Karl Bartos auf der lit.Ruhr

Karl Bartos (1976) Foto: Ueli Frei Lizenz: CC-BY-SA 4.0


Mit einer halben Million Förderung hat die lit.Ruhr an vier Tagen 80 Veranstaltungen rund um die aktuelle Literatur-Szene aus der Taufe gehoben. Dabei wurden viele große Namen, wie Nick Hornby, Sven Regener oder Donna Leon, in die Ruhrmetropole Essen gelotst. Ein besonderes Highlight war der Vortrag von Kraftwerk-Musiker Karl Bartos – aber es gibt auch kritische Bemerkungen bezüglich der lit.Ruhr. Von unserem Gastautor Peter Hesse.

Während vornehmlich die Automarken BMW und Mercedes, sowie ein paar SUV-Modelle auf dem Parkplatz der Zeche Zollverein aneinanderreihen, ist beim ersten Blick schon klar, dass die lit.Ruhr keine Kleinkunst-Veranstaltung für darbende Hipster-Studenten ist. Nein, hier trifft sich der gesunde Mittelstand und taucht ein in die Welt der vorgetragenen Lesungen. Als Folgeschäden des Sturmtiefs „Xavier“ können einige Vorleser nicht anreisen. Zum Beispiel Schauspieler Joachim Król kann genau so wenig erscheinen, wie die Autorin Ulla Hahn.

Geldgeber der lit.Ruhr sind die Brost-Stiftung, die RAG-Stiftung, die Krupp-Stiftung, die Innogy-Stiftung und die Stiftung Mercator. Böse Kritiker gehen sogar noch einen Schritt weiter und bekleben die lit.Ruhr mit dem Etikett eine kulturpolitsche Love-Parade zu sein. Das kommt nicht von ungefähr, denn unter anderem haben sich die Organisatoren der Kulturhauptstadt 2010 für dieses künstliche Literatur-Konstrukt stark gemacht: der ehemalige WDR-Intendant Fritz Pleitgen, sowie der Kulturmanager Oliver Scheytt.

Dennoch ist der Freitag gut besetzt. Während Sven Regener in Halle 12 vor fast ausverkauften Stuhlreihen zu Eintrittspreisen von 23 Euro liest, ist es bei Kraftwerk-Mitglied Karl Bartos in Halle zwei (die Tickets kosten hier 21 Euro) nicht viel anders: nur ganz wenige Plätze bleiben unbesetzt und pünktlich um 21 Uhr erscheint der 66jährige Bartos mit 1Live-Moderator Klaus Fiehe an seiner Seite. In den nächsten zwei Stunden liefern sich die beiden Musik-Liebhaber eine Unterhaltung, die an ein hoch spannendes Tennis-Match erinnert. Klaus hat die unglaubliche Faktendichte von der Bartos-Biografie „Der Klang der Maschine“ quasi inhaliert, dass der Kraftwerk-Musiker mehrfach bemerkt, dass Fiehe sein Leben quasi besser kennt als er selbst. Dieser Wälzer ist 600 Seiten dick, im Eichborn Verlag erschienen und aufgeteilt 16 Kapitel. Mit Sicherheit ist es eines der interessantesten Musiker-Biografien aus der jüngeren Vergangenheit.

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Das Konzert von Eskimo Callboy in Köln

Brechend voll war es heute im ausverkauften E-Werk in Köln.  An die 2000 Fans waren gekommen, um mit den sechs jungen Musikern von Eskimo Callboy gemeinsam ihr neues Album “The Scene“ (25.08.2017) zu feiern.

SLAVES & BAD OMENS bestritten die ersten zwei Stunden das Vorprogramm  der Castrop-Rauxeler Metalcore-Band, und als um Punkt neun der große Vorhang fiel und Drummer David Friedrich als erster die Bühne betrat, gab es kein Halten mehr. Ein großes “X” leuchtete im Hintergrund und stimmte direkt auf das neue Album ein, wovon Eskimo Callboy auch gleich den ersten Song zum Besten gaben.

Seit 2010 sind sie gemeinsam musikalisch unterwegs. Sie spielen Metalcore mit Post-Hardcore-Einflüssen, den sie mit Elementen des Techno mischen, sie selber nennen ihren Musikstil „Porno-Metal“ mit Texten, die man nicht zu ernst nehmen sollte.

Begeisternde Auftritte bei traditionsreichen, aber auch musikalisch unterschiedlich ausgerichteten Festivals wie Wacken oder Southside/Hurricane sowie Headliner-Slots bei Olgas Rock, Mash Up und Rockaue zeigen, wie sehr sich die Sechs im extremen Metal-Segment etabliert haben. Kein Wunder, Eskimo Callboy touren unentwegt und zementieren sich ihren hervorragenden Ruf vor allem durch ihre hochenergetische Live-Show, die einen Konzertsaal immer in einen Hexenkessel verwandelt.

Nach ihren letzten beiden Top Ten-Alben “We Are The Mess“ (2014) und “Crystals“ (2015) sowie dem Song “Best Day feat. Sido” schlagen Eskimo Callboy mit neuen Songs wie “Back In The Bizz”, “MC Thunder”, “VIP” oder der ersten Single “The Scene feat. Fronz‘ (Chris ‚Fronz‘ Fronzak von Attila) sämtlichen Szenezuordnungen erneut ein Schnippchen und liefern Hymnen für das Neue Zeitalter, in dem die unterschiedlichsten Genres eine ausgelassene Party miteinander feiern.

Wie viele Bands der neuen Generation von DIY-Künstlern haben die Castroper sich nun auch dazu entschieden,  ihr aktuelles Album “The Scene“, das am 25. August erschienen ist, selbst zu produzieren, aufzunehmen und zu mixen, ebenso ihre Videoclips. Bis dahin war es aber ein langer Weg: 2011 unterzeichnen die sechs Musiker aus dem Ruhrgebiet ihren Plattenvertrag, u.a. nachdem ihre Video-Version des Katy Perry-Hits „California Gurls“ über eine Million Mal auf YouTube angeklickt wird. 2012 erscheint das Debüt „Bury Me In Vegas“, eine erfolgreiche Asien-Tour durch Japan, China und Russland folgt. US-Touren als Support von Callejon und Asking Alexandria bilden den Grundstein für eine eigene Headliner-Tour durch Nordamerika, das dem deutsch-französischen Kultursender ‚Arte‘ eine eigene Dokumentation wert ist.

Ihre tanzbare, moderne Gitarrenmusik kommt an, u.a. spielen Eskimo Callboy auf dem renommierten Wacken-Festival, sie erhalten den Metal Hammer Award als bester Newcomer 2013. Das zweite Album „We Are The Mess“ erreicht im Januar 2014 einen sensationellen 8. Platz in den deutschen Charts (Platz 64 in Österreich). Zwei ausverkaufte Touren durch Deutschland und Europa schließen sich an. Mit ihrem dritten Album „Crystals“ steigen sie im April 2015 sogar auf Platz 6 der deutschen Charts ein (Österreich Platz 54, Schweiz Platz 70). Die parallele Tour führt sie durch sechs ausverkaufte deutsche Clubs, dann sogar nach Russland und auf diverse Festivals in Deutschland und Österreich.

Ausverkaufte Headline-Shows hierzulande sind mittlerweile Regel, internationale Tourneen folgen unter anderem mit den US-Bands Five Finger Death Punch und Papa Roach.

Und auch heute Abend ließen sie wieder keine Wünsche offen, alte und neue Songs wechselten sich ab und sorgten für eine kontinuierlich ausgelassene Feierstimmung im Publikum und auf der Bühne. Auch wenn das neue Album weniger „extrem“ rüberkommt, ist es doch genauso unverkennbar ein Eskimo-Callboy-Werk und eine hervorrangende Ergänzung zu dem Altbekannten. Ein rundum gelungener Abend, hier sind die Fotos:

Setlist:

The Scene, My Own Summer, We Are The Mess, Shallows, Back in the Bizz, Party at the Horror House, The Devil Within, Banshee, Muffin Purper-Gurk, Pitch Blease, Cinema (Skrillex cover), Rooftop, VIP, New Age, Is Anyone Up, Calling, Crystals, Best Day, MC Thunder

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Premiere in Oberhausen: Antigone (irgendwie von Sophokles oder so)

Christian Bayer als Antigone am Theater Oberhausen (Foto: Isabel Machado Rios)

Babett Grube ist Hausregisseurin am Theater Oberhausen. Sie stellte sich am 6.10. mit einer erstaunlichen Antigone dem Publikum vor. Nach den arg rumpeligen Schimmelmanns nun also ganz hehre griechische Tragödie auf der großen Bühne. Folgerichtig sitzt auch ein Teil des Publikums in einem Miniamphitheater auf der Bühne, der Rest darf ganz normal im Zuschauerraum Platz nehmen. An den Seiten des Portals stehen mehrere Flipcharts. Sie spielen im Weiteren keine Rolle mehr. Am Rand  der Bühne sind Tische mit diversen Computern, Bildschirmen und einigen anderen technischen Apparaturen aufgestellt. Aus dem Bühnenhimmel baumeln Schläuche und LED-Lichterketten herunter. Tragödie als Versuchsanordnung, Antigone als Laborratte. Warum nicht? Vier Darsteller laufen schon während des Einlasses geschäftig herum, mit Laptops in der Hand, tippen darauf herum, murmeln irgendwas und sprechen auch mal kurz mit dem einen oder anderen Zuschauer. Dann stürmen sie irgendwann zu den Türen, rufen sich gegenseitig „sichern!“ zu

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Symposium mit wenig Zukunft an der Folkwang

Tradition gegen Zukunft: „Der grüne Tisch“ von Kurt Jooss. (Foto: Andrea Mohin)

Im Frühjahr diesen Jahres veröffentlichte die vom Kunsthochschulbeirat beauftragte  Tanzkommission NRW ihren Abschlussbericht. Ein Jahr lang hatte sie die Tanzausbildung in NRW – an der HfMT Köln und der Folkwanguniversität der Künste in Essen unter die Lupe genommen. Obwohl der Bericht aufgrund methodischer Mängel sowie faktischer Fehler nicht unproblematisch ist und sogar nachgebessert werden musste, enthielt er doch in seiner Grundtendenz richtige Thesen: An der HfMT mangelt es der eigentlich gut und zukunftsfähig strukturierten Tanzausbildung an räumlicher und personeller Ausstattung, an der Folkwang führt eine allzu starke Fixierung auf die Tradition – Jooss, Leeder, Bausch – dazu, dass die Studierenden kaum noch marktgerecht ausgebildet werden. Sowohl etliche Leiter von Tanz-Ensembles wie auch ehemalige Studierende der Folkwang Universität bestätigen diesen Eindruck.

Nun kündigt die Folkwang Universität für den 13. bis 15. Oktober ein Symposium „Folkwang Tanz“ an.

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Lambert – der Piano-Mann mit der Maske kommt in die Kölner Kulturkirche

Credit: Andreas Hornoff

Seine Maske, die einer Antilope gleichkommt, wirkt so sagenhaft wie seine Musik. Wenn Lamberts Hände über Moos, Steine und Asphalt gleiten, erzeugen sie Töne, die verzaubern und sein Klavierspiel am echten Piano hat etwas so Erhabenes, dass man gebannt zuhören muss.

Von ihm ist nicht viel mehr bekannt, als seine vorsichtig-filigrane Klavierkunst, mit der er seinen Reworks neues Leben einhaucht. Lambert interpretiert Songs von Deichkind, Trümmer, Die Sterne, Tocotronic, Beatsteaks, Bonaparte und Ja, Panik derartig neu, dass man sie als kleine Mini-Sinfonien wiederfinden kann. Er vereint Popkultur, Jazz und Klassik und zaubert daraus wunderschöne Klaviermusik.

Im Mai 2014 erschien sein Debütalbum “Lambert”, auf dem allerdings seine eigenen Songs zu hören waren.  Das Album, welches auf dem Berliner Label Staatsakt veröffentlicht wurde, hat Lambert selbst produziert und wurde von Nils Frahm abgemischt und gemastert. Mit ihm gelang ihm sein musikalischer Durchbruch.

Am 12. Mai diesen Jahres veröffentlichte der Wahlberliner sein bereits viertes Werk. 

Auf „ Sweet Apocalypse“ setzt sich Lambert auf ganz persönliche Art und Weise mit Ängsten, von denen bekanntlich viele aus der Vergangenheit weit über das Heute hinausspuken, in 12 Kompositionen auseinander.

Mal spendet er Trost, mal streichelt er sanft die Katze namens Melancholie, mal entwickelt er aus der Angst einen überlebensgroßen Pathos und lässt uns unerwartet über den Dingen schweben. Auf seinem dritten Album – dem ersten, das er für das in London ansässige Label Mercury KX aufgenommen hat – beweist der maskierte Pianist Lambert wieder einmal eindrucksvoll, dass er die komplette Gefühlsklaviatur des Lebens mit enormer Leichtigkeit spielen kann.

Sein Gespür für kleine, große Melodien ist dabei immer noch außergewöhnlich. Bei diesem Ausnahmetalent beschleicht einen ständig das Gefühl, dass ihm nie die feinen Melodien ausgehen.

Auf seiner Tournee zum aktuellen Album, die am 18. Oktober in Istanbul ihren Auftakt haben wird, wird er am 28.10. in der Rotunde in Bochum und am 15.11. in der Kulturkirche in Köln zu Gast sein.

Karten für beide Termine gibt es unter www.ticketmaster.de.

28.10.2017 Rotunde Bochum

15.11.217 Kulturkirche Köln

Veranstalter: Konzertbüro Schoneberg