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Blockade vor Unterkunft: Rund 80 Personen verhindern Abschiebung

do_abschiebblock1Um sechs Uhr morgens sollte er sich bereithalten. Dann sollte der Mann aus Pakistan bereit sein, mit Beschäftigten der Dortmunder Ausländerbehörde an den Düsseldorfer Flughafen zu fahren, in ein Flugzeug nach Rom zu steigen und sich nach Italien abschieben zu lassen. Doch dazu ist es heute nicht gekommen: Rund 80 Menschen blockierten die Zugänge zur Geflüchtetenunterkunft in Lütgendortmund und verhinderten so die Abschiebung des 23-Jährigen. Es berichten Sebastian Weiermann und Alex Gehrhardt
Der Mann war vor den Taliban geflohen und war zuerst nach Italien eingereist, bevor er auf seiner Flucht weiter nach Deutschland kam. Einen Asylantrag kann er darum nur in Italien stellen.

Dubliner Übereinkommen regelt Zuständigkeit für Asylanträge

Das liegt am sogenannten Dubliner Übereinkommen, einem Vertrag zwischen den einzelnen EU-Staaten über die Zuständigkeit bei Asylanträgen. Der besagt: Dasjenige Land, in das ein geflüchteter Mensch nachweislich zuerst einreist, ist für den Asylantrag zuständig. Die Krux: Außer auf dem Luftweg ist es quasi nicht möglich, Deutschland zu erreichen, ohne in einem anderen europäischen Land registriert zu werden. Die norddeutschen Seezugänge werden von Geflüchteten, die in der Regel aus dem Süden der Welt kommen, kaum bis nicht frequentiert, über den Landweg werden Menschen fast lückenlos erfasst. Für Menschen, die in Deutschland Asyl suchen, gibt es allerdings eine Möglichkeit, ihren Asylantrag hier zu stellen. Sind sie sechs Monate in einem Land registriert, fällt das Asylverfahren in dessen Zuständigkeit. Diese Regelung macht eine Blockade, wie sie in Dortmund erfolgte, zu einem erfolgversprechenden Modell für praktische, antirassistische Solidarität.
Organisationen wie Pro Asyl kritisieren den Umgang mit Geflüchteten in Italien seit Längerem. Weil die Aufnahmeplätze nicht ausreichten, drohten Abgeschobenen dort Obdachlosigkeit und Verelendung (hier die Pressemitteilung von Pro Asyl: http://www.proasyl.de/de/news/detail/news/sind_abschiebungen_nach_italien_menschenrechtswidrig). Auch der Pakistaner aus Dortmund hat laut der Pressemitteilung der Blockierer längere Zeit in Italien auf der Straße gelebt, bevor er nach Deutschland weiterreiste.

Mit Transparenten gegen die Asylgesetze

Die Aktivistinnen und Aktivisten stellten sich kurz nach fünf Uhr morgens vor das Zufahrtstor und einen Eingang zur Gefüchtetenunterkunft im Grevendicks Feld und blockierten somit den Weg, den das Personal der Ausländerbehörde hätte nehmen müssen, um den jungen Mann abzuholen. Zudem legten sie Transparenten mit den Schriftzügen „Refugees welcome“ oder „Bleiberecht für alle“.
Weder die herbeigerufene Polizei noch die Beschäftigten von der Ausländerbehörde versuchten, die Blockade aufzulösen und die Abschiebung wie geplant durchzusetzen: Kurz nach 7 Uhr zog das Ordnungsamt unverrichteter Dinge wieder ab. Die Polizei beobachtete die Situation noch eine Weile, die Stimmung zwischen den Blockierern und der Polizei war sehr entspannt. Gegen 8 Uhr löste sich die Blockade auf, und alle Beteiligten konnten mit einem guten Gefühl nach Hause gehen.

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Robert F.
Robert F.
9 Jahre zuvor

Inwiefern ist es denn hier relevante, dass sich die „Aktivisten“ als „antirassistisch“ wahrnehmen? Ist es rassistisch, wenn man nicht in Deutschland sondern Italien Asyl beantragt? Das der betroffene dem hörensagen nach in Italien auf der Straße lebte, ist nicht schön. Von politischer Verfolgung war er dort aber offensichtlich nicht betroffen. Ich persönlich empfinde es als kontraproduktiv, das wichtige Thema Rassismus in dieser Form mit der Flüchtlingspolitik zu vermischen. „nö border“-Aktivisten sind in meiner Wahrnehmung eine marginale Gruppe. Dass diese mit solchen Aktionen dem Wunsch der Mehrheitsbevölkerung nach einer gesteuerten Flüchtlingspolitik entgegenstehen, ist aus meiner Sicht nicht hilfreich. Ich denke, hier trägt der Wunsch, sich als ethisch-moralisch überlegen zu fühlen schon pathologische Früchte.
Und jetzt höre ich mir gerne an, dass es ja auch Rassismus ist, wenn man nicht im Land seiner Wahl Asyl erhält. Ich teile diesen Standpunkt allerdings nicht.

Nora
Nora
9 Jahre zuvor

Naja, also es geht ja darum, dass das Gesetz einfach völlig hirnrissig ist, weil dieses Gesetz unter Anderem der Grund dafür ist, dass die Lage in Italien so schlecht für Flüchtlinge ist. Außerdem ist es ein Zufall, dass Deutschland eben nicht an einer europäischen Außengrenze liegt und deswegen schlicht und weg einfach total wahllos, dass nur in den Staaten, die zuerst erreicht wurden Asyl beantragt werden kann. Ich sehe es als eine Kritik an dem Gesetz, welches die Flüchtlingspolitik extrem verschlechtert. Und eben in diesem konkreten Fall als einen Versuch die 6 Monate zu überschreiten, damit dieser junge Mann Asyl in Deutschland beantragen kann. Wieso findest du man sollte nicht Asyl beantragen können wo man will? Wieso sollten die Länder an den Außengrenzen die ganzen bedrohten Menschen aufnehmen? Wieso hat Deutschland das Recht sich so aus der Affäre zu ziehen?

Tobias
Tobias
9 Jahre zuvor

#1/Robert: Vielleicht trügt ihre Wahrnehmung. Andernorts waren vor Wochenfrist 8000 Menschen unter dem Motto „Never mind the papers – Für ein recht auf Stadt für alle“ auf der Straße.

Schön wäre es, zu erfahren, warum sie den Vorwurf, es sei rassistisch, unterschiedliche Einreisegesetzgebungen für Menschen unterschiedlicher Herkunft zu erlassen, nicht Teilen. Da sie ihn ja offenbar kennen, könnten sie uns darüber aufklären, warum das nichts mit Rassismus zu tun hat, wenn die per Geburt zugewiesene Staatsangehörigkeit darüber entscheidet, ob ich mich in ein Flugzeug nach Frankfurt a.M. setzen kann oder ob ich mein Leben in einer Nussschale riskieren muss um da hin zu kommen.

Thorsten Stumm
9 Jahre zuvor

@ Robert F.
Auch ich finde die Wortwahl grenzwertig…heisst doch nicht anderes, dass jeder der irgendwie andere Meinung zu diesem Vorgang ist ein Rassist ist. Ein typischer Griff zur verbalen Moralkeule. Man kann am Asylrecht wirklich an vielen Stelle sehr berichtigte Kritik üben…aber rassistisch ist es nicht. Aber so verhindert man aktiv jeden qualifizierten Diskurs darüber..wer nicht meiner Meimung ist, der ist halt Rassist und in den Behörden sitzen die sowieso….und wieder ist das gute Gefühl der bessere Mensch zu sein wieder verbal herbeigeprügelt….

Tobias
Tobias
9 Jahre zuvor

#4/Thorsten: Vielleicht reden wir aneinander vorbei? Die Kritik der Aktivisten geht nicht gegen irgendwelche Leute, sondern gegen die Gesetzgebung. Diese kritisieren sie weil sie sie falsch finden.

Mir ist nicht klar, warum deshalb andere Meinungen von vorne herein rassistisch sein sollten, oder mit welchem Grund den Leuten, die da Blockiert haben, so eine Diskursstrategie unterstellt wird. Wenn sie ernsthaft an einer Inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Blockieren oder Sympathisant_innen wie mir interessiert sind, dann empfehle ich eine Lektüre der Pressemitteilung http://www.docdroid.net/qxtn/pm-dortmund-0502-abschiebung-verhindert.pdf.html in der übrigens von Rassismus keine Rede ist.

Jaelo
Jaelo
9 Jahre zuvor

„und alle Beteiligten konnten mit einem guten Gefühl nach Hause gehen.“

Genau da ist das Problem.

Warum unterstützen die Aktivisten den Flüchtling nicht finanziell, so dass er ganz normal ein Visum beantragen kann?

Robert
Robert
9 Jahre zuvor

Wenn ich ein Gesetz für „hirnrissig“ halte, habe ich demokratische mitbestimmungsmöglichkeiten, um es zu ändern! Offensichtlich will die mehrheitsgesellschaft das nicht. Ich übrigens auch nicht. Ich wäre froh, wenn die Lebensbedingungen in den Herkunftsländern besser wären. Davon würden alle profitieren, nicht nur diejenigen, die 10000-15000 $ für Schlepper bezahlen können.
Staatsangehörigkeiten können über verschiedene Wege erlangt werden. Das es Regeln im Reiseverkehr gibt, die auch von der Staatsangehörigkeit abhängen ist imO völlig ok, um armutswanderungen zu verhindern. Rassistisch wäre es, wenn bspw. Grundsätzlich keine dunkelhäutigen Menschen nach Europa dürften.

Aber der letzte Satz im artikel fasst eigentlich alles zusammen: wir machen das hier, um uns als „bessere“ Menschen zu fühlen. Und da dies offensichtlich eine für den Selbstwert dieser Personen sehr wichtige Selbsteinschätzung ist, werden sie Kritik wahrscheinlich auch mit selbstgezimmerten moralvorschriften begegnen. Schade ist nur, dass ich keine Demonstrationen gegen faschisten mehr besuche, weil mich die Vermischung allgemeiner politischer Fragen mit Rassismus so nervt. Bleibt mal unter euch…

keineEigenverantwortung
keineEigenverantwortung
9 Jahre zuvor

Wir haben gesetzliche Regelungen, Verträge innerhalb der EU etc. Ebenso haben wir Gerichte, die bei schlechten Bedingungen etc. genutzt werden können. Das Verfahren ist aus meiner Sicht OK. Bei Fehlern müssen die Fehler beseitigt werden.

Natürlich ist wäre es toll, wenn jeder in jedes Land reisen könnte, das er besuchen wollte. Oft ist dies auch für finanziell gut ausgestattete Menschen wg. Visaregeln etc.nicht einfach. Richtig schwierig ist es, wenn Menschen dauerhaft in einem Land leben wollen, ohne dass die Einstiegszeit mit eigenen finanziellen Mitteln überbrückt werden kann. Hier sollte es nur Ausnahmen geben (z.B Asyl). Wenn Menschen flüchten, dabei durch viele Länder reisen, weil sie nach Deutschland wollen, ist es objektiv kaum nachvollziehbar, dass es um nur ein sicheres Leben geht.
Es stellt sich also die Frage, ob es um Asyl oder um Einwanderung geht.

Wir können uns auch entscheiden, dass jeder hier ohne irgendwelche Voraussetzungen leben kann. Dann müssen wir aber klären, welche Auswirkungen dies auf die Sozialsysteme hat.

Ich bin für ein Einwanderungsgesetz mit festen Kriterien. Und ja, damit werden Menschen nach ihrem voraussichtlichen Nutzen für ein Land bewertet. Ich halte das auch moralisch vertretbar, da Sozailsysteme/Versicherungen nur funktionieren können, wenn sie eine definierte Gruppe umfassen. Eine Erweiterung der Gruppe erfolgt nach einer Risikobewertung.

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[…] Hass und Gewalt alles verloren: Sein Haus, sein Land, seine ganze Familie. Er ist allein. Doch seine Chancen stehen schlecht, hier bleiben zu […]

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