
Den Kanzler übermannt Scham, als er an die fehlende Hilfsbereitschaft Deutscher für die jüdischen Opfer der Nazis erinnert. Das ehrt ihn. Dazu passt jedoch nicht, dass er Israel Hilfe gegen die heutigen Holocaust-Täter der Hamas und die Israelgegner in der EU verweigert.
Regierende dürfen Emotionen zeigen. Willy Brandt fiel 1970 in Warschau vor dem Mahnmal des Warschauer Ghettos auf die Knie – Zeichen deutscher Schuld für den Völkermord an sechs Millionen Juden. Helmut Schmidt weinte bei der Trauerfeier für den von der RAF ermordeten Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer, den er der Staatsräson geopfert hatte, sich nicht von Terroristen erpressen zu lassen. Nun kamen Friedrich Merz Tränen, als er in einer Münchner Synagoge darauf verwies, dass nur wenige in Deutschlands dunkelster Zeit bedrohten Juden beigestanden haben. Eine Gefühlsregung, für die er keinen Spott und keine Kritik verdient.
Glaubwürdiger wäre er jedoch, wenn er mit der gleichen Inbrunst, mit der er danach den heutigen Juden in Deutschland Schutz gegen die Antisemiten vor allem von links und aus der muslimischen Ecke versprach, auch Israel und den dort lebenden Juden unverbrüchlichen Beistand zusicherte. Stattdessen hat er die deutsche Rüstungshilfe wegen des israelischen Vorgehens gegen die Hamas ausgesetzt und damit den Juden- und Israelfeinden Futter geliefert.
Die Bundesregierung setzt sich auch nicht mit Nachdruck für die wahrscheinlich nur noch fünf lebenden Deutsch-Israelis ein, die die Hamas als Schutzschilde gegen die israelische Armee benutzt. Sie geht zu zaghaft gegen die Pro-Hamas-Aktivisten vor, die wie die Palästina und Deutschland in deutscher Tradition von Juden „befreien“ wollen. Und sie fällt nicht der deutschen EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und ihrer Kommission in den Arm, die Israel sanktionieren möchte – unter dem Druck des französischen Präsidenten Marcon, Spaniens und Belgiens und aller anderen, die den jüdischen Staat ächten, weil der sich wehrt.
Falsche Rücksichtnahme
Vielmehr will die Bundesregierung an einer Konferenz teilnehmen, die Macron einberufen hat zur gemeinsamen Anerkennung eines arabisch-palästinensischen Phantomstaats – als Belohnung für das genozidale Massaker der Hamas und vieler Gazaner an 1200 Israelis, dem schlimmsten Progrom seit der Shoa. Mehr Zweideutigkeit geht kaum.
Verteidiger von Merz und der schwarz-roten Regierung wenden ein, dass sie damit Schlimmeres verhüten wollten. Aber wer den Juden- und Israelhassern nur einen Millimeter nachgibt, opfert die deutsche Zusicherung, jüdisches Leben nach der Shoa immer und überall zu verteidigen, dem antisemitischen Mob hierzulande wie im arabisch-muslimischen Raum und global.
Vom „Nie wieder“ kann es keinerlei Abstriche geben, auch wenn die Bundesregierung in Europa ziemlich allein dasteht und die Bilder und Berichte aus Gaza bedrückend sind. Doch niemals darf unterschlagen werden, wie das viele Politiker, Medien und die antisemitischen Demonstranten tun, dass die Hamas und ihre Unterstützer für das Leid verantwortlich sind. Nicht Israel.
Immerhin haben die britische Labour-Regierung und die dänische Regierung es abgelehnt, sich dem allgemeinen Verdikt anzuschließen, Israel begehe in Gaza „Völkermord“. Es gibt also noch Verbündete gegen den antiisraelischen Furor. Merz müsste sie nur bündeln.
Denn sonst bestätigte er den alten Verdacht, dass für Deutsche nur tote Juden gute Juden sind. Die heutigen Juden jedoch wollen in Sicherheit und Frieden leben. In Israel genauso wie im Land der Täter. Das ist die Verantwortung jedes deutschen Kanzlers, egal wer und was auf deutschen Straßen, an den Unis, im Kulturbetrieb, in den Medien und im Internet tobt.
