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„Werner, die Russen kommen!“

Weht die Rote Fahne bald wieder über dem Reichstag? Wie nah ist die sozialistische Weltrevolution?
This file comes from the websites (mil.ru, минобороны.рф) of the Ministry of Defence of the Russian Federation and is copyrighted. This file is licenced under the Creative Commons Attribution 4.0 Licence.

Schon Meister Röhrich aus Rötger „Brösel“ Feldmanns „Werner“-Comics hatte regelmäßig Sorge, dass die Russen vor der Türe stehen. Ähnlich geht es den Proponenten einer kapitalistschen Weltordnung. Immer und überall wittern sie die sozialistische Weltrevolution und haben Angst, dass morgen die Rote Fahne auf dem Reichstag weht. Wobei rote Fahnen auf Reichstagen historisch gesehen ja nicht unbedingt negativ konnotiert sind.
Erneut entbrannte die Sorge um den Verlust der Freiheit und des Freien Marktes, nachdem man die Ideen der #ZeroCovid-„Aktivist:innen“ las. Manch einer interpretiert dort einen lupenreinen Angriff auf unsere Gesellschaft mit dem Ziel des sozialistischen Umsturzes.

Gewinnerzielungsabsicht ist ursächlich für die miserable Situation im Gesundheitswesen

Unbestritten sind manche #ZeroCovid-Forderungen Unfug oder utopisch, aber die Sorgen vor der anstehenden sozialistischen Weltrevolution, vor jener der Kapitalismus als Heilsbringer gegen alle Leiden bewahrt werden muss, sind absurd.
Die Entwicklung der Impfstoffe ist eine einmalige Meisterleistung in der Geschichte der modernen Medizin, zu einem Großteil finanziert durch Steuergelder und beileibe kein reines Erfolgsprodukt des Kapitalismus. Mit den wenigsten Feldern in der Forschung nach Medikamenten lässt sich richtig Geld machen oder warum haben wir noch immer kein Impfstoff gegen HIV, aber Potenzmittel und Medikamente gegen Haarausfall? Warum werden überlebenswichtige Medikamente für exorbitant hohe Summen verkauft bzw. verlost (und das dann noch zynischerweise als honorige Tat verklärt)? Gewinnerzielungsabsicht ist ursächlich an der miserablen Situationen im gesamten Gesundheitswesen der reichsten Länder der Welt und in den Produktionsstätten für unsere Medikamente in der Dritten Welt.

Angst sollte man nicht vor dem Sozialismus haben, sondern vor dem Virus

Nun haben wir ein Beispiel für sinnvollen und zielführenden Einsatz von (überwiegend nicht-privatem) Kapital und haben als Gesellschaft mehrere hochwirksame Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 entwickelt. Die Menschen die uns heute mit der Entwicklung der Impfstoffe aus dieser Pandemie retten, sind die Medizinnobelpreisträger von morgen. Und was passiert? Statt zu sagen: Ey, ihr Wertschöpfungskettenfanatiker, guckt mal, was man noch sinnvolles mit dem vielen Geld anstellen könnte, wird vor den Gefahren des Sozialismus fabuliert, die uns weder drohen, noch in irgendeiner Weise den täglichen Diskurs bestimmen.

Die Autoren des #ZeroCovid-Aufrufes liegen allerdings schon goldrichtig damit, die Verbreitung von SARS-CoV-2 auf das minimal mögliche Ausmaß zu reduzieren. Mit allen Mitteln, auch mit dem stillstehenden Band bei Daimler. Das ist dann aber kein Sozialismus, sondern schlicht Verantwortung. Die Gefahren, die von der UK-Mutation ausgehen, werden unterschätzt. Erneut wird dieses Virus unterschätzt. Regional haben wir Übersterblichkeiten von deutlich über 100 %, aber Leute haben Angst vor dem Sozialismus? Angst muss man vor dem Virus haben.

Eindämmung bis zur Impfung ist unsere Chance

Unsere Chance ist, die Verbreitung so weit einzudämmen, bis wir „durchgeimpft“ sind. Das möglichst effizient, bevor wir die nächste Virus-Mutation schaffen, vor der uns die Impfstoffe womöglich nicht mehr schützen. Und es ist korrekt erkannt: In Kontinentaleuropa ist es unilateral nicht möglich, eine #ZeroCovid-Strategie zu fahren, daher ist es zwingend notwendig, dass die reichen Länder (oder nennen wir sie Kapitalismus-Gewinner), die schwachen unterstützen. Finanziell und mit Impfstoffdosen. Die einen nennen das Sozialismus, die anderen Verantwortung. Aber genau das ist es ja, was der freie Markt ist: ein Markt frei von Verantwortung.

Aber eben diese Verantwortung müssen wir gerade jetzt annehmen. Nur weil möglicherweise das Band bei Daimler und woanders in der Produktion still steht und wir gegebenenfalls auf das ein oder andere Luxusgut „just in time“ verzichten müssten, ist das keine sozialistische Planwirtschaft, fallen Strom und Wasser nicht aus. Lasst uns doch bitte über Maßnahmen diskutieren, ohne sie als „Das ist Sozialismus! Das beschneidet unsere Freiheit!“ zu diskreditieren und damit vom Diskurs auszuschließen. Lasst uns über die sinnvollen Ziele der #ZeroCovid-Kampagne reden. Harte, solidarische Maßnahmen sind notwendig. Wenn manche das Sozialismus nennen wollen: geschenkt. Dann rettet uns halt der Sozialismus.

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Emscher-Lippizianer
Emscher-Lippizianer
3 Jahre zuvor

Die Aussagen

"Angst sollte man nicht vor dem Sozialismus haben, sondern vor dem Virus"

und

"Eindämmung bis zur Impfung ist unsere Chance"

tun beim Lesen aber schon weh. Die Eindämmung wird mit Methoden versucht, die ähnlich realitätsfremd sind, wie der Sozialismus ("Schulen sind keine Treiber der Pandemie"). Dazu wird die rettende Impfung derartig planwirtschaftlich durchgeführt, daß die Unfähigkeit von EU sowie Bund und Ländern unnötig Menschenleben kosten wird. An den Schaltstellen dieser Planwirtschaft sitzen Apparatschiks, die offensichtlich nicht durch das System der Bestenauslese dorthin gekommen sind.

Ich sehe in der augenblicklichen Lage Parallelen zum Schneewinter 78/79 in der DDR. Auch da ist durch Staatsversagen ein riesiger Schaden entstanden. Dieser Schaden war nicht nur materiell, sondern hat auch Vertrauen zerstört.

thomas weigle
thomas weigle
3 Jahre zuvor

@ Emscher-Lippizianer DDR-Staatsversagen? In SH, Hamburg , Bremen und im nördlichen Niedersachsen war es ähnlich chaotisch wie in der DDR- steckengebliebene Reisezüge, isolierte Ortschaften, Tausende Urlauber saßen mehrere Tage in Dänemark fest,weil in SH überhaupt nix ging In der DDR erschwerte die weiträumige Besiedlung in den nördlichen Bezirken der DDR die Rettungsarbeiten, und durch die energetische Abhängigkeit von der Braunkohle, deren Tagebaue und Betriebsmittel im Frost erstarrt waren, kam zw. zu großflächigen Stromausfällen.
Nicht zu vergessen: in der Bundesrepublik wurde auf Grund des Wetters der Einberufungstermin zur BW am 2.1.79 um einige Tage verschoben.

Emscher-Lippizianer
Emscher-Lippizianer
3 Jahre zuvor

@ thomas weigle
Das Staatsversagen bestand nicht darin, daß die jeweiligen Regierungen es versäumt haben dem Wetter per Verordnung solche Kapriolen zu verbieten. Wie schon richtig erwähnt, bestand das Versagen in der Zone darin, daß man ausschließlich auf die Braunkohle gesetzt hat. Dazu kam dann noch der Umstand, daß dort die Hilfsmaßnahmen viel zu spät eingeleitet wurden.

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