Konsumschecks: Was kaufen für 500 Euro?

Das Jahr 2009 wird mies. Das Jahr 2010 vielleicht auch. Immer häufiger sind Konsumgutscheine in der Diskussion. Doch was fangen wir damit an?

500 Euro Foto: Flickr/Landahlaut

500 Euro zusätzlich: In normalen Zeiten würde ich das Geld für neue Boxen für den Rechner und eine kleine, digitale Videokamera ausgeben – und mich freuen. Wenn jetzt der 500 Euro Konsumgutschein  kommen sollte ist das allerdings keine Grund zur Freude, sondern ein Zeichen dafür, dass es wirklich ernst wird. Habt ihr schon mal Geld vom Staat geschenkt bekommen? Eben! Also wollen die Ausgaben gut überlegt sein. Im Moment tendiere ich zu schweren, wintertauglichen Stiefeln, einem Daunerschlafsack und einer Angel – Sachen, die man zum Überleben braucht, wenn alles ganz übel daneben geht. Oder  sollte man alles, wie die Kollegen von Spreeblick raten, einfach schnell in Alkohol umsetzen? Oder doch ganz ruhig bleiben, sich freuen und Gadgets kaufen, die ja spätestens nach Weihnachten noch einmal billiger werden? Oder sparen? antizyklisch Aktien kaufen? Was wollt Ihr mit dem letzten Extra-Geld für vielleicht längere Zeit machen? 

RVR verklagt „Don Wolfijotes“

NRW-Innenminister Ingo Wolf will dass der RVR das Windrad auf der Halde Hoppenbruch aufgibt. Der RVR wird dagegen klagen.

Halde Hoppenbruch Foto: Wikipedia

Wie gut, dass dieses Land im Moment keine anderen Sorgen hat: NRW-Innenminister Ingo Wolf will dass der RVR das Windrad auf der Halde Hoppenbruch (Kreuz A2/A43) aufgibt. 
Auf der nächsten Sitzung des Ruhrparlaments am kommenden Montag wird die Klage gegen die Anweisung von Wolf beschlossen. Grüne und SPD sind jedenfalls dafür. „Diese absurde Anordnung macht deutlich, wie blindwütig die FDP und ihr Innenminister Wolf gegen jedes einzelne Windrad in NRW ankämpfen“, erklärt dazu Grünen-Fraktionsvorsitzender Martin Tönnes. „Der Kampf von Don Wolfijotes gegen das einzige RVR-Windrad erinnert an den Ritter der traurigen Gestalt. Mit allen Mitteln soll das angebliche Unrecht und die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen bekämpft werden. Ganz nach dem FDP Motto: Gewinne gehören in die Hände der Privaten. Dabei handelt es sich bei der Ruhrwind-Anlage auf der Halde Hoppenbruch um ein reines Demonstrationsobjekt für regenerative Energien im Rahmen einer touristischen Erschließung der Haldenlandschaft in der Metropole Ruhr. Durch dieses Windrad, verschiedene Informationstafeln und vor allem den „Skulpturen-Garten Windkraft“ hat sich die Halde Hoppenbruch in den letzten zehn Jahren zu einem beliebten Ausflugsziel entwickelt.“ 

Stadt Ruhr wächst

Am 5. November wurde im Musiktheater im Revier die Stadt Ruhr gegründet.

Sicher, das war ein symbolischer Akt, aber immerhin haben über 500 Bürger daran teilgenommen. Seitdem wächst die Stadt Ruhr: Schon jetzt sind über 800 Bürger der Stadt beigetreten. Das schöne ist: Der Beitritt kostet nix – noch nicht einmal Steuern! Hier könnt ihr Bürger der Stadt Ruhr werden.

Update: WAZ ohne DPA

Heute erschien die WAZ zum zweiten Mal fast ohne DPA-Meldungen im Mantelteil. Auch die dpa-Fotos wurden nicht mehr abgedruckt.

Fast der gesamte Mantelteil der WAZ kam heute wieder ohne DPA-Meldungen aus. Nur eine dpa-Meldung tauchte auf Seite 6 auf über zwei erschossene irakische Politiker. Keine Ahnung, ob das eine echte dpa-Meldung war, oder jemand die Meldung falsch ausgezeichnet hat. Fast alles hatte die WAZ-Redaktion in Eigenarbeit geschrieben. Ausnahme: Einige kleine Meldungen von Agenturen wie DDP oder AFP. Die Fotos waren auch alle entweder von kleineren Agenturen, von ddp oder eigenen Fotografen. Bereits gestern hatte die WAZ den ersten Testlauf ohne dpa gemacht.

Die Kollegen von DPA befürchten, dass sich die WAZ-Printausgaben komplett von DPA verabschieden könnte und die größte deutsche Nachrichtenagentur künftig nur noch für DerWesten zuliefern darf. Das Problem dabei: Auf diesem Weg könnten die WAZ-Printredakteure den Nachrichtenfluss von DPA weiter verfolgen, dafür weniger bezahlen und die relevanten Meldungen kurz für das Blatt nachschreiben.

Kleiner Nachtrag: Warum tut die WAZ-Führung ihrer Zeitung dies an? Die Zeitung ist heute nicht besser, die Mannschaft musste sich stattdessen mit dem Kleinkram rumschlagen. So gelangte gestern auf die prominente Seite 3 die Kurzmeldung, dass auch in diesem Jahr "Weihnachten in Bottrop" ist. Knaller-Meldung – richtig platziert? Jau, da steht, dass gleich drei Tage lang 60 Buden vor dem Rathaus stehen. WOW. Heute war im Wirtschaftsteil eine nahezu sinnfreie Meldung über eine Agentur zu finden, die zu einer Informationsveranstaltung für Lehmann-Anleger einlädt. Man könnte auch sagen, die Meldung war eine schlecht abgeschriebene Pressemitteilung. 

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Oberhausen hat sich verzockt

Oberhausen ist pleite und sucht die Schuld bei anderen – zu Unrecht. Oberhausen hatte mehr Chancen als die meisten Städte im Ruhrgebiet.

In den 90er Jahren waren Tourismus, Freizeitwirtschaft und Medien die großen Heilsbringer. In einem viel höheren Maße als heute die Kreativwirtschaft setzten einige Städte auf diese Branchen. Vorreiter war Oberhausen. Polilisch perfekt vernetzt – der Oberhausener Sozialdemokrat Heinz Schleußer war Finanzminister unter Johannes Rau, erhielt die Stadt Mittel zum Strukturwandel die auch aus heutiger Sich atemberaubend wirken  – Über 100 Millionen Euro an staatlichen Fördermitteln aus den unterschiedlichen Töpfen flossen in das Projekt HDO, das am Anfang weit mehr sein sollte als das Trickfilmzentrum, als dass es heute den meisten in Erinnerung ist: Bei HDO sollte das Fernsehen der Zukunft entwickelt werden: Hochauflösend und analog. Schon damals in den Augen vieler Experten nichts als reiner Unfug, denn spätestens seit dem Siegeszug der CD war klar, dass die Digitalisierung der Medien der zukünftiges Entwicklungspfand sein würde – Clement sah das allerdings anders und gehörte zu den Unterstützern von HDO – wie immer unbelehrbar und für den Steuerzahler mit verheerenden Wirkungen.

Doch der ganz große Wurf für Oberhausen sollte nicht das HDO werden sondern die Neue Mitte Oberhausen. Der aus den drei Teilen Alt-Oberhausen, Sterkrade und Osterfeld 1929 zusammengefügten Stadt fehlte ein Zentrum: Dort lag die Gutehoffnungshütte. Als die in den 80er und 90er Jahren Betriebsteil für Betriebsteil schloss träumte man in der Stadt vom großen Wurf: Auf einer Fläche von 143 Hektar sollte eine Neue Mitte entstehen. Nach verschiedenen gescheiterten Anläufen wurde 1996 schließlich mit Fördermitteln von weit über 400 Millionen Euro das Centro angesiedelt. Auf dem Rest der Fläche sollte ein Projekt Namens O.Vision entstehen.
Um das Centro herum sollten sich zudem zahlreiche Unternehmen ansiedeln und die große Brachfläche mit neuem Leben erfüllen – und Jobs bringen. Alleine im Centro sollten 10.000 neue Arbeitsplätze entstehen.

Die Rechnung ging nicht auf – zwar war das Centro ein Erfolg, aber nur gut 5000 neue Jobs sind entstanden – gut die Hälfte davon in Teilzeit. Sie wurden erkauft durch einen massiven Jobverlust in den traditionellen Zentren Oberhausens und seinen Nachbarstädten.
2500 Vollzeitjobs für fast 500 Millionen Euro Förderung – keine wirklich gute Bilanz.

Und neben den Jobs fehlen Oberhausen die Steuereinnahmen – deshalb ist die Stadt heute mit 6759 Euro pro Einwohner die am höchsten verschuldete Stadt in ganz NRW. Sie hat auf das falsche Pferd gesetzt. Die Situation wäre heute noch schlimmer, wenn das Land bei den Plänen zum Gesundheistpark O.Vision, für den es nie ein vernünftiges Geschäftsmodell gab, 2006 auf die Bremse getreten hätte. Eine der Hauptverantwortlich hatte das zu diesem Zeitpunkt längst erkannt: Burkhard Drescher, erst Stadtdirektor und später OB Oberhausens trat 2005 nicht mehr an und wechselte in die Privatwirtschaft. Heute ist er Vorsitzender der Geschäftsführung der GAGFAH Group, einer Immobilienverwaltung im Besitz der Fortress Investment Group. Als er ging galt er vielen als ungeschlagener Held des Struktutwandels.
Und anstatt nach den Fehlern im eigenen Handels zu suchen, macht sein Nachfolger Klaus Wehling alle für das Scheitern der Stadt verantwortlich, nur nicht diejenigen, die auf das falsche Pferd gesetzt haben. Perl-Online vermutet gar eine Intrige der Landesregierung. Klar, die Finanzlage der Städte ist prekär, für viele Belastungen können sie nicht, aber Oberhausen gehört zu den Städten, die sich erst einmal an die eigene Nase fassen sollten.

Oh Gott, die Orchester streiken!

Die Krise hat das Ruhrgebiet voll im Griff: Opel vor dem Kollpas, ThyssenKrupp will einsparen, die WAZ plant Entlassungen – und jetzt streiken auch noch die Orchester.

Bochumer Symphoniker Foto: BoSy

In Dortmund haben sie es schon getan:Schockierte Zuschauer mussten am Freitag erleben, dass es statt der Aufführung von „Im weissen Rössl“ nur Flugblätter  und Erklärungen gab. Das Dortmunder Orchester war in den Streik getreten. Eine ähnliche Klassik-Krise bahnt sich auch in Bochum an: Dort drohen die Philharmoniker damit, die Bratsche in die Ecke zu werfen und zur Schalmei des Klassenkampfes zu greifen. In Duisburg musste schon ein Orchester durch zwei Klaviere ersetzt werden.
Die Gründe sind nachvollziehbar: Statt Lohnerhöhungen gab es seit Jahren nur Applaus und der Tarifpartner Deutscher Bühnenverein will lieber mit dem einzelnen Orchester statt mit deren Gewerkschaft, dem Orchesterverband, verhandeln. Die Bochumer Symphoniker sind überdies noch sauer, dass in den vergangenen Jahren so viele Orchester geschlossen wurden.
Der Streik kann sehr lange dauern und wird den Arbeitgeber so wenig schockieren wie streikende Bergleute – jeden Tag, an dem die Orchester streiken sparen die Arbeitgeber Geld – sie müssen dann nicht mehr jeden einzelnen Konzertbesucher mit ein paar hundert Euronen subventionieren. Es würde sich sogar lohnen, jeden traurigen Kartenbesitzer dessen Konzert ausfällt auch noch zu einem opulenten Mahl einzuladen – alles billiger als ein Konzert.
Wollten die Orchester ihren Arbeitgebern wirklich drohen dann nicht mit Streik sondern mit Zusatzkonzerten, Matinees und einer Reihe hinterlistiger Kammerkonzerte – wie die Bergleute, deren Streik dieses Land über Jahrzehnte aushalten könnte – Überschichten hingegen die Haushalte ruinieren würden.
Im Pop-Bereich, der wirklichen Welt also, wo Musiker von dem Geld ihrer Hörer leben, habe ich bislang nichts von Streiks gehört – allerdings auch noch nie von Tarifen. Bands spielen brav auch vor halbleeren Hallen – es sei denn ihr Name ist Oasis.

Markus Klimmer: Von Bochum 2015 zu Steinmeiers Wirtschafts-Berater

Laut Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung wird  Markus Klimmer ab Januar nicht mehr für die Unternehmensberatung McKinsey  abeiten sondern für den SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier

Markus Klimmer Foto: McKinsey

SPD-Kanzlerkandidat Franz-Walter Steinmeier hat sich wirtschaftlichen Sachverstand von aussen geholt – OK, innerhalb der eigenen Partei sind die Fachleute wahrlich rahr gesät. Nachhilfe bis zur Bundestagswahl soll ihm Markus Klimmer geben.
Bei Mckinsey mitverantwortlich für den Bereich "Öffentlicher Sektor" war Klimmer an der Reform der Arbeitsagentur ebenso beteiligt wie an Initiativen die laut FAS zur Gründung der Hartz-Kommission führten. Klimmer war nach eigenen Angaben auch dabei, als der rot-rote-Senat in Berlin einen Stellenpool für überflüssige Mitarbeiter einrichtete – damals im  Spiegel auch als Guantanamo Bay Berlins verspottet  Auch im Ruhrgebiet ist Steinmeiers Wirtschafts-Vordenker kein Unbekannter: Er beriet die Stadt Bochum 2005/2006 bei der Neustrukturierung der Wirtschaftsförderung und riet zum Aufbau einer eigenen Abteilung für die Förderung von Wachstumsbranchen nach dem Vorbild des Dortmund Projects, was zur Gründung von Bochum 2015 führte.
Klimmer riet Bochum zudem sich auf die Wachstumsbranchen Medizintechnik, Maschinenbau, Software-Entwicklung und Verkehrstechnik zu konzentrieren. Die Chancen der Stadt im Bereich Kulturwirtschaft sah Klimmer damals skeptisch.

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Neuer Duisburger Imagefilm

Duisburg wirbt mit einem neuen Imagefilm um Besucher. Die Grafikeffekte fand ich komisch, ansonsten sieht er so aus wie Imagefilme heute nun einmal aussehen – manch ein Besucher, der nur den Film kennt, dürfte überrascht sein, wenn er in Duisburg ankommt. Gibt es eigentlich originellere Beispiele für gelungene Imagefilme einer Stadt oder ist es ein Gesetz, dass sie alle immer gleich aussehen?

4500000000

Hohe Zahlen haben derzeit Konjunktur. Seit Wochen werden milliardenschwere Rettungspakete diskutiert, für Banken, für Autofabriken und bald wohl auch für andere „Schlüsselbereiche“ der deutschen Wirtschaft. Von Dirk E. Haas

Besichtigung anlässlich des Erhalts der Scharoun-Schule auf Initiative des BDA (Bund Deutscher Architekten). Foto: Mengedoht

Einige Monate bevor wir uns an die Zahlen mit den sehr vielen Nullen gewöhnen mussten, hat das Deutsche Institut für Urbanistik (difu) eine Studie mit dem Titel „Investitionsrückstand und Investitionsbedarf der Kommunen“ vorgelegt, die den mittelfristigen Investitionsbedarf für kommunale Infrastruktur berechnet hat: 704 Milliarden Euro müssen die deutschen Städte und Gemeinden bis zum Jahr 2020 in Straßen, Schulen, Abwasserbeseitigung, ÖPNV, Krankenhäuser, Sportstätten usw. investieren (daran sollte man sich erinnern, wenn man jetzt über Konjunkturprogramme oder Steuersenkungen nachdenkt).

Den zweitgrößten Anteil am Gesamtvolumen nehmen die städtischen Schulen ein: Innerhalb von ca. 15 Jahren (das difu betrachtet den Zeitraum von 2006-2020) müssen laut Studie ca. 73 Milliarden Euro für die Sanierung, den Umbau und die Erweiterung vorhandener Schulen verausgabt werden, damit sich die Leistungsfähigkeit der Schulinfrastruktur nicht weiter vermindert. Die Rede ist wohlgemerkt einzig und allein von Schulen – Sanierung, Erweiterung und Neubau von Fachhochschulen und Universitäten sind darin gar nicht enthalten, weil sie in den Zuständigkeitsbereich der Länder fallen.

Was bedeutet das für das Ruhrgebiet? Ermittelt man der Einfachheit halber den Investitionsbedarf für Schulen im Ruhrgebiet proportional zum Gesamtansatz (was man streng genommen nicht tun sollte, da der Investitionsbedarf in den neuen Bundesländern wegen der vielen Schulneubauten in den letzten 15 Jahren dort vergleichsweise geringer ist), geht die Rechnung folgendermaßen: 73 Mrd. Euro bei ca. 82 Mill. EW – das entspricht in etwa 900 Euro pro EW. Im Ruhrgebiet mit seinen 5 Millionen Einwohnern wären dies also ca. 4,5 Milliarden Euro, die bis 2020 in die Schulen der Region investiert werden müssten – es dürften eher mehr sein, denn das Ruhrgebiet hat einen überproportional hohen Besatz an veralteten Schulgebäuden.

4,5 Milliarden Euro – ist das nun viel oder wenig? Hamburg wird sagen: „Das ist nicht viel. Das sind gerade mal zehn Elbphilharmonien“, und auch die Blitzrechner im Ruhrgebiet dürften nur mittelmäßig beeindruckt sein: „4,5 Mrd. Euro geteilt durch ca. 15 Jahre, das sind 300 Mio. Euro, geteilt durch 5 Mio. EW sind das doch nur 60 € im Jahr, also 5 € pro Monat – meine Güte, das ist EINE Margherita, ohne alles. Wo ist das Problem?“     

Es ist auch dringend notwendig, dass diese viereinhalb Milliarden Euro kein Problem darstellen, denn sie sorgen lediglich dafür, dass das vorhandene System weiter funktioniert: Veraltete, undichte Fenster werden ausgetauscht, neue Heizungssysteme eingebaut, gesundheitsgefährdende Baustoffe entfernt, Wärmedämmung angebracht, Datenleitungen verlegt, neues Schulmobiliar angeschafft, Fachräume renoviert und neu ausgestattet, Mensen, Cafeterien für den Ganztagsbetrieb eingerichtet usw.

Falls die Ruhrgebietsstädte in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren rd. viereinhalb Milliarden Euro in Schulgebäude investieren, ist das also noch lange keine „Bildungsoffensive“. Bildungsoffensive – das würde nämlich auch bedeuten: eine Anpassung vorhandener Schulräume an zeitgemäße Lern- und Unterrichtskulturen, eine Neuordnung der verschiedenen kommunalen Einrichtungen zu lokalen Bildungslandschaften, und natürlich eine Schaffung von bestmöglichen, Kreativität fördernden Arbeitsplatzbedingungen in den Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen, wie sie etwa im modernen Bürobau völlig unstrittig sind  (– ja, Kinder, Jugendliche und Lehrer „arbeiten“ in der Schule, und wer sich die immergleichen 60qm-Lernboxen anschaut, in denen heute noch 30 Kinder Tag für Tag im Gleichtakt mit Wissen instruiert werden, wundert sich über den kompletten Widersinn eines solchen Konzepts und muss die Schule, neben dem Callcenter, als letzte Bastion des fordistischen Arbeitsprinzips empfinden; aber das nur am Rande).

Bildungsoffensive – das würde auch bedeuten, Bildungseinrichtungen für eine aktive Stadtentwicklung einzusetzen. Denn Schulen sind – das wird in den zahlreichen Programmgebieten der „Sozialen Stadt“ besonders deutlich – mit neuen Aufgaben und Anforderungen gesellschaftlicher Integration verbunden, sie fungieren dort als sozial stabilisierende Zentren eines Quartiers oder Stadtteils. Aber es geht noch weiter: Die Qualität von Schulen ist immer häufiger ein Ausschlag gebendes Motiv für Wohnortwechsel, und zwar im positiven wie im negativen Sinne. Familien ziehen in solche Städte oder Stadtteile, in denen die aus ihrer Sicht guten Schulen gelegen sind, nicht selten – und nicht nur in Berlin – fingieren sie sogar solche Wohnortwechsel, damit die Kinder an den betreffenden Schulen angenommen werden. Und aus den Stadtteilen mit den vermeintlich schlechten Schulen ziehen sie weg. Das mag man für kleinbürgerliche Mittelschichtenpanik halten, es ändert aber nichts daran, dass dies stattfindet, also Realität ist. Und es verweist auf einen generellen Trend, dem sich gerade die Ruhrgebietsstädte stellen müssen: Mit dem Wandel von der alten Industrie- zur Wissensgesellschaft werden jene Städte und jene Orte einer Stadt, in denen Wissenserwerb und Wissensvermittlung besonders gut gelingen, auch besonders attraktiv und erfolgreich sein. Den Schulen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu: aus ihnen, den „Wohnfolgeeinrichtungen“ der Vergangenheit, werden nämlich Standortbildner der Zukunft – noch ein Grund mehr, künftig sehr viel stärker in qualitätvolle Bildungseinrichtungen zu investieren.

Was heißt das nun wieder für das Ruhrgebiet? Es heißt: 4,5 Milliarden werden nur der Anfang sein. Wer aus dieser Region auch noch eine international anerkannte Wissenslandschaft machen will, wird in den nächsten Jahren einiges mehr investieren müssen. Mehr Geld, mehr Ideen, mehr Aufmerksamkeit.