Die in Recklinghausen geborene und heute in Gelsenkirchen lebende Künstlerin Susanne Scheidle kennen die Leser der Ruhrbarone vermutlich inzwischen alle. Susanne gab uns in der Corona-Pandemie ein bewegendes Interview, schilderte uns darin, wie es ihr während der diversen Lockdowns erging.
Inzwischen scheint die Zeit der Einschränkungen weit weg. Trotz erneut hoher Infektionszahlen, geht das Leben wieder seinen altvertrauten Gang. Zumindest für die Allermeisten. Wir haben die Gelegenheit genutzt uns noch einmal mit der Künstlerin zusammenzusetzen und zu erfahren, was sich bei ihr in den vergangenen Monaten geändert hat und wie ihre Pläne aussehen.
Mein Opa Paul, der im Jahre 1921 geboren wurde, war ein recht schlichter Mensch. Er war, wie für viele Menschen seiner Generation typisch, im Vergleich zu Menschen der Gegenwart, ziemlich ungebildet. Trotzdem hat er sich im Laufe seines 94-jährigen Lebens eine Menge Durchblick verschafft.
Opa hat viel erlebt. Er kämpfte als Soldat im zweiten Weltkrieg, erlebte den Wirtschaftsaufschwung der 1950er- und 1960er-Jahre im plötzlich geteilten Deutschland, zitterte in der Kuba-Krise, durchlebte den Kalten Krieg als Zeitzeuge, durfte sich über die Wiedervereinigung freuen. Ich habe vielen seiner Geschichten und Erkenntnisse aus seinen gut 90 Jahren Lebenszeit bis zu seinem Tode im Jahre 2015 immer gerne zugehört. Seine gesammelten Erfahrungen haben mich als Enkel sehr geprägt, wenn ich natürlich auch nicht alle seine Meinungen teilen konnte.
In einem hatte Opa Paul aber Unrecht: Er sah schon Ende der 1980er-Jahre den stetig steigenden Wohlstand in diesem Lande am Scheitelpunkt angekommen. Er prognostizierte uns allen damals schon einen steilen Absturz, da er in vielen Bereichen der Gesellschaft Krisen und Probleme auf uns alle zukommen sah.
Es sind ungewohnte Bilder, die einen zwiespältig zurücklassen. Die Fußball-Bundesliga kehrt nach rund zwei Jahren der pandemiebedingten Einschränkungen in diesen Tagen schrittweise wieder in die alte Normalität zurück. Sie versucht es zumindest. Nach Monaten gänzlich ohne Zuschauer in den Stadien, öffnen sich die Eingangs-Tore jetzt wieder für mehr und mehr Fans.
In Gelsenkirchen war es zum Beispiel am Samstag beim Heimspiel des Zweitligisten FC Schalke 04 gegen Hannover 96 schon wieder fast voll in der Arena. So schön das für alle Fußballfreunde auf den ersten Blick auch sein mag, so bedenklich ist es auf der anderen Seite eben auch. Die Corona-Pandemie ist ja, wenn auch die hospitalisierungsraten der Infizierten erfreulich gering ausfallen, alles andere als vorbei. Fast jeden Tag werden neue Höchstwerte aufgestellt. Und ausgerechnet jetzt packen wir die Fußballstadien wieder möglichst voll?
In Anbetracht des Ukraine-Krieges und des damit einhergehenden weltweiten Schocks, tun sich andere Themen in diesen Tagen deutlich schwerer in das Blickfeld zu kommen, die es durchaus verdient hätten.
Karl Lauterbach, der Bundesgesundheitsminister, zum Beispiel, war wohl schon seit Monaten, wenn nicht Jahren, so wenig medial präsent, wie in diesen Tagen. Und das, obwohl die Corona-Pandemie derzeit auf einen neuen Höhepunkt zusteuert.
Seine Mahnungen zu mehr Vorsicht, verhallen gerade fast ungehört. So zumindest der Eindruck. Dies mag neben der alles überschattenden Kriegsberichterstattung auch daran liegen, dass Deutschland und viele Nachbarländer in diesen Tagen die einst getroffenen Gegenmaßnahmen in Bezug auf die Ausbreitung der Pandemie massiv zurückfahren und damit ein Entspannungssignal senden, wo vielleicht gar keines gesetzt gehört.
Die eigentlich erst für den 20. März angekündigten landesweiten Lockerungsmaßnahmen werden bereits in diesen Tagen in Einzelfällen schon greifbar. Erlebt habe ich das am eigenen Leib am vergangenen Freitag, als ich bei meinem ersten Konzertbesuch seit 2019, direkt mit einer rappelvollen ZAG-Arena in Hannover konfrontiert wurde, bei dem trotz vollbesetzter Ränge nicht einmal Maskenpflicht am Sitzplatz herrschte, und man insgesamt leicht den Eindruck gewinnen konnte, Corona sei bereits quasi vorbei.
Zugegeben, es sind extrem komplizierte Zeiten, die wir gerade durchmachen. Die Politik der vergangenen Monate hat entscheidend mit dazu beigetragen, dass es hierzulande leider gerade ungewollt hektisch und teilweise sogar sehr aggressiv zugeht.
Neue, harte Schutzmaßnahmen gegen die 4. Corona-Welle wurden auf der politischen Ebene jetzt endlich beschlossen. In den Augen vieler geschah dies deutlich zu spät. Zudem sind es Maßnahmen, die fast überall für viel Unfrieden und Unverständnis sorgen.
BVB-Fan Tobias Burchhardt ist stocksauer. Am Dienstag erhielt der 50-Jährige Post von seinem Lieblingsverein aus Dortmund. Doch was er darin lesen musste, trieb ihm völlig unerwartet die Zornesröte ins Gesicht.
Burchhardt hatte zuletzt lange Zeit auf die Nutzung seiner Dauerkarten für das Westfalenstadion verzichten müssen. Das Corona-Virus machte den Stammkunden der Vereine den Besuch in den Arenen zuletzt über viele Monate hinweg weitestgehend unmöglich. Das traf auch die BVB-Fans sehr hart, die ansonsten immer besonders Zahlreich zu beliebten Dauerkarten griffen. Doch was der Klub seinen treuesten Anhängern jetzt in einem Brief mitzuteilen hatte, verärgerte den leidenschaftlichen Anhänger extrem.
Das Thema Corona gewinnt in diesen Tagen noch einmal eine ganz neue Aktualität. Wer gedacht hätte, dass wir die Pandemie nach inzwischen gut 18 Monaten in Kürze wohl so gut wie überwunden hätten, der dürfte bitter enttäuscht werden. Auch mir macht das aktuell große Sorgen. Und das, obwohl ich selber bisher eigentlich vergleichsweise wenige Probleme mit den Einschränkungen und Auswirkungen hatte.
Der bevorstehende Winter, er macht mir mehr Sorgen, als ich mir das noch vor wenigen Wochen vorstellen konnte. Und ich bin etwas ratlos, was man denn jetzt selber für einen möglichst guten Winter tun kann, außer sich mit der Anzahl seiner Sozialkontakte erneut einzuschränken, um sich und andere zu schützen. Wie konnte es nur soweit kommen, dass jetzt wieder in dieser beschissenen Situation stecken?
Die Corona-Pandemie hat ein tiefes Loch in die Kassen der Sportvereine geschlagen. Gerade auch im Profibereich war das Fernbleiben der Zuschauer in den vergangenen rund 18 Monate häufig ein existenzbedrohendes Problem.
Millioneneinnahmen blieben aus. Logisch, dass so nicht einzuplanen war und die Klubs in Einzelfällen sogar staatliche Hilfen in Anspruch nehmen mussten. Jetzt, wo die Pandemie durch die Impfungen von Monat zu Monat besser beherrschbar erscheint, bessert sich die Lage. Die Stadien, Hallen und Arenen dürfen schrittweise wieder vermehrt genutzt werden. Plötzlich zeigt sich ein ganz neues Problem, mit dem zu Beginn der Pandemie nur die allergrößten Pessimisten gerechnet haben: Das Interesse der Fans ist offenkundig spürbar gesunken, die Stadien werden so leicht nicht mehr voll.
Wer als interessierter Beobachter in den vergangenen Monaten die Situation an unseren Schulen in NRW in Sachen Corona verfolgt hat, der konnte rasch den Eindruck gewinnen, dass die rund 18 Monate seit Pandemie-Beginn erfolgreich dazu genutzt wurden um entsprechende Schutzkonzepte für Schüler und Lehrer erarbeitet wurde, die einen annähernd regulären Schulbetrieb mit Beginn des Schuljahres 2021/22 möglich machen sollten.
Unmittelbar nach Schulstart mehrten sich dann jedoch sehr schnell die Berichte, wonach dies womöglich doch nicht so wie erhofft der Fall sein könnte. Seit dieser Woche bin ich persönlich mir sehr sicher, dass zahlreiche der Darstellungen, dass die vielen ins Land gezogenen Monate von den Verantwortlichen erfolgreich genutzt werden konnten um unsere Schulen sicherer zu machen, den Betrieb mit klaren Regeln zu ermöglichen, arg geschönt waren.
Ich muss diesen Einlassungen vorrausschicken, dass ich einst ein glühender Lokalpatriot war. Im Jahre 1971 in Dortmund geboren, war es für mich früher eine Selbstverständlichkeit gegenüber anderen Personen stets etwas Werbung für meine Heimatregion zu machen. Ich war lange Zeit regelrecht stolz von ‚hier‘ zu kommen, und ein bisschen bin ich es auch noch heute. Es wird jedoch von Jahr zu Jahr, von Monat zu Monat weniger, wie ich auch in dieser Woche wieder feststellen musste. Und das, dank der leidigen Corona-Pandemie, diesmal sogar auf relativ krasse Art und Weise.
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