Kulturhauptstadt und Ruhrtrienale ohne Evonik-Müller

Die Kulturarbeit des Kohlemannes Werner Müller ist endlich. Wie endlich, habe ich jetzt erfahren.

Als Evonik noch RAG hieß und 100 Prozent Kulturhauptstadt war / Foto: idruhr

So zieht Müller seinen Mischkonzern RAG / heute Evonik aus dem Sponsoring der RuhrTriennale zurück. Das hat mir eine Evonik-Sprecherin bestätigt. Zudem will der Vorstandschef von Evonik, Werner Müller, den Aufsichtsratsvorsitz der Kulturhauptstadt GmbH aufgeben und sich aus dem Gremium zurückziehen. Auch das bestätigte mir die Evonik-Sprecherin.

In den Monaten zuvor hatte sich Müller und mit ihm die damalige RAG/ heutige Evonik im Rahmen der Diskussion um das Ende des Steinkohlebergbaus einen Namen als bedeutender Kultursponsor im Ruhrgebiet gemacht. Gerade im Umfeld der Kulturhauptstadtbewerbung suchte Müller die Nähe zur Kultur, um sich als Bestandteil der Region Rückhalt zu verschaffen. In der Dikussion damals ging es um den Ausstieg aus den Subventionen. Die CDU wollte die RAG/Evonik zerschlagen, um den Erlös in die Höhe zu treiben und damit die Risiken für die öffentliche Hand zu miminieren. Müller selbst wollte eine Zerschlagung seines Konzerns verhindern. Zudem hatte sich Müller als Chef der RAG-Stiftung ins Spiel gebracht. Die Stiftung besitzt den Konzern RAG/Evonik. Für seine Strategie suchte Müller öffentliche Unterstützung.

Als Grund für den jetzigen Rückzug aus der Ruhrtrienale führte die Konzernsprecherin an: „Im Rahmen unseres Konzernumbaus richten wir unser Sponsoring neu aus und setzen zum Teil neue Schwerpunkte.“ In Zukunft wolle man sich „auf Projekte insbesondere mit internationaler Ausstrahlung“ konzentrieren. Etwa auf die das Projekt „Speed-the-Plow“ mit Kevin Spacey und Jeff Goldblum sowie auf die Ruhrfestspiele mit dem Schwerpunkt Amerika. „Wir bleiben weiter einer der großen Kultur-Sponsoren in Deutschland.“

Auch der Rückzug des Konzernchefs Müller aus dem Aufsichtsrat der Kulturhauptstadt bedeute nicht das Ende des Sponsorings. „Natürlich werden wir uns außerdem auch beim Projekt Kulturhauptstadt sehr stark einbringen“, sagte die Evonik-Sprecherin. Müller höre nur im Aufsichtsrat auf, weil er turnusmäßig als Moderator des Initiativkreises Ruhrgebiet ausscheide. Im Rahmen der Ruhrgala am 30. August übergibt er sein Amt an den E.on Chef Wulf Bernotat. Die Sprecherin sagte: „Die Funktion des Iinitiativkreis-Moderators ist mit der des Aufsichtsratsvorsitzenden der Kulturhauptstadt verknüpft.“

Ich bin gespannt, was wird. Intern ist die Kulturhauptstadt-Mannschaft über den Ausstieg von Müller überrascht, auch wenn die Übernahme des Vorsitzes durch Bernotat als normal gewertet wird.

Chemieunfall ? Weiter Desinformation des Umweltministeriums

Der Sprecher des NRW-Umweltministerium hatte gestern gegenüber Medien gesagt, das Ministerium habe bei seiner Informationspolitik über die Einleitung von Tonnenweise 1,2 Dichlorbenzol in den Rhein nichts falsch gemacht. „Der Grenzwert für eine Warnung der Bevölkerung wurde nicht annähernd erreicht.“ So steht es in der Frankfurter Rundschau. Zur Erinnerung: Das Ministerium hatte wochenlang die Menschen am Niederhrein nicht über den Chemie-Störfall aufgeklärt.

Minister Uhlenberg. Foto: MUNLV

Die Bild-Zeitung zitiert den Ministeriums-Sprecher sogar mit den Worten: „Eine Warnung an die Öffentichkeit durch den Minister oder die Bezirksregierung findet nur statt, wenn im Rhein ein Grenzwert überschritten wird und Gefahren für Menschen und Tiere bestehen. Davon waren wir aber weit entfernt.“

Auf Nachfrage im zuständigen Landesumweltamt (LANUV) konnte ich herausfinden, auf was der Sprecher des Ministeriums hier mit seinen Grenzwerten anspielt.

So sagte mir die Sprecherin des LANUV, Babette Winter, es gebe keine Grenzwert für 1,2 Dichlorbenzol im Rhein. Es gebe allenfalls einen Zielwert von 10 Mikrogarmm je Liter Rheinwasser.

Der wurde allerdings weit überschritten. Laut Alarmmeldung wurden 16 Mikrogramm je Liter gemessen. Auf diesen Wert kann der Ministeriums-Sprecher also nicht anspielen.

Um was geht es dem Ministeriums-Sprecher aber dann, wenn es laut LANUV keine Grenzwerte gibt? Alles nur Lüge? Oder gibt es etwas, was an den Haaren herbeigezogen werden kann?

Tatsächlich gibt es nach Auskunft von LANUV-Sprecherin Winter noch andere Gift-Werte. Und das sind zum einen Werte, bei denen keine Wirkung an Testtieren festgestellt werden kann. Und zum anderen so genannte Wirkschwellen.

Wird der erste Wert überschritten, heißt das: Es wird beobachtet, dass etliche Tiere im Wasser sofort krank werden. Ob die Tiere später Krebs kriegen, wird hier gar nicht gesagt. Nur eben, ob sie sofort erkranken.

Noch härter ist die Sache mit den so genannte Wirkschwellen. Es gibt zwei davon: EC50 und LC50.

Wird EC50 überschritten heißt das, bei 50 Prozent der Tiere und Pflanzen wird "eine Schädigung oder Verhaltensänderung" festgestellt.

Bei LC 50 schließlich sterben nach Auskunft des LANUV 50 Prozent der „Testorganismen“ unmittelbar. L steht für Lethal, sagt Winter. Der LC50 liege je nach Testorganismus zwischen 2,3 und 17 Milligramm 1,2 Dichlorbenzol je Liter Rheinwasser.

Welchen Wert will der Sprecher des Umweltministeriums überschreiten, bevor er die Öffentlichkeit informiert? Wie hoch ist LC 50 für den Testorganismus Mensch?

Warnen heißt, man informiert, bevor etwas passiert ist.

Neues Logo für RWE – Und die Stille danach

Mit seinem neuen Auftritt hat der Energiekonzern RWE einen mutigen Schritt getan. Ist also quasi "voRWEg" gegangen. Als der Konzernchef Jürgen Großmann das neue Logo am Donnerstag auf der Hauptversammlung präsentierte, war zunächst Sekundenlang Stille. Absolute Stille in der Grugahalle.

Es war leiser, als um vier Uhr morgens nach einem Popkonzert, wenn der Müll schon lange rausgekehrt ist. Erst als Großmann sagte, das sei das offizielle Roll-Out des Logos gewesen, kam es zu Beifall der rund 6000 anwesenden Aktionäre. Und der war höfflich, nicht enthusiastisch. Dann sagte Großmann noch, niemand müsse sich Sorgen machen. Der Slogan werde nicht auf den RWE-Häusern stehen.

RWE selbst lobt seinen neuen Claim. Es heißt:

VoRWEg gehen steht für die Neuausrichtung des Konzerns: RWE denkt und geht voraus – RWE übernimmt Verantwortung – RWE ist innovativ."

Ich frage mich, wie das aussieht, wenn nach einem Unfall oder Unglück, sei es in einem Kraftwerk oder auf einer Baustelle, das Logo vor einem brennenden Kran leuchtet. "voRWEg gehen". Kann schnell ein Querschläger werden, das Logo. Oder ein "irRWEg".

Grenzwerte für die Öffentlichkeit – eine unsinnige Debatte

Auf den Landtagsfluren in Düsseldorf wurde heute viel über die Zukunft des NRW-Umweltministers Eckhard Uhlenberg (CDU) diskutiert. Es ging um den verschwiegenen Rheinalarm und die Gründe für diese Informationspleite. Im Kern brachten die Lobby-Flüsterer folgende Argumentation vor:

Der Rheinalarm habe verschwiegen werden können, weil zwar der Alarmwert überschritten worden sei, aber nicht der im Rhein gültig Grenzwert für 1,2 Dichlorbenzol. Das sagte unter anderem der Pressesprecher des Ministers vor Journalisten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Pressesprecher das bestreitet.

Nun helfen Sachkenntnis und Details weiter.

Fakt ist: Der Rheinalarm wurde am 25. März ausgelöst, weil an der Meßstation nahe der holländischen Grenze 16 Mikrogramm Gift je Liter Rheinwasser gemessen wurden.

Nach den Abkommen der Internationale Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) müssen ab drei Mikrogramm je Liter die Anrainer und die Wasserwerke informiert werden, damit geeignete Schutzmaßnahmen ergriffen werden können.

Wie die Öffentlichkeit unterrichtet werden muss, steht den Staaten frei.

Das Ministerium argumentiert nun, es sei seit Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) geübte Praxis, nicht bei jedem Rheinalarm die Menschen zu unterrichten, sondern nur bei Warnungen, die die Grenzwerte überschreiten. So habe auch Höhn über hunderte Rheinalarme nicht berichtet.

Gut, es ist jedem überlassen diesen Politik-Stil zu beurteilen.

Ich will hier auf folgenden Punkt hinaus: Nach Auskunft des Landesumweltamtes gibt es keinen gesetzlich festgelegten Grenzwert, der diesen Namen trägt für 1,2 Dichlorbenzol.

Es gebe nur einen Zielwert, oder ein so genanntes Qualitätsziel, der oder das durch die Gewässerqualitätsverordnung festgelegt werde. Dieser Wert liegt bei 10 Mikrogramm je Liter Rheinwasser.

In der wissenschaftlichen Debatte wird dieser Zielwert übrigens als Grenzwert definiert.

Wichtig ist aber folgendes: Der Zielwert wurde bei dem verschwiegenen Rheinalarm weit überschritten. Nach der Argumentation des Ministeriums hätte also die Öffentlichkeit unverzüglich unterrichtet werden müssen.

Dann aber, so heißt es aus dem Landesumweltamt, gebe es noch einen "No-Effects-Wert". Dieser Wert bezeichne die Grenze, ab der es Auswirkungen auf die Biologie im Rhein gebe. Wie hoch der sei, konnte das Amt nicht unverzüglich mitteilen. Dieser Wert werde nachgeliefert. Er liege aber über das fünfhundert- bis tausendfache über dem Qualitätsziel. Und dieser Wert sei im aktuellen Fall nicht überschritten worden.

An dieser Stelle spielt das auch keine Rolle. Wenn das Ministerium meint, nur dann müsse die Öffentlichkeit unterrichtet werden, wenn der "No-Effects-Wert" bei einem Chemieunfall überschritten sei, dann ist das zynisch.

Denn wenn der "No-Effects-Wert" überschritten ist, beginnt das Leben im Rhein zu sterben. Dann ist es für eine Warnung zu spät.

Um ehrlich zu sein, kann ich mir auch nicht vorstellen, dass das Ministerium mit der Todesgrenze für etliche Organismen, den "No-Effects-Wert", argumentiert, wenn es um einen verschwiegenen Rheinalarm geht.

Dann aber ist die Aussage, die heute in den Fluren des Landtages kolportiert wurde, unsinnig, die Öffentlichkeit habe nicht informiert werden müssen, weil der Grenzwert nicht überschritten worden sei.

Ich bin gespannt, wie der Minister morgen im Landtag versucht, seine Pannen zu erklären.

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SPD Contra Uhlenberg

 

Die umweltpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion Svenja Schulze geht auf Konfrontationskurs zu NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU). Der verschwiegene Chemie-Alarm sei ein neuer Höhepunkt im Informationschaos des Mannes:

 

"CDU-Umweltminister Uhlenberg rückt immer erst dann mit Informationen raus, wenn der Skandal sich nicht mehr unter der Decke halten lässt. Dies zeigt sich in jeder Phase des PFT-Skandals, bei den Tosu-Werten und jetzt beim Chemie-Alarm im Rhein. Dabei ist es die Pflicht des Umweltministers die Menschen zu informieren. Der Chemie-Alarm ist ein neuer Höhepunkt im Informationschaos der Landesregierung", erklärte Svenja Schulze, umweltpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, heute in Düsseldorf.

Der Minister habe annähernd drei Wochen gebraucht, um dieses Verbrechen bekannt zu machen, kritisierte Schulze. Dabei habe es unzählige Gelegenheiten gegeben, die Öffentlichkeit darüber zu informieren, was im Rhein passiert ist. "Uhlenberg realisiert nicht, dass von dem Giftalarm mehrere Millionen Menschen am Niederrhein betroffen sind. Sie fühlen sich hintergangen, wenn sie nachträglich aus der Presse Beschwichtigungs-Verlautbarungen hören", sagte Schulze.

Uhlenbergs Ministerium informiert – Drei Wochen zu spät

Tonnenweise Gift im Rhein und das NRW-Umweltministerium gibt die Nachricht wochenlang nicht an die Öffentlichkeit weiter. Das ist der Fakt.

Hafen von Uerdingen / flickr.com

Mittlerweile gibt das Umweltministerium nach Auskunft eines Sprechers zu, seit dem 25. März über den Rheinalarm mit Dichlorbenzol Bescheid zu wissen.

Normalerweise ist der Verwaltungsablauf so: Die Warnmeldung geht beim Leiter der Abteilung 4, Wasserwirtschaft, oder seinem Stellvertreter ein. Dieser schreibt einen Vermerk, wie die Lage eingeschätzt wird, und gibt diesen mit dem Rheinalarm an die Hausspitze weiter. Die Hausspitze entscheidet dann, wie vorgegangen wird.

Das bedeutet: Normalerweise sind sowohl Minister Uhlenberg als auch sein Staatssekretär Schink seit dem 25. März über das Dichlorbenzol im Rhein in Kenntnis.

Das bedeutet aber auch, die beiden Häupter der Umweltverwaltung hätten die Möglichkeit gehabt, die Öffentlichkeit zu informieren und hätten dies wissentlich unterlassen.

Das Umweltministerium schreibt dazu: „Da nach Einschätzung der Fachleute nur die Information der möglicherweise Betroffenen erforderlich war und erfolgt ist, ist eine öffentliche Information nicht erfolgt.“

Am 26. März hatte Uhlenberg eine Pressekonferenz am Möhnesee, wo er mal wieder Entwarnung im PFT-Skandal gab – und die Angler aufrief, ihr Blut auf Gift untersuchen zu lassen.

In Sachen Dichlorbenzol stellt sich mir folgende Frage: Warum zählen nicht die Anwohner des Rheins in Duisburg, Oberhausen, Mülheim, Voerde, Dinslaken, Wesel, Borken, Rheinberg, etc…. zu den "möglicherweise Betroffenen"? Warum sind nicht die Angler, Bootsfahrer, Schiffer entlang des Rheins "möglicherweise Betroffene"?

Gibt es einen Zusammenhang mit der Pressekonferenz und der nicht ausgesprochenen Warnung am Rhein?

An der holländischen Grenze lag die Belastung des Rheins auf dem Höhepunkt der Welle bei 16 Mikrogramm je Liter Rheinwasser. Nach dem Alarm haben die holländischen Wasserwerke ihre Arbeit eingestellt, bis die Giftwelle vorbei war.

Alles nicht so schlimm, scheint das Ministerium zu sugerrieren, wenn der Sprecher der dpa sagte: Die Belastung des Wassers habe allerdings „im Mikrogrammbereich“ gelegen. Die Tonnen Gift im Wasser waren in Holland ja schon fast verschwunden.

Ist das der Punkt? ich frage mich, wie hoch war die Konzentration in Duisburg, da wo die uninformierten möglicherweise Betroffenen wohnen? Da also, wo die Tonnen noch Tonnen waren?

Unterdessen teilte das Umweltministerium Einzelheiten zum vermuteten Tathergang mit. Demnach hat das verdächtige Schiff Dichlorbenzol im Chemiepark Leverkusen getankt und ist dann nach Rotterdamm gefahren. Dort wurde die ölige, krebserregende Chemikalie gelöscht. Weiter fuhr der Kahn ohne neue Ladung zurück nach Uerdingen, in den Hafen des dortigen Chemieparks der Bayer-Werke. Nach Vermutung des Ministerium habe hier der Kahn seine Tanks gesäubert und dabei eben Tonnenweise Gift in den Rhein verklappt. Die Polizei ermittelt wegen des Verdachts auf Gewässerverschmutzung. Früher nannte man die Täter wohl: Brunnenvergifter.

Giftalarm am Rhein seit Wochen nicht veröffentlicht

Die Bild-Zeitung berichtet morgen, in den Rhein in der Gegend von Krefeld sind große Mengen Dichlorbenzol gekippt worden. Der Verursacher ist noch unbekannt, die Polizei ermittelt. Es ist die Rede von mehreren Tonnen Gift.

Nach meinen Informationen gab es wegen dieses Giftes im Rhein bereits am 25. März einen so genannten Rheinalarm durch die Bezirksregierung Düsseldorf. Mit einem Rheinalarm soll die Öffentlichkeit über Gefahren im größten Fluss Deutschlands informiert werden. Damit entsprechende Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden können. Damit keiner mehr angelt. Damit die Wasserwerke aufpassen. Am 28. März hat die Bezirksregierung Düsseldorf den Rheinalarm ein zweites Mal bekräftigt. Das Landesumweltamt ist mit den Messungen beschäftigt. Die Niederländer sind gewarnt.

Das Umweltministerium ist spätestens seit dem 25. März über den Rheinalarm informiert. Doch Uhlenberg hat die Bevölkerung nicht in Kenntnis gesetzt über den Giftfall.

Das Ministerium überlegt gerade, was es sagen wird. Eine Anfrage läuft. Auch die Staatskanzlei denkt darüber nach, wie sie auf den neuen Giftfall reagieren wird. Der zuständige Minister wird kaum sprechen können. Er ist in Finnland. Bäume in Wäldern anschauen.

Denk an Dichlorbenzol – Stupid

 

Diesen Stoff 1,2 Dicholbenzol muss man sich jetzt merken. Er wird in Kürze das Schicksal von Umweltminister Eckhard Uhlenberg bestimmen.

 

Hier nur die Stoffbeschreibung – die Einordnung, was da los ist, kommt in wenigen Stunden. Ich kann jetzt nur sagen, es geht um den Rhein und es wird knallen.

Dichlorbenzol ist ein gesundheitsschädigender Stoff. Er kann zu irreversiblen Gesundheitsschäden führen, wenn man ihn einmalig, wiederholt oder länger aufnimmt. Deshalb gilt es Vorsicht walten zu lassen: Der Kontakt mit dem menschlichen Körper, auch Einatmen von Dämpfen ist zu vermeiden. Eine krebserzeugende, erbgutverändernde oder fruchtschädigende Wirkung gilt als sicher.

Besonders kritisch wird es, wenn das Gift in die Umwelt kommt. Etwa in den Fluss Rhein.

Bald dazu mehr.

 

 

 

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Kennen Sie Kibiz? Wenn nicht, das ist Mumpitz!

Kibiz ist das wichtigste Bildungsprogramm der Landesregierung. Dabei geht es um Kindergartenplätze für Unterdreijährige, um Ganztagsbetreuung und andere Projekte, die extrem wichtig sind, um NRW Kinderfreundlicher zu machen – besonders im Ruhrgebiet, wo die Betreuungssituation an vielen Orten katastrophal ist. Im Ansatz also eine sinnvolle Sache, das "Kinderbildungsgesetz". Von August an haben die Eltern die Wahl, wie lange sie ihre Kinder in die Tagesstätte schicken. 25, 35 oder 45 Stunden in der Woche. Auch für Kinder unter 3.

Nur leider ist Kibiz völlig unterfinanziert. Jeder, der Kinder hat, kann das bestätigen. Kindergärten müssen Kleinkinderbetreuung anbieten, haben aber kein Geld für die Bettchen, wo die Kurzen ihren Mittagsschlaf machen könnten. Die Bereuungsstunden werden zusammengekürzt, wo und wie es passt.

Auch Minister Laschet bestätigt jetzt, dass Kibiz teurer wird als geplant. Weil Eltern oft längere Betreuungszeiten gewählt hätten und auch mehr Kinder als erwartet angemeldet hätten, würden in diesem Jahr rund 50 Millionen Euro zusätzlich gebraucht. Auf die Kommunen kämen Zusatzkosten in nochmal der gleichen Höhe zu. Die Gesamtausgaben des Landes für die Kindergärten könnten in diesem Jahr erstmals auf mehr als eine Milliarde Euro steigen.

Britta Altenkamp, die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, sagt deshalb zu recht, dass es an Dreistigkeit nicht zu überbieten sei, wenn der zuständige Minister Armin Laschet das Kibiz als Erfolg feiert, ohne dabei zu erläutern, wie er den Mangel ausgleichen will. Nach Ansicht von Altenkamp könne von einer besseren Umsetzung des Elternwillens überhaupt keine Rede sein, weil mit den Eltern überhaupt noch keine Betreuungsverträge abgeschlossen werden durften.

Wir haben auch Kinder. Und wir erleben gerade genau diese Hänge-Nummer.Wir wissen nicht, wie unser kleiner Junge ab Sommer betreut wird. Es heißt: Wird schon irgendwie. Und wir müssen uns darauf verlassen. Das macht mürbe.

Das Problem ist klar. Das Land und Minister Laschet haben sich total verschätzt. Vor allem für Kinder unter drei Jahren haben sie längere Betreuungszeiten gebucht als vorausgesagt. So hatte Laschet gehofft, dass nur 20 Prozent der Eltern einen Krippenplatz für 45 Stunden wollten. Tatsächlich haben aber 77 Prozent sich für diese Stufe gemeldet.

Auch bei den klassischen Kindergartenplätzen ist der Zeitbedarf höher als angenommen. Das Ministerium war davon ausgegangen, dass für 40 Prozent der Kinder eine Betreuungszeit von 25 Stunden in der Woche ausreicht. Aber nur 10 Prozent der Eltern haben sich für diese Stufe entschieden. Die längste Betreuungszeit von 45 Wochenstunden haben dagegen statt der erwarteten 20 Prozent rund 30 Prozent gewählt. Laschet versicherte nun, das alle Jugendämter das beantragte Geld bekämen. "Unser Versprechen, die Wünsche der Eltern zu berücksichtigen, lösen wir ein." Nur für eine Nachmeldung der Stadt Köln für 1500 Plätze gebe es kein Geld.

Die große Nachfrage der Eltern zeige, dass das neue Kinderbildungsgesetz ein voller Erfolg sei, meinte der Minister. Die Sprachförderung in den Tagesstätten habe wohl auch zum Anstieg der Anmeldezahlen um gut 20 000 auf 540 000 geführt. Auch die Anmeldung von behinderten Kindern für integrative Tagesstätten habe deutlich zugenommen. So kann man sich auch einen Reinfall schön reden.

Nach Ansicht von SPD-Politikerin Altenkamp sind die Aussagen des zuständigen Ministers zum Haushalt 2008 schlicht  falsch. Im Vergleich zu 2005 betrage die Erhöhung nur 29 Millionen Euro, weil in den Haushaltsjahren 2006 und 2007 kräftig gespart worden sei. Altenkamp: "Die Wahrheit über das KiBiz ist, dass der Ausbau an Plätzen auf Kosten der Qualität erfolgt." Die Folge seien fehlende Übergangsregelungen für die Einrichtungen, die ungeklärte Zukunft der Ergänzungskräfte, das Angebot atypischer Betreuungszeiten. "Für die Träger sind das wichtige Fragen, zu denen der Minister heute geschwiegen hat. Gleiches gilt für die unterschiedlichen Kita-Beiträge. Der Minister sagt nichts dazu, weil mit dem Kibiz die Schere zwischen Arm und Reich immer größer wird."

"Kibiz ist eben Mumpitz", urteilt Altenkamp.

 

Das Problem des Umweltministers heißt Uhlenberg

 

Es gibt ein neues Gift in der Ruhr. Es heißt Tosu. Aber anders als beim PFT hat diesmal die Landespolitik reagiert. Ein Meilenstein in der Düsseldorfer Koalition. In einer offenbar kurzen Abstimmung zwischen Staatskanzlei und Bezirksregierung Arnsberg wurde NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg ausgeschaltet. Die Industrie wurde nicht geschont, sondern der Verbraucherschutz in den Vordergrund gestellt. Die Einleitung von Tosu wurde sofort empfindlich eingeschränkt.

 

Aus internen Quellen der Regierung heißt es, bis zum Schluss habe sich Uhlenbergs Staatssekretär Alexander Schink (CDU) gegen diese Entscheidung gewehrt. Man kann es auch anders formulieren. Uhlenberg wurde die Macht an der Ruhr genommen. Entschieden wird ab jetzt in der Bezirksregierung und in der Staatskanzlei. Wenn das kein Rücktrittsgrund ist, weiß ich es auch nicht.

Uhlenberg selbst kann dazu wenig sagen. Er ist in Finnland auf Bildungsfahrt. Bäume im Wald anschauen. Während in seiner Heimat das Haus brennt. Auch eine Art Verantwortung wahrzunehmen.

Tatsächlich macht der Minister beim aktuellen Chemiefall wieder eine denkbar schlechte Figur. Am Mittwoch, den 9. April, gab er im Umweltausschuss des Landtages zu Protokoll, der Stoff "Tetraoxaspiro[5.5]undecan" (Tosu) sei im Trinkwasser entdeckt worden. Das Umweltministerium habe sich "umgehend" an die Trinkwasserkommission des Bundes gewandt und "um eine toxikologische und trinkwasserhygienische Bewertung dieser Verbindung gebeten". Nebenbei. Uhlenberg machte diese Bekanntmachung, als über seine PFT-Schönfärberei im Landtag diskutiert werden sollte.

Nach meinen Recherchen wird der Stoff Tosu seit mindestens 1996 an der Ruhr nachgewiesen. Es ist nur ein einziger Emittent der Chemikalie bekannt: Die Firma Perstorp in Arnsberg. Es ist nach Darlegung von Fachleuten noch unklar, ob Tosu krebserregend ist. Auf jeden Fall gehört er aber nicht ins Wasser. Und Schon gar nicht ins Trinkwasser.

Der Hochsauerlandkreis hatte zuletzt im Jahr 2001 der Firma Perstorp erlaubt, die Chemikalie in das Abwasser zu kippen. Von hier aus fließt das Tosu in das Arnsberger Klärwerk des Ruhrverbandes.

Dort wird der Stoff allerdings nicht aus dem Wasser gefiltert, sondern weiter in den Trinkwasserfluss Ruhr geleitet. Die Wasserwerke an der Ruhr machten bereits 2001 darauf aufmerksam, dass Tosu auf das Trinkwasser durchschlägt.

Kein bisher gebräuchliches Verfahren sei in der Lage, die Chemikalie aus dem Trinkwasser zu entfernen. Aus diesem Grund plädierten die Wasserwerke im Hochsauerlandkreis dafür, die Einleitung von Tosu zu verbieten. Zur Sicherheit. So neu war die Entdeckung von Minister Uhlenberg also nicht.

Am 24. September 2007 trafen sich im Umweltministerium Vertreter der Wasserwirtschaft mit dem Ruhrverband im Beisein des Umwelt-Staatssekretärs Alexander Schink (CDU). Laut internem Gesprächsvermerk beschloss die Runde, die Trinkwasserkommission des Bundes unter anderem um einen Grenzwert für Tosu zu bitten. Wieder auf Drängen der Wasserwerker.

Im Trinkwasser des Betriebes Echthausen wurden Konzentrationen der Chemikalie in Höhe von 4100 Nannogramm je Liter Trinkwasser gemessen. Die entsprechenden Schreiben verfasste das Uhlenberg-Ministerium im Dezember und Januar

Im Namen der Trinkwasserkommission antwortete das Umweltbundesamt auf die Bitte um Grenzwerte. Für Tosu wurde ein maximaler Wert von 300 Nanogramm je Liter empfohlen. Die Antwort ging am 19. März im Umweltministerium ein und wurde direkt an den Staatssekretär Schink weitergeleitet. Das entsprechende Schreiben liegt mir vor.

Im Ministerium blieb die Warnung jedoch zunächst liegen. Erst zwei Wochen später leitete das Umweltministerium die Warnung an die Wasserwerker weiter. Diese informierten am Montag, 7. April, die Umweltbehörden vor Ort. Vom Ministerium selbst sei vorher kein Warnschreiben eingegangen, versichert die zuständige Bezirksregierung. Die Staatskanzlei wurde "aus verschiedenen Quellen" am 10. April in Kenntnis gesetzt. Intern heißt es, die Bezirksregierung habe die Schaltzentrale von NRW informiert. Nicht das Umweltministerium.

Sieht so die "umgehende" Reaktion aus, wie sie Uhlenberg für sich reklamiert? Ein Ministeriumssprecher sagte, man habe die "unteren Wasserbehörden nicht unterrichtet, weil sie keine Vollzugszuständigkeit haben".

Nach meinen Informationen wollten die Behörden vor Ort sofort hart durchgreifen und das Ablassen von Tosu sofort verbieten. Doch aus dem Umweltministerium kam am 10. April eine andere Parole: Unabhängig von den weit überschrittenen Grenzwerten werde erst einmal ein Gutachten in Auftrag gegeben, um zu klären, wie giftig denn nun das Tosu sei.

Dann werde man sich um "Ausnahmegenehmigungen" kümmern, um Rechtssicherheit zu schaffen. Das Ministerium sagt, seine "Vorgehensweise" sei "durch die Trinkwasserkommission des Bundes bestätigt worden".

Am 11. April begannen nach dieser windelweichen Erklärung aus dem Ministerium hektische Telefonverhandlungen. Die Bezirksregierung wollte handeln. Und die Einleitung verbieten. Es heißt, Umweltstaatssekretär Schink habe bis zum Schluss versucht, die Bezirksregieurng davon abzuhalten, was zu tun.

Erst am Abend des 11. April dann die Entscheidung. Der Chef der Bezirksregierung Helmut Diegel (CDU) setzte sich gegen das Ministerium durch. Er sagte: „Wir machen keine Kompromisse beim Trinkwasser.“ Aus der Staatskanzlei gab es Rückendeckung gegen Uhlenbergs Truppe. Die Einleitung von Tosu wurde verboten.

Jetzt will die Firma Perstorp gegen die Entscheidung klagen. Wie dem auch sei. Die Entscheidung für den Gewässerschutz ist richtig. Und es ist richtig, nicht die Last zur Reinhaltung des Trinkwassers allein auf die Wasserwerker abzuschieben. Auch die Ruhr selbst muss geschont werden. Damit aus einem möglichst reinen Rohwasser das bestmögliche Trinkwasser wird.