Bochum-Total: der Sonntag

Meine kleine Rundtour-Empfehlung für Bochum-Total heute: Leland P., Fotos, Schwefelgelb, Polarkreis 18 und Alec Empire.

Nach dem kaum zu toppenden Auftritt meines persönlichen Favoriten Belasco am Freitag – dazu später mehr – und einem Tag Zwangspause hier meine warmen Empfehlungen für das heutige Programm auf Bochum-Total:

Leland P. – 16.00 Uhr, WAZ-Bühne – Ambient / Electro / Nu Jazz aus Bochum/Krefeld

Fotos – 17.00 Uhr, 1Live-Bühne – deutscher Indie-Pop/Rock aus Hamburg

Schwefelgelb – 18.15 Uhr, Ring/Schattenreich-Bühne – New Wave Trash/Electroclash aus Essen; demnächst auch auf dem juicy beats im Westfalenpark (2. August)

Polarkreis 18 – 19.30 Uhr, 1Live-Bühne – Emo / Electro / Indie-Pop aus Dresden

Alec Empire – 20.45 Uhr, Ring/Schattenreich-Bühne – Electro / Rock / Electronica (Ex-Atari Teenage Riot Frontmann)

Der Preis ist heiß

Foto: Flickr/ doergn

 

Heute Abend ist es wieder soweit: zum vierten Mal werden in der Bochumer Jahrhunderthalle die Steiger Awards verliehen. Steiger Awards? Was ist das? Ein Orden für verdiente Bergleute? Nein, der „Preis, entstanden aus Privatinitiative und dem Wunsch der kulturellen, sozialen und gesellschaftlichen Förderung der Rhein-Ruhr-Region, wird alljährlich an Persönlichkeiten verliehen, die sich besonders in den Bereichen Toleranz, Charity, Musik, Film, Medien, Sport, Umwelt und das Zusammenwachsen der europäischen Staatengemeinschaften verdient gemacht haben.“ Also ein Preis für ALLES, Mufuprix, Multifunktionspreis. Es fehlt lediglich die Kategorie Kochen, in heutigen Tagen ein gehöriger Lapsus, da jeder kocht, dies am liebsten vor der Kamera und die Fernsehnation hingerissen zuschaut.

Der potthässliche Staubfänger, der von Design her an schwiegermütterliche Weihnachtsgeschenke angelehnt ist, wird in einer Gala-Veranstaltung verliehen. Gala-Veranstaltung bedeutet, dass es eine Moderatorin gibt, Andrea Ballschuh, welche 1991 das Gymnasium Alexander von Humboldt mit dem Abitur abgeschlossen hat und seitdem eine steile Karriere hingelegt hat: „Mein Zittau hat 3 Ecken“, „Ein Tag rund um den Verzicht“ und „quickie – das schnelle Quiz“ stellen die Highlights ihres (MDR)-Fernsehschaffens dar. Damit Fräulein Ballschuh sich nicht einen Wolf moderiert oder die Gala-Veranstaltung nicht zum Quickie verkommt, engagierte Chef Sascha Hellen unter anderem das Ensemble des Musicals Mamma Mia als Show-Einlage. Abba ist gut, Musical ist gut, nur schade, dass es im Ruhrgebiet kein Fernsehballett gibt, das hätte sich bestimmt auch prima bei dieser Veranstaltung gemacht.

Für nur € 175,00 inklusive der sehr kruden Mischung bestehend aus einem Drei-Gänge-Menü (man muss ja was im Magen haben, wenn man 13 Preisträger samt Laudatoren durchstehen soll), Begrüßungscocktail (Club Las Piranjas?), Galabuch (Abi-Zeitung vom Gymnasium Alexander von Humboldt? Starschnitte der Preisträger, die man sich mit güldenem Edding unterschreiben lassen kann) und aller Gebühren (Gebühren? Vergnügungssteuer? Zwangsspende für die „Charity“?). Immerhin haben alle Preisträger ihr persönliches Kommen zugesagt, da gibt man doch gerne mal € 175,00 inkl. aller Gebühren aus, um Persönlichkeiten wie: Edmund Stoiber (Kategorie Europa), Hape Kerkeling (Kategorie Entertainment) Jens Lehmann und Egidius Braun (Kategorie Sport) und Udo Jürgens (Kategorie Musik) zu sehen. Der Untergang des Abendlandes manifestiert sich in den Kategorien Charity und Nachwuchs: Claudia Cardinale sowie Jimi Blue und Wilson Gonzalez Ochsenknecht. Zweimal Idole ihrer Zeit, hier Hauptdarstellerin von Spiel mir das Lied von Tod, dort die hauptamtlichen Söhne von Uwe Ochsenknecht und Darsteller der wilden Kerle. Jimi Blue sagte in einem Interview mit dem SZ-Magazin, dass er mit der Schule aufgehört habe: „ich habe zwar noch einen Privatlehrer, wegen der Bildung, aber sonst ist Schule einfach nichts für mich.“ Na dann. Wenn Jimi Blue nur ein Fitzelchen Bildung aus den Gesprächen mit den Preisträgern oder Laudatoren mitnimmt, hat sich der Abend ja wenigstens für einen gelohnt.

Die Häschenschule ? Einer flog über das Kuckucksnest II

Foto: Flickr/Lexnger

Löffelalarm! Hasen sind hip, keine Frage. Ostern steht vor der Tür und Til Schweiger hat uns vorgemacht, dass Ohren nicht unbedingt notwendig sind, Keinohrhasen tun es auch. Jorinde Dröses Bochumer Psychiatrie-Patienten fühlen sich wie Hasen und setzten sich große Plüschhasenköpfe auf. Mit sehr großen Ohren, welche traurig nach unten hängen, wenn die Patienten gemeinsam bei der Gruppensitzung auf ihren durchsichtigen Hüpf- – pardon – Sitzbällen hocken.

Eine Woche nach der Premiere am Theater Oberhausen hat jetzt auch das Schauspielhaus Bochum seine Version von Dale Wassermanns Drama auf die große Bühne gebracht. Zweimal hintereinander das gleiche Stück zu sehen verheißt Langeweile, indes gelingt Jorinde Dröse in Bochum eine zauberhafte Inszenierung, die unbedingt sehenswert ist.

Während das Oberhausener Regieteam die Geschichte um eine Flüchtlingsthematik erweitert, bleibt die Bochumer Regisseurin näher am Text, was diesem gut tut, das Stück ist klarer und besser verständlich, da weniger Text gestrichen wurde. Von Anfang an ist hier klar, dass Häuptling Bromden nicht wirklich taubstumm ist. Mittels Videotechnik erzählt er seine Geschichte. In graubraun gestreiften Pyjamas putzen seine Kollegen von der Station die Bühne mithilfe von aus Pappe und Papier gefertigten Wischmopps, Bohnermaschinen und Sprühflaschen. Zusammen mit den Bällen und den Hasenköpfen ergibt sich eine Ästhetik der Unwirklichkeit, die perfekt die Situation der Patienten verdeutlicht: der großen Schwester Ratched unterlegen, kindlich verspielt und eben ein bisschen verrückt. In diese Spielwelt platzt McMurphy. Alexander Maria Schmidt spielt ihn laut und großmäulig, ist aber weniger cool als Martin Müller in Oberhausen.

Jorinde Dröse schickt ihr Ensemble auf einen Angelausflug, welcher den Höhepunkt der Inszenierung darstellt. Mittels Video sieht der Zuschauer die Patienten der Station mit ihrem Arzt Spivey in kindergartenbuntem Ölzeug in ein Pappauto steigen, um auf einem Pappschiff nach Pappfischen zu angeln. Über den Umweg Video wird hier virtuos mit dem Medium Theater gespielt: alles ist aus Pappe, also sehr artifiziell und im Hintergrund sieht man noch die Bühnentechniker das Schiff bewegen. Ganz entspannt besinnt sich das Theater auf seine Qualitäten und liefert eine wundervolle Szene, die das Premierenpublikum mit Szenenapplaus belohnte.

Die Bochumer Inszenierung ist nicht perfekt aber überaus charmant, weswegen Einer flog über das Kuckucksnest zur Kultinszenierung avancieren könnte.

Netzer der Woche: Marcel „Lachflash“ Koller

Screenshot reviersport.de

Begründung: Marcel Koller ist der Wochen-Netzer, weil
sich der Bochumer Trainer über den allerersten Bochumer Sieg im Weserstadion nach 37 Jahren
so ungemein mitreißend freuen kann, die Apres-Ski-gestählte Stimmungskanone aus der Schweiz, Hut ab!

Ja, man freut sich richtig mit, wenn Koller (in fröhlichem anthrazit-schwarz) sagt (dazu verschränkte Arme): "Nee, (kopschüttelnd) die Freude (fragend) ist da (Sorgenfalten) und das sieht man auch (Blick schweift …) – in den(… zum Fenster) Trainingseinheiten (Augen verdüstern sich), den Spielen, (nochmal leichtes Kopfschütteln) das hat eigentlich (Betonung, Pause) sehr viel Spaß gemacht (Augen zugekniffen).

PS: Der erste der Bochumer Versuche auf Bremer Boden einen Sieg zu erringen, endete 2:0 für Werder und fand 1971 statt. Genauer: Am Todestag von Nikita Chruschtschow – übrigens ein 11.9. (sic!)

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schurians runde welten: Global Player

Foto: Ruhrbarone 

"Jetzt gewinnen wir hier immer." (Martin Maltritz)

Dass Fußball spielen auch nur eine Arbeit ist, weiß, wer sich Spiele in Schottland ansieht. Es ist deshalb überhaupt kein Zufall, dass es ein schottischer Profi war, der für dieses denkwürdige Urteil am Internationalen Sportgerichtshof gesorgt hat: Dank Andrew Webster wird die Macht der Clubs über ihre Spieler eingeschränkt. Der moderne – auf reichlich Schmerzensgeld fußende – Menschenhandel wird etwas fairer, die Freizügigkeit der balltretenden Angestellten gestärkt.

Fortan dürfen Profis nach zwei, maximal drei Jahren ihren Arbeitsvertrag einseitig kündigen. Der bisherige Club erhält keine Ablöse mehr, sondern eine Entschädigung, die sich am Gehalt des Abgängers orientiert. Einzige – höchst fragwürdige – Einschränkung: Der Spieler muss ins Ausland wechseln.

Foto: Ruhrbarone


Da, wo Andrew Webster dem Ball hinterher läuft, fühlt sich alles etwas kälter, feuchter, schwerer an. Auch dieses Pokalspiel in Paisley war nichts als harte Arbeit für alle Beteiligten: Die Maskottchen, Pandabären mit Bierbauch, mussten sich in der Halbzeitpause mit den Ersatzspielern warm machen. Die Zuschauer warteten bis zum Schlusspfiff auf einen Treffer und warteten und warteten. St. Mirrens Mittelstürmer namens Mehmet unterlief tatsächlich jeden Abschlag seines Torwartes. Nur die leise aufkeimende Angst meiner deutschen Kleingruppe vor einer Verlängerung war natürlich unbegründet. Das unentschiedene Spiel muss wiederholt werden. St. Mirren muss nach Dundee. Ohne deutsche Kleingruppe.

Schwierig zu sagen, was das Webster-Urteil auslösen wird. Ich glaube, dort wo Fußball Arbeit ist, wird es immer hektischer zugehen. Ein Verein, der mit Spielern und Ablösesummen spekuliert, weil ihm nichts anderes übrig bleibt, als die besten Spieler mit Gewinn zu verkaufen, um weiterhin ein konkurrenzfähiges Team aufbieten zu können, sprich: der VfL Bochum wird förmlich zum Spielerverlauf gezwungen. Wenn Profis schon nächste Saison kündigen können, müssen sie an den Mann gebracht werden, so lange es Geld für sie gibt.

Ich glaube, hier irrt der eigentlich so angenehm unaufgeregte Bochumer Geschäftsführer Ansgar Schwenken, wenn er auf deutsches Arbeitsrecht pocht. Was im Arbeitsplatzwechsel zwischen EU-Staaten gilt, wird auch in Deutschland durchgesetzt. Zum Schaden der kleineren Clubs. Und der noch kleineren. Und der noch kleineren…

Andererseits, ein Verein, der in Bremen gerade eines der ehernen Naturgesetze des Fußballs aus den Angeln gehoben hat, der wird wohl auch dieses Erdbeben auf dem Transfermarkt überstehen. Wir anderen müssen uns dank Globallisierung daran gewöhnen, das wir, kaum das wir einen Spielernamen stolperfrei, unfallfrei, stotterfrei aussprechen können, schon einen nächsten lernen müssen.

Nokia: Image im Arsch

ZDnet meldet, das nach einer Studie das Image Nokias als Arbeitgeber zusammengebrochen ist – vom ersten Platz herunter auf den letzten. Für ein Unternehmen, das auch künftig darauf angewiesen ist, wenn auch nicht in Deutschland, gutqualifizierte Ingenieure zu gewinnen, ein verheerendes Ergebnis. Auch die Kunden beurteilen Nokia kritischer:

ZDnet: "Negative Auswirkungen ließen sich auch in der Wahrnehmung von Qualität und Preis feststellen: Die Qualität der Marke Nokia wurde innerhalb der letzten drei Tage deutlich schlechter bewertet, der dazugehörige Indexwert rutschte von 62 auf 45 Indexpunkte ab. Auch das Preis-Leistungsverhältnis wurde aus Verbrauchersicht kritischer bewertet und fiel von 16 auf 6 Punkte."

Noch vor wenigen Tagen gingen Experten davon aus, dass Nokia Bochum öhne grösseren Schaden für die Marke überstehen würde.

 

Thoben: Nokia hat gegen Bewilligungsbescheide verstoßen


Pressekonferenz in Dortmund. Foto: Görges
In Bochum erklärte Wirtschaftsministerin Christa Thoben, dass nach der Landesregierung vorliegenden Informationen Nokia seit 1999 gegen die in Bewilligungsbescheiden vereinbarte Auflage, für den Erhalt von insgesamt 40 Mio Euro Subventionen im Gegenzug die Zahl der Arbeitsplätze zu sichern, verstoßen habe. Das Land wird sich nun mit Nokia intensiver auseinandersetzen.

Hintergrund: Warum die Finnen so böse sind

In Finnland ist eigentlich immer was los – und zwar trostlos. Das beginnt schon bei der Sprache: im Finnischen gibt es 15 Fälle, das meiste davon sind leider bewaffnete Überfälle. Dafür gibt es im Finnischen das aktive Verb „selbstmorden“, denn tatsächlich gibt es in Finnland nicht nur eine hohe Selbstmordrate, es gibt hier sogar eine Selbstmordflatrate. Der Suizid ist in Finnland so beliebt, daß Kurt Cobain und andere Berühmtheiten nach ihrem Freitod zu „Ehren-Finnen“ ernannt wurden.

Kein Wunder bei den klimatischen Gegebenheiten: die Durchschnittstemperatur beträgt in Finnland etwa –7 Grad Celsius – bis es sich im Winter deutlich abkühlt und die Temperaturen nur noch in Kelvin angegeben werden können. Das härtet ab: die ersten finnischen Saunen wurden in Deutschland noch als Kühlschränke verkauft.

Neben der Sauna gibt es in jedem finnischen Haushalt noch einen großen Raum, den sogenannten Trübsaal. Hier werden die hohen Feste begangen: Selbstmord; Selbstmord eines Verwandten; Selbstmord eines Bekannten; Selbstmord eines völlig Fremden, von dem man in der Zeitung gelesen hat, und Ostern (hiervon aber nur Karfreitag, wobei man den Opfertod Jesu großzügig als Selbstmord wertet).

Hauptexportgut Finnlands waren Handys, welche früher in den tiefen Stollen der finsteren Handyminen noch direkt aus dem Fels geschlagen wurden und so ihr markant eckiges Format erhielten. Als die Flöze erschöpft waren wurde die Produktion großteilig ins Ausland verlagert, beispielsweise nach Deutschland. Hierin sah man deutscherseits ein spätes Dankeschön für den Überfall auf die Sowietunion 1941, heute zeichnet sich aber ein anderer Hintergrund ab: der Aufbau von Arbeitsplätzen und die spätere Vernichtung der darauf aufgebauten Existenzen dient wahrscheinlich in erster Linie dem Absatz von Filmen des finnischen Regisseurs Aki Kaurismäki, in denen Trost- und Arbeitslosigkeit, Alkoholismus und Depression mit großer Fachkenntnis filmisch dargestellt werden.

Zum Abschluß noch ein Tip für angehende Finnlandtouristen: eine ideale Vorbereitung auf jeden Finnland-Urlaub ist ein Besuch der Sondermüll-Deponien im Großraum Kassel. Viel Spaß.

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Ruhrgebiet boykottiert Nokia

Die Wut über das Aus von Nokia und die Weigerung, über eine Perspektive des Bochumer Standortes auch nur zu reden, hat zum Nokia-Boykott im Ruhrgebiet geführt. Die Oberbürgermeister und Landräte des Reviers haben heute beschlossen, ihre Verwaltungen anzuweisen, künftig keine Geräte des finnischen Unternehmens mehr zu kaufen. Landrat Jochen Welt: „Das Verhalten von Nokia ist hinterfotzig und ein schwerer Schlag für das Ruhrgebiet. Alleine im Kreis Recklinghausen kostet das Nokia-Ende 375 Arbeitsplätze. Daran hängen aber noch die Familien und die Geschäfte vor Ort. Insgesamt sind hier Tausende betroffen.“
Welt fordert zudem eine Änderung der Subventionspraxis: „Das Nokia-Aus ist auch eine Niederlage der auf Subventionen aufbauenden Wirtschaftsförderung. Die Verpflichtungen, die mit dem Erhalt von Wirtschaftsförderungen verknüpft sind, müssen verschärft werden."
Welt, auf dessen Initiative hin der Nokia-Boykott im Ruhrgebiet zurückgeht, will heute gemeinsam mit dem Personalrat des Kreises Recklinghausen auch die Mitarbeiter auffordern, künftig keine Nokia-Handys mehr zu kaufen.

Parteipolitik mit Nokia wird populär

Zur Ankündigung von Nokia, den Standort Bochum platt zu machen, sagt der Bochumer Europaabgeordnete, Dr. Frithjof Schmidt von den Grünen:

"Ich begrüße die klaren Worte von Kommissions-Präsident Barroso heute im Europa-Parlament. Die Verwendung von Geldern aus den EU-Strukturfonds für eine Produktionsverlagerung nach Rumänien, Ungarn oder Finnland ist nicht zulässig. Die EU-Regeln sind hier eindeutig."

"Das hat Präsident Barroso heute klar gestellt und eine Überprüfung des Vorgangs angekündigt. Die zuständige Kommissarin Hübner hatte schon vorher erklären lassen, dass bisher keine Gelder geflossen sind. Die Regeln sind klar: Sollte Nokia zukünftig entsprechende Anträge stellen, muss die Kommission sie ablehnen. Sollten aber doch Gelder geflossen sein, war das unzulässig und das Geld muss zurückgezahlt werden."

"Dass in Rumänien und Ungarn Gelder des PHARE-Programmes für die Schaffung von Infrastruktur in Industrie-Parks verwendet werden – wie entsprechende Mittel in Deutschland auch – ist nicht zu kritisieren."

Offenbar war der Zungenschlag von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Brüssel aber tatsächlich anders: Zunächst hat er europäische Hilfen für die Verlegung der Bochumer Nokia-Fabrik nach Rumänien ausgeschlossen. Strukturmittel für die Verlagerung von Betrieben habe es auf jeden Fall nicht gegeben. Es habe schlicht Geld für den Bau von Industrieparks gegeben, das war alles – laut Barroso.

Das muss dann auch der Grüne Haudrauf einsehen und sagt kleinlaut:

"Dass in Rumänien und Ungarn Gelder des PHARE-Programmes für die Schaffung von Infrastruktur in Industrie-Parks verwendet werden – wie entsprechende Mittel in Deutschland auch – ist nicht zu kritisieren."

Und dann rief Barroso nicht zur Generalinventur der rumänischen Wirtschaftsförderung auf, so wie es der besorgt tuenden Schmidt nahelegte. Stattdessen forderte der Komissionschef seine "deutschen Freunde" auf, "den Mut zu haben, auch über die Vorteile der EU-Erweiterung aufzuklären". Schließlich müsse es erlaubt sein, Betriebe von Deutschland nach Rumänien zu verlagern, wenn auch Fabriken von Finnland nach Deutschland gebracht werden könnten. Alles egal laut Barroso, schließlich blieben die Arbeitsplätze innerhalb der EU.

Zur Ehrenrettung des Grünen muss gesagt werden, dass auch die anderen Politfreaks versuchen ihr Kapital aus der Nokia-Krise zu schlagen. Die nordrhein-westfälische Landesregierung prüfe, ob sie vom finnischen Mobilfunkkonzern 17 Millionen Euro aus Fördermitteln zurückzufordern könne, sagte die NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU). Möglicherweise seien mit den Subventionen verbundene Beschäftigungszusagen nicht eingehalten worden. Ihren Angaben zufolge hat Nokia öffentliche Mittel in Höhe von 88 Millionen Euro kassiert. CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers warnte den Weltmarktführer für Mobiltelefone deshalb schonmal vor einem Image als "Subventionsheuschrecke", die Fördermittel kassiere und dann weiterziehe.

Aber was soll das ganze Theater? So funktioniert das nunmal. Produziert wird da, wo es billig ist und den meisten Profit bringt. Die Scheingefechte um Subventionen bringen nicht viel. Sie sollen nur verdecken, dass die Politiker nicht viel tun können. Der Konzern Nokia ist Herr seiner Dinge. Wenn er seine Fabrik verlagern will, kann er das tun. Wenn er die Leute rauswerfen will, kann er das tun. Wenn er sein Kapital in Brausepulver oder irische Kokosnüsse investieren will, darf er das. Die Finnen von Nokia können ihre Kohle sogar einfach nur versaufen. Dagegen können Rüttgers und Co nichts tun.

Was bleibt, ist die moralische Keule. Der Grüne Schmidt schwingt sie:

"Ein Skandal ist dagegen das Verhalten der Nokia-Führung. Sollten sich die Informationen bestätigen, dass das Nokia-Werk in Bochum Gewinne und keine Verluste gemacht hat, verstößt seine Schließung gegen alle Grundsätze einer sozial verantwortlichen Unternehmensführung, wie sie im entsprechenden Verhaltens-Kodex für Unternehmen der OECD festgelegt sind. Der Haushalts-Ausschuss des EP wird sich mit dem Vorgang in seiner nächsten Sitzung beschäftigen."

Für Subventionen, um beim Scheingefecht bleibt, heißt das: Am besten lebt man ohne sie. Wer keine Beihilfen gibt, kann auch keine Beihilfen verlieren.

Zudem macht man den Leuten keine trügerischen und falschen Hoffnungen. Denn das ist das schlimmste.

Wenn das Vertrauen in die Zukunft zerbricht.

Und das ist in Bochum passiert. Es ist unredlich aus dieser Notlage der Menschen nun politisches Kapital schlagen zu wollen.