Waltrop: Mit Treckern, Lichtern und Hupen gegen den vorweihnachtlichen Corona-Frust

Bunt beleuchtete Trecker vertreiben den Corona-Frust. Foto(s): Robin Patzwaldt

Auch wenn man es selber vielleicht gar nicht wahrhaben will, die Corona-Pandemie hat uns alle irgendwie verändert. Mir selber ist das am Sonntag wieder einmal ganz klar geworden. Da stehe ich gegen 19 Uhr im Nieselregen, bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt, an der von meiner Wohnung aus nächstgelegenen, größeren Straßenkreuzung in Waltrop und warte darauf, dass angekündigte knapp 100 bunt beleuchtete Trecker laut hupend an mir vorbeifahren. Und das, obwohl ich zu dieser Zeit auch viel bequemer, und früher bestimmt auch lieber, daheim auf der Couch sitzend, den Sonntagsspielen in der Fußball-Bundesliga hätte zugucken können.

Im Randgebiet des Ruhrgebiets zu leben, führt in der Regel dazu, dass am eigenen Wohnort im Normalfall nicht allzu viel los ist. Wer hier schon länger mitliest, der erinnert sich vielleicht daran, dass ich noch vor zwei Jahren, also kurz vor Beginn der Corona-Pandemie, über die in der Vorweihnachtszeit hier am Ort endgültig verlorengegangene Feststimmung geklagt habe. Die ohnehin vergleichsweise wenigen Gelegenheiten sich hier in Waltrop in Weihnachtsstimmung zu bringen, sie waren im Laufe der vergangenen Jahre fast vollständig ausgegangen.

Ausgerechnet jetzt, in Zeiten der Krise, hat sich das aber wieder geändert. Ganz bewusst hatten sich einige junge Landwirte aus der Region zusammengetan, um den Bürgern in Zeiten der Einschränkungen und Sorgen, ‚ein Lächeln in das Gesicht zu zaubern‘, wie sie betonten. Und das gelang ihnen am Wochenende. Sogar bei mir, der ich solch eher provinziell anmutende Veranstaltungen meist meide, weil ich damit eigentlich rein gar nichts anfangen kann.

Als ich mich kurz nach 18 Uhr auf den Weg zum nächstgelegenen Punkt der im Vorfeld angekündigten Strecke der Lichterfahrt machte, da war ich zunächst auch nur in Begleitung einiger weniger Nachbarn. Trotzdem war ich positiv überrascht, dass am Ende dann doch schon gut 30 Leute an der anvisierten Straßenkreuzung im Waltroper Norden standen, obwohl von den erwarteten Fahrzeugen noch rein gar nichts zu sehen oder zu hören war. Für eine Siedlung, in der sich im Regelfall abends fast gar nichts tut, war das schon eine auffällig große Mobilisierung, mit der ich so nicht gerechnet hatte.

Am Zielort angekommen stieg mir überraschender Weise intensiver Glühweingeruch in die Nase. Einige mittelalte Damen prosteten sich zu, und hatten dem Anschein nach schon ein paar Runden des Heißgetränks intus, wie ihr auffällig lautes Verhalten und die mitgebrachten Thermosflaschen vermuten ließen. Am Mehrfamilienhaus auf der anderen Straßenseite warteten etliche junge Familien auf das Eintreffen der angekündigten Fahrzeugkolonne. Kinder kreischten, es lief leise, aber deutlich hörbare Weihnachtsmusik. Ich war direkt emotional angefasst. Zu meiner eigenen Überraschung.

Als die knapp 100 aufgemotzten Trecker, LKWs und Dienstfahrzeuge von Polizei, Feuerwehr und THW dann gegen 18.40 Uhr endlich auf uns zu kamen, war eine bizarre Stimmung vorherrschend, wie ich sie in meinem Leben zuvor noch nie erlebt hatte. Es war ein interessanter Mix aus Party, Weihnachten, Silvester und Kindergeburtstag. Laut hupend, bunt glitzernd zog der Tross rund 20 Minuten lang an uns vorbei. Wildfremde Menschen winkten sich zu. Mich erfasste eine ungeahnte Emotionalität. Offenkundig hatte Corona auch bei mir tief im Inneren irgendetwas verändert.

Klar, auch ich hatte Bilder von ähnlichen Veranstaltungen in Nachbarstädten schon in der WDR Lokalzeit aus Dortmund gesehen. Ganz neu und fürchterlich originell war der Plan der Waltroper Landbevölkerung also nicht. Zumal es eine ganz ähnliche Veranstaltung auch im Vorjahr angeblich in Waltrop schon gegeben haben soll. Mir war das damals entgangen. Offenkundig war das damals, auch für mich selber, noch eine andere Situation. Trotzdem war ich richtig begeistert, mich trotz zunächst wenig Begeisterung für die Sache an diesem Tag doch auf dem Weg an diese ansonsten triste Straßenkreuzung gemacht zu haben

Jetzt, so kurz vor der sich abzeichnenden Omikron-Welle und einem drohenden verschärften Lockdown vor der Nase, war die Wirkung ein paar bunt blinkender und hupender Trecker, das Miterleben von ein paar sich austobenden Bauern hinter den Lenkrädern überraschend ergreifend und hatte auch auf mich einen positiven Effekt.

Das hat wirklich Spaß gemacht, taugte tatsächlich als eine den Zusammenhang der Gesellschaft stärkende Aktion. Das hatte ich so echt nicht erwartet.

Ich könnte im kommenden Jahr trotzdem wieder ganz gut darauf verzichten und hoffe, dass wir die Pandemie dann soweit im Griff haben, dass wir uns solche unkonventionellen Mutmacher dann im Idealfall wieder ersparen können und endlich einmal wieder ganz ‚normale‘ Weihnachten feiern können, ohne Kontaktbeschränkungen und Corona-Angst…

In diesem Sinne! Ich verabschiede mich hiermit an dieser Stelle über die Feiertage! Bis 2022, und ‚Bleibt alle gesund‘!

 

 

 

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Walter Stach
Walter Stach
2 Jahre zuvor

Robin,
ich habe von dem Spektakel nur über die Medien "etwas mitbekommen". Mich hat das "schlicht und einfach" nicht interessiert.

"Unsere " Bauern"…….
Ja, wir leben in Waltrop in einer Gemeinde, die nach wie vor der Landwiirtschaft (mit-) geprägt ist und in deren Gesellschaft die Landwirte eine beachtenswerte Rolle spielen, nicht nur, aber immer wieder auch bekundet mit Aktionen wie die jetzt abgelaufene. Das ist bürgerschaftliches Engagement, das t offenkundig dazu beiträgt, daß sich Menschen hier in Waltrop "in dunkle Zeit noch vergnügen können.
Robin, wenn Dich das Spektakel in Gänze emotional "stark angefaßt hat" und anzunehmen ist, daß es vielen Waltropern am Straßenrand ähnlich ergangen ist, wird das die Landwirte freuen. Also insofern, so scheint mir, eine gute Idee, die erfolgreich umgesetzt wurde. War das Spektakel "pandemie-kompatibel " ? Kann ich nicht beurteilen.
Dir und Deiner Familie trotz oder gerade wegen der Pandemie ein schönes Weihnachtsfest und alle Gute für 2021 -"Man sieht sich"!!

ke
ke
2 Jahre zuvor

Sieht doch gut aus, und es ist bemerkenswert, wie viele Menschen sich engagiert haben.

trackback

[…] gewesen wäre. So nahm ich in der Vorweihnachtszeit mit echter Rührung als Zuschauer an einer Trecker-Parade bei mir am Wohnort teil, etwas, was ich mir wohl früher gar nicht erst angesehen hätte, oder aber ich genoss das […]

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