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Update: Verhängnisvolle Affäre: Die EU, die europäischen Grünen und die Erdoğan-nahe SETA Stiftung

EU Parlament Foto: Diliff Lizenz: CC BY-SA 3.0

Die EU scheint an der Zusammenarbeit mit der in die Kritik geratenen Erdoğan-nahen türkischen SETA Stiftung und den anderen Herausgebern des „Islamophobia Reports“, festhalten zu wollen. SETA kündigt auf Twitter eine am 21.Januar 2020 im EU Parlament stattfindende Veranstaltung an. Von unserer Gastautorin Nina Scholz.

Diese Veranstaltung geht auf eine Initiative der Grünen Fraktion im EU-Parlament zurück und auf dem Plakat der Veranstaltung ist im Kleingedruckten oben rechts zu lesen, dass dieses Plakat mit Geldern der EU finanziert wurde. Die Eröffnungsrede hält der britische grüne EU Ageordnete Magid Magid. Er ist, ebenso wie Farid Hafez, einer der Herausgeber des European Islamophobia Reports, auf das Thema „Islamophobie“/ „antimuslimischer Rassismus“ spezialisiert.

Die türkische SETA Stiftung war zuletzt nicht nur wegen ihres Islamophobie Reports in die Kritik geraten, der von der EU mit 126.951 Euro finanziert worden war, sondern auch wegen anderer denunziatorischer Berichte, in denen Kritiker und Kritikerinnen Erdoğans gelistet wurden. Etwa der Bericht über „Die Struktur der PKK in Europa“. Darin werden – nach Ländern geordnet – europäische Politiker/innen, Wissenschaftler/innen, Journalisten und Künstlerinnen als PKK-Sympathisanten, -Unterstützer oder -Mitglieder gelistet. Zur Begründung der Vorwürfe reichte mitunter, dass sie Kritik an der türkischen Politik in den Kurdengebieten geäußert hatten. Der dänische Geheimdienst PET hielt den Bericht für so gefährlich, dass er alle Personen aus Dänemark, die in ihm erwähnt wurden, warnte. Außenminister Jeppe Kofod legte Beschwerde bei seinem türkischen Amtskollegen ein, woraufhin sich SETA gezwungen sah, die Namen von 35 Personen aus dem Bericht zu streichen.

Eine weiterer Bericht trägt den Titel „Der verlängerte Arm internationaler Medienorganisationen in der Türkei“ und listet steckbriefartig Namen und Lebensläufe von 143 türkischen Journalisten und Journalistinnen auf, die für internationale Medienhäuser wie BBC, FAZ oder Deutsche Welle arbeiten. Ihnen wird vorgeworfen, regierungsfeindlich zu berichten. Angesichts des Mobilisierungspotentials türkisch-nationalistischer und islamistischer Kreise eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die Betroffenen. Die deutsche Kulturstaatsministerin Monika Grütters protestierte umgehend und kündigte an, sich auf EU Ebene gegen eine Zusammenarbeit mit SETA einzusetzen.

Gründungsdirektor von SETA ist der Theologe Ibrahim Kalın, heute Sprecher von Erdoğan. Der Öffentlichkeit fiel er durch seine Rede auf dem „Istanbuler Weltforum 2012” auf, in der er die Entmachtung des Westens ankündigte und diese mit der Entmachtung des (kemalistischen) türkischen Militärs verglich. Auch im Westen werde es eine „postsäkulare Ordnung“ geben, prophezeite Kalın. Der Türkei komme bei der Gestaltung der neuen Weltordnung eine Schlüsselrolle zu. Der Westen besitze keine „wahren Werte“ und werde mit „Islamophobie“ auf diese Umgestaltung reagieren. Der heutige Generalkoordinator von SETA, Burhanettin Duran, macht keine bessere Figur. Im Oktober vergangenen Jahres bejubelte er auf Twitter den türkischen Einmarsch in Nordsyrien und flehte Allah an, den Soldaten zu helfen. Kritikern warf er einen „Propagandakrieg gegen Erdoğan“ vor.

Aus der Beantwortung einer Anfrage der Partei “Die Linke” durch die Bundesregierung geht hervor, dass die SETA Stiftung von der einflussreichen Familie Albayrak finanziert wird. Sadik Albayrak ist ein enger Freund Erdoğans. Sein Sohn Berat ist türkischer Finanzministers und Erdoğans Schwiegersohn. Serhat, ein zweiter Sohn, leitet die mächtige regierungsnahe Mediengruppe Sabah und ist – auch das ist keine Überraschung mehr – der aktuelle Chef der SETA-Stiftung.
All das ist hinreichend bekannt, hält jedoch die EU und nun offenbar insbesondere Abgeordnete der Grünen Fraktion nicht davon ab, die Zusammenarbeit fortzusetzen und SETA ins EU-Parlament einzuladen.

Update:

Inzwischen wurde klar, dass die Grüne Fraktion nicht über die Einladung der SETA Stiftung und die Veranstaltung informiert worden war. Alev Korun, Menschenrechtssprecherin der österreichischen Grünen, hat der Autorin auf Nachfrage am 20. Januar 2029 geantwortet:

„Die Green Group (Grüne Fraktion im Europäischen Parlament) distanziert sich von der Veranstaltung & hat ihr Logo entfernen lassen. Auch der Grüne Vorsitzende der EU-Türkei Delegation Sergey Lagodinsky ist gegen diesen Auftritt von Herrn Magid. Es handelt sich also um eine Einzelaktion eines Abgeordneten und NICHT um eine Initiative der Grünen im EU- Parlament. Magid Magid wurde von der Fraktion der Grünen Abgeordneten über SETA informiert.

Nina Scholz ist Politikwissenschaftlerin und Autorin und lebt in Wien. Gemeinsam mit  Heiko Heinisch veröffentliche Sie im vergangen Jahr das Buch: Alles für Allah: Wie der politische Islam unsere Gesellschaft verändert Wien/Graz 2019

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Rano64
Rano64
4 Jahre zuvor

Was zur Hölle ist denn "antimuslimischer Rassismus"? Der Islam ist eine Religion und hat Anhänger in vielen verschiedenen Ethnien. Man sieht es keinem Menschen an der Nasenspitze an, welcher Religion er anhängt. Wer so einen widersinnigen Kampfbegriff verwendet, möchte also offensichtlich Kritiker als Menschenfeinde diskreditieren und nimmt billigend in Kauf, dass rechtsextremistische Organisationen wie z.B. die grauen Wölfe und radikale Islamisten wie z.B. die Salafisten gemütlich die Opferkarte spielen können.

Gerd
Gerd
4 Jahre zuvor

Die ganz normalen Auswüchse der Identitätspolitik. Gruppe X wird als 'Opfer' von irgendwas definiert – i.d.R. des Westens -und deswegen werden problematische Einstellungen/Verhaltensweisen in dieser Gruppe ignoriert oder gar entschuldigt.

EinLipper
EinLipper
4 Jahre zuvor

Farid Hafez war schon immer ein Spezialist dafür, alle Kritiker des Islam zu verunglimpfen, vielleicht sollten die Grünen doch etwas genauer hinschauen, wenn ständig Diskriminierung und/oder Rassismus angeprangert werden und nicht immer automatisch auf solche Züge aufspringen.

trackback

[…] Die EU scheint an der Zusammenarbeit mit der in die Kritik geratenen Erdoğan-nahen türkischen SETA Stiftung und den anderen Herausgebern des „Islamophobia Reports“, festhalten zu wollen. SETA kündigt auf Twitter eine am 21.Januar 2020 im EU Parlament stattfindende Veranstaltung an, berichtet Nina Scholz auf ruhrbarone.de: […]

kett wiesel
kett wiesel
4 Jahre zuvor

Lieber EinLipper, das kannst Du doch nicht von den Grünen erwarten.
Ich finde auch dass die Grütters genau die richtige dafür ist, bis die Ihre Brille geputzt sind die nächsten Wahlen abgehalten.
Auch unter Moslems gibt es genügend hier im Land, die dem gerne Einhalt gebieten wollen, jetzt müssen wir diese Menschen nur noch zusammenfinden lassen

Ralf Pöhling
Ralf Pöhling
4 Jahre zuvor

Treffer, versenkt. Das Instrumentalisieren von Minderheiten bzw. das Abfischen deren Wählerpotentials, öffnet totalitären ausländischen Interessen, die sich als angeblich verfolgte Minderheit nur tarnen, die Tür nach Deutschland. Das Resultat ist ein Erstarken des rechten Wählerpotentials in der angestammten Bevölkerung, als Abwehrreaktion gegen die Infiltration und Unterwanderung unserer Gesellschaft durch den äußeren Feind. Das links-grüne Establishment ist die Ipersonifizierte mmunschwäche unserer Gesellschaft. Dem kann man durch eine Stärkung des Immunsystems abhelfen.

Michael Merkel
Michael Merkel
4 Jahre zuvor

Aus dem Update geht klar hervor, daß die grüne Fraktion im EP nichts mit dieser Veranstaltung zu un hat und sich davon distanziert.
Journalistische Sorgfaltspflicht würde gebieten die Überschrift und die beiden Sätze in denen die Grüne EP-Fraktion erwähnt ist umzuformulieren.
Aber natürlich ist es wichtiger weiterhin die Grünen zu verleumden.

Wolfram Obermanns
Wolfram Obermanns
4 Jahre zuvor

Hinterher den Artikel zu schönen halte ich nicht für Qualitätsjournalismus. Qualitätsjournalismus funktioniert ohnehin nur mit Lesern, die Qualitätsansprüche an sich selber stellen und z.B. einen Artikel bis zum Ende lesen. Von daher geht die gewählte Form der Korrektur für mich völlig i.O..

Der Vorgang selbst zeigt einmal mehr, politisch ist die EU ein Wackelpudding. Die Mindeststandards an Form und Inhalt politischen Arbeitens sind extrem niedrig. Wahrscheinlich kann dies bei den völlig verschiedenen Interessenlagen und historischen Erfahrungen auch gar nicht anders sein. Der kritische EU-Bürger erwartet also besser erst gar nicht mundgerecht vorgekochte Vollkost, sondern stark ergänzungsbedürftige Informationen. Diese Haltung unterscheidet sich von der gerne beschworenen Form der Europabegeisterung, die auch nur einen unkritischen Populismus darstellt.

Gerd
Gerd
4 Jahre zuvor

Die Korrektur des Artikels finde ich in der gewählten Form sehr gut. In den selbsternannten Qualitätsmedien werden nachträgliche Änderungen oft vorgenommen, aber ohne diese kenntlich zu machen. Dass die Version 1.0 Schwächen hatte, kann der Leser allenfalls aus den Leserkommentaren erfahren.

So wie hier ist es viel besser(und auch im Ausland üblich).

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