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Polizeipanne: Neonazi-Schläger freigesprochen

Demo gegen Nazis in Bochum- Langendreer im Herbst 2011

Im Prozess um den brutalen Nazi-Überfall auf eine Gruppe junger Leute am 25. Dezember vergangenen Jahres im S-Bahnhof Bochum Langendreer, ist es am heutigen Dienstag zu einer Verurteilung und einem Freispruch gekommen. Den Angeklagten, beides einschlägig vorbestrafte Neonazis, wurde vorgeworfen, aus einer Gruppe Rechtsradikaler heraus die andere Gruppe unvermittelt angegriffen zu haben. Dabei wurden mindestens drei Personen verletzt. Zwei der drei Geschädigten wurden zudem auf die Bahngleise getreten – un das, kurz bevor die S-Bahn einfuhr. Ein anderer wurde mit mehreren Platzwunden und einer Gehirnerschütterung bewusstlos in seiner Blutlache liegengelassen. Besonders brisant: Einer der Angegriffenen leidet unter einer massiven Sehbehinderung, er ist größtenteils auf die Hilfe eines Blindenstocks angewiesen. 

Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass der Essener Neonazi Dennis Hülshorst dem sehbehinderten Mann „aus völlig nichtigem Anlass“ erst mit einer  „Kopfnuss“ die Nase brach, und ihn dann ins Gleisbett beförderte. Wenige Minuten später fuhr der Zug dort ein, die Opfer konnten sich rechtzeitig retten. Hülshorst wurde von mehreren Zeugen eindeutig identifiziert, unter anderem durch eine Hakenkreuz-Tättowierung auf der Brust. Bei dem anderen Angeklagten handelt es sich um den stadtbekannten Neonazi Dennis Ewers. Zwar habe das Gericht „keine Zweifel“ an einer Tatbeteiligung Ewers‘. Allerdings stimmte es seinem Verteidiger , dem Neonazi-Anwalt  André Picker, zu, dass die Identifizierung mittels einer „Wahllichtbildvorlage“ durch die Zeugen unbrauchbar sei.

Polizeipanne: Freispruch für Ewers

Rechtsanwalt Picker hatte auf erhebliche Mängel bei der polizeilichen Vernehmung der Zeugen hingewiesen. So sei den Zeugen zwar eine Reihe von Fotos verschiedener Personen vorgelegt worden. Allerdings stach das Foto von Daniel Ewers durch eine völlig andere Aufmachung heraus; Kopfhaltung, Blickrichtung und Hintergrundfarbe seien eine völlig andere gewesen, als bei den übrigen Fotos. Außerdem hätten die zuständigen Polizisten die Vorlage der Bilder gestoppt, nachdem die Zeugen ihre Wahl getroffen hätten. Desweiteren gab eine Zeugin an, der zuständige Polizist habe ihr im Vorfeld gesagt, dass sich unter den betreffenden Foto-Sets in jedem Fall ein Tatverdächtiger befinde. Richter Pattard stimmte zu, dies entspreche nicht den „neuesten Standards“ der Ermittlungen. Ewers, der sich im Verfahren nicht äußerte, sei daher freizusprechen. Der Richter wiedersprach damit der Forderung der Staatsanwaltschaft, ihn wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung zu 2 Jahren und 3 Monaten Haft zu verurteilen.

Freiheitstrafe: 2 Jahre und 3 Monate

Der Angeklagte Hülshorst räumte die gegen ihn erhobenen Vorwürfe erst nach Abschluss der Beweisaufnahme  ein. Zwar erinnere er sich nicht mehr an alles, da er unter Alkohol- und Medikamenteneinfluss stand. Allerdings war die Beweislast gegen ihn erdrückend. Er erhielt die von der Staatsanwaltschaft auch für ihn geforderte Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten ohne Bewährung.

Immer wieder Angriffe

Die Staatsanwaltschaft machte deutlich, dass es sich um eine „schäbige und brutale Tat“ handele. Die Geschädigten seien „bloße Zufallsopfer“ gewesen. Die Kopfnuss sowie das Treten auf die Gleise sei eine „das Leben gefährdende Behandlung“. Es sei „pures Glück“ dass bei dem Angriff niemand zu Tode gekommen sei.  Neonazi-Anwalt Picker versuchte auch, die „Pressehysterie“ im Zusammenhang mit den häufigen Nazi-Übergriffen in Langendreer für eine „fälschliche“ Anklage gegen seinen Mandanten Daniel Ewers anzuführen. Ewers, der vor über einem Jahr im alternativen Stadtteil Langendreer zusammen mit anderen Neonazis Quartier bezogen hat, fällt immer wieder durch gewalttätige Übergriffe auf Migranten und (vermeintlich) Linke auf. Als Reaktion auf die braune Nachbarschaft hat sich im vergangenen Jahr die Initiative „Langendreer gegen Nazis“ gegründet . Sie organisierte im Oktober 2011 eine Anti-Nazi-Demonstration mit über 1000 Teilnehmern. Daniel Ewers wohnt inzwischen in Essen.

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Ulrich
Ulrich
11 Jahre zuvor

So eine Tat kann man u.U. auch als versuchten Totschlag werten: https://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/versuchter-totschlag-soldat-als-s-bahn-schubser-zu-gefaengnisstrafe-verurteilt-/6736794.html Hier lautete das Urteil zwei Jahre und neun Monate, leider kann man aus dem Bericht nicht ersehen ob Jugendstrafrecht zur Anwendung kam.

Eine Gefängnisstrafe von zwei Jahren und drei Monaten für eine bereits vorbestrafte Person erscheint mir in diesem Zusammenhang durchaus niedrig.

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[…] des Freispruches für Daniel Ewers waren Ermittlungspannen der Polizei. Dies betrifft vor allem die Vernehmung der Zeugen des Tatabends. Diesen wurde eine Fotoserie von […]

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