Singen oder singen lassen

Im Normalfall singe ich manchmal bei Kindergeburtstagen und das meist recht leise. Ansonsten erhebe ich meine Stimme alle 14 Tage für „Blau und weiß, wie lieb ich dich“ und die erste Strophe des Steigerlieds im Stadion. Demnach bin ich der ideale Kandidat für den „Day of Song“. Nachdem meine Frau begeistert von der gelungen Eröffnungsveranstaltung im Musiktheater im Revier zurückkehrte, haben wir uns am Samstag kurzfristig zum Gang in die Arena auf Schalke entschlossen, wo das musikalische Finale auf dem Plan stand.

Das weite Rund war mit 56 000 mehr oder weniger Gleichgesinnten gut gefüllt, aber viele Plätze blieben dennoch leer. Eine Stunde vor Beginn begann das Einsingen mit Anleitung und das machte den Besuchern schon hörbar Spaß. Das Programm begann mit „Gück Auf“ und „Let it be“ auch ganz mitsingfreundlich. Ich ließ mich von der guten Stimmung anstecken und folgte mit gemäßigter Lautstärke den Textzeilen im SING-Songbook. Die erste Freude hielt allerdings nicht lange an, denn der Schwierigkeitsgrad stieg beständig an. Zwar wollte ich immer schon den Gefangenchor von Nabucco singen und auch Habanera aus Carmen steht bereits lange auf meiner Liste, aber das überstieg meine zugebenermaßen recht bescheidenen Fähigkeiten recht deutlich. Allerdings traf das auf die meisten anderen willigen Sänger im Block 11 ebenfalls zu, denn es wurde recht still um mich herum. Die Opernsängerin Vesselina Kasarova füllte das Vakuum dann gewohnt stimmgewaltig aus.

So wurde das Programm immer mehr von den Profis bestimmt und kaum von den Amateuren. Schließlich konnten nur noch die trainierten Chöre im Innenraum halbwegs mithalten. Am Ende war es dann mehr eine professionelle Leistungsshow und weniger ein Mitmach-Event. Mit den Wise Guys und dem ChorWerk Ruhr kamen allerdings noch zwei unerwartete Highlights. Bereits im Vorfeld gab es in Gelsenkirchen Ärger mit einigen Chören, die am geplanten Programm nicht mehr teilnehmen wollten. Die Lokalredaktion der WAZ berichtete zwar darüber, aber man verzichtete auf weitere Recherche und die Gründe blieben unklar. Die Begeisterung der Zuschauer war dennoch bis zum Ende ungebrochen, aber die Moderatoren konnten sich nicht mal zu einer Zugabe aufraffen.
Die gab es dann wenigstens auf dem Heimweg in der Straßenbahnlinie 302 mit allen vier Strophen des Steigerlieds. Immerhin weiß ich jetzt wie es ausgeht: „Wir Bergleute sein kreuzbrave Leut. Denn wir tragen das Leder vor dem Arsch bei der Nacht. Und saufen Schnaps.“ Mehr ist nicht zu sagen und ich finde, wir sollten jetzt auch im Stadion alle vier Strophen singen.

Glück auf!

Mohnstrietzel und Mutantentaschen

Mitten in der Neustadt im Gelsenkirchener Süden liegt die Backstube von Ägidius Krause – hier wird seit über 100 Jahren nicht nur Brot gebacken. Berühmtheit über die Stadtgrenzen hinaus haben die Apfeltaschen des 66jährigen erlangt, die von den zufriedenen Kunden auch schon mal als „Mutantentaschen“ oder „Apfelkoffer“ bezeichnet werden. Die Teilchen sind nicht nur besonders groß, sondern sie schmecken auch besonders gut.

Wer das Ladenlokal an der Ecke Wiehagen/Mühlenbruchstraße betritt, fühlt sich in einen Tante-Emma-Laden der 50er Jahre zurückversetzt. Die Ladeneinrichtung entstammt nämlich dieser Zeit. An der Wand hängen die Meisterbriefe der Mitglieder des Familienbetriebs, der älteste stammt aus dem 19. Jahrhundert. Bereits am frühen Morgen ist hier schon viel los: Jugendliche einer nahegelegenen Ausbildungseinrichtung holen sich ihr Frühstück, ältere Stammkunden warten auf das frisch gebackene Brot, und Pendler kaufen Teilchen für die Pause, um im Büro mit den Riesen-Apfeltaschen für Aufsehen zu sorgen.

Das eigentliche Geheimnis findet sich allerdings in den hinteren Räumen des Hauses. Hier steht der Steinofen der Firma Mohr von 1938, der heute noch im Einsatz ist. „90 Brote werden hier in der Woche gemacht – vor ein paar Jahren waren es noch 270“, sagt der 66jährige. „Morgens beginnen wir mit 12 Sorten Hefegebäck, dann kommen Weizenmischbrot, Stuten, Schweineohren und am Ende das Feingebäck.“ Seit etwa 1 Uhr nachts steht Ägidius Krause in der Backstube, und erst gegen 9 Uhr morgens ist Feierabend. Nach einem kleinen Schläfchen geht die Arbeit am Nachmittag dann im Verkaufsraum weiter. Viele Jahre lang hat der Bäcker alleine gearbeitet, seit einiger Zeit hat er Mitarbeiter für die Backstube und den Verkauf.

Die Bäckerei Krause gibt es seit 1897 in der Neustadt, sie wurde damals vom Großvater des heutigen Inhabers gegründet. Ganz am Anfang stand hier noch ein sogenannter Königswinterofen, der direkt mit Kohle beheizt wurde. Inzwischen sorgt eine Öl-Anlage für die entsprechende Energie. „Ich kann nur hoffen, dass der Ofen noch eine Zeitlang durchhält und nichts kaputt geht“, wünscht sich Ägidius Krause. „Wahrscheinlich gibt es heute keine Ofenbauer mehr, die so etwas reparieren können.“

Eine lange Zukunft hat die Bäckerei in der Neustadt wohl nicht, denn die beiden Söhne haben kein Interesse daran, die Tradition fortzusetzen. „Ich habe dann mit meiner Frau beschlossen, weiterzumachen, bis wir aufhören und auf Modernisierungen zu verzichten“, erklärt Ägidius Krause. So hat sich der Charme des Ladenlokals bis heute erhalten – und die handgemachte Qualität hat sich herumgesprochen. Seine Kunden stammen nicht nur aus der Neustadt und nicht nur aus Gelsenkirchen. Und wenn am Ende des Tages etwas übrig bleibt, dann bekommt die Gelsenkirchener Tafel die Backwaren. In der Neuzeit ist die Bäckerei inzwischen dennoch angekommen: Auf der Internetseite der Gelsenkirchener Geschichten diskutieren die Forumsteilnehmer angeregt über die geschmacklichen Vorzüge von Mohnstrietzel und Streuselplätzchen mit Puddingfüllung.

Fotos von Andreas Weiss

Bauausstellung 2.0 und der Wahlkampf

Blühende Landschaften an der Emscher versprach Ministerpräsident Jürgen Rüttgers Mitte April dem Wahlvolk. Das sollte zwar nicht sofort geschehen, aber mit einer Neuauflage der Internationalen Bauausstellung will der Landesvater neue Maßstäbe setzen. „Wir wollen ein grünes Band von Dortmund bis Duisburg schaffen, das weit über die reine Renaturierung der Emscher hinausgeht“, erklärte er vor geladenem Publikum beim Politischen Forum in Essen.

IBA II soll das Projekt heißen, aber weitere Erläuterungen blieb Rüttgers bislang schuldig. Etwas mehr Aufklärung verspricht ein Positionspapier aus der Staatskanzlei in Düsseldorf. Da wird das Emschertal bis 2020 zum Herzstück der Metropole Ruhr aufgewertet und die Botschaft spart nicht mit starken Worten: „Es verbindet Arbeiten, Wohnen, Freizeit, Kunst und Umweltschutz zu einem europaweit einzigartigen Modellprojekt für mehr Lebensqualität, mehr Kreativität und sozialen Zusammenhalt in der umweltfreundlichen Industrieregion der Zukunft“. Natürlich fehlt nicht der allgegenwärtige Hinweis auf Neuauflage „eines Programms für Kreativquartiere, die im neuen Emschertal konzentriert werden“. Das kreative Element ist mittlerweile eine politische Allzweckwaffe, wenn man sich besonders modern und innovativ geben will. Die Realität der Kreativen an der Ruhr sieht leider anders aus und die Arbeitsbedingungen sind weiterhin schwierig. Dazu tragen die öffentlichen und kommunalen Institutionen bei, die Aufträge lieber an vermeintlich hippe Agenturen aus Düsseldorf oder Köln vergeben.

Es steht nicht die Umnutzung alter Industriegebäude auf der Agenda der Landesregierung, sondern die Entwicklung einer „Zukunftswerkstatt“. So sollen „innovative und zukunftsfähige“ Konzepte des Städtebaus entstehen. Dazu will Jürgen Rüttgers „die besten internationalen Architekten, Städteplaner und Denker wie Richard Senett, Saskia Sassen, John Howkins, Charles Landry, Richard Florida, Martin Heller, aber auch Künstler wie Ai Wei Wei oder Olafur Eliasson“ an die Emscher einladen. Man möchte sich die IBA II etwa 200 Millionen Euro kosten lassen. Woher das Geld kommen soll, ist dabei genauso unklar, wie die mögliche Beteiligung der klammen Kommunen an der Emscher. Das Projekt soll nicht zu Lasten der bereits geplanten Investitionen von rund 2,8 Milliarden Euro im Bereich des Emscherumbaus oder der Stadtentwicklung gehen. Allerdings ist die CDU seit Regierungsantritt bemüht das Förderprogramm „Soziale Stadt“ einzuschränken, womit in vielen Stadtteilen im Ruhrgebiet seit Jahren erfolgreich Stadtentwicklung betrieben wird.

Die rot-grüne Opposition im Landtag hat die wenigen Informationen zur IBA II bisher vor allem aus der WAZ erhalten und das überrascht nicht wirklich. Allerdings sind die Christdemokraten im Lande auch nicht besser dran. „Die CDU-Fraktion im Düsseldorfer Landtag unterstützt grundsätzlich die Vorschläge, die ihr Landesvorsitzender und NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers macht“, erklärt Achim Hermes, Pressesprecher der Landtagsfraktion. „Der Vorschlag zur Internationalen Bauausstellung ist in der Fraktion noch nicht vorgestellt und erörtert worden“. Das will man nach der Wahl nachholen, wobei die politischen Konstellationen dann ganz andere sein dürften.

Es gibt eine Reihe von Fragen zu diskutieren und die Finanzen sind es nicht alleine. Zur Umsetzung einer „neuen IBA“ wird über die mögliche Gründung einer neuen Landesgesellschaft spekuliert. Die dürfte neben den bereits etablierten Institutionen wie der Emschergenossenschaft oder dem RVR ihre Geschäfte vorantreiben. Das würde bei den bereits chaotischen Strukturen im Ruhrgebiet keinen Sinn machen und den administrativen Überbau weiter aufblähen. Stefan Laurin hat in seinem Beitrag über den Ruhrplan des Büros Albert Speer die Vorschläge von Jürgen Rüttgers als heiße Luft bezeichnet und damit dürfte er sehr nah an der Wahrheit liegen. Die IBA II ist nicht mehr als ein glückloser Versuch im Wahlkampf ein paar Punkte zu machen.

Die WAZ-Gruppe setzt auf „Bürgerreporter“

Mit ihren Anzeigenblätter will die WAZ Mediengruppe die Bürger als Reporter für ihre eigenes Online-Angebot gewinnen. Zum Startschuss von Lokalkompass.de sind die Städte Wesel, Xanten, Menden und Fröndenberg dabei. Hinter dem Angebot steckt die Westdeutsche Verlags- und Werbegesellschaft (WVW) mit ihren 61 Titeln.

„Mit Lokalkompass.de festigen unsere Anzeigenblätter ihre Marktposition als Medium mit lokaler und sublokaler Ausrichtung und erschließen zusätzlich neue Leser- und Umsatzpotentiale“, sagt WVW-Geschäftsführer Haldun Tuncay. „Die lokale Online-Community ist ein ideales Modell, unsere Kundenbeziehungen auszubauen und noch näher bei unseren Leserinnen und Lesern zu sein.“ In Wesel berichten die Reporter über die Jahrestagung der DLRG, die neue Fassade des Rathauses und stellen die Landtagskandidaten vor. In Fröndenberg haben sich bisher erst 24 Bürger als Reporter eingetragen und in Xanten sind es immerhin schon 89. Die Redakteure der etablierten Anzeigenblatttitel sollen als Moderatoren die lokalen Communities betreuen und Tipps zum Schreiben von Beiträgen liefern. Mit dem Angebot möchte man neue Leser gewinnen und sich jüngere Zielgruppen erschließen. Ein gewünschter Nebeneffekt ist die Nutzung kostengünstiger Inhalte. Die meistgelesene Themen und besondere Beiträge werden in der Printausgabe der jeweiligen Region abgedruckt. Die journalistische Qualität steht bei den Anzeigenblättern ohnehin nicht im Vordergrund, da es hier um Marktabdeckung und Werbekunden geht.

Die WVW und die Ostruhr-Anzeigenblattgesellschaft (ORA) sind Marktführer in Deutschland und Europa. Nach eigenen Angaben erreichen sie alleine in Nordrhein-Westfalen, mit einer wöchentliche Auflage von über 5 Millionen Exemplaren, „nahezu jeden Haushalt in ihrem Verbreitungsgebiet“. Die WVW gehört seit 1977 zur WAZ Mediengruppe. An der Schwester-Gesellschaft ORA halten sowohl die WAZ wie der Verlag Lensing-Wolff jeweils 50 Prozent. Entstanden ist die Plattform Lokalkompass.de in Zusammenarbeit mit WAZ New Media und der Firma Gogol Medien als technische Dienstleister. Die vier Städte sind nur der Anfang und bis zum Jahresende sollen die übrigen Tittel der WVW folgen.

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Kinderbetreuung in NRW und Dalli-Dalli mit Politikern

Seit 2006 setzen alle im Landtag vertretenen Parteien in NRW auf die Offene Ganztagsgrundschule, also die Versorgung und Betreuung der Kinder nach der Schule. Ein Erfolgsmodell ist die Geschichte bisher allerdings nicht geworden. Es wurde bei der Ausstattung gespart, die Erzieher beklagen schlechte Arbeitsbedingungen und die Eltern vermissen die Qualität der Angebote. In Gelsenkirchen fand zu diesem Thema ein Veranstaltung mit Politikern statt. Eingeladen hatten mit Arbeiterwohlfahrt, Caritas und evangelischer Kirche die lokalen Träger der Ganztagsbetreuung. In der Stadt besuchen derzeit 2300 Kinder den offenen Ganztag in den Grundschulen.

Der Saal war gut gefüllt und etwa vierhundert Eltern, Erzieher und Lehrer hatten den Weg zu der Diskussionsveranstaltung gefunden. Nach ein paar Minuten wähnten sich viele Besucher in der falschen Veranstaltung. Ein gut gelaunter Moderator des örtlichen Radiosenders Emscher Lippe erklärte die Regeln für ein Spiel, wo die Zuschauer rote und grüne Karten hochhalten durften. Die übergroßen Buchstaben hinter dem Podium waren nicht die Überreste des Bingos der Frauenhilfe, sondern Teil eines vorher festgelegten Frage- und Antwortspiels. Die Antworten sollten von den anwesenden Landtagsabgeordneten Heike Gebhart (SPD) und Oliver Wittke (CDU) kommen. Dazu kamen mit Christoph Klug (FDP) und Paul Humann (Bündnis 90/Die Grünen) noch zwei Lokalpolitiker. Die wichtigen Männer und die eine Frau durften Buchstaben wählen und dann die vorbereiteten Fragen beantworten. Das Publikum sollte seine Meinung mit der grünen oder roten Karte kundtun. Die Volksvertreter bekamen bei entsprechender Zustimmung kleine Schultüten, die der freundliche Moderator vor sich liegen hatte. Erst am Ende der auf zwei Stunden angelegten Veranstaltung sollten die Anwesenden „auch ein paar Fragen stellen dürfen“. Allerdings führte die „fernsehgerechte“ Präsentation nicht nur beim Autor dieser Zeilen zu Verwunderung und lautstarker Ablehnung. Nach der ersten Quizrunde ließ sich die Choreographie der Veranstaltung nicht länger durchhalten, da die Fragen der Eltern und Erzieher immer drängender wurden.

Das Land NRW verfügte bis vor fünf Jahren mit den Horten eine qualitativ hochwertige Betreuungsmöglichkeit für Kinder im Nachmittagsbereich. Die Einrichtungen hatten ausreichend Fachpersonal, eine eigene Küche, viele Gruppenräume, Freiflächen und flexible Betreuungszeiten. Das hat 2005 auch der christdemokratische Minister Armin Laschet erkannt: „Horte leisten eine wichtige Arbeit in der Bildung, Erziehung und Betreuung der Grundschulkinder. Derzeit kann die Offene Ganztagsgrundschule diese Leistung noch nicht voll ersetzen.“ Man wollte sich in der CDU an dieser Qualität orientieren. Versprochen hat man eine neue Lernkultur, naturwissenschaftliche Erziehung, musische Bildung und hochwertige Angebote. Davon ist man derzeit allerdings weiter entfernt als noch vor fünf Jahren. Selbst so einfache Dinge wie die Hilfe und Betreuung der Hausaufgaben funktionieren wegen Personalmangel nur ungenügend. In den meisten Ganztagsschulen gelingt es nicht mal eine Betreuung bis 17 Uhr zu organisieren, was für berufstätige Eltern durchaus Sinn macht. Die Liste der Probleme ist lang und hier ist natürlich auch mehr Geld notwendig.

Das Land gibt pro Schuljahr für jedes Kind 615 Euro aus und die Kommun müssen einen Eigenanteil von 410 drauflegen. Beim regelmäßigen Besuch des Angebots ergibt das für jedes Kind einen Stundensatz von 1 Euro und das sagt schon sehr viel. Trotz aller Kritik waren die gelb-schwarzen Koalitionäre mit ihrer Politik ganz zufrieden. „Wir haben sehr viele Betreuungsplätze im Land geschaffen und die Nachfrage ist weiterhin groß“, sagte Oliver Wittke. „Natürlich müssen wir noch mehr machen und auch die Qualität verbessern.“ Wie viel Geld die Landesregierung in Zukunft pro Kind ausgeben will, ließ er allerdings genauso offen wie die Frage, wann mit den Qualitätssteigerungen zu rechnen ist. Es wurde auch klar, dass die Landesregierung nicht bereit ist, hier für wirkliche Chancengleichheit zu sorgen. Der Eigenanteil der Städte kann nämlich aufgestockt werden und das vermeintlich „arme“ Gelsenkirchen zahlt schon über 1000 Euro pro Kind. Besser gestellte Kommunen wie Mettmann sind sogar in der Lage 2000 Euro und mehr zu zahlen.

Die Politiker bewegten sich in der Veranstaltung immer mehr in Richtung Wahlkampf und der überforderte Moderator hatte so seine Schwierigkeiten zum Thema des Abends zu finden. Die Mitarbeiter der Ganztagsbetreuung hatten im Vorfeld viele Eltern angesprochen und eingeladen, damit „bei der Politik viele Steine ins Rollen kommen und der Ganztag keine Sparversion bleibt“. Die Hoffnung ist enttäuscht worden und den Veranstaltern sei gesagt, dass eine klassische Diskussionsveranstaltung vielleicht nicht dem Zeitgeist entspricht, aber mit Sicherheit für mehr inhaltliche Auseinandersetzung gesorgt hätte.

Das Musiktheater baut am virtuellen Opernhaus

Das Musiktheater im Revier sucht seinen Weg in die digitale Welt und es sucht auch den Weg zu jungen Zuschauern. Mit dem Experiment „Internetoper“ soll ein Anfang gemacht werden. Damit will man die Dynamik und die Kreativität des Netzes mit der Faszination Oper verbinden. Am Ende könnten dann neue Erzählformen, Interpretationsmöglichkeiten und Bildästhetiken stehen. In der Welt der Theater ist man damit ganz weit vorne, denn so etwas gab es bisher nicht. „Das geht weit über das hinaus was man von einem Opernhaus eigentlich erwartet. Über eine virtuelle Community wird hier ein völlig neues Angebot gemacht“, sagt der Intendant Michael Schulz. „Der Freundeskreis auf Facebook ist bereits groß und wir hoffen auf eine eigene Dynamik im Netz“.

Jeder Mensch ist ein Künstler hieß es schon bei Joseph Beuys. „Bei der Internetoper seid Ihr die Regisseure, Darsteller, Bühnenbildner, Filmkünstler“, heißt es auf www.internetoper.de. Erzählt wird die „Affäre Manon“, die Liebesgeschichte zwischen der jungen, luxusliebenden Manon Lescaut und dem armen Studenten Armand. Die tragische Liebesgeschichte wird aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt: Giacomo Puccinis Oper „Manon Lescaut“ aus dem Jahr 1893 und Hans Werner Henzes Drama „Boulevard Solitude“ von 1952 bilden die Grundlage. Mit Hilfe der Romanvorlage von Abbé Prévost wurden die Opern zu einer fortlaufenden Geschichte verknüpft und in 50 kurze Episoden aufgeteilt. „Wir wollten keinen Film mach, was es zum Beispiel ja schon an anderen Häusern gibt“, sagt die Chefdramaturgin Anna Melcher. „Nicht meckern, sondern machen. Man kann selber mit einfachen Mitteln etwas in Bilder fassen. Es ist ein wirkliches Experiment und es funktioniert nur, wenn viele Menschen mitmachen“.

Es lassen sich einzelne Episoden auswählen und die Idee soll dann in einem selbstgedrehten Video verwirklicht werden. Das wird dann hochgeladen und so zu einem Bestandteil der Internetoper. Sänger des Musiktheaters im Revier und die Neue Philharmonie Westfalen haben die Musik dazu aufgenommen. Die musikalische Untermalung kann aus einer so genannten „ToolBox“ geladen werden. Es gibt zu jeder Episode eine genaue Anleitung zum Mitmachen und eine kurze Beschreibung der Handlung. Der Intendant kann sich gut vorstellen, dass die Folgen mit einem Handy aufgenommen werden: „Es ist auch ausdrücklich erwünscht mit der Musik zu arbeiten und sie neu zusammenzusetzen“. Damit technisch alles einwandfrei läuft, hat man sich die Hilfe der Hochschule für angewandte Wissenschaft aus Hamburg gesichert. Die Studenten haben einen Trailer gedreht und auf die Internetseite des Projekts gestellt.

Die zerstückelte Internetoper wird bei so manchem Opernfreund zumindest für Stirnrunzeln sorgen. Bei dieser Kundschaft steht Tradition, Festhalten am Original und das Liveerlebnis besonders hoch im Kurs. Mit der Internetoper sollen Menschen angesprochen werden, die den Weg in die klassischen Kulturtempel bisher nicht gefunden haben. Sollte die Affäre Manon im Netz ein Erfolg werden, dann könnten solche Projekte in Gelsenkirchen zum festen Bestandteil des Spielplans werden. Viel spannender wäre natürlich, wenn die Community Einfluss auf das Geschehen auf der realen Bühne und die Programmgestaltung hätte. Erst dann könnte man wohl von einem virtuellen Opernhaus sprechen.

www.internetoper.de

Munscheid war ein Familienbetrieb

Wenn Otto Bartsch an der großen Treppe im Arbeitsgericht an der Bochumer Straße in Gelsenkirchen steht, dann denkt er an sein altes Büro im ersten Stock. Da, wo heute über Streitigkeiten aus dem Berufsalltag entschieden wird, war vor vielen Jahren die Verwaltung des Gussstahlwerkes untergebracht.

„Nach dem Kriege bin ich in der Exportabteilung gelandet. Ich habe schon in der Handelsschule Englisch gelernt und habe dann bei den Amerikanern in der Verwaltung gearbeitet“, erinnert sich der 86jährige. „Dann war ich Auslandskorrespondent im Werk – und daraus ist dann später der Fremdsprachenkorrespondent geworden.“ 42 Jahre hat Otto Bartsch hier gearbeitet. Der Weg zum Industriekaufmann war für ihn nur über Umwege möglich. Nachdem er 1940 sein Lehre anfing, musste er zwei Jahre zum Kriegsdienst und kam erst 1947 aus der Gefangenschaft zurück. Seine Ausbildung konnte er erst ein Jahr später als 25jähriger beenden. Sein Arbeitgeber, das Gussstahlwerk Gelsenkirchen, auch Gelsenguss oder Munscheidwerk genannt, ist genau unter diesen Bezeichnungen noch heute in den Köpfen vieler Ückendorfer bekannt.

Das Werk gehörte über viele Jahre zu den größten Arbeitgebern, nicht nur im Stadtteil, sondern auch in Gelsenkirchen. Im Laufe der Jahrzehnte haben die Eigentümer mehrfach gewechselt und damit auch die Bezeichnungen für Gelsenguss. „Die einen arbeiteten bei Grillo und bei Krupp, wir haben eben bei Munscheid gearbeitet“, erzählt Otto Bartsch. „In den Hochzeiten waren über 2.000 Menschen hier an der Bochumer Straße beschäftigt“. Für die Menschen in Ückendorf war das Werk immer von großer Bedeutung. „Die meisten, die hier gearbeitet haben, kamen aus der unmittelbaren Umgebung und sind zu Fuß zur Arbeit gekommen“, sagt Otto Bartsch. „Wir hatten eine Kantine, und als die abgeschafft wurde, gab es gegenüber eine Gaststätte.“ Dort gingen viele Arbeiter nach der Schicht auch hin, um sich die Kehle anzufeuchten und „einen Deckel zu machen“. Das Werk an der Bochumer Straße bestimmte den Alltag im Stadtteil. Für die Mitarbeiter errichtete das Werk in Ückendorf viele Wohnungen, die von der Rheinelbe Wohnstätten verwaltet wurden.

Der heute nur noch in Resten für Alteingesessene erkennbare Bahnübergang der Rheinelbe-Bahn, die am Cramerweg die Bochumer Straße überquerte, führte oft zu einem Stau von Menschen und Fahrzeugen an dieser handbedienten Schranke. Anfangs waren es die Kohlenwagen der Zeche und Kokerei Rheinelbe, später die tiefliegenden Spezialwagen des Munscheidwerkes mit den wuchtigen Lasten stählerner Ungetüme, die von hier aus ihren weiteren Weg antraten. Unter schützenden Planen verließen Zahnräder, Polräder, Retorten, Walzenständer von ungewöhnlichen, mehrfach mannshohen Ausmaßen das Werk. Drei Siemens-Martin-Öfen und umfangreiche mechanische Werkstätten bildeten mit den Stahlgießereibetrieben das Munscheidwerk. Die Stahlgießerei, produzierte in der Regel keine großen Serien. Es wurde nach Kundenwünschen gearbeitet, und der wichtigste Kunde war eine dänische Maschinenbaufirma. Der geschmolzene Stahl kam in Pfannen und wurde dann in die Formerei gefahren. Dort wurde nach Holzmodellen eine Form erstellt, in die der Stahl hineinfloss. Es wurden Zahnräder mit einem Durchmesser von bis zu neun Metern produziert. Geliefert wurde in die ganze Welt von Valparaiso in Chile bis nach Kobe in Japan. Im Jahr 1984 war dann Schluss, und das Werk wurde geschlossen. „Das Gussstahlwerk war sozusagen ein Familienunternehmen, in dem ganze Generationen vom Großvater bis zum Enkel gearbeitet haben. Bei den ersten Umsetzungsmaßnahmen habe die Leute teilweise noch gefeilscht, um ein oder zwei Wochen länger hier bleiben zu können“, erklärte der letzte Betriebsratsvorsitzende Friedhelm Dörmann damals. Heute ist in das ehemalige Verwaltungsgebäude ein Gericht eingezogen, und dort, wo einst Zahnräder produziert wurden, steht jetzt der Wissenschaftspark.

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Die WAZ und die Evangelikalen

 

Der Niedergang der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung schreitet weiter voran. Die Veröffentlichung von verfremdeten Fotos der vermeintlichen Opfer aus dem Jemen auf der ersten Seite macht das mehr als deutlich. Das bewegt sich fast schon auf dem Niveau von Bild, wo die Frauen allerdings ohne Verfremdung gezeigt werden. Weiter geht es mit dem Bericht über die Bibelschule Brake vom Hayke Lanwert im Innenteil der Zeitung. Von hier sind die beiden Frauen als Teil ihrer Ausbildung zu einem Praktikum in den Jemen aufgebrochen. Es entsteht der Eindruck, dass in Ostwestfalen Menschen ausgebildet werden, um in aller Welt zu helfen und Gutes zu tun. Das wird dem Charakter der Bibelschule allerdings nicht ganz gerecht, denn es handelt es sich um eine evangelikale Bildungseinrichtung und das Ziel ist eindeutig die Missionierung. Um das festzustellen reicht schon ein Blick auf die Internetseite der Bibelschule und dem dort formulierten Glaubensbekenntnis: „Wir glauben an die göttliche Inspiration, Unfehlbarkeit und Autorität der gesamten Heiligen Schrift.“ Die Ausbilder und Lehrer haben in der Regel einen Abschluss einer evangelikalen Bildungseinrichtung in Deutschland oder den USA.

Viele Journalisten schauen hier gerne weg und haben in den letzten Jahren lieber über die Aktivitäten des „deutschen Papstes“ berichtet. Das die evangelischen Fundamentalisten in der Regel eine „gute Presse“ haben, liegt auch an ihrer intensiven Lobby und Medienarbeit. Diese besonders bibeltreuen Protestanten sprechen sich gegen Abtreibung aus und zweifeln an der Gültigkeit der Evolutionstheorie. Experten schätzten die Zahl der Anhänger evangelikaler Ideen in Deutschland auf etwa zweieinhalb Millionen Menschen. Die sind vor allem in freikirchlichen Gemeinden organisiert. „Diese Bemühungen sind nicht alle auf die Verbreitung fundamentalistischer Ideen ausgerichtet. Viele davon sind auch missionarisch orientiert“, sagt Hans Jörg Hemminger, Beauftragter für Weltanschauungsfragen der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. „Das man sich in der modernen Gesellschaft, auch im öffentlichen Meinungskampf zeigen muss, diese Überzeugung hat sehr zugenommen.“

Die evangelikalen Christen haben in Deutschland in den vergangen Jahrzehnten ein umfangreiches Netzwerk an Medien aufgebaut. Dazu gehören der Nachrichtendienst “idea”, Fernsehsender wie “Bibel TV” oder das “Deutsche Christliche Fernsehen” und Zeitschriften wie das christliche Medienmagazin pro. Ein wesentliches Element dieser Weltanschauung ist der Kreationismus. „Das ist die Ablehnung der Evolutionstheorie aus religiösen Gründen. Im christlichen Bereich meistens, weil man die Schöpfungsgeschichte der Bibel für eine historische, naturwissenschaftliche Darstellung hält“, sagt Hans Jörg Hemminger. „Dann geht man davon aus, dass die Erde sechs bis zehntausend Jahre alt ist, anstatt vier Milliarden Jahre. Damit legt man sich mit einem großen Teil der etablierten Naturwissenschaften an.“

Die evangelikalen Medienaktivitäten sind in der Regel über Spenden finanziert. Mit den Möglichkeiten moderner Medientechnik und großem Engagement erreichen die Evangelikalen sehr viele Menschen. Viele Wissenschaftler kritisieren, dass die Amtskirchen sich nicht eindeutiger für die Evolutionstheorie aussprechen und sich fundamentalistische Ideen so leichter in der Gesellschaft etablieren. „Es gibt eine kreationistisches Lehrbuch der Evolution und da stellt sich natürlich die Frage, warum schreibt jemand der die Evolution für Humbug hält, ein solches Buch“, fragt sich der Biologe Thomas Junker, der in Tübingen eine Professur hat. „Sie versuchen in die Breite zu gehen, indem sie quasi seriöse Publikationen verfassen, die dann über den normalen Buchhandel vertrieben werden. Der Erfolg scheint den bibeltreuen Christen Recht zu geben, denn der thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus hat dieses Buch sehr gelobt.“

Wie erfolgreich hier gearbeitet wird, zeigt auch die Preisverleihung des Goldenen Kompasses im letzten Jahr in der Schalker Arena. Den bekamen einige Fußballspieler des FC Schalke 04 für ihre Mitwirkung an dem Buch: Mit Gott auf Schalke. Ausgeschrieben wird der Preis vom Christlichen Medienverbund KEP. Der hat es sich zur Aufgabe gemacht, die evangelikale Öffentlichkeitsarbeit voranzutreiben. Bibeltreue Christen drängen weiter in die Öffentlichkeit und für 2009 sind weitere Fernsehsender geplant. Das ist eine Herausforderung für die Kontrolleure der Medien. „Sie dürfen nicht werben im klassischen Sinne, das heißt sie dürfen nicht offen zu Spenden aufrufen, sie dürfen keine Produkte verkaufen, denn das ist eine religiöse Werbung im eigentlichen Sinne“, erklärt Holger Gierbig, der bei der Landesanstalt für Medien in Nordrhein-Westfalen für die Programmaufsicht zuständig ist. „Die ist dem Staatsvertrag, der die Zulassungskriterien für solche Dinge regelt, verboten.“ Es sind auch die Missionierung und die Anwerbung neuer Mitglieder verboten. Wann man es mit Missionierung zu tun hat, ist für die Kontrolleure nur schwer zu beurteilen. Die Aktivitäten der evangelikalen Medien bewegen sich in hier in einem Grenzbereich. Verkündigung, Missionierung und Zweifel an den Naturwissenschaften werden weiter auf allen Kanälen gesendet.

Hier ist der Link zu dem Artikel in der WAZ.

Eine Couch für alle Fälle

Die Idee ist eigentlich ganz einfach. Reiselustige Menschen aus der ganzen Welt vernetzen sich über das Internet und bieten ihr heimisches Sofa kostenlos zum Übernachten an. Im Gegenzug dürfen sie selbst weltweit auf die Couch. „Empfehlen würde ich es jedem und ich habe die besten Reiseerfahrungen damit gemacht. Ich glaube dass die Menschen, die da mitmachen, von Grund auf vertrauenswürdig und offen sind“, sagt Daniela Michalzik. „Es waren auf jeden Fall sehr interessante Leute, die ich da kennengelernt habe“. Die kleine Wohnung der Studentin der Sozialen Arbeit liegt an einer Hauptverkehrsstraße nicht weit von der Bochumer Innenstadt entfernt. Es ist nicht viel Platz zwischen ihrem Schreibtisch und der Küchenzeile, aber die Couch wird für Besucher immer frei gehalten.

Die 23jährige ist seit einem Jahr bei dem Portal angemeldet. Bisher haben Menschen aus Deutschland und Ungarn ihre Couch für ein paar Tage genutzt. Angemeldet hat sie sich wegen einer zweiwöchigen Reise nach Wales mit vier Freundinnen. „Ich habe vorher noch von Deutschland aus ganz viele Leute angeschrieben. Von manchen Orten habe ich dann positive Rückmeldungen bekommen“, erklärt Daniela Michalzik. „Ich habe mit den Leuten dann telefoniert, Treffpunkte ausgemacht und Adressen ausgetauscht“. Die Erfahrungen der Reisegruppe waren in der Regel gut, auch wenn die Gastgeber manchmal etwas seltsame Vorstellungen hatten. In einem Luxusappartment in der Londoner Innenstadt mussten die Damen ihre Ausweise hinterlegen, weil die Couchbesitzer Angst um ihre kostspielige Einrichtung hatten.

Gastgeber-Communities wie Hospitalityclub, Bewelcome oder Couchsurfing verzeichnen beständig ansteigende Teilnehmerzahlen. Der älteste Dienst Hospitality aus dem Jahr 2000 kommt auf etwa 400 000 Nutzer. Couchsurfing ist derzeit der beliebteste Anbieter und hat nach eigenen Angaben weltweit mehr als 900 000 Mitglieder. Jede Woche kommen bis zu 8000 Neuanmeldungen dazu. Der Weg zur Übernachtung erfordert zunächst eine Registrierung auf der entsprechenden Seite. Dort kann man in einer Art Steckbrief ein paar Daten zur eigenen Person eingeben. Hier wird das Alter, das Geschlecht, die Ausbildung und etwas über die eigene Herkunft mitgeteilt. Man sollte sich mit ein paar Worten selbst beschreiben und die eigenen Interessen vorstellen. Ein paar Worte zur Lage der Wohnung, der Verkehrsanbindung und der Umgebung helfen ebenfalls bei der Auswahl. Die meisten Mitglieder veröffentlichen ein paar Fotos auf dem Portal. So gibt es viele Informationen und man kann sich jemanden aussuchen, der gut zu einem passt. In der Regel gibt es auch ein Bild der Couch, so dass die Surfer eine Vorstellung von ihrem Schlafplatz haben.

Die meisten Übernachtungen werden in Deutschland in Berlin und in Hamburg angeboten. In der Hauptstadt gibt es 6600 Schlafplätze und an der Alster immerhin noch 2400. In Nordrhein Westfalen liegen Köln und Bochum mit jeweils 301 freien Schlafplätzen bei den Angeboten ganz vorne. In Gelsenkirchen gibt es 61 Plätze und in Korschenbroich finden sich noch sieben Couchsurfer. Für viele Nutzer der Portale geht es nicht nur um eine Schlafstelle für ein paar Nächte. Sie sehen in dieser Form der weltweiten Mobilität eine andere Lebensart. Ein Vorteil dieser Art zu Reisen ist auf jeden Fall, dass man sofort Anschluss bekommt. „Es ist komplett etwas anderes, denn es ist kein Urlaub sondern eher eine besondere Einstellung“, sagt Ania aus Essen, die gerade an ihrer Doktorarbeit in Biologie arbeitet. „Man taucht in den Alltag der Menschen ein und ich fand es besonders toll auf den kanarischen Inseln. Wir sind mit dem Gastgeber an den Strand gegangen und haben seine Freunde kennengelernt“. Die 28jährige war bisher in Belgien, Deutschland, Großbritannien, Polen und in Spanien als Couchsurfer unterwegs. Die meisten Teilnehmer sind nicht älter als 35 Jahre. Es gibt aber auch die Möglichkeit sich mit Kindern und Familie auf die Reise zu begeben. Der Betreiber des Portals gibt hierfür ausführliche Tipps und Empfehlungen.

Ob privat oder geschäftlich, immer mehr Menschen pflegen ihre Kontakte mit Hilfe von Internetplattformen, in denen sie Persönlichkeitsprofile anlegen. Diese Social-Networking-Plattformen verlangen von ihren Nutzern bei der Registrierung viele private Daten, bieten aber nur wenige Möglichkeiten, diese persönlichen Informationen vor ungewollten Zugriffen zu schützen. Die Wissenschaftler vom Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie in Darmstadt raten beim Anlegen von Profilen an den Schutz der eigenen Daten zu denken. „Die Plattform Couchsurfing bietet immerhin die Möglichkeit ihren Namen und die Adresse zu verstecken. Wenn Sie sich erstmal um Sympathien im Netz bemühen, dann brauchen sie diese Daten erstmal nicht“, erklärt der Wissenschaftler Andreas Poller. „Die Nutzer können diese Angaben deaktivieren und haben die Privatsphäre schon gut geschützt“. In der Regel schreiben die meisten Mitglieder ihren Gastgebern immerhin Kommentare ins Profil. So haben sie im Prinzip die Möglichkeit, andere zu warnen, aber meistens wird hier nur ausgiebig gelobt. Vor etwa einem Jahr machte ein krimineller Couchsurfer die Runde, der bei seinen Gastgebern regelmäßig Wertsachen entwendete. Nach einiger Zeit ging ein Sicherheitshinweis mit einem Bild an die Nutzer des Portals und beendete die diebische Karriere.

Die Reisenden sollten ihre Gastgeber ein bis vier Wochen vor ihrer Ankunft kontaktieren. Die Gemeinschaft fungiert als Kontrolle und wenn sich wirklich mal Gäste danebenbenehmen, dann spricht es sich schnell herum. Wer mal abspült und den Kühlschrank fühlt, der hat gute Chancen auch in Zukunft eine passende Couch in der ganzen Welt zu finden.

Portale für Couchsurfer
www.couchsurfing.com
www.bewelcome.org
www.hospitalityclub.org
www.usservas.org
www.globalfreeloaders.com
www.yowtrip.com

Studie zu Sozialen Netzwerken und dem Schutz der Privatsphäre:
www.sit.fraunhofer.de

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