Weltkirchen beten gegen Israel: „Wirkt leider wie Propaganda“. Interview mit Christian Staffa

Kibbuz Be’eri nach 10/7 by Micah Brickman cc 3.0

Eine weltweite Gebetswoche, knapp 600 Mio Christen. Der World Council of Churches (WCC) lässt derzeit „für Frieden“ beten. Gegen Israel. Oder für Israel-Hass, wie man’s nimmt, die Ruhrbarone haben berichtet. Und sammeln Stimmen, hier die von Christian Staffa, Vorsitzender der „AG jüdisch und christlich beim Deutschen Evangelischen Kirchentag“.

Der Name ist sperrig, die AG übersetzt ihn in „Jüdisch-christlicher Think Tank seit 1961“. 15 Jahre nach Auschwitz gegründet, als es für das, was nie hätte geschehen dürfen, nichtmals einen Namen gab. Namenlos auch die Täter. Für das jüdisch-christliche Gespräch war die AG erste Adresse. Vorsitzende heute sind Doron Kiesel, Wissenschaftsdirektor des Zentralrats der Juden in Deutschland, und Christian Staffa, Studienleiter an der Evang. Akademie Berlin. Frage an Staffa, wir kennen uns seit Jahren:

Du arbeitest täglich in kirchlichen Strukturen gegen Antisemitismus an. Wie schätzt Du en gros die Stimmung in den evangelischen Kirchen in Deutschland ein? Ist sie weiterhin ein vielleicht löcheriges, dennoch Bollwerk gegen Israelhass  –  oder kippt sie gerade?

Die EKD-Ebene ist ein Bollwerk, kein löchriges. Begriffe wie „Genozid“ und „Apartheid“ werden deutlich und vernehmbar abgelehnt. Die Berufung eines Antisemitismus Beauftragten 2019, die Stellungnahmen zum 7. Oktober 2023, ebenso die Positionierungen zum WCC weisen eine sehr deutliche Sprache auf. Ebenso eindeutig die Solidarität mit allen, denen die antisemitische Wut gilt, die sich zur Welle aufgebaut hat.

Weißt Du von kirchlichen Veranstaltungen im Rahmen der „World Week“ des WCC? Findet sie irgendwo in Deutschland Resonanz?

Nein. Und das sei selbstkritisch vermerkt: Mir war nicht einmal bekannt, dass es eine solche WWC-Woche bereits seit Jahren gibt.

Wie schätzt Du die internen Diskussionen im WCC ein? Ist die EKD mit ihrer Position innerhalb des WCC isoliert?

Ich kenne mich mit den internen Debatten im WCC und seinen Gremien nicht aus, vermute aber, dass die EKD schon einigermaßen allein dasteht. Wenn sich der Apartheidsbegriff bei der WCC-Vollversammlung 2022 in Karlsruhe nicht durchgesetzt hat, muss es aber neben der EKD auch noch andere geben, die unterscheiden können zwischen den unterschiedlichen Situationen in Israel selber, in der West-Bank, in Gaza, im Libanon and so on.

Die jüngste Diskussion über die WCC-Verlautbarungen konzentrierten sich auf einen politischen Apartheid-Begriff. Das eigentliche Thema der Kirche, die Theologie, wird öffentlich ausgespart. Warum ist das so? 

Christian Staffa by Evangelische Akademie zu Berlin Karin Baumann cc 4.0

In der Sache selber gibt es sehr wohl eine theologische Auseinandersetzung z.B. mit der Frage nach der theologischen Bedeutung, der theologischen Signatur des Staates Israel. Dabei rückt in den Blick, wie zentral für das christliche Selbstbild die Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 n.C. war: als angebliche Bestätigung dafür, dass Gott sein Volk verlassen habe und die Verheißungen auf die Kirche übergegangen seien. Heute stellt sich die Frage, welche theologische Bedeutung die Staatlichkeit Israels habe, immer vor dem Hintergrund dieser Negativtheologie. Und das ist ein extrem sensibles Feld, weil jede theologische Perspektive leider schnell fundamentalistisch besetzt werden kann. Und zwar sowohl durch Siedlertheologie wie auch durch christlich-fundamentalistische Aneignungen.

Jetzt ist es der WCC selber, der mit seinen Texten für einen Gottesdienst im Rahmen seiner „World Week“ eine Theologie, die Israel verhandelt, ins öffentliche Licht gerückt hat. Wie ist Deine Sicht auf die Theologie der WCC-„World Week“?

Zunächst  –  gleichsam vortheologisch  –  halten die Texte nicht mit dem Titel der Gebetswoche mit, die eine „Gebetswoche für Frieden in Palästina und Israel“ sein will. Weder kommen die durch das Massaker versehrten Menschen  –  darunter auch Palästinenser  –  in den Blick noch die gegenwärtigen Kriegshandlungen der Hamas. Spätestens in der Fürbitte müssten die Geiseln und die Angehörigen der von Hamas Ermordeten präsent sein, wenn es tatsächlich um spirituelle Empathie ginge und darum, auf dem Weg zum Frieden auf die Kräfte des Gebetes zu bauen. So, wie es jetzt ist, wirkt es leider wie Propaganda.

Stellen die heutigen Gottesdienst-Texte des WCC eine Verschärfung des „Kairos-Palästina-Dokuments“ dar? (Das „Kairos-Dokument“ des WCC hatte bereits 2009 explizit für BDS geworben und von „Apartheid“ gesprochen, die „seit mehr als sechs Jahrzehnten“ andauere und dass die „Besetzung unseres Landes eine Sünde gegen Gott und die Menschheit“ sei, in dieser „Sünde“ lägen die „Wurzeln des ‚Terrorismus‘“, Terrorismus in Anführungszeichen.)   

Was die WCC-Texte heute mit dem Kairos-Palästina-Papier vereint: Erstens scheinen sie überhaupt keinen Begriff mehr zu haben von einem theologisch so zentralen, weil selbstreflexiven Begriff wie Sünde. Dabei könnte gerade dies eine eminente Rolle spielen sowohl in der Gewaltfrage  –  die Wirklichkeit des Terror taucht nirgends mehr auf  –  bis hin zu der Frage, warum Demokratie in den palästinensischen Selbstbestimmungskontexten fehlt. Es müsste um das je eigene Verfehlen der Friedensbotschaft gehen, das zu thematisieren, gäbe es reichlich Anlass. Zweitens die Passage aus dem Johannes-Evangelium, die der WCC als Predigttext vorgesehen hat: So, wie sie ausgewählt worden ist, suggeriert sie, dass nur „die Juden“ sündig seien und allein verantwortlich bis hin zum Mord an Jesus. In der Liturgie selber, die der WCC vorgelegt hat, wird zwar keine Auslegung der Passage geliefert, aber die Suggestion ist leider völlig eindeutig und klassisch antijüdisch.

Würdest Du sagen, dass sich  –  zumal mit der Wahl der Passage aus dem Johannes-Evangelium  –  jetzt die Gottesfrage stellt? Reden WCC und EKD von demselben Gott?

Das scheint mir ziemlich absurd. Es ist ja nicht der einzige innerchristliche Konflikt, den wir haben. Denken wir nur an die christlichen Nationalisten in den USA und viele andere mehr. Nein, wir sollten –   ich weiß, es ist schwer  –  versuchen zu begreifen, dass wir auf die gleiche biblische Botschaft gewiesen sind und darum ringen, sie nicht unter die Räder des historisch so mörderischen Antijudaismus/Antisemitismus kommen zu lassen.

Du hast von einer „Intervention“ gesprochen, die nötig sei angesichts der aktuellen Texte des WCC. In welcher Weise könnten die Kirchen der EKD jetzt intervenieren, welche Optionen haben sie?

Das Gespräch suchen, widersprechen … Mein Eindruck ist, dass dazu zunehmend Bereitschaft besteht.

Siehst Du die Kirchen und ihre Repräsentanten bedroht, wenn sie eine erkennbar pro-israelische Position beziehen? Ist Vorsicht angesichts einer diffusen, weil vielseitigen Bedrohung, wie sie für Juden alltäglich ist, ein erkennbares Motiv? 

Bisher sehe ich das für die Kirchen in Deutschland gar nicht. Was ich sehe: wie es israelische Freunde zerreißt, hin- und hergerissen einerseits zwischen massiver Kritik und Verzweiflung über die eigene Regierung  –  auch das hätte übrigens in der Fürbitte vorkommen können  –  und andererseits der bleibenden Traumatisierung durch das Massaker vom 7. Oktober und drittens den in weiten Teilen ja fast wahnhaften Antisemitismus auf den Straßen und in den Universitäten Europas und der USA. Diese Dreiheit bedroht sie existentiell sowohl individuell wie kollektiv.

 

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