Betrachtung einer Verwandlung

Kraftwerk Scholven mit Windrad Foto: Mischa Leinkauf/VG Bild-Kunst Lizenz: Copyright


Mischa Leinkaufs Fotoserie im Programmmagazin der Ruhrtriennale 2022

Mischa Leinkauf setzt einen Menschen hinein in die kolossalen Kulissen der Schwerindustrie, die einst Geld und Macht repräsentierten und entdeckt Fotografie um Fotografie Motive, die den Mythos Ruhrgebiet umkreisen. Sein „Avatar“ lässt sich durch Gebäude-Schluchten und Landschaften der Region treiben, wie ein Vogel scheint er sich vom Wind trägen zu lassen und zu landen, wo er gerade will. Immer sitzt des Fotografen Stellvertreter weit oben, dort, wo gewöhnlich Sterbliche nicht hingelangen, und wendet uns den Rücken zu. Wir sehen ihm beim Schauen zu und teilen seine Aussicht.

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Karin Kneffel im Max-Ernst-Museum Brühl: Doppelbödig

Karin Kneffel: Ohne Titel


In Zeiten, da „Fake“ eine Museumsausstellung wert ist, schlingern wir wie Bojen in der bewegten See widersprüchlicher „Wahrheiten“ und können „Im Augenblick“, dem Motto von Karin Kneffels aktueller Ausstellung im Max-Ernst-Museum Brühl folgend, unseren Augen nicht mehr trauen.

Der Künstlerin „Augenblick“ scheint an zeitentrückten Orten zwischen Traum und Imagination zu spielen, denn keines der 80 versammelten großen Ölgemälde und kleineren Aquarellformate ist aus den vergangenen drei Jahren, die 18 Schaffensjahre davor, geronnen zur Dauer eines Fingerschnippens.

Unversehens sehen wir uns nicht nur in einem charakteristischen gesellschaftlichen Konflikt unserer Gegenwart sondern mitten drin im Gründungsmythos mimetischer Malerei, demnach Zeuxis und Parrhasios sich stritten, wer die Dinge der Welt täuschender abbilden könne, hat die Künstlerin doch in einem früheren Gemälde jene berühmten Trauben so täuschend echt gemalt, dass selbst Vögel danach picken würden – doch dem steht ihre Riesenhaftigkeit entgegen, die sie als Objekte einer imaginierten Welt ausweisen, in der Geschichte und Gegenwart sich überlagern, Innen- und Außenwelt changieren.

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Öffentliche Erleuchtungen: Mischa Kuballs Werkschau im Museum Morsbroich

Mischa Kuball: Les Fleurs Du Mal Lizenz: Copyright

Schön, wenn einem ein Licht aufgeht! Es mag sich an  Ideen entzünden wie Mischa Kuball sie im Laufe seines 30jährigen Künstlerlebens in den öffentlichen Raum geworfen hat, als Störung im bürgerlichen Alltagstrott, Provokation oder Aufforderung zur Teilhabe. Als einziger Hochschullehrer für Kunst im öffentlichen Raum springt er überraschend wie ein Partisan aus

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„Die Liste der „Gottbegnadeten“ : Vergiftet für immer

Erwachender (1935), Ehrenmal in Lüdenscheid Foto: Silvercork Lizenz: CC BY-SA 3.0

Werden Kunstobjekte im öffentlichen Raum als Straßenmöbel übersehen, oder wie kommt es, dass 76 Jahre nach dem Ende des Tausendjährigen Reichs in Deutschland und Österreich immer noch Objekte aus der Hitler-Diktatur im öffentlichen Raum herumstehen oder Theaterfoyers und Ämter „schmücken“, dass Künstler unbehelligt sowohl nationalsozialistischer Propaganda sich andienen als auch nach Kriegsende sich in Trauerarbeiter verwandeln und so die Opfer verhöhnen konnten? Die Mühlen der Geschichte mahlen langsam.

Deutschland zu entnazifizieren, hatten 1945 die Siegermächte im Potsdamer Abkommen sich vorgenommen, 596 Objekte wurden als Propaganda identifiziert und von amerikanischen Soldaten in die USA geschafft, wo sie bis heute,  weitgehend abgeschottet von der Öffentlichkeit, lagern. Nach wie vor befürchten amerikanische Kunsthistoriker,  diese Werke könnten Neonazis anstacheln oder sich unter Rechtsradikalen zu Ikonen verwandeln,  während in der hiesigen Museumspraxis mittlerweile NS-Kunst, sachgemäß kommentiert,  in größeren thematischen Zusammenhängen gezeigt wird.

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Omoshirogara: Sonderbare Ermunterungen


Die hauchdünne Seide des über ein Bambusrohr geworfenen  Kimonos scheint in einem Walzertakt zu wehen, der von fern erklingt, anziehend schön. Beim Herantreten an das Objekt stutze ich: Flaggen prangen dort, wo auf dem kostbaren Stoff Blüten, Kraniche oder Fächer zu erwarten sind, wie sich herausstellt  Nationalflaggen von Italien, Japan und NS-Deutschland, die 1940 den Dreimächtepakt schlossen. Blitzartig sehe ich mich In meiner Neugier und Bewunderung in der Tradition jener, die um die Zeit des Fin de siècle fremde Kulturen

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Kinogeschichte NRW: Wo jetzt Pixels herrschen


„Kino“ ist seit gut hundert Jahren ein Zauberwort für viele und die meisten haben eine Liebesgeschichte mit irgendeinem Vorstadtkino. Auch in der soeben erschienenen Kinogeschichte NRW der Film- und Medienstiftung NRW bezaubern die Erinnerungen von Regisseurinnen und Regisseuren, Filmvorführern und Kino-Betreibern. Ihre Erzählungen gleichen das Übergewicht an Fakten und Zahlen aus, die sich wohl zwangsläufig auftürmen, wenn es gilt, die Geschichte eines weltumspannenden populären Mediums auf eine einzige Region herunterzubrechen. Einerseits  braucht eine Edition wie die vorliegende zur Einordnung allgemeine Texte über hinlänglich bekannte Entwicklungen des Kinos von der Schaubude zum Lichtspieltheater, andererseits dürften regionale und lokale (auf Spielorte im Bundesland

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Schaubude dreier Avantgardistinnen

Bählamms Fest Foto: Volker Beushausen/Ruhrtriennale Lizenz: Copyright

Hören und Sehen vergeht einem an diesem Abend in der Jahrhunderthalle Bochum, wo im Rahmen der Ruhrtriennale Olga Neuwirths Animation Opera „Bählamms Fest“ aufgeführt wird. Sie basiert auf dem Stück „The Feast oft he Lamb“ von Leonora Carrington aus dem Jahr 1940,  in dem die Muse der Surrealisten auf der Flucht aus dem von NS-Truppen eingenommenen

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Ruhrtriennale: Der Horror im dritten Jahrtausend

Der Untergang des Hauses Usher Foto: Matthias Hor/Ruhrtriennale21 Lizenz: Copyright

Barbara Frey hat sich in ihrer ersten Inszenierung als Intendantin der Ruhrtriennale 21-23 mit Edgar Allan Poe programmatisch in die Gedankenwelt eines amerikanischen Schriftstellers vertieft, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die überschießenden Phänomene der Frühindustrialisierung und die daraus folgende Zersplitterung der altvertrauten Welt erlebte und die wuchernde Verunsicherung der Menschen sowie den Einbruch des Irrationalen in seinen Texten verarbeitete.

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50. Moers Festival: Was gährt?

New Jazz Festival Moers 1978 Foto: Nomo Lizenz: CC BY-SA 3.0

Eine  Baustelle!  Gibt es ein sinnfälligeres Symbol für ein Festival der improvisierenden Musik, als es dieser Tage dem Moers Festival zugemutet wird zu dessen 50. Geburtstag? Die Halle wird renoviert, weil keiner mit der Austragung des Jubiläumsfestivals gerechnet hatte? Im weitesten Sinn scheinen die Bau-Zäune, rotweiß im Wind flatternden Absperrbänder, Kreidekreise  und

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Moers Festival: Erste Umarmung mit Publikum

Nils Petter Molvær, Moers2011 Foto: Passagero CC BY-SA 3.0

Innerer Aufruhr wird im klassischen Drama nicht selten in einem Unwetter gespiegelt,
und so mag auch das Sturmtief ausdrücken, was in den Veranstaltern und Liebhabern
des Moers Festivals dieser Tage brodelt. Zum 50. Geburtstag des Pfingstereignisses
haben Festivalleiter Tim Isfort und sein Team es auf dem letzten Drücker geschafft, dass
erstmals nach monatelangem Ausnahmezustand in NRW wieder Konzerte vor Publikum

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