„Rettet die Kulturhauptstadt“

In der FAZ fordert Andreas Rossmann die Rettung der Kulturhauptstadt

Foto: Kultur2010

Das Fazit seines ausführlichen Artikels: Zu viel Marketing, zuviele Gags und Gimmicks und zu wenig Kunst und Kultur. Zudem interessantes über die nicht vorhandene Perspektive der Philharmonie in Essen. Vielleicht ist der Text ein wenig zu stark auf Essen bezogen, aber das ändert nichts daran, dass hier das wichtigste Feuilleton des Landes Alarm schlägt. Wie war das mit dem Imagegewinn durch die Kulturhauptstadt? Hier der Artikel  .
Vielleicht wäre es an der Zeit, auch mal im Ruhrgebiet selbst offen über die Kulturhauptstadt zu diskutieren. Viele der Blogs, die sich dem Thema noch vor einem guten halben Jahr angenommen haben sind längst verstummt. Meine Frage: Muß die Kulturhaupstadt überhaupt gerettet werden? Wenn ja, wie?

Weitere Texte zu dem Thema:

Ärger in der Kulturhauptstadt

Die klassische Trgödie

Die Kulturhaupstadt und die M-Frage

 

Regener und sein kleiner Bruder

Sven Regener, Sänger der Band Element of Crime, liest heute in der Zeche in Bochum.

Foto: Eichborn

Und zwar aus seinem nicht mehr ganz so neuem Buch "Der kleine Bruder", dem letzten Teil seiner Lehmann-Triologie, der zeitlich gesehen allerdings der mittlere Band ist und im Berlin der frühen 80er Jahre spielt. Mir hat ja "Neue Vahr Süd" besser gefallen, aber bitte: 19.00 Uhr Einlass, 20.00 Uhr Beginn, Zeche Bochum    

Trio and Error: RWErbeniete

Es ist schon eine hübsch lange Zeit her, 1983 war es, da nannte die norddeutsche Alliterationspopband Trio ihre zweite US-Platte "Trio and Error". Und genau das könnte über der neuen Kampagne von RWE beziehungsweise Jung von Matt beziehungsweise Bungalow Brand Lab stehen: Trio und Errrors. Ich versteh die nicht!

Denn mal ehrlich, wer erinnert sich noch an die drei Musikclowns? Wer erkennt sie auf Anhieb auf den großen Zeitungsseiten. Bis auf den gebürtigen Wittener Stefan Remmler sind sie abgetaucht beziehungsweise ausgewandert. Und statt einmal zu erläutern, wer das Dreigestirn von der Stromtanke ist, wird geschwiegen (Vielleicht, weil die Jungs aus Großenkneten in ihren populärsten Zeiten für Greenpeace geworben haben?) Gesetzt wird allein auf Synapsenanschlüsse von "3 Worte", "3 Jahren" zu Trio. Nee, nee, ich glaub das funzt nicht. Genauso wenig wie das hässliche voRWEggehen – auch das sieht schwer aus nach Achtziger Jahren. .

Zudem wird ein windschiefes Produkt beworben. "RWE Proklima Strom 2011" soll unschlagbar klimafreundlich sein, nahezu CO2-frei erzeugt werden, weil Atomkraft und Wasserkraft gemischt werden. Trotzdem wird das Produkt wie der billige Jakob gepriesen: "Es wird Frühling, Sommer, Herbst, Winter – der Preis bleibt." Entweder ich bestell mir tollen Klimaschonstrom oder den günstigen Ramsch. Da ist also etwas faul.

Ziemlich erhellend ist das Kleingedruckte. Hier wird eine Mengenangabe nicht nur zum CO2 Ausstoß, sondern auch zum radioaktiven Abfall genannt. Pro Kilowattstunde entstehen demnach beim Proklimastrom 0.0018 Gramm "radioaktiver Abfall". Griff zum Taschenrechner: Im Jahr wäre ich als Kunde demnach für 3 Gramm Atommüll gut. Würden alle Bundesbürger Proklima beziehen, häuften sich immerhin rund 300 Tonnen an – pro Jahr. Anders gesagt: 25 Castorbehälter.

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Opel braucht Bürgen

Der Autobauer Opel will von Bund und Ländern eine dicke Bürgschaft, angeblich geht es um eine Milliarde Euro. Schuld ist weniger das eigene Geschäft, sondern die Probleme der Muttergesellschaft General Motors.

Foto: Flickr/Verleihnix

 

Für den US-Konzern GM sieht es angesichts der Finanzkrise und der daraus folgenden Absatzflaute richtig bitter aus. In Medienberichten wird bereits über eine Insolvenz spekuliert – und die würde auch den Traditionskonzern Opel treffen. Denn bekommt General Motors kein Geld mehr, dann könnte auch Opel bei den Banken vor verschlossenen Türen stehen. Ohne Kreditlinien läuft wenig, der Fahrzeugbauer mit Werken in Bochum, Rüsselsheim, Eisenach und Kaiserslautern stände dann im Regen. Damit das nicht passiert, soll wie schon bei den Finanzinstituten der Staat eingreifen und bürgen – also wir, die Steuerzahler.

Irgendwie schmeckt mir das nicht. Klar ist, sollte Opel die Bürgschaft benötigen, dann ist das Geld nicht automatisch weg. Aber ein Ausfallrisiko besteht. Warum soll dafür der Steuerzahler gerade stehen? Immerhin haben die Manager in den USA sich für einen freien Markt ausgesprochen; und der impliziert nun einmal Risiko.

Auf der anderen Seite sehe ich die über 25.000 Opel-Beschäftigten. Die mussten in den vergangenen Jahren schon genug Sparprogramme über sich ergehen lassen. Zuletzt war auch noch Kurzarbeit angesagt.

Vielleicht sollte Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Treffen am Montag doch das Scheckbuch zücken. Wenn es sich wirklich um ein Milliarde Euro dreht, dann sind das zwar rund 40.000 Euro pro Opelaner. Aber immerhin bleiben die Arbeitsplätze erhalten. Zumindest bis zur nächsten Sparrunde.

Gedanken über Marl

Früher war galt die Fleischtheke des ehemaligen Reals in der Dortmunder Nordstadt als der schlimmste Ort des Ruhrgebiets. Nicht wenige meinen, das der heute in Marl liegt.

Grimme Preis. Foto: Mengedoth

Sie kennen Marl nicht? Marl ist die Stadt neben dem großen Chemiewerk am Rand des Ruhrgebiets. Errichtet wurde die Innenstadt in den 60er Jahren von Architekten, die aus der DDR wegen mangelnder Kreativität ausgewiesen wurden und so sah Marl lange Zeit aus wie Berlin-Marzahn in hässlich. 

Der Mittelpunkt der Stadt ist ein Einkaufszentrum, dessen Dach man auf und zu machen kann – was aber noch nie funktioniert hat.  Es liegt an einem Platz, dessen Hauptfunktion es ist, durch seinen Namen die Partnerstadt Creil permanent zu beleidigen. Doch wirklich schlimm wird es ein paar Meter weiter im Rathaus. Wie der Namen andeutet, trifft sich dort der Rat der Stadt – ein Gremium mit einem ganz besonderen Charme.

Sollten einem nordkoreanischen Parteifunktionär jemals die Argumente gegen die Demokratie ausgehen, tut er gut daran, den Marler Rat zu besuchen: Da gibt es eine Bürgermeisterin, die ihren Mann eine eigene Partei hat gründen lassen die auf den fröhlichen Namen BUM hört und für die Ratsbeschlüsse ungefähr die gleiche Bedeutung haben wie für den ehemaligen Klosterschüler Josef Stalin in seiner Zeit die zehn Gebote: Schön dass es sie gibt, aber was haben sie mit mir zu tun? Entschuldigend wirkt da ein Blick in den Rat, in dem die Lokalpolitiker zwar der Überzeugung sind, dass von ihrem Handeln das Glück der Welt abhängt (Nahezu stündlich erwarten intime Kenner dieses nicht an mangelnden Glauben in seine Kompetenzen leidenden Gremiums Resolutionen zu  Themen  wie "Frieden im nahen Osten", "Reform der Scharia" und "Isländische Finanzkrise"). Wenn sie nicht gerade mit der Rettung dieses Planeten beschäftigt sind, überziehen die Ratsmitglieder einander mit Schmähungen oder Geschäftsordnungsanträgen.

Aber Marl hat auch seine Stärken – und die liegen im Export. Besonders gerne exportiert die Stadt Talente. Die meisten Marler die bei Sinnen sind verlassen spätestens an dem Tag, an dem sie die allgemeine Hochschulreife ausgehändigt bekommen fluchtartig die Stadt. Ehemalige Marler sind zum Beispiel Sönke Wortmann, Oliver Wittke oder Hans-Christian Ströbele. Geblieben ist hingeben der Reiter Christian Ahlmann, dessen Pferd ihn bei der Olympiade in Peking durch hinterlistiges dopen um eine Medaille brachte. Und dann gibt es Besucher wie Jürgen Möllemann, die Marl ausschließlich zum Zwecke des Suizids aufsuchen.

Soweit gehen indes die meisten Besucher des größten gesellschaftlichen Ereignisses der Stadt nur selten: Der Grimme-Preis erfreut sich bei den Medienschaffenden der Republik, zumindest wenn sie sich dem Unterschichtenmedium Fernsehen verschrieben haben. Natürlich weiß jeder, dass der Grimme Preis und vor allem seine Verleihung noch viel prächtiger wäre, wenn er nicht im Theater Marl stattfinden würde sondern in der Alten Oper in Frankfurt, dem Tempodrom in Berlin oder der Mehrzweckhalle von Bebra, die meines Wissens nach mit einem freundlichen Biber um die Gunst der Gäste buhlt. Alte Marler können über den Satz „Jeder will den Grimme, aber keiner nach Marl“ nur müde lächeln. Trotzdem steckt in ihm mehr als ein ordentliches Korn an Wahrheit.

Erstaunlich ist hingegen das Engagement der nicht mit dem 18 Lebensjahr geflohenen Menschen dieser Stadt. Verzweifelt kämpfen sie gegen die Tristesse an, organisieren Punk-Festivals, betreiben in Eigeninitiative ein ganzes Freibad und richten alte Hallen her, um klassische Konzerte stattfinden lassen zu können. Sie kämpfen gegen die Bedeutungslosigkeit ihrer Stadt wie die Holländer gegen die Nordsee – ein ehrenwertes, jedoch langfristig eher aussichtsloses Unterfangen.

Lafontaine und die Pressefreiheit

Trotz vollmundiger Bekundungen zum Presserecht: Die Linke hat, wie der Fall Heilmann zeigt, ein gespaltenes Verhältnis zu Informationsfreiheit. Allen voran ihr Vorsitzender Oskar Lafontaine.

Lafontaine. Foto: Die Linke

 

Es ist 14 Jahre her, da setzte Oskar Lafontaine im Saarland mit den Stimmen der damals mit absoluter Mehrheit regierenden Sozialdemokraten eine der massivsten Änderungen des Presserechtes in der Nachkriegszeit durch. Im Jahr zuvor war Ministerpräsident Lafontaine durch die sogenannte Rotlicht-Affäre belastet  worden. Das TV-Magazin Panorama und der Spiegel hatten recherchiert, das Lafontaine häufiger Rotlichtlokale in Saarbrücken besucht hatte und die Behauptung aufgestellt, Lafontaine hätte Gestalten aus dem Millieu Gefälligkeiten erwiesen. Lafontaine bestritt dies, sprach von Schweinejournalismus und schlug mit einer Änderung des saarlänischen Presserechtes zurück. Der Spiegel in dem Artikel "Letztes Wort für Lügner" über die Pläne Lafontaines : "Vier gravierende Einschränkungen der im Grundgesetz verbürgten Pressefreiheit wollte Lafontaine durchpeitschen: Gegendarstellungen müssen unkommentiert erscheinen, obwohl deren Wahrheitsgehalt von niemandem überprüft wird. Anmerkungen der Redaktion ("Redaktionsschwanz")  dürfen erst in einer späteren Ausgabe der Zeitung gedruckt werden und müssen sich auf "tatsächliche" Angaben beschränken. Die Kommentierung auch falscher Gegendarstellungen wird generell verboten. Gegen Fotos können Betroffene Gegendarstellungen erwirken. Richter, die über Gegendarstellungen entscheiden, sollen die Antragsteller bei der Abfassung des Textes beraten."

In leicht entschärfter Form wurden Lafontaines Pläne im Saarland Gesetz. 1999 wurde das Gesetz von der damals neuen CDU-Mehrheit im Landtag gekippt.

Uhlenbergs Eigentor: Kommt jetzt ein Untersuchungsausschuss?

Ich habe das Strafverfahren gegen den ehemaligen Abteilungsleiter des Umweltministeriums, Harald F., seit Monaten intensiv beobachtet. Ich war im Knast. Ich hab mit duzenden Leuten gesprochen. Und jetzt kommen wir zum Ende dieser Affäre und zum Beginn einer neuen. Aus dem Fall Harald F. entwickelt sich ein Justizskandal. Nach meinen Recherchen konnte die zuständige Staatsanwaltschaft auch nach gut sechsmonatigen Ermittlungen den Tatverdacht des banden- und gewerbsmäßigen Betrugs, der Korruption und der Untreue gegen Harald F. und ein duzend weitere Beschuldigte nicht erhärten. Im Gegenteil: Nach Auskunft des ermittelnden Oberstaatsanwaltes Ralf Meyer wurden mittlerweile die besonders schweren Vorwürfe fallengelassen. Lediglich wegen eines möglichen Untreue-Verdachtes werde weiter ermittelt. Ich habe aus den Reihen von Grünen und SPD gehört, dass Parlamentarier darüber nachdenken, einen Untersuchungsauschuss einzuberufen. Es geht darum zu klären, ob Uhlenberg seine Macht mißbraucht hat. Nachdem er schon mindestens eine PFT-Tabelle frisiert hat, um damit die Öffentlichkeit über eigene Erfolge zu täuschen, wie das Landgericht Berlin in einem Urteil festgestellt hat.

Der Mann neben der Kuh ist Uhlenberg, der NRW-Umweltminister. Das Foto ist von der Seite des MUNLV.

Oberstaatsanwalt Meyer sagte, es seien alle beschlagnahmten Gelder wieder freigegeben worden. Auch ein Haftbefehl gegen den Hauptbeschuldigten Harald F. wurde zurückgenommen. Es gebe keine Verdunklungsgefahr mehr, sagte der Ermittlungsleiter. Das bemerkenswerte daran ist, dass Meyer noch vor ein paar Wochen wie ein Wolf gegen die Aufhebung der Arreste gekämpft hat. Die verfolgten Firmen sollten nicht ihr Geld frei kriegen. Auch wenn das deren Ruin bedeuten würde. Meyer setzte ein entsprechendes Urteil vor dem Landgericht in Wuppertal durch. 

Jetzt die Kehrtwende. Und auch bei dem letzten verbliebenen Vorwurf stapelt der Oberstaatsanwalt nun tief. Meyer sagte mir, er müsse zunächst einen Bericht an die Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf senden, dann werde über die mögliche Einstellung des Verfahrens entschieden. 

Zwischendurch habe ich erfahren, dass die Generalstaatsanwaltschaft schon seit Wochen mit dem Fall beschäftigt ist. 

Ich denke, es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Eingreifen der Generalstaatsanwaltschaft und der Wende im Fall F. Für Meyer, das LKA aber vor allem für den Anzeigenerstatter aus dem Umweltministerium ist das ein Debakel. 

Denn alles hatte so spektakulär angefangen, als in den Morgenstunden des 29. Mai eine der größten Polizeirazzien der letzten Zeit in NRW begann. Über 200 Beamte durchsuchten damals duzende Büros und Privatwohnungen. Es hieß, eine Bande rund um den Ex-Abteilungsleiter von Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) habe rund 4,3 Mio. Euro unterschlagen. Der Hauptbeschuldigte, Harald F., Mitglied der Grünen, wurde verhaftet.

Parallel zu den Durchsuchungen lief ein groß angelegter Lausch- und Spähangriff. Beamte des Landeskriminalamtes hörten tagelang über 30 Telefone ab. Gespräche zwischen Mandanten und Rechtsanwälten wurden mitgeschnitten. Emails aufgezeichnet. Und ein halbes Dutzend Personen wurde beschattet. Darunter Professoren, die für das Umweltministerium in Sachen PFT forschen. Prominentestes Lauschopfer ist der Geschäftsführer der Grünen im Landtag Johannes Remmel, von dem gleich ein Dutzend Gespräche aufgezeichnet wurden. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurden die Unterlagen mittlerweile vernichtet. 

All diese Maßnahmen haben den Tatverdacht nicht erhärten können. Stattdessen führen sie ins Ermittlungs-Nirvana.

Ich habe umfassende Einsicht in die Ermittlungsakten. Nach meinen Recherchen gehen die meisten Vorwürfe vor allem auf die Aussagen von nur zwei Belastungszeuginnen zurück. Die beiden Frauen, Dorothea Delpino und Ulrike Frotscher-Hoof, arbeiten im Umweltministerium. Als Motiv für ihre Beschuldigungen gab Delpino einmal an, sie wolle sicherstellen, dass Harald F. nicht wieder ins Umweltministerium zurückkehren könne. Zunächst wurden die Aussagen der Zeuginnen im Umweltministerium zusammengestellt. 

Dann zeigte das Umweltministerium von Eckhard Uhlenberg (CDU) den Ex-Abteilungsleiter im Sommer 2006 an. 

Wie ich aus Ermittlerkreisen erfuhr, waren die Recherchen im LKA zunächst umstritten. Doch besonders Kommissar L. trieb die Verfolgung in enger Kooperation mit dem Umweltministerium voran. Es liegen Emails des Kommissars vor, in denen er führende Mitarbeiter des Uhlenberg-Ministerium darum bittet, das weitere Vorgehen in Sachen Harald F. zeitnah mit ihm abzustimmen. 

Auch den Akten lässt sich eine Spirale rekonstruieren, in der sich die beiden Zeuginnen, die Ministeriums-Spitze, Kommissar L. und der Staatsanwalt Meyer immer weiter in ihren Verdachtsmomenten festfraßen, ohne tatsächliche Anhaltspunkte für Straftaten zu finden. Die Leute haben sich Akten hin und her geschickt. Aussagen abgesprochen und das weitere Vorgehen abgestimmt. Die Belastungszeugin Delpino durfte sogar Akten mit aus dem LKA nehmen, um sich privat dazu Gedanken zu machen. Das ist kein Unsinn. Das steht in den Ermittlungsakten. Aus denen ich aus rechtlichen Gründen nicht wörtlich zitieren darf. Sonst würde ich am liebsten die ganzen dubiosen Nummer hier im Original einstellen. 

Erst wenigen Wochen nach den Hausdurchsuchungen im Jahr 2008 erwiesen sich die meisten Beschuldigungen als haltlos. Zunächst wurde eine belastende Aussage über eine Reise des Ex-Abteilungsleiters nach Südfrankreich auf Kosten von Auftragnehmern des Ministeriums als Falschbeschuldigung entlarvt. Harald F. hatte die Reise selbst bezahlt. Ein angeblich als Schmiergeld ausgeteilter Laptop entpuppte sich als Projektrechner der Uni Aachen, den der Beschuldigte bereits vor Jahren zurückgegeben hatte. 

Nun stellt sich auch der letzte Vorwurf als kaum haltbar heraus. Und zwar beschuldigten die beiden Zeuginnen ihren Ex-Chef Mittel aus der Abwasserabgabe zweckwidrig verwendet zu haben. Die entsprechenden Mittel dürften nur zur Forschung und Entwicklung im Bereich des Gewässerschutzes ausgegeben werden. Nach bisheriger Meinung der Staatsanwaltschaft habe zum Beispiel ein Projekt zur Ermittlung der „Schadstoffeinträge in Oberflächengewässer“ nicht bezahlt werden dürfen. 

Aus der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf ist zu hören, dass es schwer sei, dem Abteilungsleiter einen Vorsatz für falsche Mittelverwendung zu unterstellen. Schließlich belegen Unterlagen aus dem NRW-Umweltministerium, die mir vorliegen, dass selbst Umweltminister Uhlenberg, die Verwendung der Abwasserabgabe für das angegriffene Projekt lobt. So heißt es in einem Forschungsbericht aus dem Januar 2008: „Die vom Land finanzierten Vorhaben sollen einen Beitrag zur Verbesserung des Umweltschutzes leisten und gleichzeitig wirtschaftliche Maßnahmen aufzeigen, die den Umweltstandard definieren.“ 

Intern heißt es in Ermittlerkreisen: "Uhlenberg kann nicht auf der einen Seite 2006 Anzeigen stellen, in denen er eine angeblich falsche Verwendung der Mittel angreift, und auf der anderen Seite diese Projekte dann weiterführen." 

Tatsächlich werden noch immer Ministeriums-Aufträge aus den Mitteln der Abwasserabgabe bezahlt werden, die nicht unmittelbar der Verbesserung der Gewässergüte dienen. So steht beispielsweise im Landeshaushalt, dass Mittel aus der Abwasserabgabe herangezogen werden, um Altlasten zu sanieren oder ein Bildungszentrum zu unterhalten. Beides Ausgaben, die nach Informationen von ehemaligen Angestellten des Umweltministeriums kaum unter dem Begriff „Forschung und Entwicklung“ zu fassen sind. Das Umweltministerium hat mir gegenüber diese Ausgaben für die Altlasten und das Bildungszentrum bestätigt. 

Auffällig ist, dass selbst das Umweltministerium die eigenen Anzeigen nicht besonders ernst genommen hat. So verzichtete das Haus von Minister Uhlenberg nach dem Ausscheiden des ehemaligen Abteilungsleiters darauf, einen möglichen Anspruch auf Schadensersatz geltend zu machen. Dafür hatte das Ministerium nach geltender Rechtslage bis Mitte 2007 Zeit. Entsprechende Forderungen sind aber bis heute nicht erhoben worden. 

Mehr noch: Aus den Ermittlungsunterlagen geht hervor, dass der der Uhlenberg-Staatssekretär Alexander Schink im Landtag NRW die Unwahrheit gesagt hat. So behauptete Schink gegenüber dem Parlament, das Ministerium habe nur zwei Anzeigen wegen kleinlicher Nebenaspekte gegen den Beschuldigten Ex-Mitarbeiter gestellt – alle Korruptionsvorwürfe seien vom Landeskriminalamt selbstständig ermittelt worden. „Warum das Dezernat Korruptionsbekämpfung dort tätig ist, entzieht sich meiner Kenntnis.“ 

Tatsächlich erstattete das Uhlenberg-Ministerium bereits am 14. Juli 2006 eine umfassende Strafanzeige gegen Harald F. Und zwar in der Korruptionsabteilung des LKA. Ausdrücklich bezog sich die Anzeige auf angebliche Korruption. In einem "Beiblatt zur Anzeige" heißt es: "Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, Forschungsaufträge mit einem Volumen von rund 2,1 Millionen Euro unter Missachtung der Vergaberichtlinien an die RWTH Aachen vergeben zu haben." Dafür sei ihm "zumindest ein hochwertiges Laptop seitens der RWTH zur Verfügung gestellt worden." Was ist das anderes als ein Vorwurf der Korruption? 

Doch das Umweltministerium ficht das nicht an. Bis heute bestreitet Schink die Anzeige vom 14. Juli. Bei der ersten Anzeige habe es sich lediglich um ein Schreiben gehandelt, in dem es um "Personalauswahlverfahren" ging. Ein Sprecher schrieb dazu in einer Email: "Die Unterstellung, Staatssekretär Dr. Schink habe den Landtag täuschen wollen bzw. getäuscht, wird mit Nachdruck zurückgewiesen." Weder dem Minister noch dem Staatssekretär sei eine Anzeige vom 14. Juli bekannt. 

Nicht beantwortet wird mikt dieser Aussage, warum der Justiziar des Umweltministerium mit einem Aktenkonvolut, Aussagen und einer detaillierten Vorwurfsliste der Belastungszeugin Delpino zum LKA gerannt ist. Denn auch das steht in den Akten. Will Schink behaupten, der Justiziar habe alleine gehandelt, gar eigenmächtig? 

Mittlerweile will das Umweltministerium, das verfolgte Firmen wieder für die Behörde arbeiten. Ein Sprecher sagt: "Das Ermittlungsverfahren stellt keinen Hinderungsgrund dar, laufende Projekte zu Ende zu führen oder neue Projekte bei Vorliegen der rechtlichen und fachlichen Voraussetzungen mit Auftragnehmern zu beginnen, die von dem Verfahren betroffen sind." Einer der beschatteten Professoren zeichnete verantwortlich für ein PFT-Gutachten des Ministeriums. Ein Uhlenberg-Sprecher sagte mir: Es seien keine Personen bekannt, die eine weitere Zusammenarbeit ablehnen würden. 

Nach meinen Recherchen stimmt auch das nicht. Etliche Personen haben ihre Jobs in den verfolgten Firmen verloren. Ein Ingenieur sagt: "Solange Frotscher-Hoof und Delpino noch im Amt sind, ist keine Vertrauensbasis mit dem Ministerium vorhanden." 

Ging es in erster Linie um Korruptionsbekämpfung? Das fällt schwer zu glauben. Harald F. gilt als einer der renommiertesten Kritiker des Umweltministers Uhlenberg im PFT-Skandal. Nach seiner Verhaftung liefen Gerüchte durch den Düsseldorfer Landtag, die vom Umweltministerium gestreut wurden, jetzt sei der PFT-Informant ausgeschaltet. 

Und tatsächlich kümmerten sich Beamte des LKA auch um das krebserregende Gift: Wie aus den Akten hervorgeht, hat das LKA etliche Unterlagen zum PFT-Skandal in den Räumen von Harald F. beschlagnahmt. Darüber hinaus fing das LKA mehrere Emails des Ex-Abteilungsleiters an Journalisten ab, in denen Informationen über den PFT-Skandal ausgetauscht wurden. Auch ich war betroffen. 

Weiter hörten die Ermittler mindestens ein Telefonat von mir mit dem Rechtsanwalt des Beschuldigten Harald F. und mit seiner Ehefrau ab. Nach Aussage der Staatsanwaltschaft wurden die aufgezeichneten Gespräche und Emails zwischenzeitlich vernichtet. 

Es ist unbekannt, ob Lecks aus dem LKA Unterlagen rechtswidrig an das Umweltministerium weitergereicht haben. Bekannt ist allerdings aus den Ermittlungsunterlagen, dass ein vorgesetzter LKA-Beamter hunderte Dateien und Akten unter anderem zum PFT-Skandal, an das Umweltministerium weitergereicht hat. Dort wurden die Dokumente detailliert ausgewertet. Ziel der Aktion war es laut Akten unter anderem, einen Maulwurf im Ministerium zu enttarnen, der die Medien mit Informationen versorgte. Umweltstaatssekretär Alexander Schink stellte mindestens eine Anzeige wegen angeblichen Geheimnis-Verrats gegen Unbekannt. 

Statt zu versuchen, seine Kritiker zum Schweigen zu zwingen, hätte sich Uhlenberg besser mit den Problemen an der Ruhr beschäftigt. So geht der PFT-Skandal in NRW ungebrochen weiter. Eigentlich sollte Mitte des Jahres eine Datenbank ins Internet gestellt werden, aus der jeder Bürger die aktuellen Messwerte von Schadstoffen wie PFT in den Trinkwasserflüssen von NRW erfahren sollte. Doch das Projekt „Fluss-Win-IMS“ wurde auf unbestimmte Zeit verschoben, obwohl die Datenbank nahezu fertig ist. Ein Beteiligter sagte: „Es steht in den Sternen, wann das kommt.“ 

Ein Ministeriums-Sprecher sagte mir, es werde planmäßig zum Ende des Jahres hochgefahren. Mich würde interessieren, wie das gehen soll, ohne den nötigen technischen Input. Nur wieder ein Märchen mit kurzen Beinen? 

Einen aktuellen Überblick über die PFT-Daten im Land ist auf jedenfall schwierig ohne„Fluss-Win-IMS“. Nach den letzten bekannten Zahlen aus dem Sommer jedoch ist er sichtlich, dass immer noch das Umweltgift aus den Klärwerken des Ruhrverbandes in die Ruhr strömt. Besonders aus den fünf am stärksten betroffenen Kläranlagen im Ruhreinzugsgebiet hat sich im Großen und Ganzen nichts getan. In Rahmedetal und in Werdohl strömten nach den Daten täglich über 120 Gramm PFT am Tag aus den örtlichen Klärwerken in den Ruhrzufluss Lenne. 

Unterdessen stellt sich auch eine andere Frage, die der Umweltminister seit Jahren vernachlässigt. Dadurch, dass er die Ursachen der PFT-Verseuchung nicht wirkungsvoll bekämpft, setzt sich das PFT in der Umwelt durch. Es kommt aus den Kläranlagen – zumindest zu 50 Prozent – an der Ruhr und schwemmt in Felder, Getreide, Fische, was auch immer. 

Nur im Trinkwasser ist die PFT-Fracht mittlerweile einigermaßen OK, weil die Wasserwerke reagiert haben. 

Aber die Angler, die über 160.000 Nanogramm PFT im Blut haben, weil sie PFT-verseuchten Fische gefuttert haben, werden sich darüber nicht freuen. Zum Vergleich: im Trinkwasser sind 100 Nanogramm je Liter der Grenzwert. Es gibt PFT in Wildschweinen. In Kühen überall.

 

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Stalin, Heilmann und der Flutsch-Express

Mit der Klage gegen Wikipedia hat sich der Linkspartei-Abgeordnete Lutz Heilmann nicht viele Freunde gemacht. Auch in seiner Heimatstadt Lübeck liegt er mit einigen seiner Parteifreunde über Kreuz. Ist die Wikipedia Anzeige der Höhepunkt eines länger laufenden Konfliktes? Heilmann selbst ist die Sache allerdings wohl zu heiß geworden.

Josef Stalin Foto: Wikipedia

Der 18. Dezember scheint für einige Mitglieder der Linkspartei nach wie vor ein ganz besondere Tag zu sein. Nicht nur Sarah Wagenknecht dürfte an dem Geburtstag von Josef Stalin ihrem Dutt eine Extraportion Haarspray gönnen, auch der Chef der Lübecker Linkspartei, Ragnar Lüttke feiert schon mal gerne das Wiegenfest des Diktators. Das berichtete zumindest der SHZ online am 7. Oktober. Lüttke, der die Feier als rein privates Ereignis darstellte (Das zufällig in den Parteiräumen begangen wurde), war sich sicher, wem er sein Outing als Anhänger des schnauzbärtigen Diktators zu verdanken hatte: SHZ: Dahinter vermutet Lüttke Parteikreise um Lutz Heilmann, denen er vorwirft, zu "Stasi-Methoden" zu greifen, "um mich fertig zu machen". 

Wie zufällig beschäftigte sich kurz darauf die BILD mit Heilmann. Das Blatt berichtete Heilmann würde seinen ehemaligen Lebensgefährten per SMS bedrohen, was Heilmann zurück wies. Es ermittelt die Staatsanwaltschaft. Die Immunität des Abgeordneten schützt Heilmann in diesem Verfahren nicht. Der Immunitätsausschuss des Bundestages hat nach Aussage Heilmanns festgestellt: „ dass der mich betreffende Sachverhalt kein Sachverhalt ist, in dem Immunität herzustellen ist, da die fragliche vorgetragene Handlung nicht im Zusammenhang mit meiner Mandatsausübung steht.“ Nun sieht Heilmann es so, dass die Immunität nicht aufgehoben wurde, weil sie in diesem Fall nie bestand, andere sehen es anders – ein Frage für geübte Verwaltungsjuristen.

Während also in Lübeck über SMS, Bedrohung und Trennung getratscht wurde, rückte ein Unternehmen in den Mittelpunkt des Interesses, dass der ehemalige Lebensgefährte von Heilmann gemeinsam mit ihm geführt haben soll – was aus den Unterlagen über seine Einkommenssituation auf Heilmanns Homepage nicht ersichtlich ist. Die Lübecker Nachrichten dazu: „Flutsch-Express.de“: Wer Kondome oder Sex- Spielzeug-Pakete sucht, scheint hier richtig zu sein. Betreiber: Die „Heaven Media“. Als Geschäftsführer ausgewiesen: Marcel Müller. Doch wer Müller anrufen will und die angegebene Telefonnummer wählt, hat in der Tat sofort Lutz Heilmann am Apparat. Gegenüber den LN wiegelt der Abgeordnete allerdings ab: „Ich betreibe solche Geschäfte nicht!“

Aber irgendwer gibt diese Infos an die Medien weiter – und das nicht, um über gezielte PR die Geschäfte des Flutsch-Express zu beflügeln, der mittlerweile offline ist. Mag sein, dass Heilmann auch bei den Autoren des Wikipedia-Artikels Intriganten am Werk sah – es wurden ja auch drei Personen von ihm persönlich angezeigt. Nur wenn man den Wikipedia-Artikel über Heilmann liest, kann man die Aufregung nicht verstehen. Es hat den Eindruck, als ob Heilmann schlicht die Nerven verloren hat und durchgedreht ist – und dabei dankenswerter Weise auch sein Verhältnis zum ungehinderten Zugang zu Informationen offenbart hat. Mittlerweile rudert Heilmann zurück und will den Rechtsstreit mit Wikipedia beenden: "Mir ging es dabei keineswegs um Zensur, sondern schlicht um eine wahre Tatsachen-Darstellung. Der juristische Weg hat sich dafür insoweit als problematisch erwiesen, als durch die Struktur von Wikipedia die anderen Userinnen und User in Mitleidenschaft gezogen werden. Das war nicht meine Absicht. Gemeinsam mit Wikimedia e.V. werde ich nach anderen Wegen suchen, um den offenen und freien Charakter von Wikipedia so weiter auszugestalten, dass Persönlichkeitsrechte gewahrt bleiben." Tja, hätte der Jurist Heilmann mal an der Uni besser aufgepasst, wären ihm die Konsequenzen seiner Klage wohl klar gewesen. Zeit genug Wissen anzuhäufen hatte er jedenfalls: Heilmann studierte satte zwölf Jahre.

Das Prinzip Heilmann

Einstweilige Verfügungen und Abmahnungen sind wichtige  Bestandteile unseres Rechtssystems. Nur manche nutzen sie gerne als Waffe.

Was haben die Jungen Freiheit und Gregor Gysi gemeinsam? Die (und hier wird es schon schwierig) Wochenzeitig für den Rechten mit Abitur und der Retter der SED zeichnen sich durch eine hohe Klagefreudigkeit aus. Während die Junge Freiheit schnell dabei ist, alle vor den Kadi zu ziehen die sie mit Begriffen wie Neonazis und Rechtsradikalismus in Verbindung bringen ist es nicht ganz unkompliziert über Gregor Gysi und die Stasi zu schreiben – nicht wenige Verlage legen ihre Texte vor Drucklegung erst einmal einem Anwalt vor, um sich juristische  Ärger zu ersparen.

Nun hat jeder das Recht, davor geschützt zu werden, in der Öffentlichkeit diffamiert zu werden. Niemand möchte zum Beispiel als Alkoholiker bezeichnet werden, weil er mal ein Bier trinkt oder als Krimineller, weil er mal falsch geparkt hat. Der Schutz des Rechtes ist ihm gewiss und das ist gut. Aber bei der Jungen Freiheit oder Gysi (und jetzt Heilmann) gibt es noch einen weiteren Aspekt: Abschreckung. Die Botschaft der klagefreudigen Postille und des Berliner Anwalts ist klar: Sich mit mir anzulegen ist ärgerlich und kann schnell teuer werden, eine unbedachte Formulierung reicht. Wer keine Lust auf Ärger hat lässt besser die Finger von gewissen Themen bei JF und Gysi und genau das ist wohl der gewünschte Effekt: Niemand soll sich genauer mit der Nähe der JF zu Neonazis und Rechtsextremisten beschäftigen und auch Gysis Interesse an einer öffentlichen Auseinandersetzung über sein Verhältnis zur Stasi ist eher gering.

Bei Heilmann hat das alles nicht so gut funktioniert.  Das passt zu seinem Looser-Lebenslauf:  Egal welche Aspekte des Wikipedia-Beitrages über ihn den Hinterbänkler gestört hat – jetzt kennen ihn alle. Aber das Prinzip ist das Gleiche wie bei JF und Gysi: Mit Recht Autoren zu verunsichern und so dafür zu sorgen, dass zumindest einige die Finger von Themen lassen, an denen man sich die selbigen schnell verbrennen kann.