens berichten.
Der Text erschien in einer ähnlicher Version bereits auf Ippen-Media
