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Reuters führt Gedankenpolizei ein

Die Nachrichtenagentur Reuters ist eine der ältesten der Welt. Gegründet wurde sie 1850 an der belgischen Grenze, um Börsennachrichten zu verbreiten. Heute sitzt die Agentur als internationaler Konzern in London. Lange war Reuters ein Vorbild für seriösen Journalismus, unabhängig und frei. Doch diese Tage könnten vorbei sein, wie unser Gastautor Paul Julius R. aus Aachen schreibt. Was Konzern-Fremde über privaten Äußerungen von Reuters-Reporter denken, soll über deren Job entscheiden. Hier seine Gedanken zur Einrichtung einer Reuters-Gedankenpolizei:

Reuters, die nach eigenen Worten größte Nachrichtenagentur der Welt, die ihre Integrität und Unabhängigkeit von einer eigenen Stiftung garantieren läßt, legt seine Journalisten an die Kandare: Die Chefredaktion hat die Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass alles, was sie außerhalb ihrer Arbeit sagen oder tun, Folgen für ihr Arbeitsverhältnis haben kann, sollte es aus irgendwelchen Gründen auf Missfallen stoßen.

In einer Email weist Chefredakteur David Schlesinger darauf hin, dass es aufgrund des Internets und sozialer Netzwerke nun wesentlich leichter sei nachzuvollziehen, wes Geistes Kind ein Journalist denn sei – und dass dies ihn durchaus für seinen Job disqualifizieren kann.

Er nennt mehrere Beispiele aus anderen Medienorganisationen, wie z.B. CNN, die eine Mitarbeiterin feuerte, weil diese in einem Tweet einen gestorbenen Angehörigen der Hisbollah als „Giganten“ bezeichnete, den sie „respektiere.“ Oder die Geschichte eines Bloggers der Washington Post, der kündigte, weil er in einer privaten Diskussionsgruppe abfällige Kommentare über die US-amerikanischen Konservativen machte, über die er auch beruflich berichtete.

Ohne sich die Einstellung CNNs oder der Washington Post zu eigen zu machen, sagt Schlesinger, dass im Internet gemacht Kommentare Rückschlüsse zulassen, ob ein Reporter in der Lage ist, seine Arbeit zu machen.

“Wenn man Leuten Grund oder Anlass gibt, seine Fähigkeit anzuzweifeln, ein fairer oder objektiver Journalist zu sein, wird das notwendigerweise Einfluss auf unsere Möglichkeit haben, jemandem Aufträge zu geben oder auf dem Dienst veröffentlichen zu lassen.”

Die Fülle des Nichtgesagten hinter diesen Kommentaren lassen erschrecken. Und dabei muss man nicht einmal die Frage stellen, wieso Schlesinger gar nicht darauf eingeht, warum denn seiner Ansicht nach Journalisten außerhalb ihrer beruflichen Tätigkeit keine Meinungsfreiheit genießen sollen?

Man muss sich nur fragen, warum laut Schlesinger gar nicht im Einzelfall geprüft werden muss, wie denn die private Meinung eines Journalisten tatsächlich Auswirkungen auf seine Arbeit hat? Wieso muss gar nicht dargelegt werden, dass dieser nicht in der Lage war zu trennen zwischen beruflichen Pflichten und persönlicher Einstellung? Wieso reicht eine „unliebsame“ Äußerung aus, das anzunehmen?

Kann denn beispielsweise ein ausgewiesener Marxist nicht gemäß den Richtlinien von Reuters über Aktienunternehmen schreiben? Auch wenn er die Unternehmen ebenso wie das wirtschaftliche System in dem sie operieren ablehnt?

Aber wie Schlesinger selber schreibt, geht es ihm gar nicht darum, es geht ihm – in vorauseilendem Gehorsam – um den Eindruck gegenüber unspezifizierten anderen „Leuten“ – offensichtlich externen Gruppen, vor denen er als Vertreter Reuters‘ enormen Respekt zu haben scheint.

Im Falle der entlassenen CNN Reporterin spielte laut New York Times tatsächlich eine Rolle, dass andere Interessengruppen an das Unternehmen herantraten und diesen Journalisten für untragbar erklärten.

Und das entlarvt vieles: Denn hier zeigt sich deutlich wie selten, wie Journalismus in weiten Teilen eine Vertretung für die Interessen machtvoller Gruppierungen ist, die bestimmen, was in die Öffentlichkeit gehört und was nicht.

Das Internet läßt diesen Sachverhalt nur noch deutlicher zu Tage treten, da es die Medien zwingt nach neuen Wegen zu suchen, Ihre Mitarbeiter zu kontrollieren. Obwohl eigentlich ein Journalist auch Bürger ist und das Recht zu seiner eigenen Meinung hat. Und obwohl es keinen Unterschied machen darf, ob ein Reporter dieses Recht wahrnimmt, indem er seine Meinung weltweit nachvollziehbar in einem „Tweet“ äußert oder auf einer Demonstration oder gegenüber seiner Ehefrau.

Gerade für dieses Recht sollten Medien eigentlich eintreten, denn schließlich ist genau das ihre Existenzgrundlage und eigentlich auch der Grund, warum Menschen Zeitungen kaufen oder Radiosendungen hören.

Doch genau das passiert nicht. Die Unternehmen unterwerfen sich widerspruchlos dem Diktat anderer – im Fall der CNN Reporterin offensichtlich der US-amerikanischen Außenpolitik und damit der Regierung — und räumen diesen Gruppen damit das Recht ein, zu bestimmen, was für die Öffentlichkeit bestimmt ist und was nicht.

Und zwar in einem enormen Ausmaß, der weit über das hinausgeht, was Schlesinger mit seiner Email eindämmen will: Denn wenn diese Gruppierungen schon solchen Einfluss haben, wenn es um private Äußerungen geht, kann man sich ausmalen, wie groß der Einfluss erst sein muss, wenn es darum geht, was tatsächlich publiziert wird.

Wenn schon für angestellte, gewissermaßen erprobte Journalisten diese Grundsätze gelten, kann man sich auch fragen, welchem Diktat sich erst angehende Journalisten unterwerfen müssen. Wie angepasst muss man denn sein, um überhaupt im Journalismus Fuß zu fassen – und was bedeutet das für das, über das berichtet wird?

Reuters jedenfalls könnte sich Gedanken machen, ob man nicht in Zukunft jedem Artikel den Zusatz hinzufügen könnte, gleich einem Wasserzeichen – „Von der Gedankenpolizei für unbedenklich erklärt.“

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Klaus
Klaus
13 Jahre zuvor

„Reuters-Gedankenpolizei“ ???

Das nennt sich doch schon lange „Presse-Kodex“…

😉

Journalist
Journalist
13 Jahre zuvor

Ein ganz schwacher Beitrag, der am Thema vorbei geht.

1. Die Email von Schlesinger wollte auf die aktuellen Vorkommnisse bei anderen Medien hinweisen. Die bestehenden Reuters-Richtlinien zu Kommentaren im Internet sind relativ liberal und gehen in eine ganz andere Richtung.

2. Wenn ein Manager bei Daimler oder Siemens sich im Internet abfällig oder auch nur kritisch über z.B. die Regierung eines Landes äußert, wird er auch Ärger mit seinem Arbeitgeber bekommen, weil das das Geschäft beeinflussen kann. Das hat nichts mit Medien und Journalisten zu tun.

3. Wenn Journalisten von Nachrichtenagenturen über Kriegsparteien berichten, wenn sie von Regierungsbeamten bedroht werden, haben sie nur einen einzigen wirklichen Schutz: die Unabhängigkeit und Überparteilichkeit ihrer Organisation, auf die sie sich berufen können. Wenn sich also ein Journalist im Internet parteiisch äußert, zum Beispiel Sympathien für eine Oppositionspartei zeigt, ist dieser Schutz sofort weg. Es geht hier nicht um Gedankenpolizei – diese Regeln sind auch dazu da, Kollegen zu schützen.

Das sind die Zusammenhänge und der Kontext, aus dem dieser post vollkommen heraus gerissen ist.

trackback

[…] und Entwicklungen dieser Tage, die mich am Verstand mancher Menschen wirklich zweifeln.  So auch dieser Artikel bei den Ruhrbaronen: Reuters, die nach eigenen Worten größte Nachrichtenagentur der […]

Der Ekelbaron
13 Jahre zuvor

Krasse Meldung… Ich bin echt froh, dass ich mich während meines Studiums vom Berufsziel Journalismus wegbewegt habe…
Miese Bezahlung, unmögliche Arbeitszeiten, unzählige Konkurrenten aus gutem Elternhaus, die auch zu noch unwürdigeren Bedingungen arbeiten würden.
Dazu dieser PR- und Agentur-Wahnsinn, der dazu führt, dass JournalistInnen nur noch neben der Stoppuhr Puzzle spielen anstatt eigene Artikel zu schreiben, oder gar zu recherchieren.
Jetzt also auch das Privatleben… Realistisch bedeutet das, dass eine Journalistin nichtmehr privat bloggen darf, ohne Angst vor Sanktionen haben zu müssen. Eine „liberale“ Agentur würde ihre kritischen Mitarbeiter in Schutz nehmen und Unternehmen, die in deren Privatsphäre herumschnüffeln erst recht kritisch beobachten.
Vielleicht leben wir in einer Zeit, in der man Journalisten wirklich mit Managern vergleichen kann. Wahrscheinlich leben wir in einer Zeit, in der das den meisten Journalisten sogar schmeicheln würde. In jedem Fall ist es keine Zeit, in der man nicht die Gelegenheit hat auch für Journalisten und Manager basale Menschenrechte einzufordern. Ob das einer der sogenannten „Entscheider“ verstehen wird ist allerdings unwahrscheinlich. Denn Entscheider sind zumindest gefühlte Manager, und die haben gefälligst souverän aufzutreten und 24 Stunden am Tag die Meinung des Unternehmens zu vertreten. Eine Darstellung als Rechtlose und Opfer ist da kontraproduktiv, wenn nicht Rufschädigung.

Bert
Bert
13 Jahre zuvor

In Niedersachsen ist man da schon einen Schritt weiter:

https://www.nwzonline.de/Aktuelles/Politik/Nachrichten/NWZ/Artikel/2391776/Ministerin+will+Medien+Inhalte+vorgeben.html

Die niedersächsische Landesregierung will die Medien des Landes beim Thema Integration auf einen gemeinsamen Kurs verpflichten.

Es dürfte in Deutschland bislang einzigartig sein, dass eine Landesregierung die Medien auf gemeinsame Inhalte verpflichten will und sogar die dabei zu wählende Sprache vorschreiben möchte.

Jens
Jens
13 Jahre zuvor

Welche Qualifikation hat der Autor dieses Beitrages um sich hier äußern zu dürfen?

Bald schreibt Hans R. aus Leverkusen über BP, Michael E. aus Göttingen äußert sich zu Erdbeben in Pakistan, Sabine J. aus Erfurt berichtet über Schaffarmen in Australien und Sieglinde P. aus Münster lässt ihren Gedanken zu Ruanda freien Lauf. Mir fehlt der Bezug. Ich kann auch hier und da ein paar Blogs suchen und dann groß tun.

Ein bekannter Herr mittleren Alters sagte in ähnlichen Zusammenhängen einmal: Laaaaaaaaaaaaangweilig.

fluxus
fluxus
13 Jahre zuvor

Und was soll das mit dem Begriff der „Gedankenpolizei“ zu tun haben? Ich empfehle dem Autor, erst nochmal folgenden Wikipedia-Eintrag zu lesen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Gedankenpolizei

Orwell
Orwell
11 Jahre zuvor

Gedankenpolizei ist ein allgemeiner Begriff (wie neue Weltordnung). Selbst unstudierte können mit diesem Begriff etwas anfangen… Sicher ist der Artikel erstmal schwere Kost fürs gemüt, legt wiederum aber auch nur offen was schon seid langem in unserer Medienwelt passiert, das sie nun eine Tatsache öffentlich bekannt geben klingt schon fast wieder nach seriösem journalismus.

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