Parteienrechtler: „CDU hat ein großes Problem“

Die Plakate gesponstert, der Initiator auf einen lukrativen CDU-Posten gehievt: Die angeblich private Wählerinitiative „Wähler für den Wechsel“ war eng mit der Rüttgers-Partei verbandelt. Wähler und Spender wurden im Wahlkampf 2005 gezielt getäuscht

Parteienrechtler bezweifeln die Unschuld von CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers im Parteispendenskandal. „Dass die CDU in NRW sich nicht mit der Wählerinitiative abgesprochen hat erscheint mir mehr als zweifelhaft“, sagt der Parteienrechtler Hans-Herbert von Arnim. „Sollte herauskommen dass die CDU sehr wohl von den Spenden wusste und die Initiative Teil ihrer Wahlkampfstrategie war, so ist der Rechenschaftsbericht falsch und die CDU hat ein großes Problem.“

Zwei Wochen vor der Landtagswahl sind die neuerlichen Vorwürfe der verdeckten Parteienfinanzierung tatsächlich ein großes Problem für Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU).

Unter der logistischen Hilfe der CDU hatte sich 2005 eine Initiative namens „Wähler für den Wechsel“ für den damaligen Oppositionsführer Jürgen Rüttgers eingesetzt. Der Lippstädter Autozulieferer Hella hatte ihr damals 10 000 Euro zukommen lassen und dies zunächst als Betriebsaufwand und damit als steuerlich abzugsfähig verbucht. Die private Initiative ist überhaupt nicht berechtigt, diese Quittungen auszustellen. Erst auf Druck von Medienberichten korrigierte Hella nachträglich seine Angaben beim Finanzamt. Wahlkämpfer Rüttgers hatte am Freitag alle Vorwürfe von sich gewiesen. „Es hat keine Spende auf irgendein Konto der CDU gegeben. Es hat auch keine Spendenquittungen gegeben“, sagte der Christdemokrat. Alles andere sei außerhalb „unseres Verantwortungsbereichs gewesen“, so Rüttgers kryptisch.

Den entscheidenden Vorwurf der Opposition und des Parteienrechtlers aber kann die CDU bislang nicht entkräften: Sie war der Wählerinitiative offenbar so nahe, dass sie sich als Partei hätte outen müssen. Denn die einzige nennenswerte Aktion der Initiative waren die Plakate und die Anzeigen, die geschaltet wurden. Und genau diese wurden von der CDU organisiert. „Für die grafische Entwicklung der Anzeigen, die Entwicklung eines Logos für die Aktion, die Schaltung der Anzeigen und organisatorische Unterstützung etc. wurde die Agentur Equipe eingeschaltet und deren Honorar für vorstehendes von der CDU NRW übernommen“, so die schriftliche Antwort eines CDU-Sprechers. Damit aber sind die Initiative und die CDU nicht sauber getrennt.

Auch personell nicht. Zwar bezeichnet die CDU den damaligen Initiator der „Wähler für den Wechsel“-Gruppe, Tim Arnold, immer verharmlosend als Student, obwohl er schon Manager bei Bertelsmann gewesen war. Nur ein Jahr nach der Wahl wurden die engen Kontakte von Arnold zur CDU aber offensichtlich: Rüttgers machte den jetzt 40-Jährigen zum Leiter der NRW-Landesvertretung beim Bund in Berlin.

„Das Finanzgebaren der CDU-NRW bewegt sich offenbar in einer Grauzone“, sagte der nordrhein-westfälische SPD-Generalsekretär Michael Groschek. Ein zusätzlicher Skandal sei, dass die CDU eine lückenlose Aufklärung beharrlich verweigere.

Überprüfen wird diese dubiosen Vorgänge tatsächlich wieder einmal die CDU selbst – Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat angekündigt, die steuerlich falsch deklarierte Firmenspende an eine Wählerinitiative für die CDU zu kontrollieren. „Wann immer wir Anhaltspunkte für mögliche Verletzungen des Parteiengesetzes haben, prüfen wir den Vorgang“, sagte Lammert.

Parteinrechtler von Arnim geht das nicht weit genug. „Ich fordere das Parteiengesetz so zu ändern, dass die Veröffentlichung der Namen von Großspendern nicht umgangen werden kann.“ Der Wähler müsse wissen, wer die Unterstützer von Parteien sind. „Wenn diese Transparenz über den Umweg einer befreundeten Initiative umgangen wird wird der Wähler in die Irre geführt“, so von Arnim.

Foto: Land NRW

Die Linke: Der Terminkalender zur Macht ist fertig

dielinkenrwSollte die neoliberale Weltverschwörung am 9. Mai bei den Lanstagswahlen in NRW eine Schlappe erleiden und der Sieg des Proletariats in greifbare Nähe rücken, ist die Linkspartei gut vorbereitet: Sie hat den Terminkalender zur Macht längst fertig.

Noch ist die Linkspartei in NRW nicht im Landtag und auch der Sprung über die 5-Prozent Hürde könnte noch misslingen. Aber über solche Szenarien mag man in der Parteizentrale in Düsseldorf und dem Wahlkampfhauptquartier in Bochum offensichtlich nicht nachdenken. Hier plant man für den Sieg des Proletariats, für den Griff der Ausgebeuteten und Geschundenen dieser Welt nach der Macht.

Für den Fall, dass es nach der Wahl zu einer Koalition der Linkspartei mit SPD und Grünen kommen könnte, steht der Fahrplan der Linken fest:  Zwischen dem 25. und 29. Mai soll auf Regionalkonferenzen über die Ergebnisse der Gespräche mit Grünen und SPD diskutiert werden. Die Termine sind im Linkskalender bescheiden mit ggf. (gegebenenfalls) gekennzeichnet. Und am 30. Mai könnte dann auf einem Sonderparteitag die Entscheidung über die Gründung der Volksrepublik Nordrhein-Westfalen fallen. Oder einfach nur über die Verteilung von einem ganzen Haufen Staatsknete. Sollte alles etwas komplizierter werden, sind weitere Sonderparteitage für den 27. Juni und den 4. Juli eingeplant.

Also, all ihr Bonzen da draußen, ihr Freunde von Kirche und Kapital, ihr Büttel des Klassenfeindes: Spätestens am 5. Juli ist die neoliberale Ausbeuterparty vorbei. Gegebenenfalls.

Rot-Grün: „Ich hatte da mal ein Lager…“

gruener_baerDie SPD setzt in NRW auf Rot-Grün. Die Begeisterung der Grünen über die Wiederbelegung des alten Projekts wirkt etwas pflichtschuldig, denn sie wissen: Es gibt keine Lager mehr.

In den 90er Jahren war die Welt noch scheinbar einfach: Die Grünen hatten, zumindest oberhalb der kommunalen Ebene, nur einen denkbaren Koalitionspartner: Die SPD. Man schwärmte vom Rot-Grünen-Projekt. Die Sozialdemokraten sahen dass etwas pragmatischer: Wenn es passte, koalierte man mit den Grünen, ging auch aber Verträge mit der Union und der FDP ein und kooperierte auch schon mal mit der PDS. Die SPD war in einem strategischen Paradies: Sie konnte mit allen. Von einem Rot-Grünen-Projekt war da nicht die Rede und Schröder hätte 1998 lieber mit der CDU als mit den Grünen regiert.

Heute ist das anders: Auf ihrem Parteitag in Dortmund beschworen sowohl Hannelore Kraft als auch SPD-Chef Sigmar Gabriel Rot-Grün.  Das soll zum einen Aufbruchstimmung erzeugen, aber auch  Diskussionen über die Zusammenarbeit mit der Linkspartei oder der Union verhindern. Beide Optionen wurden ja nicht ausgeschlossen, würden den Wahlkampf allerdings stören.

Und die Grünen? Die bekunden, dass sie auch am liebsten mit der SPD regieren wollen, wirken aber deutlich distanzierter, denn sie kennen die Probleme, die bei der Zusammenarbeit mit der SPD aufkommen würden.

Neben wir den Energiebereich: Die SPD will den Ausstieg aus der Kohleförderung rückgängig machen. Mit den Grünen wird das nicht gehen. Die SPD will, wie die Union, weitere Steinkohlekraftwerke. Die Grünen sind dagegen.
Die Grünen wollen Direktwahlen auch für das Ruhrparlament – bei der SPD taucht das Thema noch nicht einmal auf.

Da waren die Gemeinsamkeiten schon einmal größer – gegen Ende der rot-grünen Regierung, als man sich, nach schweren Krisen, 2003 auf das Düsseldorfer Signal einigte. Das liest sich auch heute, fast sieben Jahre nach seiner Formulierung, modern und undogmatisch. Von Bürokratieabbau und Strukturveränderungen ist da die Rede, einen Ruhrbezirk sollte es geben – und die SPD, die damals dieses Papier unterstützte, warf es nach der verlorenen Wahl sofort auf den Müllhaufen. Man wolle wieder SPD-Pur, sagte mir damals der SPD-Generalsekretär Michael Groschek.

Wenn nach der Wahl Rot-Grün möglich sein sollte, wird die SPD auf Grüne treffen, die sehr pragmatisch in die Koalitionsverhandlungen gehen werden. Die SPD wird einen hohen Preis zahlen müssen – die inhaltlichen Schnittmengen zur Union könnten sich in der Regierungspraxis für die Sozialdemokraten als größer erweisen.

Die Grünen werden hart Verhandeln und vielleicht feststellen, das mit einer angeschlagenen Union mehr geht als mit der SPD. Viele von Ihnen haben die SPD noch aus zehn Jahren gemeinsamer Regierung in schlechter Erinnerung. Rot-Grün in NRW – das war kein Projekt sondern ein ständiger Kampf der Grünen mit den Modernisierungsverhinderern der SPD. Noch das kleinste Zugeständnis musste den Sozialdemokraten hart abgerungen werden. Mehrmals stand das Bündnis vor dem Aus. Nur der Druck aus Bonn und später Berlin sorgte dafür, dass es sich ohne jede Strahlkraft über die Runden rettete, bis 2005 Schluss war. Rot-Grün in NRW war das Modell für den Bund – dort wird es aber von den Grünen nicht mehr gebraucht. Sie haben längst gezeigt dass sie regieren können. Die Grünen brauchen keine Modelle mehr. Sie wollen einfach ihre Politik umsetzen.

Es gibt keine Lage mehr. Es gibt einzelne Parteien und die sollen möglichst viele ihrer Ideen durchzusetzen versuchen. Es ist wie auf einem Markt. Man handelt miteinander. Passen die Programme? Passen die Personen? OK. Passt es nicht, geht es nicht. Alles andere ist Wahlkampf-Vodoo. Rot-Grün ist in NRW so wenig ein Projekt wie es Schwarz-Gelb im Bund ist. Lager – das ist dieses schale Bier mit wenig Alkohol. Ich trinke sowieso lieber Pils.

Foto: Grüne NRW

Ruhrpilot – Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

Bochum: Konzerthausspender verbittert…Der Westen

Revier-Derby: Vorbesprechung der Fanbeauftragten…Ruhr Nachrichten

Selbstmord: Günter von Gravenreuth ist tot…taz

Nachruf: von Gravenreuth…Gulli

NRW-Wahl: Berlin wird nervös…Kölner Stadtanzeiger

Gelsenkirchen: FDP distanziert sich von Abmahn-Queen…Gelsenkirchen Blog

NPD: Bus kaputt…Bo Alternativ

Hip-Hop: BBOY Freestyle Jam…Hometown Glory

Ruhr2010 I: Die Vermessung des Weltinnenraums…xtranews

Opel-Theater: Zweiter Akt…Verlorene Generation

Castrop: Handwerker prüfen Sammelklage gegen Ayurveda-Hotel…Der Westen

Ruhr2010 II: Erfolgreiche Local Heroes…RP Online

Zensursula-Anhörung: Es bleibt viel zu tun!…Netzpolitik

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Gierschlund

Auf Hendriks Mund lass ich nichts kommen,
was dieser spricht, ist wahr, so wahr
Gott selbst Wüsts Hendrik inspirierte,
schuf eigenhändig die Jott U.

In Bocholt, wo er damals residierte,
ging es für ihn steil bergauf:
Ob Rat, Partei, er kandidierte
sich bis nach Düsseldorf hinauf.

Sein großer Mund, den er so oft riskierte,
macht unermüdlich Lärm, ja, Krach.
Von Links bis Kraft, sein antiquierter
Kompass weist ihm den rechten Pfad.

Doch nun stört Gier auf die Diäten,
auf zweimal Krankengeld vom Staat,
Jung-Hendrik in Karrierenöten,
ohn‘ Mund ging’s längst zurück auf Start.  

 

Zeichung: ruhrbarone

Grüne werden überwacht

Big Brother hat Sendepause, hier die Alternative. Die Grünen in NRW lassen sich beim Wahlkampfendspurt in der Parteizentrale 72 Stunden über die Schulter schauen. Und das im Livestream. Umsonst. Gerade läuft ein Interview mit der Düsseldorfer Direktkandidaten.

Gerade gibt es zum Beispiel ein "Interview" mit der Düsseldorfer Direktkandidatin, später kommt die Landesvorsitzende, usw. Sie nennen ihre Gespräche "Speeddating". Menschen mit grünen T-Shirts stellen nacheinander – etwa der Direktkandidatin Mona Neubaur  – bemühte Fragen und bekommen Antworten, die sie hören wollen oder schon kennen. Ich finde das lustig. So lässt sich gut die Zeit bis Sonntag 18 Uhr totschlagen. Fast so schön wie der alte Mercedes mit Franz-Walter-Steinmeier-Anhänger, der gerade an meinem Bürofenster vorbeigleitet und kräftig mit einer Kuhglocke leutet. Am Sonntag ist das alles wieder vorbei, eigentlich schade.

schirmschuss: gruene-nrw.de

Laumanns Farbenspiele

Kann man diesen Augen böse sein? Das sind so genannte Fluffy-Bälle. Die können leuchten, wenn man sie gegen die Wand wirft oder wie ein Jojo herumschleudert oder würgt. Kommen auch aus China. Sind brandgefährlich. Und jetzt hat Nordrhein-Westfalens Sozialminister Karl Josef Laumann (CDU) diesen Fluffy-Bällen den Kampf angesagt. Aber so was von: "Wir werden alles tun", schreibt er mir soeben, "um den Fluffy-Ball schnellst möglichst aus den Regalen zu entfernen" (klick). Dazu schickte er mir vier Ansichten von Fluffy-Bällen. Roten, grünen, rot-rot-grünen. Ich finds putzig.

Bilder: mags.nrw.de

Das Dr.-Hendrik-Brömme-Spiel

Zuerst war da nur Dr. Udo Brömme. Ein CDU MdB wie aus dem Bilderbuch. Aber genau genommen entstammt er dem Oberstübchen und Schauspieltalent Ralf Kabelkas, Redaktionsleiter von Harald Schmidt, klick. Eine Musterkarriere hat der hingelegt, von der Jungen Union des Erftkreises in den Bundestag. Dr. Jur., Lehrbeauftragter, tadellos, adrett, gescheitelt, Wintermantel. Schwiegersohn mit mal brillanten, mal zotigen Auftritten. Eine Late-Night-Karriere, irgendwann in der Versenkung abgetaucht. Seit anderthalb Jahren meldet sich Dr. Udo Brömme nun wieder zu Wort, klick, es gibt ein Buch von ihm, klick. Und dann ist da noch Herr Wüst.

Genauer: Dr. Hendrik Wüst, MdL, CDU-Generalsekretär. Adrett, gescheitelt, Schwiegersohntyp. War Jung-Unionist,  Messdiener und Handballer. Doktor der Rechte (Rechtswissenschaftler), Hobbyjäger. Hat eine Traumkarriere hingelegt von der JU in den Landtag und direkt in die Landesparteizentrale der frisch gebackenen Regierungspartei-CDU.

Die Ähnlichkeit zwischen beiden war von Anfang an frapierend, erst äußerlich, biografisch, nun in Wahlkampfzeiten zusehends auch inhaltlich. Beispiele: klick, klack. Deshalb ein kleines Ratespiel aus gegebenem Anlass:

Sagen Dr. Brömme oder Dr. Wüst: "Zukunft ist gut für alle".

Ist es die Kunstfigur oder Rüttgers Ziehsohn, der behauptet, "wirtschaftliche Vernunft und soziale Gerechtigkeit sind zwei Seiten einer Medaille. Dafür stehen wir in Nordrhein-Westfalen und dafür arbeitet die CDU."

War die Wende Wüsts oder Brömmes Erweckungserlebnis: "1990 bin ich zur Jungen Union gekommen, weil ich wollte, das die beiden deutschen Teile möglichst schnell wiedervereinigt werden, dafür stand die CDU und deswegen war ich dabei."

Und ist das die CDU des Landespolitikers oder des Fernsehmannes: "Die CDU unterscheidet von den anderen Parteien, dass wir die Union aus Männern und Frauen, aus Selbstständigen und Arbeitern, aus Alten und Jungen sind. Wir machen Politik für alle Gruppen der Bevölkerung."

Viel Spaß beim Raten!                 

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Leis is nice

"Landtag NRW- Raum der Stille." Mein Header der Woche! Nur eine dürre Betreffzeile in der Mailbox, Zuschrift der Landtags-Pressestelle. Doch was für eine gute Idee: der Landtag, das Parlament – still, kein Wort.

Stattdessen meditierende Oppositionsführerinnen, tiefenentspannte Fraktionsgeschäftsführer, in sich ruhende Hinterbänkler, keine Zwischenrufe, keine kaugummiaufblasende Schulklasse auf der Besuchertribüne, keine Abgeordneten mit Handy am Kopf, Hand vorm Mund, einarmig mühen sie sich an der Saaltür, atemlose Interviews, keine stolzierenden Politiker in Wandelhallen. Stattdessen, endlich: Sense, Schluss, Silenzio im Raum der Stille*. Quiet nice.

Hannelore-Kraft-Tag (2): Eine Bewerbung?

Hannelore-Kraft-Tag bei den Ruhrbaronen. Erst die Bioverschönerung (klick) auf dem Zenit der Macht. Jetzt noch ein seltsamer Beitrag der SPD-Kandidatin in der "Welt": In einer "Polemik" hat sich die erfolgsarme Landesvorsitzende an Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (UvdL) abgearbeitet. Dabei sitzt die doch in Berlin. Vielleicht ja deshalb. Es gibt Gerüchte, dass Kraft 2010 doch nicht gegen Rüttgers antreten wird (soll, will). Spekuliert die Ex-Landesministerin mit einem Ministerium in Berlin? Wie ihre Vorgänger Müntefering, Clement, Steinbrück? Eine kleine Textanalyse.

1) Talkin Heads
"Niemand" sei so oft in Talkshows wie Frau von der Leyen, das ist die argumentative Klammer von HK. Das würden die Statistiken belegen. Aber: Gibt es Statistiken über Talkshowbesuche? Und was ist mit Norbert Röttgen oder Wolfgang Bosbach, mit Sky du Mont, Uschi Glas oder Karl Lagerfeld? Das Problem an den UvdL-Auftritten ist nicht das wie oft, sondern das wie. Klingt leicht neidisch.

2) Kurzarbeit
HK zeichnet ein Bild von der Wirtschaftskrise, man möchte hoffen, sie meint das nicht ernst: Millionen Kurzarbeiter, so HK, hätten morgens ihren Kindern zu erklären, warum sie nicht zur Arbeit fahren. Ist das so? "Du, Miro, der Papi fährt erst morgen wieder ins Werk!" – "Oooch, echt, bist du jetzt ein Versager, Papi?". Auch den anderen gehe es schlecht, weiß Kraft: Die einen würden Angst haben, ihre Arbeit zu verlieren. Die bereits Arbeitslosen verlören angesichts der "Horrormeldungen aus der Wirtschaft", Stück für Stück die Hoffnung. Ist es wirklich so arg da draußen? Oder schiebt da jemand selbst  Zukunftsangst?

3) In der Klemme
Als ob die Wirtschaftskrise nicht fies genug ist, kennt Hannelore Kraft (48) noch etwas gemeineres. Die "Generationenklemme ab 40". Was keine Streckfolter ist, sondern ein genereller Trübsinn, der alle über Vierzigjährigen erfasse, vor allem die weiblichen. Die Sorgen um die eigene und die Zukunft der Nachwachsenden mischten sich jetzt nämlich mit "Gedanken über die Gesundheit und die Versorgung der eigenen Eltern, die oft genug weit weg wohnen". Außerdem, schreibt die Wirtschaftswissenschaftlerin, herrsche große Furcht vor steigenden Mieten, vor den Ratenzahlungen fürs Haus, den schlechten Schulnoten beim "Sohnemann". Kein Wunder, so Kraft, dass gerade die Frauen "schlaflose" Nächte "erleiden". Hat sie aber nicht etwas vergessen: Was ist mit seltenen Krankheiten, fehlenden Rauchmeldern, Starkregenereignissen, Flugzeugunglücken – alles furchtbar: "Familien und Frauen sind die großen Verlierer der Krise!", jault die Mülheimerin jedenfalls. Aber das Familienministerium in Berlin, das interessiere sich nur für ein "kleines Segment" unter ihnen. Hm, ich mache mir auch langsam Sorgen – um Frau Kraft.
     
4) Rot-grüner Kanon
Außerdem ist die Bundesfamilienministerin genau wie Krafts Hauptgegner, wie Jürgen Rüttgers, der Ministerpräsident, den viele für einen Sozi halten, einen Arbeiterführer, für Johannes Rau den II. Denn auch UvdL fische beim politischen Gegner, ärgert sich Hannelore Kraft: Die "gut situierten Akademikerfamilien", die eher zum "rot-grünen Wertekandon tendieren", würden von der Bundesministerin mit "lobenswerten Initiativen bedient", die "oft von Sozialdemokraten erarbeitet wurden". Und die anderen "Segmente" zu wenig. Was kleinlich beleidigt klingt, dabei wüsste ich viel lieber, was der "rot-grüne Wertekanon" ist, schade!

5)  Kein Fototermin
Krafts konkrete Kritik an der Politik der Bundesfamilienministerin fällt immerhin solide aus. Es geht um unsoziale Kinderfreibeträge, Dumpinglöhne, bessere Steuerklassen für Zweitverdiener, Ehe-Ideologie aus dem "Fotostudio von der Leyen". Alles gut, alles nachvollziehbar, und doch bleibt ein Rätsel: Was hat das mit "Fototerminen", "Fotostudios" von der Leyens zu tun. Das ist nicht polemisch, sondern – erst recht von Frau zu Frau – platt!

6) Knicks vorm Komasaufen  
Habe zunächst "wie Ministerin von der Leyen bei einem großen Jugendproblem, dem Komasaufen, eingenickt ist" gelesen, was mir sehr gefallen hat – die bezecht schlummernde Ministerin. War aber leider nur ein Verleser, weiter: Die Kraftsche Abrechnung mit der konservativen, vornehmen Bundespolitikerin nähert sich dem Ende. UvdL würde sich nicht gerne "die Hände schmutzig" machen, sich fein "heraus halten" und nicht mit den Degenhardschen "Schmuddelkindern" spielen; was vermutlich Unfug ist, aber halt eine Polemik!

7) Die Hausmeisterin
Sehr merkwürdig ist wieder der Schluss. Oder was kümmert es Hannelore Kraft, ob das Familienministerium zu einem "Haus" "für Shows und Fotosessions verkommen" ist? Gibt es in NRW keine verkommenen Ministerien, Häuser? Warum dieser Furor? Weshalb die verräterische Terminologie vom "Haus". Für mich klingt das wie eine besorgte Nachfolgerin! Ein Bewerbungsschreiben für die Berliner Bühne. Und eben nicht nach Landespolitikerin, NRW-Oppositionsführerin, Rüttgers-Herausforderin.