Terror-Theologie: Kirchen weltweit verkaufen sich an BDS. Es geht um 580 Mio Follower

Putins Terror-Krieg beschönigen, Hamas-Terror beschweigen, ebenso den atomaren des Iran, und dann zeigen alle auf Israel: Der Weltkirchenrat hat einen Offenbarungseid geleistet, einen politischen, mehr noch seinen theologischen. Und sich mit Herz und Hirn an BDS verkauft. Der Vorsitzende von dessen Zentralkomitee, der deutsche Theologe Heinrich Bedford-Strohm, verteidigt einen Beschluss, der „Apartheid!“ schreit.

Metropolitan Antony of Volokolamsk, Hieromonk Stefan Igumnov, Archimandrite Philaret Bulekov, Margarita Nelyubova, so heißen vier der 158 Mitglieder des Zentralkomitees (ZK) des World Council of Churches, dem Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK). Alle vier stehen im Dienst des Moskauer Patriarchats der Russisch-Orthodoxen Kirche (ROK), das Putins Terror gegen Ukrainer aufpimpt zur endzeitlichen Schlacht. Beispiel? Im März, berichtete die Journalistin Irina Rastorgueva, hat die ROK im Hof der Kathedrale in Jekaterinburg den 16 m langen Nachbau einer Gas-Pipeline geweiht, durch die russische Soldaten einen Überfall geführt haben sollen, jetzt für jedermann in Stöckelschuhen nachgehbar. Ein eschatologischer Geburtskanal zwischen Nord Stream 2 und den Terror-Tunneln der Hamas. Anlass genug, die Putin-Popen im ZK einmal ins Gebet zu nehmen, es begann seine jüngste Versammlung mit Musik und Tanz. Für die Ukraine blieb danach ein dürrer Satz  –  „Der Zentralausschuss verurteilt die Terrorkampagne Russlands gegen das ukrainische Volk“  –  und ein Bonmot: Es handele sich um „wrongdoings“, ein „Fehlverhalten der russischen Behörden“. Dann weiter die Beschlussvorlagen entlang: Syrien und der Sudan, Korea und Kolumbien, Kongo und Äthiopien, dann „Klimagerechtigkeit“ fordern wie Greta, infant holy, infant lowly. Zuerst aber, als sei es das Eingangsgebet: Israel abmeiern. Gegenstimmen: keine, auch keine aus den deutschen Kirchen.

 (I) 

Konsens ist das Prinzip im ÖRK, Zusammenhalt die Hauptsache. Dafür hat es einmal passable Gründe gegeben. 1948, als sich der ÖRK  –  damals waren es 145 Kirchen, heute sind es 356, davon gut 60 aus der westlichen Welt, die katholische Kirche ist locker assoziiert  –  in Amsterdam gegründet hat, war eine Verständigung über Gräben hinweg wegweisend, der Weltkirchenrat wurde zum Modell einer weltweiten NGO. Israel allerdings, zeitgleich gegründet (und natürlich nicht vertreten im Christen-Club), war seit Anbeginn die Sollbruchstelle im christlichen Wir: Drei Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg verurteilte der ÖRK alle Krieg generell, aber nicht den Krieg, den fünf arabische Staaten zeitgleich gegen Israel führten. Auschwitz gerade erst befreit, verurteilte er Antisemitismus generell und erklärte dann, dass Israel  –  jetzt keine theologische Metapher mehr, sondern wehrhafte Demokratie  –  die Sache „verkomplizieren“ würde. Das „jüdische Problem“ dauere, drei Jahre nach seiner Endlösung, weiterhin an.

So denkt es im ÖRK bis heute. Einerseits gibt er zu, dass Israel das Recht habe, sich gegen Terror zu verteidigen, schreit aber verlässlich auf, wenn Israel genau dies tut. Hier einige der jüngsten Beispiele:

  • Am Nachmittag des 7. Oktober 2023 –  die Hamas-Horden massakrieren, die israelische Verteidigung liegt brach  –  fordert der ÖRK „beide Parteien“ auf zu „deeskalieren“.
  • Fünf Wochen später zeigt er sich einen Satz lang –  414 Zeichen mit Leerzeichen  –  „schockiert und empört“ über den Terror der Hamas und gleich wieder  –  1284 Zeichen  –  „entsetzt“ über Israels Verteidigung, er nennt sie „Vergeltungsaktionen“.
  • Als Israel im September 2024 –  die Hisbollah hatte Tausende Raketen, auch ballistische, auf israelische Städte gefeuert, Zehntausende Israelis sind zu Flüchtlingen geworden  –  die Hisbollah-Elite terroruntauglich schießt, erklärt der ÖRK, bei den Terror-Kommandeuren handele es sich um „innocent civilians“.
  • Als es im Oktober 2023 eine palästinensische Rakete ist, die im AL-Ahli-Hospital in Gaza einschlägt und tatsächlich Dutzende innocent civilians tötet, verweist der ÖRK auf „the root causes of the current conflict“: Die Wurzel der palästinensischen Rakete, ihre Abschussrampe, seien „decades of occupation“.
  • Der Terror der Hamas sei kein root cause, sondern lediglich „Auslöser“ einer „Eskalation“ gewesen, gibt der ÖRK ein Jahr nach 10/7 bekannt: Sicherlich habe Hamas „zahlreiche Gräueltaten“ verübt –  und übergangslos weiter: „Der ÖRK ist sich der langen Geschichte der Besatzung und Unterdrückung bewusst, die diesen Ereignissen vorausgegangen ist“; es folgen seitenlange Vorwürfe an Israel.
  • Im April 2024 greift der Iran Israel direkt an, der ÖRK gibt sich verschnupft („keine nachhaltige Lösung“), nach dem erneuten Angriff des Iran auf Israel sechs Monate später schweigt er sich gänzlich aus. Kaum dass Israel reagiert und das iranische Atomwaffen-Programm attackiert, setzt er eine Tageslosung ab: „rechtswidrig“, „global implications“, „we strongly condemns“ usw.

(II)

Die Erklärung, die das Zentralkomitee des ÖRK vergangene Woche im südafrikanischen Johannesburg beschlossen hat[i], markiert ein neues Niveau: Die Weltkirchen übernehmen Jargon und Programm des BDS, der antisemitischen Hetz-Kampagne, die, vorgeblich gewaltfrei, angeleitet wird von Hamas, Islamischen Dschihad, PFLP und anderen Terrorformationen. Mehr als nur ein Schritt zum offen propagierten Judenhass des BDS. Sie würden 580 Millionen Christen weltweit „repräsentieren“, erklärt der ÖRK. Demokratisch legitimiert sind seine Delegierten eher wenig bis gar nicht.

Die BDS-Szene frohlockt, dieser Schritt, so etwa Kairos Palestine, ein christliches BDS-Pendant, bedeute „einen Wendepunkt im moralischen und theologischen Zeugnis der Weltkirche“. Auf der Vollversammlung des ÖRK im September 2022 in Karlsruhe konnte ein solcher Ausverkauf an BDS noch ausgebremst werden, es wurde ein „Prüfauftrag“ an das ZK vergeben, hier das Prüfungsergebnis:

  • „Apartheid benennen“: Der ÖRK spricht von einem „Apartheidsystem, das Israel dem palästinensischen Volk auferlegt“ habe. Apartheid ist das Signalwort des BDS, das früher Judenfrage hieß oder eben das jüdische Problem.
  • „Menschenrecht auf Rückkehr“ erfinden: Es gab kein solches Recht und gibt es nicht, es exklusiv und „unveräußerlich“ für Palästinenser zu behaupten, wie der ÖRK es tut, ist reinste Apartheid, ein Rückkehrrecht zu fordern dasselbe, wie Israels Existenzrecht zu leugnen [ii].
  • Völkerrecht anrufen & aushebeln: Das Stichwort Genozid fällt nicht, ist aber gemeint, wenn sich der ÖRK auf den Internationalen Gerichtshof (IGH) beruft, der ein Verfahren gegen Israel eröffnet, aber noch lange nicht entschieden hat. Was dem ÖRK Stulle ist: Im selben Moment, in dem er darauf pocht, internationales Recht zu wahren, klinkt er sich aus und verhängt „Konsequenzen“: Alle „Staaten, Kirchen und internationalen Organisationen“ sollen ab sofort das Programm des BDS  –  B wie Boykott, D wie Deinvestitionen, S wie Sanktionen –  befolgen:
  • „Sanktionen, Desinvestitionen und Waffenembargos“: Die fordert der ÖRK nicht etwa gegen den Iran, der Hamas, Hisbollah usw finanziert. Israel soll sich nicht verteidigen können.
Erinnerung an Kfir Bibas (Im Alter von neun Monaten von der Hamas entführt!): Tel Aviv, Januar 2025 (Foto: Peter Ansmann)
Kfir Bibas, 9 Monate alt, von Hamas entführt, dann ermordet | Foto: Peter Ansmann
  • „Zwischen Volk und Regierung unterscheiden“: Er erkenne einen „klaren Unterschied“ zwischen dem „israelischen Volk“ und der „israelischen Regierung“, erklärt der ÖRK. Die Denkfigur ist eingeübt beim BDS –  man will nicht allzu antisemitisch erscheinen  –  , aber völliger Nonsens in einer Demokratie. Und ist verlogen: Das BDS-Programm, das der ÖRK propagiert, richtet sich gegen alle Israelis.
  • „Menschen im Gazastreifen“: Anders als in Israel kann der ÖRK in Gaza keinen Unterschied erkennen zwischen Volk und Regierung, sie sind ihm eins, alle sind sie Opfer. Was viele in Gaza in der Tat sind, hier aber heißt dies:
  • Hamas wird verschwiegen. Hamas ist eine Massenorganisation, keine Clique, es gibt sie nicht in dem Beschluss des ÖRK, es gibt keinen Terror. Und das heißt gleichzeitig:
  • Die inner-palästinensische Opposition wird verraten. Dass unter den „Menschen im Gazastreifen“ einige sind und vielleicht viel mehr, die sich gegen Hamas stellen unter Einsatz ihres Lebens, ist dem ÖRK nichts wert, kein noch so dürres Wort der Solidarität, keines der Hoffnung.
  • Warnung vor Atom-Krieg, kein Wort zum Iran. Nicht das iranische Atomwaffen-Programm, sondern der Angriff darauf „während unserer Tagung“ beschwöre „das Gespenst (!) eines Atomkrieges“ herbei, „the terrible spectre of nuclear war“.

(III)   

Ein politischer Bankrott. Seit 2022 ist Heinrich Bedford-Strohm Vorsitzender des ZK, vormals Bischof der bayerischen Landeskirche, dann Ratsvorsitzender der Evang. Kirche in Deutschland (EKD). Zusammen mit dem Generalsekretär des ÖRK, dem Südafrikaner Jerry Pillay, bildet er die Doppelspitze: Bedford-Strohm der Moderator, Pillay der Haudrauf, wenn es um Israel geht, die Tageslosungen stammen von ihm. Denkbar, dass der ÖRK auf diese Weise versucht, seinem akuten Bedeutungsverlust entgegen zu arbeiten[iii], Bedford-Strohm erklärt die Sache anders, wirft damit aber umso mehr Fragen auf:

  • „Apartheid“ und Apartheid

Im Interview, das Philipp Gessler für das Magazin Zeitzeichen geführt hat[iv], argumentiert Bedford-Strohm zunächst formal: Es habe einen „Prüfauftrag“ gegeben, „ob man den Begriff Apartheid verwenden soll oder nicht“, um die Situation „in Palästina und Israel“  –  so der Titel des Beschlusses –  zu erfassen. Und? Welche Rechte haben Israelis in Palästina? In Gaza oder in Ramallah, dort wurden im Oktober 2000 zwei Israelis, weil sie falsch abgebogen waren mit ihrem Wagen, bestialisch ermordet von einem Mob, der sich  –  heute ein gern zitiertes Symbol, das Kunststatus erlangt  –  an seinen bluttriefenden Händen berauscht. „Zweierlei Gewicht und zweierlei Maß“, so die Bibel ganz formal, „sind Gott ein Gräuel“, doppelte Standards ein Kennzeichen von Antisemitismus.

  • „Trigger-Begriff“

Dass es rechtlich „umstritten“ sei, das Etikett Apartheid auf Israel anzuwenden  –  und wenn, ob auf Israel selber, die gemeinsam verwalteten Gebiete oder die der palästinensischen Autonomie  –  gesteht Bedford-Strohm zu. Und versucht, den Begriff abzumildern, es schlägt ihm ins Gegenteil um: Apartheid, so Bedford-Strohm, sei ein weitgehend „emotionaler“, ein „Trigger-Begriff“. Triggern meint, etwas auszulösen, wie es der Finger am Abzug tut. Natürlich weiß der ÖRK von den „hasserfüllten Taten“ gegen Juden „überall auf der Welt“, natürlich verurteilt er sie. Vor vier Wochen wurden zwei Mitarbeiter der israelischen Botschaft in Washington bestialisch ermordet, „Free Palestine“ schrie der Schlächter. Jetzt lobt der ÖRK die „Widerstandsfähigkeit“  –  die der palästinensisch christlichen Kirchen  –  und fordert: „Die Kirchen sind weltweit aufgerufen zu handeln“. Kann er irgend ermessen, was er mit dieser Art von Brückentheologie[v]triggert? „Siehe, ein kleines Feuer, welch einen Wald zündet es an“, heißt es im Jakobus-Brief, auf den sich das ZK selber in seinem Trigger-Statement beruft, „auch die Zunge ist ein Feuer.“

Heinrich Bedford-Strohm 2022 by Albert Hillert (c) WCC
  • Die christlichen Gewissen

Das Problem verschärft sich, weil das ZK die Gewissen der Einzelnen nicht einmal mehr adressiert. Er selber wolle den Begriff der Apartheid nicht nutzen, sagt Bedford-Strohm, er sei strategisch falsch. Auch BDS unterstütze er keinesfalls, in Südafrika sei der Boykott „der erste Schritt in die Freiheit“ gewesen, in Deutschland „der erste Schritt in die Gaskammern“. Solche freien Entscheidungen, wie Bedford-Strohm sie für sich anmeldet („Der ÖRK muss damit leben“), fordert der ÖRK nun aber gerade nicht von denen, die er glaubt zu „repräsentieren“. Er boykottiert die Freiheit eines Christenmenschen eher, indem er allein „Staaten, Kirchen und internationale Organisationen“ in die Verantwortung nimmt: Sie sollen managen, was sich das ZK anstelle der Einzelnen denkt. „Staatstheologie“ hat dies das Kairos-Papier von 1985  –  vom ÖRK jetzt gefeiert  –  genannt und vehement verurteilt.[vi]

  • „Aufschrei“

Das Leid der Palästinenser ist unermesslich und unerträglich die Situation, das ist jedem klar, der Augen hat zu sehen und Ohren zu hören. Er verstehe den Beschluss des ZK als einen „Aufschrei“, so Bedford-Strohm, also durchaus als eine Form des Dialogs. Nur wer mit wem? Der Aufschrei sei „stark von den palästinensischen Christen geprägt“, erklärt er, sie waren es denn wohl, die sowohl Hamas  –   verantwortlich für das unermessliche Leid  –  wie auch die inner-palästinensische Opposition gegen Hamas rausgehalten haben aus dem Papier. „Geschwisterliche Beratung“ wäre gewesen, schrieb ein Kommentator auf der Facebook-Seite von Bedford-Strohm, mit ihnen „über ihre eigene Schuld zu sprechen. Und zu überlegen, wie sie Einfluss nehmen können, um Hamas loszuwerden.“

  • „Zeichen der Zeit“

In der Tat hat das ZK beschlossen, dass die Zeit reif sei. Allerdings nicht, um Hamas loszuwerden, seinen Beschluss eröffnet es mit zusammengestoppelten Versen aus dem Lukas-Evangelium, dem christlichen Teil der Bibel:

„Wenn doch auch du an diesem Tag erkannt hättest, was zum Frieden führt! Aber jetzt ist es vor deinen Augen verborgen (…) weil du die Zeit [Kairos] deiner Heimsuchung durch Gott nicht erkannt hast.“

Das „du“, das hier angesprochen wird, ist Jerusalem, die Stelle ist ein Klassiker für die Behauptung, das Judentum sei verstockt. Der Vers, den das ZK aus der Mitte herausgebrochen hat, lautet:

„Denn es wird eine Zeit über dich kommen, da werden deine Feinde um dich einen Wall aufwerfen, dich belagern und von allen Seiten bedrängen und werden dich dem Erdboden gleichmachen samt deinen Kindern in dir und keinen Stein auf dem andern lassen in dir.“  

Klingt übel, war es auch, die Passage ist ein vaticinium ex eventu, eine nachträgliche Vorhersage: Als das Lukas-Evangelium entstand, hatten die Römer Jerusalem bereits dem Erdboden gleichgemacht. Beim ÖRK ist dieser Kairos keine nachträgliche Prophezeiung mehr, die Mitglieder des ZK dürften ihren Lukas kennen, die Verse lesen sich jetzt, als stammten sie von Khamenei. In der christlichen Theologie werden sie gemeinhin in einen endzeitlichen Kontext gerückt, also aus der Alltagspolitik hinaus. Das aber rückte den ÖRK noch näher heran an den Erlösungswahn, dem sich Khamenei, Hamas, die Revolutionsgarden uam hingeben. Endkampf-Stimmung, die der ÖRK nicht eindämmt, sondern anheizt.

Ungeheuerlich ist das sowohl theologisch wie politisch, dazu von Bedford-Strohm bisher kein Wort, man möchte dringend eines hören. Oder aber auf Lukas hören, der  –  im selben Kontext  –  Jesus sagen lässt: „Viele werden kommen unter meinem Namen und sagen ‚Ich bin’s‘ und ‚Die Zeit ist herbeigekommen‘. Lauft ihnen nicht nach!“ 

  • Theologie nach Auschwitz

Auf seiner FB-Seite beruft sich Bedford-Strohm  –  und das sei gesagt: er stellt sich, er diskutiert  –  auf „Theologie nach Ausschwitz“, worunter er ein „Eintreten für das ‚nie wieder‘ und für die Menschenwürde“ versteht, allerdings nicht „exklusiv auf das jüdische Volk bezogen“, sondern „universal“ und jetzt eben auch auf die Palästinenser gemünzt. Es klingt ein wenig nach Holocaust-Vergleich, aber das ist es nicht, unvergleichlich ist ein anderes: Um die Würde aller Menschen zu begründen, hätten keine sechs Mio Juden umgebracht werden müssen, Genesis 1,27 reicht völlig hin, die jüdische Idee, dass jeder Mensch nach Gottes Bild geschaffen sei. Auschwitz ist ein Abgrund, ein Abgrund begründet nichts.

Und eine Theologie nach Auschwitz, die Bedford-Strohm für den skandalösen ÖRK-Beschluss in Anspruch nimmt, stellt einen vor ganz andere Fragen und ganz andere Antworten, sehr verschiedene. Edna Brocke  –  2009 in der Christuskirche Bochum mit dem Hans-Ehrenberg-Preis ausgezeichnet, so wie sechs Jahre darauf auch Heinrich Bedford-Strohm; der Autor dieses Beitrags war an beiden Ehrungen unmittelbar beteiligt  –  Edna Brocke hat dies in Bochum formuliert: Wenn Christen Nie wieder sagten, meinten sie meistens Nie wieder Krieg oder eben Nie wieder Genozid oder Nie wieder verletzte Menschenwürde. „Wenn Juden oder jüdische Israelis von Nie wieder sprechen, meinen sie Nie wieder kampflos Opfer werden“.

Und das, so Brocke, „ist eine existenziell unterschiedliche Ausgangsposition“.

Eine, die nicht davon ausgeht, dass Palästinenser die Schwachen seien, mit denen man sich solidarisiere, weil das, die Solidarität mit den Schwachen, „biblisch begründet“ sei, wie Bedford-Strohm schreibt, „man muss es nur auf die Situation anwenden“. Das die postkoloniale Schablone, jetzt theologisch unterbaut. Was Edna Brocke deutlich macht: dass es kein Recht auf Terror gibt, keines auf Terror-Theologie und keines auf Terror-Toleranz. Außer im Weltkirchenrat.

 

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ANMERKUNGEN

[i] Es geht um zwei Erklärungen, die eine (hier) deutet die globale Situation (und beginnt natürlich mit Israel), die andere (hier) drischt nur auf Israel ein. Das ZK des Weltkirchenrats kommt alle zwei Jahre zusammen.

[ii]  Adi Schwartz / Einat Wilf, Der Kampf um Rückkehr. Auf die Bundesrepublik umgerechnet, hieße es, dass, je nach Zählung, 42 – 60 Mio Menschen das Recht bekämen, sich hier niederzulassen.

[iii] Die goldene Ära des ÖRK liegt ein halbes Jahrhundert zurück und war eng mit der Apartheid, der tatsächlichen in Südafrika, verbunden: Ab Ende der 60er Jahre hatte sein Anti-Rassismus-Programm beträchtliche Wirkung entfaltet, südafrikanische Produkte wurden selbst dort boykottiert, wo es keine gab. Das Kairos-Dokument von 1985  –  eine Absage an jede „Staatstheologie“, wenn die mit Regimen paktiert, die sich zum „Feind des Volkes“ gemacht haben  –  rief zur „Teilnahme am Kampf“ auf, es passte in die Zeit. Ein „Sonderfonds“ wurde aufgelegt, aus dem –  damals heftig umstritten  –  „Befreiungsbewegungen“ gefördert wurden, die Terror für legitim erklärten, auch Terror gegen Israel. Dann fiel das Apartheid-Regime zusammen –  1994 die ersten freien Wahlen  –  , seitdem hat keine der Kampagnen des ÖRK eine annähernd ähnliche Öffentlichkeit gewonnen.

[iv] Vor dem Interview hatte Gessler auf seiner FB-Seite Bedford-Strohm öffentlich den Rücktritt nahegelegt, wörtlich: „Es tut mir leid, aber den ÖRK (den sog. Weltkirchenrat) finde ich derzeit nur noch peinlich. Und dass Bedford-Strohm als Vorsitzender des Zentralausschusses des ÖRK durch längliche und unlogische verbale Verrenkungen eine eindeutig israelfeindliche Resolution, die eins-zu-eins auf Hamas-Linie ist (deren anhaltende, unsägliche Grausamkeiten dagegen nicht erwähnt werden), noch zu verharmlosen versucht, macht die Sache umso schlimmer. Altbischof Bedford-Strohm, tun Sie sich selbst einen Gefallen und treten Sie von diesem Funktionärsposten beim ÖRK zurück! Der ÖRK-Karren ist so im antiisraelischen/antisemitischen Dreck versunken, es wird Jahre, eher Jahrzehnte dauern, ihn dort wieder rauszuziehen. Sie sollten erkennen, wenn Sie gescheitert sind. Die Sache ist verloren. Beflecken Sie nicht weiter Ihren guten Ruf.“

[v] Als „Brückenideologie“ wird Antisemitismus seit Jahren von Wissenschaftlern, Verfassungsschützern uam qualifiziert.

[vi] Im Streit um den „Sonderfonds“ und die Frage, ob Terror ein legitimes Mittel sei, hatte der ÖRK Mitte der 80er noch auf die Strategie „multipler Strategien“ gesetzt und seinen Mitgliedskirchen einen Entscheidungsspielraum gelassen, den soll es nicht mehr geben. Weil es nicht allzu viele Christen geben dürfte auf dieser Welt, die bereit wären, auf israelische Komponenten in ihrem Laptop zu verzichten oder auf israelische Luftabwehr, wenn russische Raketen fliegen?

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