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?Die Klimapolitik wird teuer…!?

Über Klima- und Energiefragen wird auch bei den Ruhrbaronen gerne und vile diskutiert. Vor ein paar Monaten interviewte ich zu diesen Themen Dr. Manuel Frondel, den Energieexperten des RWI.

Manuel Frondel. Foto: RWI

Spätestens seit dem G8-Gipfel ist klar, dass Deutschland eine führende Rolle im Klimaschutz anstrebt. Umweltminister Sigmar Gabriel machte während des – ausgesprochen kühlen – Sommers im Wochenrhythmus neue Vorschläge. Teilen der Wirtschaft und den Verbrauchern drohen hohe Kosten.

Die Erneuerbaren Energien erleben in Deutschland einen Boom. Ob Windenergie, Erdwärme oder Biodiesel: Die schon hysterische Züge aufweisende Diskussion um den Klimawandel und die Reaktorstörfälle in den vergangenen Monaten lassen Kernenergie und Kohle als Energielieferanten der Vergangenheit erscheinen.
Immer mehr Bürger fordern eine weitere Förderung der Erneuerbaren Energien und gleichzeitig den Ausstieg aus der Kernkraft und der Kohle – kaum ein Kraftwerksstandort muss im Moment nicht mit dem massiven Widerstand von Umweltschützern rechnen. Politiker sind im Augenblick dabei die Forderungen vieler Bürger aufzugreifen. Ob die hessische Koch-Herausforderin Andrea Ypsilantis oder die Partei Die Linke, die unter ihrem alten Namen SED auf Kernenergie und Braunkohle setzte: Immer mehr wollen den Doppelausstieg.
Für Dr. Manuel Frondel vom RWI Essen eine gefährliche Entwicklung, die an die Basis der Energieversorgung Deutschlands rührt: „Es gibt die so genannte Grundlast, bei der Strom an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden am Tag zur Verfügung stehen muss. Dieser Strom wird in Deutschland aus Kernenergie und Braunkohle produziert – und es gibt dazu auf absehbare Zeit keine Alternative. Die meisten Bürger möchten im Moment Erneuerbare Energien und einen Ausstieg aus der Kernkraft. Viele Menschen sind sich aber nicht bewusst, wie teuer allein die Installation von entsprechenden Kapazitäten an alternativen Energien werden würde – die dann immer noch nicht eine Versorgung sicherstellen würden, wie wir sie gewohnt sind und wie wir sie als hoch technisiertes Industrieland auch benötigen.“
Sollte eine solche Politik tatsächlich umgesetzt werden, was Frondel für unmöglich hält, wäre der Industriestandort Deutschland durch die damit verbundene hohe Kostenbelastung gefährdet: „Es besteht die Gefahr, dass energieintensive Industrien wie die Automobil- und Stahlindustrie ins Ausland abwandern.“
Allerdings, da ist sich Frondel relativ sicher, würden auch künftig energieintensive Branchen geschont: „Schon bei der Ökosteuer gab es zahlreiche Ausnahmen für Branchen mit hohem Stromverbrauch – und das ist auch gut so. Würden sie so belastet wie Ottonormalverbraucher, könnte das ihr Aus bedeuten.“
Bereits die heutige Ökosteuer auf Strom, so der Diplom-Physiker und Diplom-Wirtschaftsingenieur, käme den Bürgern teuer zu stehen – über sechs Milliarden Euro würde sie die Verbraucher kosten. So belaufen sich bereits die heutigen Belastungen durch Ökosteuer, Einspeisevergütungen für Erneuerbare Energien, Abgaben für Kraftwärmekopplung und nicht zuletzt durch die Subventionierung von Biotreibstoffen auf weit über 20 Milliarden Euro jährlich. Würden alle Pläne der Bundesregierung umgesetzt – eine weitere Subventionierung von Energieeffizienz steigernden Umbauten, stärkere Nutzung von Erneuerbaren Energien sowie ein vermehrter Einsatz von Biodiesel, könnte die jährliche Belastung um ein Vielfaches steigen.
Zu den Gewinnern dieser Entwicklung würden zahlreiche kleinere und mittlere Unternehmen gehören. „Alle Branchen, die mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien zusammenhängen, werden sich ebenso über steigende Auftragseingänge freuen dürfen wie Handwerker und die Bauindustrie über Maßnahmen zur energetischen Gebäudesanierung. Finanziert wird die mittels zinsverbilligter Kredite und Investitionszuschüssen erfolgende Subventionierung der Hausbesitzer – es sind ja ihre eigenen Immobilien, in die sie investieren – durch alle Steuerzahler, von denen ja die meisten Mieter sind. Was da passiert ist eine große Umverteilung.“
Von dieser allerdings werden nach Frondels Ansicht eher die bereits aufgeführten Branchen denn die Hausbesitzer profitieren: „Viele Investitionen in die Energieeffizienz von Immobilien lohnen sich trotz verlockend günstiger Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau nicht. Würden Immobilienbesitzer ihr Geld konventionell investieren, hätten sie bei einem Zinssatz von fünf Prozent wahrscheinlich eine höhere Rendite.“
Zu den Verlierern der Politik gehören der Handel, die Gastronomie und die Konsumgüterindustrie. „Mehr als 20 Milliarden Euro weniger Geld im Portemonnaie der Verbraucher sind eine ungeheure Summe. Für den einzelnen Bürger sind das nur ein paar Euro im Monat – für die Binnennachfrage bedeutet diese Summe jedoch eine sehr starke Belastung. Seit Jahren wird zu Recht beklagt, dass die Binnennachfrage zu gering ist. Durch die Kosten der Klimapolitik wird sich dieser Effekt in den kommenden Jahren noch verstärken. Für den Handel, der bislang wenig von der im Augenblick guten Konjunktur profitiert, wird die Lage weiter schwierig bleiben.“
Doch bleibt angesichts sich überschlagender Horrormeldungen über die Auswirkungen des Klimawandels überhaupt eine Alternative zu einem raschen Umlenken in der Energiepolitik?
Der Physiker rät zur Ruhe und warnt vor Panik: „Auch wenn der UN-Weltklimarat Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) vor wenigen Monaten die Wahrscheinlichkeit angab, dass die Klimaveränderungen zu 90 Prozent von den Menschen verursacht sind, sollten wir besonnen handeln. 90 Prozent mag für Laien imposant klingen, ist im wissenschaftlichen Kontext jedoch keine sehr gute Zahl. Kein Mensch würde ein Medikament schlucken, von dem bekannt ist, dass es nur zu 90 Prozent nicht schädlich ist. In Wirklichkeit wissen wir nicht, ob der Klimawandel einen natürlichen Ursprung hat oder vom Menschen verursacht wurde.“
Frondel plädiert jedoch nicht für ein „Weiter so“ in der Energieversorgung. Für die nächsten Jahrzehnte können wir noch auf Öl, Gas und Kernenergie setzen. Diese Zeit sollten wir nutzen, um den Bereich der regenerativen Energien auszubauen und auch die Möglichkeiten der Kernfusion weiter zu erforschen. Forschen ist für ihn ohnehin der Schlüsselbegriff für die zukünftige Energieversorgung: „Mit Ausnahme der Wasserkraft, deren Potentiale in Deutschland nahezu ausgeschöpft sind, ist keine der im Augenblick vorhandenen alternativen Energien wettbewerbsfähig.“ Daran kann vor allem der technologische Fortschritt etwas ändern.
Die Politik sollte daher vorwiegend in die Erforschung neuer Technologien investieren anstatt in die flächendeckende Verbreitung unwirtschaftlicher, technologisch noch nicht ausgereifter Erneuerbare-Energie-Systeme wie insbesondere Photovoltaik – und sie sollte verstärkt Anreize für Innovationen setzen. Frondel: „Im Moment bestimmt das novellierte Erneuerbare-Energiegesetz genau, wie hoch die Summe ist, die ein Solarenergieproduzent und der Betreiber einer Windkraftanlage für eine Kilowattstunde bekommt. Besser wäre es, den Energieversorgern Quoten für Erneuerbare Energien vorzuschreiben. Mit welcher Technologie sie dann diese Quoten erfüllen, wäre ihre Sache und wir hätten einen starken Wettbewerb unter den Erneuerbaren-Energietechnologien.“
Das, so Frondel, könnte sich längerfristig lohnen – denn dann würden die in Deutschland entwickelten Technologien sich auch im internationalen Wettbewerb behaupten können und nicht vorwiegend auf dem durch üppige Fördermittel und garantierte Abnahmepreise geschützten deutschen Markt.

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Christoph Schurian
16 Jahre zuvor

Nun ja, das RWI, man muss es einfach lieben, denn wenn es nach den Essener Forschern gegangen wäre, wären erneuerbare Energieträger nie auf die Beine gekommen, würde kein Solar-Boss einen CDU-Zukunftspreis abräumen, wie es diese Wche geschehen wird. Nein, alles wäre noch so gut wie in der guten alten Zeit der Ruhrwirtschaft – ganz ohne Weichei-Klimadiskurs, ohne deutsche Atomangst! Ach ja: Im Verwaltungsrat des Essener Think Tanks sitzen übrigens Stahlunternehmer, Energiemanager, Großbänker, Versicherer, Bundeswirtschaftsministerildirigenten, Kammerfunktionäre; zwei Wissenschaftler, fullstop.

weltkind
16 Jahre zuvor

immerhin hat das energieexpertentum des rwi ein schoenes gesicht;-)

Dirk E. Haas
Dirk E. Haas
16 Jahre zuvor

?90 Prozent mag für Laien imposant klingen, ist im wissenschaftlichen Kontext jedoch keine sehr gute Zahl. Kein Mensch würde ein Medikament schlucken, von dem bekannt ist, dass es nur zu 90 Prozent nicht schädlich ist.?

Oh doch.

Es kommt nur auf die Krankheit an (aber ökonometrische Prognostiker sind ja auch nur medizinische Laien, da nehmen wir es mal nicht so wissenschaftlich genau).

Ansonsten: Der Eindruck, dass hier mal wieder ein wenig interessengeleitet argumentiert wird, dürfte so falsch nicht sein, oder? Ich bin mir jedenfalls zu 91% sicher.

Samuel Hartmann
Samuel Hartmann
15 Jahre zuvor

„Kein Mensch würde ein Medikament schlucken, von dem bekannt ist, dass es nur zu 90 Prozent nicht schädlich ist.“

Dem stimme ich zu. Aber in meinen Augen sind die fossilen Ressourcen das Medikament, das wir schlucken, um unser Leben zu verschönern. Von diesem Medikament wissen wir, dass es mit 90% Wahrscheinlichkeit unsere Lebensgrundlagen zerstört. Die Aussage von Manuel Frondel finde ich darum völlig verdreht.

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