Zeche Carl gerettet – Mitarbeiter nicht

Die Zeche Carl ist gerettet – aber die für die Mitarbeiter gibt es bislang keine sichere Perspektive.

Die Stadt Essen will die Zeche Carl als soziokulturelles Zentrum erhalten – das hat der Rat entschieden. Im Februar kommenden Jahres soll ein neuer Träger benannt werden, Bürger, Kulturinteressierte und auch die Mitarbeiter der Zeche Carl sollen sich an der Neukonzeption beteiligen können. Erst einmal eine gute Nachricht. Allerdings ändert das nichts an der Situation der Mitarbeiter der Zeche Carl. Die treten bald den Weg in eine Transfergesellschaft an. Ob jemand von ihnen im kommenden Jahr bei dem Neustart dabei ist, weiß bislang niemand. 

Gloria: „30 % des Kulturetats für die freie Szene“

Marcus Gloria hatte eine Idee und niemand wollte darüber  reden.

Gloria, Gorny, Townsend

Gestern im Museum Bochum: Die Stadt hatte eingeladen, um über die Pläne des Viktoriaquartiers zu informieren und zu diskutieren. Auf der Bühne saßen Marcus Gloria, Dieter Gorny, Bochums Kulturdezernent Michael Townsend und Stadtbaurat Ernst Kratzsch. Neben dem Bermudadreieck soll künftig jede Bochumer Kulturinstitution angesiedelt werden, die nicht bei drei auf den Bäumen ist (Konzerthaus, Fidena, irgendwann einmal das Prinz-Regent-Theater etc.) um so eine Atmosphäre zu schaffen, die die überall beliebte Kreative Klasse anziehen soll.  Im Kern eine gute Idee und wenn sie in Bochum alles hinkriegen deutlich realistischer als alles was auf Zollverein so versucht wird. Doch bei der Frage was man denn noch so tun könnte, um die Kreativwirtschaft anzuheizen hatte Marcus Gloria (Bochum-Total) eine Idee: 20-30% des Kulturetats der Stadt könnten doch künftig als Aufträge an die Freie Szene gehen. So würden Jobs geschaffen und viele Ideen, die bislang am Geld scheiterten, könnten realisiert werden. Zwei Mal wiederholte  Gloria seinen Vorschlag, indes niemand wollte darüber reden. Bochums Kulturdezernent Michael Townsend betonte als Replik auf Gloria nur .dass er nicht zwischen U- und E-Kultur unterscheiden würde, was schön ist, aber nichts mit Glorias Vorschlag zu tun, den Kulturetat radikal umzukrempeln.      

Loveparade auf der A40?

Die Chancen für die Loveparade 2009 in Bochum stehen nicht schlecht.

Loveparade in Dortmund. Foto: Stadt Dortmund

Mittlerweile hat die Stadt Bochum der Lopavent GmbH, dem Veranstalter der Loveparade, einen ersten Streckenvorschlag unterbreitet: Die Loveparade soll in Bochum auf der A40 stattfinden. Die Begeisterung über diesen Plan hält sich bei Lopavent in Grenzen – im Augenblick wird nachgedacht. Alternativ könnte auch eine Fläche am Kemnader Stausee in Frage kommen. Nichts dran ist wohl an den Gerüchten, dass die Loveparade im kommenden Jahr wieder in Dortmund stattfinden soll. Lopavent will an dem Konzept der jährlich wechselnden Stadt festhalten. Mal schauen, vielleicht finde ja alle Beteiligten noch weitere Alternativen – Vorschläge gab es ja schon viele.

VRR rächt sich an Nokia

Nokia hat den Standort Bochum dichtgemacht. Nun kommt die Retourkutsche.

Nokia Bahn. Foto: Wikipedia

Der VRR sucht nach einem Namen für die bisherige Nokia-Bahn, welche die Hauptbahnhöfe Bochum und Gelsenkirchen miteinander verbindet. Der Name Nokia-Bahn soll ab Dezember verschwinden. In Anlehnung an den neuen Arbeitgeber zahlreicher Nokia-Ingenieure Research in Motion (RIM) hatte Jens vom Pottblog schon vor Monaten eine sehr schöne Idee: Rimmelbahn. Noch vier Wochen lang kann man diesen und andere Vorschläge beim VRR einreichen. Kontakt: Sabine Tkatzik, Telefon: 0209/1584-421, E-Mail: tkatzik@vrr.de

Werbung

Telekom – Wie Spionage und Callcenter zusammenhängen

 Jetzt ist es also amtlich: die Telekom hat nicht einen, sondern mindestens fünf Aufsichtsräte bespitzelt. Die Empörung ist groß, denn der Konzern wurde von der Staatsanwaltschaft Bonn vor den Opfer über die neusten Entwicklungen informiert. Diese erfuhren erst von Vorstandschef René Obermann, dass in ihre Privatsphäre eingedrungen wurde.

Für die frühere Justizministerin Herta Däubler-Gmelin, die die betroffenen Aufsichtsräte juristisch vertritt, ein unverständliches Vorgehen. Die einseitige Informationspolitik der Staatsanwaltschaft sei "völlig inakzeptabel", sagte die SPD-Politikerin mir. Verständlich: Denn die Täter sind eher im Umfeld der Telekom zu suchen – im Fokus stehen Ex-Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke und Ex-Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel. Warum wird das Unternehmen dann vor den Opfern informiert? Die Telekom schweigt dazu; bei der Staatsanwaltschaft ist niemand erreichbar.

Im Konzern erzählt man sich nun folgende Geschichte: Telekom-Chef Obermann bat die Staatsanwaltschaft, ob er die Aufsichtsräte über die Spitzelattacke informieren könnte. Sein Ziel, er will die Stimmung verbessern. Denn seit dem Streit um die Verlagerung von rund 50.000 Mitarbeiter in konzerninterne Töchter herrscht dicke Luft zwischen Arbeitnehmerbank und Konzernführung. Mit der geplanten Schließung von zwei Drittel aller Callcenter hat sich die Lage nun noch einmal verschärft. Regelmäßig knallt es zwischen den Parteien, wie mir Beteiligte sagten.

Nun schaltet sich die Politik ein und damit kann es brenzlig für die Telekom-Führung werden. Auch wenn der Konzern stets versucht, den Einfluss von Berlin runter zu spielen. Wie die Rauswürfe von Ricke und Ron Sommer gezeigt haben, wichtige Entscheidung werden vom oder im Einklang mit dem Kanzleramt gefällt. Obermann weiß das. Er hat sich seit seinem Amtsantritt im November 2006 um einen guten Draht bemüht und kann auf eine breite Unterstützung in Berlin bauen.

Mit dem Kahlschlag bei den Callcentern bläst dem Vorstand aber plötzlich der Wind ins Gesicht. Mir liegen etliche Brief von Bürgermeistern und Bundespolitikern vor, die scharfe Kritik an den Plänen und auch an Obermann persönlich üben.

Da kommt die Spitzelaffäre ungelegen: Denn ausspioniert wurden die Daten von Aufsichtsräten der Arbeitnehmerbank. Die Arbeitgeberseite blieb unbehelligt oder steht mit Zumwinkel sogar selbst unter Verdacht. Moralisch ist die Konzernführung damit ins Hintertreffen geraten, auch wenn Obermann keine schuldhaftes Verhalten nachgesagt wird. Er muss also bemüht sein, das Thema schnell vergessen zu machen. Da ist es hilfreich, sich als erster im Namen des Unternehmens bei den Betroffenen zu entschuldigen.

RWE-Vorstand: Konzernumbau geht weiter

Der Essener Energieriese RWE soll nach dem Willen der Konzernführung weiter umstrukturiert werden. Die Zerschlagung der Dienstleistungstochter RWE Systems sei erst der Anfang, sagte RWE-Vorstand Ulrich Jobs in einem Gespräch. In über 100 Einzelmaßnahmen sollen Kosteneinsparungen von rund 1,2 Mrd Euro in den kommenden drei Jahren erreicht werden. „Davon haben wir Maßnahmen von 1 Mrd Euro bereits identifiziert.“ Neben größeren Projekten betonte Jobs vor allem die kleinen Einsparchancen, die etwa der Einkauf biete. „Wir müssen uns auch nach den kleinen Dingen bücken.“

Bei aller Umbaufreude bestätigte Jobs gleichzeitig die Beschäftigungsgarantie im RWE Konzern. „Wir stehen zu unserem Wort.“ Zwar würden in geringerem Umfang Stellen in Querschnittsfunktionen über die natürliche Fluktuation abgebaut. Gleichzeitig entstünden aber auch neue Jobs in Wachstumsbereichen.

Der Umbau des RWE war vor zwei Wochen ins Stocken geraten, als sich im Aufsichtsrat der RWE Systems eine Mehrheit gegen die Umwandlung der Aktiengesellschaft in eine GmbH gebildet hatte. Jobs sagte dieser Widerstand habe durch ein Statusverfahren überwunden werden können. Nach der Ausgliederung der Computersparte aus der Dienstleistungstochter werde die „Rest-Systems“ auf juristischem Wege in eine GmbH überführt.

Gleichzeitig widersprach Jobs aber Spekulationen, nach denen die Vertriebstochter RWE Energy ebenfalls zerlegt werden soll. Der RWE-Vorstand sagte, die Zwischenholding sei nötig, um die gut 400 Beteiligungen des Konzerns bei Stadtwerken und kleineren Handelsgesellschaften zu koordinieren und zu Überwachen. „Das ist in der Holding nicht zu leisten. Man darf sich nicht verzetteln in der Feinsteuerung eines Konzerns.“

Aus diesem Grund machte Jobs auch der verbliebenen Wassersparte des Konzerns keine Hoffnung auf eine Aufwertung der Aktivitäten. Das Geschäft in der RWE Aqua laufe so mit, sagte der Vorstand. Nach dem Verkauf der ausländischen Wasserbeteiligungen verwaltet RWE Aqua nur noch zwei wesentliche Gesellschaften. Den Ruhrgebietsanbieter RWW und eine Beteiligung an den Berliner Wasserwerken. Zwar sei es nicht ausgeschlossen, dass dieses Geschäftsfeld ausgeweitet werden könnte, sollten sich Gelegenheiten bieten. Jedoch sei dies eher unwahrscheinlich. Die Lage im Kerngeschäft Energie erfordere die „volle Aufmerksamkeit“ des Vorstandes.

Vor allem das Geschäft mit den Endkunden birgt für den Konzern Risiken. Nach der Strompreiserhöhung zu Anfang des Jahres hatte der Versorger bis Ende Juni unter dem Strich 200.000 Stromkunden verloren. Laut Jobs wurde aber in der vergangenen Woche eine Trendwende eingeleitet. Im August habe der Konzern erstmals wieder 6000 Kunden mehr gewonnen als verloren. „Bis zum Ende des Jahres wollen wir alle Verluste ausgleichen“, sagte Jobs.

Dabei hofft der RWE-Vorstand auf den Erfolg des Billiganbieters eprimo. Dieser habe 280.000 Kunden gewinnen können. Bis zum Ende des Jahres sollen weitere 100.000 folgen. Allerdinsg bestätigte Jobs, dass eprimo immer noch mit Verlust arbeite. „Wir hoffen in zwei bis drei Jahren kostendeckend zu sein.“

Darüber hinaus stehen die Investitionspläne des Konzerns im Zentrum der Aufmerksamkeit von Jobs. In den kommenden Jahren werde RWE über 10 Mrd Euro in neue Kraftwerkse stecken. Dazu kämen Investitionen in Projekte der Sparte für Erneuerbare Energieen in Höhe von 1 Mrd Euro. „Nimmt man diese Projekte zusammen, ist dies das größte Konjunkturprogramm der Bundesrepublik Deutschland“, sagte der Manager.

Auch im Ausland will Jobs nach der gescheiterten Übernahme der British Energy weiter wachsen. „Wir planen Investitionen in Polen.“ Dort werde in Kooperation mit einem Partner vor Ort ein Kohlekraftwerk gebaut. Zudem stünde der Bau von Kernkraftwerken in Bulgarien und Rumänien an. Selbst einen neuen Anlauf in Russland kann sich Jobs vorstellen. „Wir sind mit mehreren Partnern im Gespräch“. Erst vor wenigen Tagen musste RWE eingestehen, dass die Beteiligung an einem kleineren russischen Stromversorger gefloppt ist, nachdem die Russen nicht bereit waren die Kontrolle über den russischen Regionalversorger TGK-2 abzugeben.

Das Geheimnis der Uniklinik Münster

Manchmal ist es schwer, die Wahrheit zu finden. Wer ist Täter und wer Opfer? Auch im Fall der Uniklinik Münster, Fachbereich für Herztransplantationen, ist das so. Ich kann in die Details eindringen. Versuchen zu verstehen, und dann kommt eine neue Wendung. Was ist passiert, was ist wahr?

Die Uniklinik in Münster Foto: Münster

Vor wenigen Wochen ging ein anonymer Brief bei der Staatsanwaltschaft Münster ein. Ein Insider beschrieb dort Unglaubliches. Es ging um tote Patienten, einen arroganten Leitenden Arzt sowie Mitwisser in weiß. Der Brief spielte mit den Urängsten der Menschen in einer Klinik. Kann sich ein Patient auf seinen Doktor verlassen, wenn er bewusstlos und nackt auf einem OP-Tisch liegt? Wenn sein Herz herausgeschnitten wird?

Der namenlose Briefeschreiber jedenfalls raubte den Glauben an die perfekte Versorgung in Münster. Er beschrieb in 25 Einzelfällen teilweise detailreich angebliche Fehler und ärztliche Anmaßung. Ein Mann erhielt vermeintlich ein viel zu schwaches Frauenherz und wird noch 15 Mal nachoperiert, bis er an Blutvergiftung stirbt. Nach einer anderen, zunächst glatten Transplantation sei Blut aus einer Naht an der Lungenschlagader geflossen und der verantwortliche Arzt habe das ganze Herz einfach wieder herausgeschnitten. Insgesamt warf der Anonymus der Klinik vor, für 13 Leichen verantwortlich zu sein. Eine Art Mord im OP, zumindest aber Totschlag, so glaubte der Briefeschreiber zu wissen. Und die Täter dabei alles zu vertuschen.

Die Schreiben gingen auch an Angehörige der Toten, an Mitarbeiter der Klinik und an das Düsseldorfer Wissenschaftsministerium. So als wolle der Schattenmann sicher gehen, dass seine Botschaft bei den Betroffenen ankommt und der Klinik weh tut.

Die Staatsanwaltschaft reagierte auf die Schreiben. Mitte Juli wurde die Herzchirurgie der Klinik durchsucht. Damit nicht genug: Etliche Polizisten und Staatsanwälte durchkämmten die Wohnungen und Dienstzimmer von zwei duzend Ärzten. Etliche Patientenakten wurden sichergestellt und die Öffentlichkeit informiert. Ein Skandal.

Seither werden die Unterlagen geprüft. Es wird in den Dokumenten nach Fehlern gesucht, nach Zweideutigkeiten, nach offenen Fragen. Aber sind diese überhaupt zu finden, und die Vorwürfe gerichtsfest zu beweisen?

Man ahnt nur, wie schwierig diese Fragen zu beantworten sind. Immer wieder unterliegen Opfer von Behandlungsfehlern vor Gericht, wenn sie sich wehren wollen. Sie müssen einen Arzt verklagen, dem sie eben noch vertraut haben. Sie müssen beweisen, dass der Herr Doktor Murks gemacht hat. Selbst beste Gutachter können selten einen bewussten Fehler nachweisen. Noch schwieriger ist es, wenn kriminelle Mediziner Akten frisieren.

Selten gibt es harte Beweise, wie beispielsweise eine Tonbandaufnahme aus einem anderen Verfahren, das der Welt vorgespielt wurde. Auf dem Band aufgezeichnet: ein Streit zwischen einem Chirurg und einer Mitarbeiterin im OP. Die Mitarbeiterin weigert sich dem bewusstlosen Patienten mehr Betäubungsmittel zu spritzen. Der Arzt flucht, schmeißt das Skalpell weg und haut ab. Man hört sogar die Tür zuknallen.

In Münster ist der Fall allerdings nicht so eindeutig. Die Klinik streitet alle Vorwürfe kategorisch ab. Das erwartet man. Aber man erwartet nicht, dass der leitende Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer berichtet, wie sich Ermittlungen zum Teil in Luft auflösen: Eine angeblich an den Operationsfolgen verstorbene Frau erfreue sich etwa „bester Gesundheit“.

Gibt es also vielleicht gar keinen Skandal? Diesmal führen die Spuren weiter zurück. Sie führen in die Intrigenwelt einer deutschen Klinik, in das soziale Geflecht der Ärzte und Schwestern. Die Spuren führen zu der renommierten Herzchirurgin Sabine D., die auf der Karriereleiter nach oben wollte.

Sabine D. war die designierte Nachfolgerin des aktuellen Leiters des Transplantationszentrums. Sie sollte Chefin werden anstelle des Chefs. Doch irgendwas ging schief. Es kam zu Differenzen. Die Klinik kündigte ihr im Winter den Vertrag wegen „unüberbrückbarer Differenzen”.

Intern ist die Rede davon, dass die Doktorin im Hebst vergangenen Jahres der Rektorin der Uniklinik ein Schreiben über angebliche Mängel in der Herzchirurgie vorlegte. Vorwürfe gegen ihren Chef, dessen Nachfolgerin sie werden sollte. Dieses Schreiben soll nach Informationen der Staatsanwaltschaft nahezu deckungsgleich mit den anonymen Schreiben gewesen sein, die bei Angehörigen der toten Patienten eingingen – auch dort war immer wieder die Rede von unhaltbaren Zuständen.

Erstaunlich auch, dass die Anklagebriefe kurz nach der Kündigung von Sabine D. bei der Staatsanwaltschaft und den Hinterbliebenen eintrafen.

Schon bald hatte die Klinik Münster den Verdacht, Opfer einer Rachekampagne zu sein. Die Rektorin erstatte Anzeige wegen Verleumdung und übler Nachrede. Zuerst gegen Unbekannt. Später gegen Sabine D.

Schließlich ging alles schnell. Im August vernahm die Polizei die Herzchirurgin. Im September durchsuchte sie die Wohnung der Frau und ihres Lebenspartners. Sie beschlagnahmte USB-Sticks, Datenträger, Computer und Schreiben.

„Wir haben eine Reihe von Indizien und, wie wir meinen, Beweise”, sagt Oberstaatsanwalt Schweer. Damit meint er, dass er sicher ist, in Sabine D. den Anonymus erkannt zu haben.

Aber heißt das auch, dass alle Vorwürfe falsch sind?

Die Staatsanwaltschaft sagt, sie habe die Ermittlungen wegen der Todesfälle nicht eingestellt. Spätestens Anfang Oktober erwartet Oberstaatsanwalt Schweer ein Gutachten. Zwei externe Fachleute und vier Wissenschaftler der NRW-Landesregierung wollen klären, was sich tatsächlich hinter den Todesfällen verbirgt. Böse Gerüchte einer gescheiterten Karrierefrau oder ein Klinikskandal. Noch ist die Wahrheit schwer zu erkennen.

Doch Oberstaatsanwalt Schweer ist optimistisch: „Warten wir es ab, wir kriegen alles auf den Tisch.“

Kraftakt in Dortmund

SPD-Landesvorsitzende Hannelore Kraft griff in Dortmund ein und brachte die Lösung im Kandidatenstreit: Eine Mitgliederbefragung über die nunmehr drei Kandidaten, denn neben OB Gerhard Langemeyer, Kulturdezernent Jörg Stüdemann hat auch Stadtdirektor Ullrich Sierau seinen Hut in den Ring geworfen.

Über den künftigen Dortmunder OB-Kandidaten werden die SPD-Mitglieder in Dortmund nach vier  Mitgliederversammlungen per Briefwahl entscheiden.  Neben dem Amtsinhaber Gerhard Langemeyer und dem gestern von Partei- und Fraktionsvorstand vorgeschlagenen Kulturdezernenten Jörg Stüdemann geht auch Dortmunds Stadtdirektor Ullrich Sierau ins Rennen. Dieses Ergebnis präsentierte heute Mittag eine hochkarätige Runde im Tremonia-Saal des Dortmunder Rathauses. Neben SPD-Landeschefin Hannelore Kraft und  ihrem Generalsekretär Mike Groschek stellten Dortmunds OB Gerhard Langemeyer, Stadtdirektor Ullrich Sierau, Kulturdezernent Jörg Stüdemann, SPD-Bezirksvorsitzender Franz-Josef Drabig und der SPD-Fraktionschef Ernst Prüsse das Ergebnis der Verhandlungen aller Beteiligten vor – gestern noch hatten Prüsse und Drabig im selben Raum Stüdemann als Kandidaten auf das rote Schild gehoben – nun mussten sie den "guten Vorschlag von Hannelore" loben. Vor allem Stüdemann fiel das sichtlich schwer, aber auch Langemeyer wirkte so angeschlagen, wie ich ihn noch nie erlebt habe. Allein Sierau war voller Energie – kein Wunder, haben ihm doch die vergangenen Stunden erst die Möglichkeit eröffnet, OB zu werden.

Hannelore Kraft betonte, dass die SPD in Dortmund mit diesen drei Kandidaten über ein hervorragendes Personaltableau verfügen würde – und die 9.000 Mitglieder des noch immer größten SPD-Unterbezirks der Republik nun ihre Wahl treffen müssen. "Das ist ein gutes demokratisches Vorgehen", so die SPD-Landesvorsitzende.   

Bei der Entscheidung helfen sollen den Genossen vier Vorstellungsveranstaltungen, die, jeweils in den Landtagswahlbezirken, von Ende Oktober bis Anfang November stattfinden, werden. Moderator: SPD-Landesgeschäftsführer Mike Groschek. Anschließend bekommen alle einen Wahlzettel zugeschickt – inklusive einem frankierten Umschlag für die Rücksendung.

Bei aller Betonung der Einigkeit, bei aller allzu offensiv vorgetragenen Freude über den demokratischen Weg, der jetzt beschritten werden soll, wurde doch eines deutlich: Die SPD in Dortmund war dabei, ihre Einigkeit zu verlieren. Es war offensichtlich nicht möglich, die auseinanderdriftenden Interessen aller Protagonisten in Einklang zu bringen. Das Machtwort aus Düsseldorf soll nun den Streit wenigstens in geordnete Bahnen lenken. Klar ist: Die SPD wird bis zu ihrem Parteitag am 29. November die (Dortmunder) Medien dominieren – ob sich das für die Sozialdemokraten auszahlt, wird sich  zeigen müssen. 

Übrigens: Noch bis zum 6. Oktober können sich weitere Kandidaten bei der Partei melden.

Werbung

Eine Messe zu Ehren des Künstlers – Schlingensief bei der Triennale

Die Gebläsehalle des Landschaftsparks Duisburg-Nord hat sich kurzfristig in eine Kirche verwandelt: Das Publikum sitzt auf klassischen Holzbänken, während Christoph Schlingensief und Getreue in strikter Messe-Dramaturgie Leben und Leiden des Künstlers präsentieren – stellvertretend für uns (Künstler) alle, natürlich. Alle Vorstellungen sind ausverkauft, und das zu einer Uraufführung eines Herrn aus der Region. Da jubeln wir doch mal ab!

Als Erstes ein Lob an Bühnenbild und Architektur, Licht und sonstige Technik. Bis ins Detail (kleine Schränke und Bilder an den Seitenwänden), aber auch im Großen (Leinwände mit Live-Bildern von der Bühne und andere Filme; eine tolle Beweglichkeit im Bühnenbild auf engstem Raum; fantastisches Farb- und Fasergewaber ebenda) sitzt alles. Hier wird nicht nur Ensemble-Theater gespielt, hier stimmt es anscheinend auch generell mit der Chemie. Problem: Die Bühne ist für die meisten viel zu weit weg, da helfen auch keine Kirchen typische Prozessionen durch den Mittelgang. Alles in allem aber: Eine wirklich beeindruckende Kulisse.

Dann also das eigentliche Stück: Sämtliche Schauspieler leiden in Wort und Tat mit dem Regisseur (überstandenes Krebsleiden), zitieren Hölderlin, Beuys, Heiner Müller und viele andere, und immer geht es um im Grunde ganz normale Gedanken eines gar nicht mal ungewöhnlich denkenden und fühlenden Menschen, der ein wenig von Religion und klassischen Krankenhaus-Assoziationen abbekommen hat: Vergänglichkeiten und Versäumnisse hier, Aufbegehren und Ratlosigkeit da und da. Da es sich bei der Aufführung um ein Fluxus-Oratorium handelt (siehe Überschrift) ist alles ein wenig egomanisch bis spezifisch (katholisch), aber viele Gedanken und Gefühle stecken durchaus auch an. Angst gab’s allerdings wenig.

Und dann wieder: Skurrile Figuren tauchen auf, eine Band macht auf laut oder eine wirklich ganze Menge an Chorgesängen erweckt den Eindruck von Schönheit, symbolisiert aber wohl eher Schwere und kirchliche Macht. Irgendwann fragt man sich: Ja, aber… der lebt doch noch? Kommt jetzt die Party mal so sachte? Und tatsächlich spielt der Meister gegen Ende selbst mit, die Lichter werden weniger sakral und eher lebendig, und am Ende ist halt Ende. Genau, man wollte es ja auch nicht übertreiben mit der Schwere! Also geht man raus wie wohl aus einer Kirche sonst auch: Man hat mitgemacht und fühlt sich hinterher besser.
Das Stück insgesamt? Wirklich in Ordnung, leicht angemüdet vielleicht aber dafür in einigen Momenten und Szenen auch ganz stark. Wir dürfen uns auf ein Alterswerk freuen das Tiefe und Unbekümmertheit nochmal ganz neu mischt aber natürlich Schlingensief bleibt. Mal gucken was ihm als nächstes so passiert, gerüchteweise ist ja jetzt wieder das Thema Afrika dran. Möge er weiter missionieren gehen. Das Ruhrgebiet bedankt sich artig.