Zukunftsideen für das Ruhrgebiet V: Freisetzen

kulturenEine der renommiertesten deutschen Fachzeitschriften zum Bauen und Planen nicht nur in Deutschland, die Bauwelt, hat in ihrer Ausgabe 7.14 am 14 Februar dieses Jahre ausführlich den Ideenwettbewerb zur Zukunft der Metropole Ruhr besprochen, den der RVR im Laufe des letzten Jahres veranstaltet hat. http://www.metropoleruhr.de/regionalverband-ruhr/informelle-planung/ideenwettbewerb.html Wir haben den zuständigen Redakteur Benedikt Crone gewinnen können, seinen Bauwelt-Text zu den 5 Wettbewerbsbeiträgen noch einmal bei den Ruhrbaronen zu veröffentlichen.

Wir tun das – entsprechend der Anzahl der Entwürfe – in 5 wöchentlichen Folgen, wobei wir jeweils einen direkten Link zu den Plänen und Texten des Entwurfsteams zufügen. Zusammen, so hoffen wir, ist damit eine gute inhaltliche Ausgangsbasis für eine Diskussion gegeben.

Im Folgenden der Text von unserem Gastautor Benedict Krone Folge 5:

Team E: Freisetzen

Team E verspricht mit seinem Konzept unverblümt das, was einige (linke) Herzen in Politikerzimmern und Planungsbüros wohl höher schlagen lässt: „Laborräume für die postkapitalistische Region des 21. Jahrhunderts“. Ganze Ortsteile des Ruhrgebiets sollen in ein neues, noch unbekanntes Wirtschaftssystem befördert werden – als Vorreiter einer „postkapitalistischen und krisenresistenten Stadtgesellschaft“. Klingt utopisch, soll aber mit wirklichkeitsnahen Methoden erreichbar sein. Gesetzliche De- und Re-Regulierungen könnten Eigeninitiative und Innovationskraft der an diesen Orten lebenden und arbeitenden Menschen unterstützen. Nicht die Zentren, sondern gerade die „vermeintlich schwachen Räume“ des Ruhrgebiets sollen so zu „starken Orten eines gesellschaftlichen Aufbruchs“ werden: zu einem Neuland.

Wie wird ein Quartier zu diesem „Sonderpraxisbereich“? Der Regionalplan legt zunächst anhand von Parametern (Arbeitslosigkeit, Bildungsmangel, Leerstände, schlechte Anbindung an den ÖPNV) eine Innovationszone fest, in der sich marginalisierte Räume auf den Status Neuland bewerben können. Dafür müssen sich Vereine, Stifter, Initiativen, Eigentümer in den Stadtteilen und Vertreter der Kommunen an einen Tisch setzen und ein Konzept entwickeln, das Probleme und Potenziale ihres Ortes darlegt. Die Akkreditierung als Neuland beschließt ein Gremium aus Fachleuten, Bürgervertretern und Mitgliedern des RVR. Von da an kann sich dieses Neuland durch eine „situative Bürokratie“ entwickeln – womit das Lockern von Regeln und Gesetzen gemeint ist. Für die Finanzierung der Projekte, des Auswahlgremiums und der Betreuung des Neulands, wird ein Neuland-Fonds eingerichtet, ein Umlageverfahren, das Geld aus dem gesamten Ruhrgebiet sammelt.

Das Team E entwarf vier Neuland-Modelle, nach denen sich die ausgewählten Ortsteile entwickeln könnten. Im Produktionsneuland sollen Neugründungen unterstützt werden, indem z.B. die Baunutzungsverordnung gelockert, Verfahren zur Gewerbegründung vereinfacht, fachliche Beratungen und Begleitungen angeboten und Ausnahmeregelungen wie die Duldung informeller Gastronomie beschlossen werden. In Stadtteilen mit hoher Leerstandsquote könnten Unternehmen und Privatpersonen wie Empfänger von Arbeitslosengeld-II in öffentlichen oder leerstehenden Gebäuden mit bereitgestellten Werkzeugen und Maschinen tüfteln und an ihrem eigenen Kleinstgewerbe arbeiten. Ähnlich will das Bildungsneuland Bewohnern mit niedrigem Schulabschluss eigene Möglichkeiten zur Fortbildung bieten, z.B. indem Schulen nach dem Unterricht ihre Computer- und Musikräume, Bibliotheken und Turnhallen für die Anwohner offen halten. Im Landschaftsneuland gedeihen Kleingärten, „Abenteuerareale“ und Stätten der Biomasseproduktion auf einstigen Brachen, die sich die Interessenten z.B. durch klassisch-sozialistische Mittel aneignen könnten: durch eine Lockerung des Schutzes privater Eigentümerinteressen. Alternativ können Beteiligte und Eigentümer Allmende-Verträge zur gemeinschaftlichen Nutzung schließen. Als viertes Neuland soll das Mobilitätsneuland primär die Orte, die bisher schlecht zu erreichen sind, ans Verkehrsnetz anbinden.

Wie die juristischen Eingriffe – die einen, wenn nicht neoliberalen, dann doch liberalen Unterton haben – rechtens sein könnten, sei noch zu prüfen, so das Team. Seine Vorschläge: Das Neuland als ein nach dem Raumordnungsgesetz definiertes Vorbehaltsgebiet ausweisen und die 2010 gestrichene Experimentierklausel wieder einführen. Die Regeln eines Neulands müssten zudem kontinuierlich angepasst und auf ihre Wirkung überprüft werden. Nach einem mehrjährigen Zeitraum wandert die Innovationszone weiter, damit andere Orte des Ruhrgebiets zu Neuländern werden können. Ob die Gebiete dabei auch den Kapitalismus hinter sich lassen, bleibt abzuwarten.

 

Das Team E setzt sich zusammen aus:

yellow z urbanism architecture, Zürich/Berlin lad+, Hannover Planung Gertz Gutsche Rümenapp, Berlin mit: urbanista, Hamburg; Nexthamburg Plus, Hamburg; Benjamin Davy, TU Dortmund

Die Links zum Wettbewerbsbeitrag:

Klicke, um auf Ideenwettbewerb_Finale_PlaeneTeam_E.pdf zuzugreifen

Klicke, um auf E_Text.pdf zuzugreifen

Man kann die Ausgabe der Bauwelt aber  auch kaufen bzw. bestellen. Analog unter  http://www.bauwelt.de/cms/aboservice.html#einzelheft oder digital als PDF unter http://www.pressekatalog.de/Bauwelt+-+epaper-ebinr_2095179.html?Jahr=2014&Ausgabe=00007&Catalogswitch=0

Link zur Folge 1:

https://www.ruhrbarone.de/zukunftsideen-fuer-das-ruhrgebiet-folge-1/76413

Link zu Folge 2:

https://www.ruhrbarone.de/zukunftsideen-fuer-das-ruhrgebiet-folge-2/76713

Link zu Folge 3:

https://www.ruhrbarone.de/zukunftsideen-fuer-das-ruhrgebiet-iii-entdecken/77006

Link zur Folge 4:

https://www.ruhrbarone.de/zukunftsideen-fuer-das-ruhrgebiet-teil-iv-vermitteln/77529

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Björn Wilmsmann
Björn Wilmsmann
10 Jahre zuvor

Spannende Idee. Das geht sowohl in Richtung Anarchokapitalismus als auch dessen, was von der APPD damals (nicht ganz ernsthaft) als ‚Balkanisierung Deutschlands‘ bezeichnet wurde.

Michalski
Michalski
10 Jahre zuvor

Mit Neuland-Modelle wird dat nix. Klingt zu utopisch, ist schwach. Warum nicht so scheiben, wie wir Pottis sind, Auf Kohle geboren, Stahl unter den Arsch. Dat überzeugt. So sind wir.

Wie wollen wir Ruhris die Menschen aus Xanten überzeugen, das sie in der Metropole Ruhr besser aufgehoben sind.

der, der auszog
der, der auszog
10 Jahre zuvor

Wenn ich mir anschaue, mit welch penetranter Hingabe und Leidenschaft sich einige Bewohner des Ruhrgebietes trotz heftigster Proteste ihrer Mitmenschen in aller Öffentlichkeit mit so albernen und dämlichen Begriffen wie „Ruhri“ oder „Potti“ schmücken, dann frage ich mich allen ernstes, wieso man ausgerechnet einer Pferderasse den Namen „Emscherbrucher Dickkopp“ gegeben hat.

Arnold Voss
10 Jahre zuvor

@ Nobby # 1

Danke für den Korrekturhinweis. Habe die Links entsprechend verändert.

Makaber
Makaber
10 Jahre zuvor

Das traurige ist die meisten Bürger dieses Landes verstehen nicht(mehr) was mit dem Schild gemeint ist!

trackback

[…] Zukunftsideen für das Ruhrgebiet V: Freisetzen (Ruhrbarone) – […]

Schotti
Schotti
10 Jahre zuvor

@der, der auszog, “Ruhri” oder “Potti” ist schrecklich, klingt nach Pott. Doch wir wollen und von den Rheinländern und Westfalen, von denen aus dem Bergischen, unterscheiden. Dann doch „Ruhri“

Unser Symbol sind die Zechentürme, Halden und die stinkende Emscher. Dat ist die Heimat. Burgen, Stadtmauern, dat schöne Ruhrtal ist nicht unsere Heimat.

Doch wat sind wir? Ruhrtaler, Emschertaler. Oder doch Ruhris, weil uns kein passender Name einfällt.

Emschertaler würde passen. Dat liegt in der Mitte vom Pott.

Vielleicht fällt den Ruhrbaronen etwas passendes für die Kumpel aus dem Pott ein.

WALTER Stach
WALTER Stach
10 Jahre zuvor

Leider bin ich immer noch -im 76.Lebensjahr- in Sachen „Zukunft der Region Ruhrgebiet“ so engagiert dabei, daß mich die Diskussion über so einen Scheiß -sorry-wie Ruhri, Ruhrpott,Kumpel im Revier nervt.

Das hat nichts mit mangelndem historischen Bewußtsein meinerseits zu tun, wenn es um das Ruhrgebiet geht -im Gegenteil-, das hat z.B. auch nichts damit zu tun, daß ich das „Ruhrgebietsdeutsch“, wie es von Manger -Tegtmeier- oder T.Schanzarer vorführen konnten, nicht mag – im Gegenteil-.
Ich singe sogar, aber möglichst selten(!!), das Steiger-Lied mit.
Für mich trägt das alles dazu bei, daß wir Menschen im Revier etwas haben, was uns verbinden kann, und zwar über alle gesellschaftlichen Schichten hinweg.

Nur ist das doch nicht prägend für die jetzt, für die hier und heute im Ruhrgebiet lebenden Menschen, die sich den Problemen der Gegenwart zu stellen haben und sich um die Zukunft des Ruhrgebietes, um ihre eigene Zukunft kümmern müssen.

Und mich nervt -sh.einleitend-, wenn man mich in Berlin, in München mit Ruhrpott, mit Ruhri, mit Kumpel aus dem Revier irgend wie verbindet, auch wenn das meistens nur spaßig daher kommen soll.

Ich gebe gerne zu, daß ich hier wohl zu ernsthaft bemüht bin, mich mit der Problematik „Zukunft des Reviers“ zu befassen und deshalb wohl zu wenig Spass verstehe -als Ruhri, als Kumpel aus dem Pott………-.

Bezogen auf das Thema „Stadt-/Quartiergestaltung“, und zwar durch die Bürger selbst, getragen und geprägt vom täglichen Miteinander, könnte auch für uns als Bürger, die in der Region Ruhrgebiet leben, das Folgende lesenswert sein:

„Eine bessere Stadt ist möglich“.
-Wer soll bestimmen, ob Flächen brachliegen oder wo welche Bänke stehen? Behörden? Politiker? Lieber die Bürger selbst -sie wissen, wie sie leben wollen.

-sh.KULTURSPIEGEL, Mai 2o14, Heft 5 -www.KULTURSPIEGEL.DE-.

Arnold Voss,
was meinst Du zum Inhalt dieses Beitrages aufgrund Deiner Fachkompetenz?
Tatsächlich lesens- und bedenkenswert, wie ich meine oder nur „alter Wein in neuen Schläuchen“?

Grabo
Grabo
10 Jahre zuvor

@WALTER Stach, wir sind der Pott, wir sind Ruhrpottler (Kumpel), hier sind die Zechen. Waltrop war auch Zechenland, darum ist das der Ruhrpott.

Durch die Zechen hat sich das Land verändert! Unsere Berge sind die Halden.

Westfalen, das ist das platte Land, draußen. wo die Kühe sind. Und kommt jetzt nicht mit Westfalens größte Stadt. Dortmund und der BVB gehören auch zum Pott, wie auch Hamm, Unna und Selm.

Und mich nervt, das sind die Laborräume von einigen hochgestochenen Herren, die Herren vom LWL, die immer noch Anspruch auf den Pott erheben.

Robin Patzwaldt
Editor
10 Jahre zuvor

Hmmmm. Das Stadion in Dortmund war aber jahrelang als ‚Westfalenstadion‘ im ganzen Land bekannt. 🙂

der, der auszog
der, der auszog
10 Jahre zuvor

„Westfalen, das ist das platte Land…“

platt wie Ostwestfalen, platt wie Tecklenburger, Wittgensteiner, sowie Sieger- und Sauerland…

Manchem selbsternannten „Ruhri“, „Ruhrpottler“ oder „Stadtaffen Ruhr“ wäre schon sehr geholfen, wenn er wenigstens einmal in seinem Leben bereit wäre, das Ruhrgebiet zu verlassen. Aber wieso sollte man sich schlau machen, wenn man auch auf Zeche gehen kann?

Thomas Weigle
10 Jahre zuvor

Dunkel erinnerts sichs in mir an U-Bahnstationen namens Westfalenpark, Westfalenhallen und Westfalenstadion. Alles schon umbenannt?
@ der der auszog völlig richtig. OWL ist in jeder Hinsicht alles andere als flach oder platt. Vielleicht lehrt ja demnächst ein platter Domstadtclub aus OWL den westfälischen Giganten aus Gelsenkirchen und Dortmund das Fürchten.

Ruhrtaler
Ruhrtaler
10 Jahre zuvor

@Robin Patzwaldt, Thomas Weigle , schon vergessen?

Ruhrgebiet und Rheinland – was der Herr getrennt hat, soll der Mensch nicht fügen.

Die Rheinländer schon lange nicht mehr. Die wollen mit dem Pott nix zu tun haben.

Die Menschen aus Duisburg, Moers, Xanten haben eingesehen, das sie Ruhris, Ruhrpottler sind.

Und jetzt kommen die Gegner des Ruhrgebiets aus Westfalen.

https://www.ruhrbarone.de/ruhrgebiet-und-rheinland-was-der-herr-getrennt-hat-soll-der-mensch-nicht-fuegen/31197

trackback

[…] zwar sehr kurzfristig, aber sie muss noch raus. Wer sich für unsere Serie in 5 Folgen namens „Zukunftsideen für das Ruhrgebiet“ interessiert hat, den wird auch interessieren, dass diese Zukunftsentwürfe zur Zeit im Foyer […]

Michalski
Michalski
10 Jahre zuvor

In der Zukunft muss das direkte Wahlrecht für Ruhrgebiet kommen. Das ist meine „Zukunftsideen für das Ruhrgebiet“ für dem Pott. Ein direktes Wahlrecht für die Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen darf es jedoch nicht geben. Sonst kommt noch einer der Wähler aus Xanten, Haltern auf die Idee, das er Rheinländer oder Westfale ist. Das ist Kontraproduktiv. So kann keiner Einheit in den jetzigen Grenzen geschaffen werden.

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