Hochschulbergwerk? Die Idee ist alt und der Ansatz gut

NRW-Wirtschaftsminister Harry K. Voigtsberger Foto: mbv

Bei der Nachricht über den Vorschlag von Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger, im Ruhrgebiet zukünftig ein Schulungsbergwerk zu betreiben (hier in der WAZ), viel mir ein, diesen Vorschlag vor Jahren schon in einem Text des langjährigen Dortmunder Raumplanungsprofessors Klaus R. Kunzmann gelesen zu haben. Er beschrieb diese Vision recht detailliert, und wenn man sie sich noch einmal vergegenwärtigt, entfaltet sie meiner Meinung nach einigen Reiz. Die Frage war, wie die Region mit ihrer jahrhundertealten Kompetenz im Steinkohlenbergbau zukünftig umgehen will, wie sie sie in eine Zukunft überführen kann, die den Niedergang der Förderung hier überdauert. Skizziert wurde ein umfassender Ansatz, der Technologie, Ökologie und Gesellschaft einschließt.

Die deutsche Bergwerkstechnologie ist ja heute noch weltweit gefragt, aber das wurde nur als ein Baustein angesehen. Schließlich wurde und wird auch die IBA weltweit mit großem Interesse betrachtet. Die jetzt beendete IBA Fürst-Pückler-Land in der Lausitz bezog sich explizit auf das Ruhrgebiet, vom Oberschlesischen Industrierevier schaute man interessiert zu uns, und auch die Chinesen kaufen nicht nur Kokereien und Stahlwerke, sondern machen sich Gedanken, ob man das Konzept der Industriekultur etwa auf Bergbaustädte wie Fushun übertragen kann.

2007 wurde Kunzmann von pro ruhrgebiet für seine Verdienste um die Region mit dem Ehrentitel „Bürger des Ruhrgebiets“ ausgezeichnet. In seiner – im Tenor übrigens recht kritischen – Dankesrede hat er das Thema noch einmal aufgegriffen:

Vor über 15 Jahren habe ich den schon ein mal den Vorschlag gemacht, die letzte Zeche im Ruhrgebiet zu einer internationalen Bergwerksuniversität ganz neuer Art zu machen, zu einer Ausbildungsstädte in der Bergbauspezialisten aus aller Welt lernen, wie Bergwerke gemanagt, wie Sicherheitsingenieure ausgebildet, Gewerkschaftsfunktionäre geschult, Wohnungswirtschaftler, Bodenspezialisten und Landschaftsplaner mit den neuesten Erkenntnissen ihrer Arbeitsfelder vertraut gemacht werden. Ich habe dabei eine Einrichtung vor Augen, in der all die Kompetenz [einfließt], die das Ruhrgebiet im Verlauf von über hundert Jahren angesammelt hat, in der geforscht wird, wie die Ausbeutung und Weiterverarbeitung von Kohle und anderen Mineralien umweltfreundlich und ressourcenschonend erfolgen kann, in der aber auch die standortbezogenen Probleme von Bergwerken aus ganzheitlicher Perspektive mit behandelt werden. Dass dies in einer anderen Sprache als Deutsch erfolgen muss, ist vielleicht das größte Hindernis, damit eine solche Einrichtung, die ihre Außenstellen in China und Brasilien, in Südafrika, Sibirien und Australien hat, – also überall dort wo auch in den nächsten 50 Jahren Bergbau betrieben wird –, auch wirklich eingerichtet wird. Dies könnte beispielsweise in Form einer Stiftungsuniversität der RAG erfolgen. Das letzte Bergwerk wäre also kein Auslaufmodell, sondern das modernste Bergwerk seiner Art, das wie ein physikalisches Forschungszentrum betrieben wird, in dem das Geld mit dem Verkauf von Kompetenz, nicht dem Verkauf von Kohle gemacht wird.“

Einen ähnlichen Vorschlag hatte er übrigens auch für das Brauereiwesen gemacht, als Dortmund sich noch stolz als Bierstand verstand – ein das Oktoberfest ausstechendes Bierfest mit eingeschlossen, Spaß muss sein (und wäre ja auch starke Stadtwerbung). Das stieß auf einhelliges Unverständnis bei Politikern und sonstigen Verantwortlichen; heute ist es dafür zu spät.

Weshalb ich diese Erinnerung hier berichte: Nicht unbedingt, um den Bergbau zu erhalten. Auch nicht, um den jüngsten Vorschlag als alten Hut zu diskreditieren. Sondern weil ich diese Art, über die ureigensten Stärken der Region und ihr Zukunftspotenzial nachzudenken, sympathisch und wichtig finde. Sympathischer jedenfalls als den Versuch, auf den Schultern der Kreativen Klasse zur Metropole aufzusteigen (was nicht gegen deren Unterstützung spricht). Ich bin sicher, es gäbe einiges, worüber Nachzudenken sich lohnte.

Stuttgart 21: Mappus und die Logik der Standhaftigkeit

Schon zwei Wochen vor dem Polizeieinsatz gegen die Demonstranten letzten Donnerstag hat Ministerpräsident Mappus ( in der FAZ) bekräftigt, zu Stuttgart 21 zu stehen, „auch um den Preis des Machtverlustes“ bei der Landtagswahl im März 2011. Das wirkt zunächst einmal – sicher so beabsichtigt – , als handele er konsequent, vertrete seine Überzeugung, sei ohne Wenn und Aber für das Projekt, bliebe auch bei starkem Widerstand standhaft. Interessanterweise ist das Gegenteil der Fall.

Das liegt an der Logik von Großprojekten. Wie eben auch die Bürger heute wissen, werden diese so gut wie nie zu den anfangs genannten Kosten realisiert. Die offiziellen Zahlen vor Beginn sind stets nur die, zu denen das Projekt gerade noch politisch durchsetzbar ist. Einen Vorgeschmack für Stuttgart liefert etwa der Stern. Er hat jetzt darüber berichtet (Geheime Akten: nichts als Chaos), was alles noch gar nicht geplant und also finanziell noch gar nicht durchkalkuliert ist. Nach Baubeginn/der Landtagswahl wäre also die erste halbwegs „realistische“ Kostenschätzung zu erwarten. Weil Projekte dieser Größenordnung bald nicht mehr gestoppt werden können, ist die öffentliche Hand den zahlreichen Nachforderungen ausgeliefert. Hinzu kommen zahlreiche „Unvorhersehbarkeiten“, die zu jedem Bau hinzugehören, erst recht bei einem dieser technischen Komplexität. Wenn also am Ende doch die 20 Milliarden Kosten stehen, wie manche befürchten, wäre der Projektverlauf eigentlich nur so, wie man es erwarten konnte.

Wahre Standhaftigkeit hätte Mappus folglich damit bewiesen, wenn er aus der politischen Machtlogik ausgeschert wäre, indem er folgendes gesagt hätte: Ich stehe zu Stuttgart 21, selbst wenn ich noch zehn Jahre Ministerpräsident bliebe. Er also die Bereitschaft gezeigt hätte, bis zum Ende die politische Verantwortung zu übernehmen, jede zusätzliche Milliarde (die anderswo fehlen wird, auch in NRW) zu verteidigen. So aber kann er sich als aufrechter Politiker abwählen lassen und die nächsten Jahre damit verbringen, immer wieder zu betonen, dass er von all dem ja nichts gewusst hätte.

Warum und wie Adolf Sauerland doch auf der Trauerfeier war

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Adolf Sauerland

Bei der Trauerfeier zum Gedenken an die Opfer des Love Parade-Unglücks am Samstag war Adolf Sauerland nicht anwesend, aus Respekt vor den Angehörigen, wie er sagte. Das stimmt und stimmt doch nicht: Er war anwesend, und zwar in einer Art, welche die Trauerfeier mit einem Makel behaftet. Eine kurze Betrachtung aus kommunikationstheoretischer Sicht.

Nein, persönlich anwesend war Adolf Sauerland, nach allem was wir wissen, nicht. Er blieb der Trauerfeier fern. Man könnte sagen, aus Gründen der Deeskalation. Dies Fernbleiben aber ist ein kommunikativer Akt, der vor dem Hintergrund seines Verhaltens in den Tagen seit der Katastrophe gesehen werden muss, vor allem seiner Weigerung, die politische Verantwortung zu übernehmen. Dann ergibt sich die folgende Lesart: Ohne vorherigen Rücktritt ist es ein demonstratives Fernbleiben. Dies hat die kommunikative Eigenschaft, dem Abwesenden eine gedankliche, auch gefühlte Präsenz bei den Anwesenden, aber auch Zuschauern, zu verschaffen. Er ist nur leiblich abwesend, durch seine in der Medienöffentlichkeit vollzogene Geste des Nichterscheinens aber in den Köpfen präsent. Das dergestalt demonstrative Fehlen beeinflusst die Atmosphäre der Veranstaltung unweigerlich. Sein vorheriger Rückzug hätte das Fernbleiben erklärt, stimmig, weil konsequent wirken lassen. So aber hat er unentrinnbar das Gegenteil von dem bewirkt, was er zu erreichen vorgab: Die Trauerfeier von dem Mann frei zu halten, der für viele ein unverständliches – und unerträgliches, da verletzendes – Verhalten an den Tag legt – ihm selbst.