An der Ruhr erobern Einkaufszentren die Innenstädte. Vor allem die beiden Centerriesen mfi und ECE liefern sich einen Wettlauf um die attraktivsten Standorte.
Mit dem Ruhrpark fing alles an. 1964 eröffnete das damals zweite Einkaufszentrum der Bundesrepublik in Bochum an der A40 seine Pforten.
Noch heute ist es mit seinen über 120.000 Quadratmetern Verkaufsfläche, zahlreichen Freizeit- und Gastronomieangeboten eines der größten Einkaufszentren des Landes. Und eines, dessen Auswirkungen man nur weniger Kilometer weiter in der Bochumer Innenstadt betrachten kann: Ein klassisches Kaufhaus gibt es in Bochum schon seit den 90er Jahren nicht mehr. Große Ketten wie Peek & Cloppenburg oder Zara sucht man in Bochums Fußgängerzone vergebens.
Dafür haben sich auch in einstmals guten Lagen Ein-Euro-Shops breit gemacht. Auf dem erst vor wenigen Jahren eröffneten Massenberg-Boulevard verirren sich nur wenige Flaneure. Allein das Kneipenquartier „Bermudadreieck“ verströmt urbane Atmosphäre.
„Wir müssen in die Innenstadt investieren, um sie attraktiv zu machen“, sagt Bochums Planungsdezernent Ernst Kratzsch. Mit der U-Bahn sollen die Menschen schneller in die Innenstadt kommen. Und mit einem neuen innerstädtischen Einkaufszentrum will man der Planungssünde Ruhrpark Paroli bieten. Denn der wird seit Oktober vom Essener Shopping-Center-Spezialisten mfi geleitet. Der Eigentümer des Ruhrparks, der britische Perella Weinberg Real Estate Fund, stellt mfi die Mittel für einen radikalen Umbau des Ruhrparks zur Verfügung.
Mit einem neuen Einkaufszentrum mit 25.000 Quadtratmeter Verkaufsfläche sollen vor allem Modemarken in die Bochumer Innenstadt gelockt werden und so die Kaufkraft halten helfen. Seine Ideen stellte die zur Otto-Gruppe gehörende ECE, Markführer im Bereich der Einkaufszentren, am Donnerstag in Bochum vor. ECE präsentierte sich als Retter der bedrängten Bochumer Innenstadt.
Auf einer Baufläche von gut 30.000 Quadtratmetern soll ein Einkaufszentrum entstehen, das durch sich offene Strukturen auszeichnet, den vorhandenen Einzelhandel in der Stadt ergänzt und nicht verdrängt. so Projektdirektor Torsten Kuttig: „Wir wollen offene Strukturen, wie bei einer kleinen Fußgängerzone, von der aus die Läden, Cafés und Restaurants erreicht werden können.“
Einen geschlossenen Block wie beim ECE-Center Limbecker Platz in Essen werde es nicht geben. Auch ein Hotel und Wohnungen sollen in dem Kompöex entstehen.
ECE, sagt Kuttig, wisse, dass es überall, wo das Unternehmen ein Projekt startet, kritisch beäugt wird. Das Unternehmen setze daher jetzt auf eine offene Diskussion über seine Pläne, die in wenigen Wochen vorgestellt werden sollen.
Mit dem Limbecker Platz, der in Bau befindlichen Thier-Galerie in Dortmund und dem geplanten Center in Bochum würde ECE innerhalb weniger Jahre drei innerstädtische Einkaufszentren im Ruhrgebiet eröffnen. Es sind nicht die einzigen Projekte: Das Centro in Oberhausen erweitert gerade seine Einkaufsfläche um 17.000 Quadtratmeter auf dann fast 100.000 Quadratmeter. ECE Konkurrent mfi wird bald mit dem Bau eines Centers in Recklinghausen beginnen. Verkaufsfläche: 27.000 Quadtratmeter. Weitere Center sind in Planung und in Bau. Auch in kleinen Städten wie Hattingen, Witten oder Dorsten sind neue Center eröffnet worden, im Bau oder angedacht.
Die Argumente der Betreiber sind immer die gleichen: Den Städten mangele es an Flächen für moderne Einkaufskonzepte, das fehlen attraktive Marken würde den Innenstädten Kaufkraft entziehen und sie im Wettbewerb gegenüber den Nachbarn schwächen. Es ist ein Wettrüsten: Ein Einkaufszentrum zieht das nächste nach sich und auf die Frage, wie viele der Beton- und Glasburgen denn eine Region mit schrumpfender Kaufkraft und sinkenden Einwohnerzahl verkraften kann, ohne dass die Innenstädte endgültig veröden gibt es von den Centerplanern keine Antwort.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die noch centerfreien Innenstädte dem Druck beugen und im Kampf um die Kaufkraft Center ansiedeln werden.
Eine Kritik, die Christian Stamerjohanns von ECE nicht gelten lässt: „Bis jetzt gab es bei jeder Strukturveränderung der Innenstädte immer einer harte Kritik. Immer wurde der Untergang der Stadt beschworen – eingetreten ist er bislang nie.“
Sowohl das Aufkommen der großen Kaufhäuser um die Wende des 19. zum 20. Jahrhunderts als auch die Fußgängerzonen der 60er und 70er Jahre seien in ihrer Zeit heftig umstritten gewesen.
Argumente, die von den Kritikern der Einkaufszentren nicht geteilt werden. In dem Buch „Angriff auf die City“ haben sie ihre Kritik zusammengefasst. Allen voran der Walter Brune, der als Architekt selbst zahlreiche Einkaufszentren geplant hat, geht hart in Gericht mit den Einkaufszentrenbetreibern und den in seinen Augen naiven Lokalpolitikern. Für Brune sind die Konsequenzen des Center-Wettrüstens klar: Die in den Centern gebundene Kaufkraft sorgt für leerstände in den sie umgebenden Innenstädten und zu sinkenden Immobilienpreisen. Ein Verfall der Städte sei die Folge.
Ein Beispiel dafür kann man im Ruhrgebiet besichtigen: Oberhausens Innenstadt ist seit der Eröffnung des Centros auf dem weg zur Geisterstadt. Leerstände und Ramschläden prägen hier längst das Bild.
Als das Centro Mitte der 90er Jahre eröffnet wurde, war davon nicht die Rede: Auch Oberhausen-Mitte sollte attraktiver werden. Millionen wurden investiert um Besucher in die Innenstadt zu locken. Wie man heute weiß vergebens.
Der Artikel erschien in ähnlicher Form bereits in der Welt am Sonntag




