(Un)-Logik des Herzens

Am 10.01. hatte im TuT des Schauspielhauses Bochum ein kleiner Monolog von Mark Ravenhill Premiere: Das Produkt. Die Theaterleitung sowie Regisseur Hans Dreher scheinen der Werbung von Ravenhills deutschem Verlag Rowohlt erlegen zu sein, denn Das Produkt ist neben Pool (Kein Wasser) bereits die zweite Inszenierung Drehers eines Ravenhill-Stückes in Bochum innerhalb kurzer Zeit.

In Das Produkt versucht Filmproduzent James die Schauspielerin Olivia für seinen neuen Film zu gewinnen. Olivia soll Amy spielen, deren Freund bei den Anschlägen am 11. September umkam. Amy verliebt sich in Mustafa, einen Al-Qaida-Kämpfer, was zu absurden Verwicklungen führt, wie der Verlag schreibt. Wer „absurde Verwicklungen“ sucht, geht in Bochum in die Comödie (oder alternativ in das gleichnamige Haus in Duisburg oder ins Theater im Rathaus nach Essen, der Boulevard ist im Pott ganz gut aufgestellt).

Die Amour Fou beginnt – wie passend – im Flugzeug. Mustafa, der „Dunkelhäutige“ im Kaftan, verstaut seinen Gebetsteppich neben Amys Gucci-Handtasche. Amy erkennt schnell, dass es sich nicht um eine Yoga-Matte handelt und richtet ihren Schmerz ob des umgekommenen Freundes in einem hysterischen inneren Monolog gegen den Fremden. Anschaulich spielt Produzent James (Christoph Pütthoff) Olivia vor, wie er sich die Szene denkt.

Als das Flugzeug landet, beginnt die „Logik des Herzens“, wie der Filmemacher ankündigt, und die Boulevardmaschine läuft an. Es gibt nur ein Taxi, das Amy und Mustafa wundersamerweise in ihr Loft bringt. Amy entjungfert Mustafa, welcher „fremd ist in unserer Welt ist und fremd in der Welt der animalischen Sexualität“ und hat dabei den besten Orgasmus ihres Lebens. Darauf verliebt sie sich unsterblich in ihn und toleriert die Bildung einer Terrorzelle in ihrem Loft. Eines Tages steht Osama – von Pütthoff als eine Art Darth Vader interpretiert – persönlich vor der Tür: der große Tag ist gekommen, Mustafa soll sich in Disneyland Paris in die Luft sprengen. Auf der Bühne geschieht das Unglaubliche und Osama erlaubt Amy, Mustafa zu begleiten.

Nach einem Streit, weil Amy zwar mit ihm sterben, aber keine Kinder mit in den Tod reißen möchte, zündet sich Mustafa an. Amy stürzt in seine Arme und beide fallen…

Das Stück endet hier noch nicht, denn sie stürzen in einen Pool (im Gegensatz zum anderen Stück mit Wasser). Mustafa wird jetzt doch mal verhaftet und landet in Guantanamo. Amy absolviert eine Ausbildung à la Beatrix Kiddo, um ihn zu befreien, was ihr gelingt.

Christoph Pütthoff zeigt eine großartige Leistung in diesem Einpersonenstück ohne Bühnenbild und Requisiten. Der Text indes überzeugt nicht. Amys und Mustafas Geschichte ist überzogen, es ist nicht nachvollziehbar, warum Amy diesem Mann verfällt, seine Gefühle bleiben sogar ganz außen vor. Ravenhill hätte die Thematik besser in ein Zweipersonen-Stück packen sollen. Der Monolog eines Produzenten lässt sich allenfalls als Satire auf das Filmbusiness sehen, diese wird jedoch von der Nine-Eleven-Thematik zu sehr überlagert. „Das Produkt“ ist weder Fisch noch Fleisch, zwar solide Theaterunterhaltung, aber kein großer Wurf.

McDonalds trägt Hotpants

                                                                Foto: Hooters-Angestellte in Singapore

 

Wenn man diesem Zähler trauen kann, wird am 31. Januar in Bochum eine, wie sagt man, Gastwirtschaft eröffnet, die auf deutsch Möpse hieße. Da es sich um die zweite deutsche Dependance einer US-amerikanischen Kette handelt, heißt der Laden Hooters, es gibt Hamburger und Hühnerflügel und bedient wird man(n) ausschließlich von Kellnerinnen in orangenen Hotpants und weißen T-Shirts. Bochum ist die zweite Niederlassung der "wings of germany", so nennt sich der deutsche Arm von Hooters, die andere hat vor zwei Jahren im saarländischen Neunkirchen eröffnet, dort ging man hin, weil es in der Nähe Gi-Kasernen gibt.

Der Laden im Bochumer Bermudadreieck ist also der erste richtige Angriff auf den deutschen Markt, sollte bereits im Dezember aufmachen. Es zog sich etwas hin und es gab reichlich Ärger in Bochum. Die Chefs des größten Kneipenviertels des Ruhrgebiets kritisieren die Mischung aus Sex und Fett, sprechen von Chauvinismus, haben den Verpächter aus dem Vorstand der Interessengemeinschaft geworfen. Und natürlich, haben sie Recht mit der Kritik am Playboy zum Futtern und mit der Befürchtung, dass das Dreieck zum Tummelplatz von heftigen Junggesellenparties wird – bislang finden hier eher Junggesellinnenparties statt.
 
Andererseits ist das Dreieck – auch ohne Hooters – längst eine am Wochenende von bergischen und sauerländischen Trinktouristen übervölkerte, überteuerte Kneipenmeile aus Gastroketten geworden. Der einstige Charme ist verflogen. Und wahrscheinlich regt sich deshalb kaum jemand auf über Hooters, weil man den Bermudadreieck-Chefs ihre Kritik angesichts der Kommerzialisierung im Thekenterritorium nicht abnimmt.
 
Deshalb folgt hier eine glaubwürdigere Kritik an Hooters: Frauen, die in den USA bei Hooters kellnern, müssen unterschreiben, dass sie keinerlei Probleme damit haben, sich in einer sexualisierten Atmosphäre zu bewegen und mit Dienstkleidung und aufreizendem Gehabe für die Verkaufssteigerung der Marke zu sorgen. Gibt es in Bochum wirklich Frauen, die so einen unterirdischen Scheiß unterschreiben beziehungsweise mitmachen wollen?
 
Da es aber wahrscheinlich doch genug bescheuertes Personal gibt, noch eine Info: Hooters deutscher Zweig hat zwei Geschäftsführer mit Sitz im Saarland. Und was machen Michael Rennig und Axel Umlauf sonst so? Sorgen für das Radioprogramm in den deutschen McDonald’s Fillialen. Wenn sie also wirklich was gegen Hooters unternehmen wollen, sollten Dreieck-Manager einfach mal bei McDonalds nachfragen, ob die Familienrestaurant-Kette gerne gemeinsame Sache macht mit Leuten, die Möpse verkaufen?

Wanderer, kommst Du nach Bochum?

Bochum bekommt ein Jugendgästehaus. Wie schön. Jugendgästehäuser zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht so sehr in der Pampa liegen wie Jugendherbergen, dafür aber nicht so hip sind wie Backpacker Hostels.

Gerne erinnere ich mich an Erlangen zurück. Ich wusste nichts Wissenswertes über Erlangen, also quartierte ich mich ein im dortigen Jugendgästehaus, um meine Einschreibungswoche („Warum stehen Sie hier und nicht in der anderen Schlange?“ – „Ich hab ein außerbayerisches Abiturzeugnis“ – „Ah. Da muss ich den Chef holen.“). Ähnlich freundlich war meine Unterkunft, Kiefernmöbel, Karovorhänge und ein winziges Einzelzimmer. Das Frühstücksbüffet war ebenso übersichtlich wie die pulsierende City der fränkischen Metropole. Immerhin konnte man zwischen Pfefferminz- und Hagebuttentee wählen, ein Vorzug gegenüber den Jugendherbergen meiner „Jugend“, welchen sich das Jugendgästehaus ebenso wie das luxuriöse Einzelzimmer auch entsprechend bezahlen ließ.

Jahre später – mein Erlangen-Gastspiel dauerte genau eine Woche – lese ich jetzt also, dass Bochum eine Jugendherberge im Bermudadreieck bekommen soll. Diese im Vorbeigehen aufgeschnappte Schlagzeile stellte sich als ungenau heraus, handelt es sich doch erstens um ein Jugendgästehaus und liegt es zweitens nur am Bermudadreieck. Das ist ein bedauernswerter Unterschied, denn ein DJH-Etablissement beispielsweise in der Kortumstraße hätte immensen Charme gehabt. Astra statt Hagebuttentee, Hooters-Girls statt Herbergsmuttis, das wäre es gewesen.

Da das Haus aber in der Humboldtstraße entstehen soll, haben die Gäste mehr Gelegenheit, sich auf die Attraktionen zu stürzen, die Joachim Barbonus, Chef des Jugendherbergs-Landesverbandes, den Bochum-Besuchern schmackhaft machen will: „Starlight, Symphoniker, Theater: da gibt es interessante Verknüpfungen wie auch zu VfL, Bogestra und Planetarium. All diese Dinge wollen wir Gruppen als Programm anbieten.“. Ob dies reicht, die Massen anzulocken wird sich zeigen, falls nicht, bleibt ja noch das gute alte Bermudadreieck. Und die Hooters-Girls sind bis zum Sommer hoffentlich auch eingezogen.

Im Pulverdampf

Nach dem Industrieschnee kam Böllersmog.

Bochumer Sylversternacht mit Sichtweiten unter zehn Metern. Schwefelgeruch in der Luft, nasse Haare, gute Laune. Wir sahen einen Mann vor einem Auto herlaufen. Als wir ihn vor dem Gefährt warnten, sagte er "meine Freundin" und lotste sie auf die Autobahnauffahrt.

Und welches Wetter machen wir uns als nächstes:

Chemiehagel, RWE-Gewitter, Windradorkan?

Wünsche nur das Beste für 08!

 

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