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Auch Ruhrkultur: Die Kleinkunst der Werkzeuge

Ein einprägsames Bild, charmant, wie das Ruhrgebiet selbst: Klüngelskerle sammeln Altmetall. Was wiegt dabei besonders schwer und ist überall vorhanden? Na, klar: Werkzeug – von Keller zu Keller gewandert, von Generation zu Generation weitergereicht. Verbogen von der Last der Arbeit, roststarrend und fast leidend als wärs lebendig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Standardhandelsware auf dem Revierflohmarkt. Beliebt bei der Haushaltsauflösung. Zuverlässig den Arm der Arbeiterschaft verlängernd. Mit Einfühlungsvermögen gegen lockere Muttern.

So war das damals: Ausschließlich Stahl und Kohle, mehr Zechen als Wohnhäuser, gar keine Menschen, nur Maulwürfe. Ganz klar: In diesem Klima, konnte kein Mann ohne Werkzeug sein. Viele kamen aus Posen, Pommern, Schlesien. Werkzeug war die Erweiterung ihrer Möglichkeiten, fürs Überleben.

Heute: Gibt es nur noch Kochutensilien. Der Hammer schmiedet nicht mehr das Eisen. Er klopft das Steak platt. Die Zange kneift nicht mehr den Nagel: Sie wendet den Fisch in nativem Ölivenöl. Der Korkenzieher killt den Schraubenzieher. Und der Werkzeugkasten hat sich in "Besteckkasten" umbenannt.

Die Ruhries – mein Gott – sind nicht mehr schwarz im Gesicht! Aber so ähnlich: sonnengebräunt. Oder grün hinter den Ohren. Denn sie wissen nicht mehr, wie wichtig gutes Werkzeug ist. Wie identitätsstiftend. Wie der Architektonik des Selbstbildnisses förderlich. Für den Mann natürlich. Aber Werkzeuge sind auch die Waffen einer Frau: Für deren Eigenständigkeit, für ihre Selbstbehauptung.

Leute! Werft die Mäuse fort. Die auf das Fünftausendstel genaue Lasermaus ist grobmotorischer als jede schwere Axt, die ein Holzscheit punktgenau spalten muß. Wieviel Genauigkeit und Präzision dazu gehört? Das weiß keiner mehr. Jetzt lernt mal wieder richtig gucken: Das Ziel ist der Nagel, nicht der Finger. Wer von euch kann das noch real, nicht virtuell? Wer koordiniert Geist und Physis?

Wo Architektur immer gigantomanischer geworden ist, offenbart sie den Wandel zu augenfällig. Doch manches zeigt sich präziser im Kleinen, im Alltag: An Brillenformen, am Design von Schreibgeräten – oder in Werkzeugkisten. Werkzeuge dokumentieren den Wandel der Gesellschaft, ihrer Ästhetik und Wahrnehmung. Sie klatschen uns ins Gesicht, dass Funktion vor Form kommt. Dass es sich mit beiden aber wie mit eineiigen Zwillingen verhält.

Immer ging es bei Hammer und Sichel, bei Messer und Meissel darum, dass ihr Gebrauch eine Anforderung zu erfüllen hatte. Gefertigt wurden sie seit Anbeginn in KMU-Schmieden. Dann mutierten sie zu Industrieprodukten. Die Funktionaltät dieser Werkstücke ist die schärfste Messlatte für sogenannte Gebrauchsgegenstände.

Werkzeuge sind unsere täglichen Begleiter. Sie sollen funktionieren. Aber wir kennen uns nicht mehr aus. Haben Freudentränen in den Augen, weil beim Discounter alles so billig ist. Ramsch goes Schrotting: Brechende Bits, sich krümmende Schraubenschlüssel, überdrehte Schraubenzieher.

 

Da muß Innovatives her: Der Schraubenschlüssel von Morgen schraubt mit Köpfchen. Deutsche Ingenieure bauen eben nicht nur Kraftwerke oder Flugzeuge, auch Werkzeuge. Übrigens rosten die nicht mehr: Euphorische Käufer, depressive Klüngelskerle.

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