NRW: Dead Man Talking – Jetzt muss Rüttgers weg

Auch wenn sich ihre Machtchancen verringert haben:  Hannelore Kraft hat gestern gezeigt, dass sie das Zeug zur Ministerpräsidentin hat. Wenn die CDU nicht bereit ist, sie zur Ministerpräsidentin zu wählen, sollten die Bürger erneut entscheiden können.

Mit der   Absage an eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei haben Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann  gestern für eine Sternstunde der Landespolitik gesorgt: Beide stellten die Verantwortung  dem Land gegenüber  über den eigenen  Machtwillen. Von solchen Menschen regiert zu werden ist nicht das Schlechteste was einem passieren kann.

Hätten Grüne und SPD, wie es die FDP forderte, erst gar nicht mit der Linkspartei reden sollen? Nein, es war gut dass es das gestrige Sondierungsgespräch gab. Löhrmann und Kraft haben die Linkspartei als Betonköpfe und Dilletanten entlarvt. Beispiel gefällig? In einer Schreiben an die Mitglieder zitiert Parteisprecher Ral Michalowski Wolfgang Zimmermann: „…die beiden Parteien (SPD und Grüne. d. Red) waren  interessiert, entgegen ihren Programmen, die West LB zu privatisieren.“ Schade nur, dass die Privatisierung der WestLB   von der EU vorgeschrieben wurde – die neuen Bank des Landes ist die NRWBank. Sowas sollte man schon wissen, wenn man mitregieren will.

Über das Verhältnis zur SED-Diktatur wurde hier schon an anderen Stellen diskutiert – das will ich alles gar nicht wiederholen.

Auch die Parteizentrale der Linken in Berlin war wohl nicht so erpicht auf ein Gelingen der Verhandlungen. Sie kannte ihre Pappenheimer in NRW und schickte mit Ulrich Maurer als Nanny jemanden aus der dritten, bestenfalls zweiten Reihe. Seine Beschädigung durch die gestrige Pleite wirkt sich auf die Partei nicht weiter aus.

Nun wird die SPD mit der CDU reden.  Rüttgers gab gestern noch den Ministerpräsidenten. Dead Man Talking. Seine Zeit ist vorbei. Seine ohnehin nicht hohe Akzeptanz in der Bevölkerung dürfte sich mittlerweile dem Nullpunkt genähert haben. Er sollte seinen Platz räumen. Wenn es zu einer großen Koalition kommen sollte, kann die Ministerpräsidentin nur Hannelore Kraft heißen. Sie verfügt über die breiteste Basis im Parlament und wäre jederzeit in der Lage mit den Stimmen der Grünen eine relative Mehrheit zu erhalten.

Union und SPD sollten in diesem Fall auf die Grünen zugehen, die Minderheitenrechte der „kleinen“ Parteien stärken und so die Nachteile einer großen Koalition abfedern.  Und wenn die Union das nicht will und an Rüttgers festhält, bleiben nur Neuwahlen. Rot-Grün könnte mit einer stabilen Mehrheit rechnen.

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Hans-Dampf
Hans-Dampf
13 Jahre zuvor

@ Herrn Laurin

„Wenn man keine Ahnung hat…“

Die WestLB muss keineswegs privatisiert, sondern nur verkauft werden. Dies geht durchaus auch an einen öffentlichen Anbieter, eine Privatisierung ist nicht zwingend vorgesehen.
Guckst du hier: https://de.reuters.com/article/companiesNews/idDEBEE64J0AY20100520

Zudem heißt es im SPD Wahlprogramm:
“ Auf der Grundlage der Umsetzung der Vorgaben der EU-Kommission muss die WestLB daher in einen Fusionsprozess hineingeführt werden, an dessen Ende bundesweit eine Landesbank stehen soll. (…)Wichtig ist: Dieser Fusionsprozess darf nicht zum Einfallstor für Privatisierungen der öffentlich-rechtlichen Landesbanken und der Sparkassen werden.“

Anscheinend war die SPD da in den Sondierungsgesprächen schon wieder anderer Meinung.

Frank
13 Jahre zuvor

@Stefan, Du sprichst mir mit Deinem Beitrag aus der Seele. „Dead Man Talking“ trifft den Nagel auf den Kopf 🙂

Ich habe die Diskussionen, genauer: die dünnen Verteidigungsversuche einiger Linksparteimitglieder, hier gestern verfolgt. Es lohnt eigentlich nicht mal, auf deren Anwürfe hier einzugehen. Diese Partei setzt manche Tradition fort. Aber gewiss nicht die einer verantwortungsbewussten linken Partei.

Ich bin ebenfalls beeindruckt von der Haltung von Hannelore Kraft und Frau Löhrmann. Wer so klar weiß, was er will und was nicht, beweist klaren politischen Kompass.

Mit dieser Stärke sollte die SPD auf die CDU zugehen. Würde Rüttgers das Amt wirklich noch beanspruchen, hätte er sich längst melden müssen. Das ist nun nicht mehr vorstellbar. Und einen neuen Kandidaten, den die Wähler am Wahltag noch gar nicht kannten, kann die CDU auch nicht präsentieren.

Da bleibt nur Hannelore Kraft als neue Ministerpräsidentin.

SPD und Grüne haben sich in den letzten Wochen wieder stark angenähert. Das gilt nicht nur für NRW. Das zeigen auch die Bundestagsfraktionen.

Was den Umgang mit den kleinen Parteien angeht: Die Grünen haben mich beeindruckt. Die Gelben nehme ich nicht mehr ernst.

Frank
13 Jahre zuvor

Hoppla: Ich lese gerade folgendes Rüttgers-Zitat:

„Ich freue mich, dass die SPD mein Angebot von der vorigen Woche zu Gesprächen aufgegriffen hat. Ich stehe zu diesen Gesprächen natürlich zur Verfügung. Ich glaube, dass es eine sehr gute Chance gibt, dann auch stabile Verhältnisse in Nordrhein-Westfalen zu schaffen.“

Ich glaube ich spinne. Der hat es immer noch nicht verstanden, dass er abgewählt ist. Nee, der geht gar nicht. Der muss weg.

Fred
Fred
13 Jahre zuvor

Zitat „Rüttgers gab gestern noch den Ministerpräsidenten. Dead Man Talking. Seine Zeit ist vorbei.“

Lieber Stefan,
da irrst Du wahrscheinlich. Die CDU wird sich nun hinter Rüttgers scharen und ihn zumindest als Verhandlungsmasse nutzen. Es wird sich während der gesamten Koalitionsverhandlungen niemand bei der CDU finden, der sich aus der Deckung wagt. Wahrscheinlich ist er gar nicht mehr anders zu entsorgen, als ihn in Berlin in der Regierung unter zu bringen. Sonst bleibt er auf seinem Stuhl weiter sitzen.
Ob die Maulwürfe wohl noch Munition haben und sie an Wir-in-NRW schicken? Die Seite ist schließlich völlig eingeschlafen und droht ein Zeitungsarchiv zu werden.

Arnold Voss
13 Jahre zuvor

Das sehe ich auch so Fred. Und das wird richtig gruselig.

Andi
Andi
13 Jahre zuvor

@ Frank (2):
„Würde Rüttgers das Amt wirklich noch beanspruchen, hätte er sich längst melden müssen.“

Das wäre wohl das dümmste, was er tun könnte. Sich mit zehn Prozent Verlust hinstellen und sagen „ich will aber auf jeden Fall MP werden“? Schnelleren Selbstmord gibt’s kaum.

@ Fred (5):
„Die CDU wird sich nun hinter Rüttgers scharen und ihn zumindest als Verhandlungsmasse nutzen.“

Rüttgers ist Parteivorsitzender. Von daher ist es sein Job, Koalitionsverhandlungen zu führen, wenn die Partei nicht von vorneherein geschwächt (weil „kopflos“) in diese hineingehen will. Ich rechne auch nicht damit, dass er als MP aus diesen Verhandlungen wieder herauskommen wird, dazu steht die CDU nicht so geschlossen hinter ihm wie es in Hessen bei Koch der Fall war (da ist das ja fast ’ne Art Sekte, in NRW ist die Partei viel heterogener). Aber natürlich wird sich die CDU ihre „Nummer eins“ so teuer wie möglich abkaufen lassen. Wäre ja auch blöd, diesen Joker einfach so aus der Hand zu geben.

Kernforderung der SPD wird sein „Koalition nur ohne Rüttgers“, schon um einen Rest von Wahlsieg zu retten. Und die CDU wird sich drauf einlassen, weil sie Rüttgers so gesichtswahrend losgeworden ist.

Jens Kobler
13 Jahre zuvor

@Stefan: Auch hier wird wieder in die Tagespolitik hineingeschrieben á la „Was geht mich mein Geschwätz von gestern an“. Letztens noch mit Jamaica und Ampel geliebäugelt, vorgestern die Sondierungsgespräche verteufelt, davor mal in Richtung Schwarz-Grün geflirtet… Als wären alle Diskussionen der letzten Wochen und auch vor der Wahl von tagespolitischen Medieninszenierungen weggewischt. Ich sehe da keine Haltung, nur Schlagzeilen produzierendes Pfeifen im Walde. Finde ich nur den roten Faden bei Dir nicht? Hinterher wird’s irgendwie doch Rot-Grün und genau das hast Du dann (auch) immer gewollt? Erbitte Nachhilfe bei der Exegese.

Frank
13 Jahre zuvor

@Andi: Die CDU hat keinen Joker. Sie hat höchstens einen jokenden Ex-Ministerpräsidenten.

Eine Jamaika-Koalition kommt für NRW nicht mehr in Frage. Denn der große Geist der NRW-FDP hatte zuvor das moralische Gebot verkündet, dass für die FDP unwürdig sei, wer mit der Linkspartei auch nur verhandelt. Der Zug nach Jamaika ist abgefahren.

dissenter
dissenter
13 Jahre zuvor

Rüttgers muss weg?

Die SPD hat jetzt gar nichts mehr in der Hand. Sie kann sich von der CDU diktieren lassen, zu welchen Bedingungen sie mitregieren darf, oder es auf Neuwahlen im Herbst zulaufen lassen, mit völlig ungewissem Ausgang. Nach Sommerferien und Fußball-WM wird sich jedenfalls niemand mehr an Miet-mich-Rüttgers erinnern.

Moritz
Moritz
13 Jahre zuvor

Die Blockadehaltung der FDP ist mir lieber als die Pseudo-Verhandlungen, die SPD und Grüne geführt haben. Nicht, dass die Linke in der Verhandlungen nicht wahrscheinlich genauso war. Letzten Endes ist die „große“ Politik eben doch genauso wie die Politik im Schrebergarten oder zumindest im StuPa.

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[…] Ruhrbarone: “Dead Man Talking – Jetzt muss Rüttgers weg” […]

Richard Kerpen
Richard Kerpen
13 Jahre zuvor

Eins weiß ich jetzt sicher: Ich werde die SPD nicht mehr wählen. Was die SPD mit den Grünen bei den Gesprächen gemacht hat war Komödiantenstadl pur. Man will den Wählern zeigen, dass man ja was anderes wollte und jetzt im Zugzwang steht.

P.S.: Bin seit 1982 SPD-Mitglied. Wie lange noch? Gut Frage!

R.A.
R.A.
13 Jahre zuvor

> Hannelore Kraft hat gestern gezeigt, dass sie das Zeug
> zur Ministerpräsidentin hat.
ROTFL.
Kraft hat gestern gezeigt, daß sie mit ihrer taktischen Dämlichkeit keinen Kleingärtnerverein führen könnte.

Von drei möglichen Optionen hat sie zwei versemmelt, und muß nun demütig bei der CDU zur Hintertür reinkriechen und um Regierungsbeteiligung betteln.
Juniorpartner wird sie werden, aber keine Ministerpräsidentin.

Sebastian Flyte
Sebastian Flyte
13 Jahre zuvor

Den Nagel auf den Kopf getroffen…..

Richard Kerpen
Richard Kerpen
13 Jahre zuvor

Bitte keine Neuwahlen. Der Ball liegt im Feld der Politik und der Wähler ist nicht verpflichtet solange zu wählen, bis dir Politik ein ihr genehmes Ergebnis hat.

Sebastian Flyte
Sebastian Flyte
13 Jahre zuvor

Offenbar wird jetzt statt einer Großen Koalition noch einmal die Ampel diskutiert: Zumindest will die SPD einen neuen Anlauf machen. Sie bedaure sehr, dass die FDP Gespräche mit der SPD und den Grünen abgelehnt habe, sagte Landeschefin Hannelore Kraft am Freitag im Deutschlandfunk. „Ich weiß nicht, was sich bei der FDP jetzt noch bewegt. Das werden wir abwarten.“ Auch SPD-Bundeschef Sigmar Gabriel will nicht allein auf eine große Koalition mit der CDU setzen. „Und wir werden auch die Grünen noch mal bitten und auch die FDP noch mal bitten, auch darüber noch mal zu sprechen, weil das natürlich allemal besser wäre, als eine Beteiligung des großen Wahlverlierers“, sagte er.
Dazu passt, dass die FDP derzeit in der Wählergunst weiter verliert, was als zusätzliches Druckmittel auf den Oberliberalen Westerwelle und Papke herhalten könnte. Dramatischer Absturz für die FDP: Die Regierungsparteien sacken laut aktuellem ZDF-Politbarometer in der politischen Stimmung in diesem Monat weiter ab. Die CDU/CSU kommt auf 38 Prozent (minus 3) und die FDP fällt auf nur noch 3 Prozent (minus 3) zurück, wie das ZDF am Freitag mitteilte.

Manfred Michael Schwirske
Manfred Michael Schwirske
13 Jahre zuvor

Die CDU hätte keinen Joker? Doch, hat sie: die SPD und Hannelore Kraft.

Die haben es in einzigartiger Vollkommenheit fertiggebracht, sich aus dem absolut komfortablen Wahlergebnis in die belämmertste denkbare Position zu manövrieren.

Der SPD bleibt nur noch eine Option, weshalb die Verhandlungsmacht auf Null zusammenschmolz.

So etwas – lieber Stefan – nennt man klassisch politikunfähig.

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