Susanne Scheidle: „Den Tag, an dem Corona aus den Schlagzeilen verschwindet, hatten wir uns alle etwas erfreulicher vorgestellt“

Susanne Scheidle. Foto: privat

Die in Recklinghausen geborene und heute in Gelsenkirchen lebende Künstlerin Susanne Scheidle kennen die Leser der Ruhrbarone vermutlich inzwischen alle. Susanne gab uns in der Corona-Pandemie ein bewegendes Interview, schilderte uns darin, wie es ihr während der diversen Lockdowns erging.

Inzwischen scheint die Zeit der Einschränkungen weit weg. Trotz erneut hoher Infektionszahlen, geht das Leben wieder seinen altvertrauten Gang. Zumindest für die Allermeisten. Wir haben die Gelegenheit genutzt uns noch einmal mit der Künstlerin zusammenzusetzen und zu erfahren, was sich bei ihr in den vergangenen Monaten geändert hat und wie ihre Pläne aussehen.

Hallo, Susanne! Wir hatten ja vor gut zwei Jahren über die Schwierigkeiten für euch freien Künstler während der Pandemie gesprochen. Wie läuft es bei dir seither?

Ich schätze mal, den Tag, an dem Corona aus den Schlagzeilen verschwindet, hatten wir uns alle etwas erfreulicher vorgestellt als den 24. Februar 2022… ich erinnere mich noch, dass ich morgens aufwachte, im Radio vom russischen Überfall auf die Ukraine hörte, mein Müsli kaute, vor lauter Ratlosigkeit meine Wohnung aufräumte (das nennt der Psychologe wohl Übersprungshandlung) und schließlich am Nachmittag den Fernseher einschaltete. Es war Weiberfastnacht, auf WDR 3 lief ein vermutlich Wochen zuvor aufgezeichnetes Konzert mit den üblichen Karnevalsverdächtigen, am unteren Ende des Bildschirms lief ein Ticker, der über den Krieg in der Ukraine informierte.

Es war absolut surreal…

Es war als ob einem die Pandemie den Teppich unter den Füßen weggezogen hat und man jetzt feststellen muss, dass auch die Dielen darunter ziemlich morsch sind und man womöglich kurz davor ist, in den Keller zu rauschen.

Immerhin: Kunstmärkte und -messen finden wieder statt wie vor der Pandemie, sind auch immer gut besucht. Es sieht so aus, als ob die Menschen bei all den niederschmetternden Nachrichten einfach das Bedürfnis nach Kultur haben, vielleicht auch nur unter Menschen zu sein.

Beim Kauf herrscht allerdings noch immer große Zurückhaltung, am ausgeprägtesten war das Ende letzten Jahres, als niemand wusste, wie hoch die Strom- oder Gasrechnung ausfallen würde und die Inflation freidrehte. Inzwischen hat sich die Lage etwas entspannt.

Und neben Ölgemälden und Federzeichnungen habe ich ja auch noch ein paar Kinderbücher geschrieben…

Von der gelungenen Fortsetzung deiner liebevoll gestalteten Kinderbuchserie habe ich gehört. Erzähle uns doch bitte kurz etwas darüber. Und wie kommt man an die Bücher?

Die Idee für die erste Fortsetzung ist mir noch während der Pandemie gekommen, Anfang 2021, bei einem Spaziergang am Kanal. Die Idee mit dem Floß… Um diesen „Ideenkern“ herum habe ich dann die Handlung gebaut. Ich habe selbst mal eine Bootsfahrt über den Kanal gemacht, vom Nordsternpark zum Kaisergarten in Oberhausen – ich wusste also, wie der Pott vom Wasser aus gesehen aussieht. Gleichzeitig spukte schon der Gedanke in meinem Kopf, auch die Pandemie in einem Kinderbuch zu verarbeiten, da wollte ich aber noch nicht so richtig dran, weil zu diesem Zeitpunkt noch niemand wusste, wie das Ganze wirklich ausgehen würde. Der Impfstoff war zwar schon da, aber da gab es diese Lieferprobleme und die ersten Querdenker schulten um auf Impfgegner …  Also habe ich mich erst einmal auf die Floßfahrt über den Kanal konzentriert. Und natürlich wollte ich diese Reisegeschichte erzählen und illustrieren, Sommer am Kanal! Gibt es etwas Idyllischeres? Als ich dann das Pandemiethema wieder aufgreifen wollte, wurde mir klar, dass ich die Geschichte der Pandemie nicht erzählen konnte, solange Fritzi am Kanal wohnt… am sichtbarsten war die Pandemie in der Stadt, in den leeren Fußgängerzonen, den abgesperrten Kinderspielplätzen… also habe ich das Projekt ein zweites Mal auf Eis gelegt.

Die Fritzi-Bücher sind zwar keine klassischen Fortsetzungen in dem Sinne, dass man Band 3 nicht versteht, wenn man Band 2 nicht gelesen hat, aber so ein bisschen logisch aufgebaut sollte das Ganze schon sein.

Also müssen in Band 3 Fritzi und ihre Freunde das Paradies am Kanal verlassen, weil ein großes Bauprojekt geplant ist. Sie müssen also in die Stadt umziehen, schaffen es aber immerhin durch clevere Manöver, zusammen zu bleiben! Das größte Problem war, einen passenden Titel zu finden. Es sollte nichts „kapitalismuskritisches“ sein, Politik hat in Kinderbüchern nix zu suchen. Schließlich habe ich mich für ein Zitat aus einem der wenigen deutschen Volkslieder entschieden das ich wirklich mag, weil es zwar vom Herbst erzählt, aber trotzdem so lebensfroh ist. Bunt sind schon die Wälder … kühler weht der Wind.

Jetzt konnte ich das Thema Pandemie in Angriff nehmen.

Vielleicht sind einige Leute der Meinung, dass es kein Thema für ein Kinderbuch ist. Aber ich kann mich noch gut daran erinnern, was mir selbst als Kind am meisten Angst gemacht hat: Das waren die Dinge, über die niemand mit mir reden wollte, um mich nicht zu ängstigen… Also wacht die Maus Fritzi eines Morgens auf und stellt fest, dass die Fußgängerzone total leer ist, wie ausgestorben, nur vor dem Eingang des Supermarktes um die Ecke steht eine lange Schlange von Kunden – und alle kaufen Klopapier! An dem Tag, als die Stadt plötzlich still wurde… und sie versucht zusammen mit den Freunden herauszukriegen, was passiert ist.

Im letzten Band schicke ich die Freunde auf einen Besuch zur Zeche Zollverein. Fritzis Opa war nämlich Zechenmaus und hat immer von der Zeit „unter Tage“ erzählt, und jetzt will sie mal sehen, wie es dort jetzt so aussieht. Damit schließt sich der Kreis: Im 1. Band läuft Fritzi von zu Hause weg, raus aus der Zechensiedlung, am Ende kehrt sie wieder zurück, aber es ist eine völlig veränderte Situation, die sie vorfindet.

Dabei war es mir wichtig, diese etwas klebrige Nostalgie zu vermeiden, die sich hier im Ruhrpott zuweilen breit macht.

Die Bücher können bei mir bestellt werden per Email: susanne-scheidle@t-online.de , bis Ende Dezember können sie auch gekauft werden im KUNSTBONBON in Dortmund, Chemnitzer Str. 11, oder einfach im Atelier Kunstschmiede vorbeikommen, Dahlhauser Str. 158, 45279 Essen (bitte vorher per Email Termin vereinbaren!).

Was planst du aktuell, wo können die Leute dich als nächstes sehen bzw. deine Werke bestaunen?

Im Moment sind einige meiner kleineren Bilder im KUNSTBONBON in Dortmund, Chemnitzer Str. 11, zu sehen, bei der Aktion „Bunter Teller“ – falls jemand noch Geschenke braucht, gute Adresse!

Meine nächste Ausstellung ist dann vom 10.02. bis 09.03.2024 ebenfalls im KUNSTBONBON.

Und natürlich kann man mich jederzeit – nach Terminvereinbarung – besuchen an meinem Atelierplatz in Essen.

Die nächste große Veranstaltung wird dann erst der Kunstmarkt am Hertener Schloss zu Pfingsten sein. Das ist auch gut so, im Herbst sind immer so viele Messen und Märkte, da kommt man kaum zum Malen! Und mir schwirren schon so einige Ideen im Kopf herum, sowohl für Ölbilder als auch für Papierarbeiten….

Dann wünschen wir dir von den Ruhrbaronen an dieser Stelle natürlich viel Spaß und Erfolg bei der Umsetzung der Pläne und ein tolles Jahresende  2023!

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