Essens Kreative Klasse II

180 Unternehmen präsentieren soch bei dem Festival Essens Kreative Klasse. Es ist die zweite Auflage des Events.

Zum zweiten Mal präsentiert sich Essens Kreative Klasse vom 16. bis zum 26. Oktober. In ganz Essen werden sich Agenturen, Verlage, Architekten etc. der Öffentlichkeit präsentieren – zum Teil in Veranstaltungen, zum Teil  bei Werkstattbesichtigungen.  Ab 2010 soll das Festival dann ruhrgebietsweit stattfinden. Bei der Auftaktveranstaltung im vergangenen Jahr lief wohl noch nicht alles rund – was ja nun einmal auch ein Zeichen für Auftaktveranstaltungen ist. Gut finde ich, dass sich Essen von der Roland-Berger Kreativ-Studie nicht entmutigen lässt und das Festival ab 2010 (vielleicht sogar schon im kommenden Jahr) im ganzen Ruhrgebiet stattfinden soll. Was mir nicht gefällt ist der Titel – er wirkt arg bemüht, kommt mit dem Holzhammer daher und ist leider alles, nur eines nicht: kreativ.

Bayern wird normal

Die letzte Parteienhochburg Deutschlands ist gefallen. In Bayern hat die CSU die absolute Mehrheit verloren.

Bayrische Schmankerlplatte von REWE

Damit setzt Bayern den Schlußpunkt hinter einer Entwicklung, die vor gut 30 Jahren begann: Die Parteien verloren seit den 70ern ihre Hochburgen, absolute Mehrheiten wurden zur Ausnahmen, Wahlsiege von 50 oder 60+ zur Seltenheit. Nun ist auch Bayern in der Normalität angekommen. Die Zeiten der Sonderwege sind vorbei. Allerdings geschahen die Wählerwanderungen innerhalb des bürgerlichen Lagers. So groß die Erschütterung in Bayern nach dem heutigen Tag ist – weder Köhler noch Merkel müssen sich allzu große Sorgen machen. Die FDP strebt im Bund ohnehin eine Koalition an, und die konservativen Wähler der Freien werden im kommenden Jahr kaum ihr Kreuz bei der SPD machen, die in Bayern ganz nebenbei auch einen Minusrekord eingefahren hat.

Die Bilanz der Stadt Dortmund – Was hat die SPD erreicht?

Im Kampf um die SPD-Vorherrschaft in Dortmund geht es nicht nur um die drei Personen, die glauben, die Stadt unter sich aufteilen zu können. Wie in einem Raumschiff schweben sie über Dortmund. Es wird vor allem um die Bilanz des Oberbürgermeisters Gerhard Langemeyer gehen und um die Frage, was hat die SPD in den letzten acht Jahren für die Menschen geleistet, außer ein unterhaltsames Rahmenprogramm inklusive Machtkampf.

Es geht um die wichtigen Fragen: Was ist gelungen? Zunächst ist da ein Bild der Erfolge auf die ein Betrachter blickt in der SPD-Herzkammer Dortmund. Mikrotechnik. Computertechnik. Forschung. Logistik. Das wird einem hingeworfen und eingetrichtert von gleich gefühlt einem duzend Pressesprechern. Aber was steckt dahinter? Wenn man hinter die Fassaden schaut? Wenn man sich eingräbt in die Details?

Bleiben wir zunächst noch mal kurz an der Oberfläche. Mit kräftigen Farben strahlt das Dortmund Project weit über die Ostruhrkommune hinaus. Es zeigt eine Stadt im erfolgreichen Strukturwandel – weg von der Stahl- und Bierindustrie hin zu modernen Branchen. Immer stehen die Erfolge im Zentrum. In der Informationstechnik, in der Logistik und in der Mikrotechnik. Unternehmen siedeln sich an. Jobs entstehen. Aufbruch überall. , Langemeyer hat das Dortmund Project mit seinem Namen verschmolzen.

Doch hinter den Kulissen wird das Projekt nicht so erfolgreich eingeschätzt. So versprachen die Unternehmensberater von McKinsey, dass in den neuen Branchen bis 2010 über 70.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Davon ist Dortmund heute weit entfernt. Langemeyer gibt zu, dass in den vergangenen Jahren lediglich knapp 40.000 Jobs dazu gekommen sind. Und es gibt wenig Hoffnung in dem verbliebenen Jahr diese Zahl zu verdoppeln.

Gleichzeitig verweisen die Kritiker auf die Schattenseiten des Dortmund Projects. Die Versicherungs- und Bankensektoren brachen am Standort Dortmund nahezu komplett weg. Tausende Arbeitsplätze gingen in Administrationen  verloren. Dazu kamen Einbrüche in den verbliebenen Industriebetrieben, im Handwerk. Überall, wo Menschen arbeiten, die keinen Uni-Abschluss haben.

Ein Mitarbeiter aus der Wirtschaftsförderung fast das knapp zusammen. „Das einzige was am Ende des Tages interessiert, ist doch, ob die Menschen in Dortmund Hoffnung auf sichere Arbeit haben.“ Und diese Hoffnung scheint enttäuscht zu werden. In der Amtszeit von Langemeyer fiel Dortmund auf den letzten Platz in der Arbeitslosenstatistik in NRW zurück und hat sogar das graue Gelsenkirchen als Schlusslicht vor sich gelassen.

Ist das nicht der Maßstab der an einen SPD-Oberbürgermeister angelegt werden sollte? Was hast Du für die Arbeit in Deiner Stadt getan?

Tatsächlich scheint es, als habe die Darstellung der Erfolge die Beschäftigung mit den Schwachstellen in der Stadt verdrängt.

Nur einige Beispiele: Im Gesundheitsamt haben drei Führungsleute Geheimdossiers über missliebige Mitarbeiter angelegt. In den Dokumenten heißt es etwa zu familiären Problemen einer Mitarbeiterin: „Persönlicher Eindruck: Frau … wirkt nicht niedergeschlagen oder irritiert. …familiäre Probleme nicht ersichtlich." Eine andere Mitarbeiterin wird abgekanzelt: „Persönlicher Eindruck: ist Argumenten nur schwer zugänglich, fühlt sich in der Opferrolle. Nimmt keine Unterstützung an." Es gibt duzende dieser Spitzeldateien.

Doch statt den Skandal aufzuklären, greift der Datenschutzbeauftragte der Stadt Dortmund die Spitzelopfer an. In einer vorliegenden Stellungnahme wirft er den Mitarbeiter vor, den Skandal selbst zu verschulden. Schließlich hätten sich ein Opfer einen Anwälte genommen und damit die Geheimdossiers einem Gericht bekannt gemacht. Dies sei nach Ansicht des Datenschützers der eigentliche Skandal: Schließlich seien die Bespitzelten „unter Strafe verpflichtet, über Verwaltungsinterna nach außen Verschwiegenheit zu bewahren.“

Die Spuren für die versuchte Vertuschung führen bis ins Oberbürgermeisterbüro: Die Frau des stellvertretenden Personalamtschefs ist eine der drei Spitzel. Ihr Mann ist nach dem Willen Langemeyers für eine Beförderung auf einen Amtsleiterposten vorgesehen. Der Datenschützer selbst ist direkt dem Büro des Oberbürgermeisters unterstellt.

Martin Steinmetz von der Gewerkschaft Verdi sagt. „Was sich hier in Dortmund derzeit abspielt, habe ich in 18 Jahren Gewerkschaftsarbeit noch nicht erlebt.“

Auch in der so genannten Koks-Affäre spielt der Filz um Langemeyer eine entscheidende Rolle. Eine Angestellte aus dem Oberbürgermeisterbüro hatte nach Angaben der Staatsanwaltschaft über 1 Mio Euro aus der Stadtkasse unterschlagen, um damit ihren Drogenkonsum zu finanzieren. Langemeyer will davon nicht gemerkt haben. Als Konsequenz wurden zwei Mitarbeiterinnen aus der Stadtkasse gefeuert. Für Gewerkschafter Steinmetz ein Skandal. „Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen.“ So hätten die Angestellten eine Weisung befolgt, das Oberbürgermeisterbüro und damit die Drogenabhängige bevorzugt zu bedienen. Von wem die Weisung kam, will der Gewerkschafter nicht sagen. Auch die beiden Mitarbeiterinnen schweigen sich noch aus. „Dies aufzuklären ist Sache der verantwortlichen Personaldezernentin“, sagte Verdi-Mann Steinmetz.

Intern allerdings schient klar zu sein, wer die Anweisung gegeben hat. Die Spur führt zum Leiter des Amtes für Bürgerdienste Peter Spaenhoff. Dieser stand bis Juni 2006 der Stadtkasse vor und wurde erst wenige Monate bevor die Koks-Affäre aufflog abgelöst. Spaenhoff ist kein Unbekannter. Sein Vater war SPD-Bürgermeister in Dortmund. Er selbst zählt zu den Getreuen Langemeyers. Bislang wird sein Name nicht von den Mächtigen in der Stadtverwaltung genannt.

„Das Problem ist nicht ein Amt. Sondern die schlechte Kontrolle über viele Ämter“, sagt Verdi-Mann Steinmetz.

Die Skandale setzen sich im städtischen Eigenbetrieb Fabido fort. Die Einrichtung ging aus dem Jugendamt hervor und ist für die Kindergärten zuständig. Hier lies die Behördenleitung einen Workshop filmen. Unter anderem wurde aufgezeichnet, wie Mitarbeiter in Tränen ausbrachen, als ihnen die Kündigung ausgehändigt wurde. „Die Menschen waren fertig. Sie konnten sich nicht wehren“, sagte einer, der dabei war.

Die Gewerkschaft Verdi verlangt, dass die Bilder gelöscht werden. Die Würde der Menschen sei angegriffen worden. Die Behördenleitung schweigt.

Die schlechte Stimmung schlägt durch auf die Betreuung der Kinder. „Die Leute können nicht mehr. Sie stehen kurz vor dem Kollaps“, sagt Steinmetz. Einige Mitarbeiter wollen einfach hinschmeißen. Andere erinnern daran, wie die Amtsleitung nicht reagierte, als in einem Kindergarten Gas austrat. Gleich mehrere Tage mussten die Erzieher darauf warten, dass ihre Einrichtung geschlossen und Ersatz geschaffen wurde.

Doch während in der Stadtverwaltung so der Zorn wächst, sieht sich Langemeyer als Opfer einer Kampagne von Verdi, CDU und FDP, wie er in einer Runde von Amtsleitern in dieser Woche sagte. Er selbst brauche sich keine Vorwürfe machen. Es fällt auf, dass in der Aufzählung eigentlich nur noch Marsmännchen fehlen, um die Weltverschwörung perfekt zu machen.

Unterdessen zeigt sich die SPD-Landesspitze besorgt über die Situation in Dortmund. „Die Machspiele sind abgehoben von der Realität. Die Dortmunder benehmen sich, als würde ihnen die Stadt gehören“, sagt ein Mitglied des Landesvorstandes. „Die Bürger spüren das, wenn man sich nicht um sie kümmert. So haben wir Essen und Duisburg verloren.“

Und da kann was dran sein. Wen interessiert es dort draußen, auf der Straße in Dortmund, wie sich die SPD zerlegt?

Hymne an den Meister

Einer meiner liebsten Comic-Zeichner ist Ralf König. Er ist nicht nur in Deutschland in der Champions-League. Er spielt überall in der ersten Liga. Dabei sind in meinen Augen zwei Dinge besonders an ihm. Er hat einen eigenen Stil und: er hat echte Geschichten.

Ralf König ist nicht nur auf den Gag aus. Er erzählt –von sich, von den Menschen, von Liebe, Sterben, Aids und Hoffnung. Seit dem Streit um die Mohammed-Karikaturen ist noch ein Motiv dazu gekommen. Der Comic-Meister macht sich auf die Suche nach der Religion. Das kann manchmal komisch sein. Manchmal traurig. Immer aber steht da mehr auf dem Blatt, als eine lustige Zeichnung und ein kluger Spruch. Solche Comic-Zeichner gibt es nicht viele n Deutschland. König reicht an die Großen aus Frankreich ran. An Claire Bretéchers. Aber auch an die Jungen und Alten Cracks aus den USA. An Jason Lutes oder Kurt Eisner, was weiß ich. An die ganze Ehreliga der Zeichenstars, die Stories erzählen können. Nicht zuletzt hat er deswegen den renommiertesten Comic-Preis Deutschland, den Max und Moritz-Preis bereits mehrfach abgeräumt.

In seinem neuen Buch: „Prototyp“ hat Ralf König die Frage nach Gott gestellt. Er bleibt nicht bei der Kirche stehen, die er immer wieder angreift – besonders in der Person des Kardinals Meisner.

Es geht direkt um Gott. Um den einzigen, den wahren, den der Fraktur spricht mit falschem ß. Und es geht um die Schlange Luzifer. Die das ganze Paradies-Ding versaut. Adam beißt in den Apfel und Schluss ist mit Dauerbeten und Lobpreisen.

Aber König verneint nicht Gott. Er spricht von der Erkenntnis, die Gott verschwinden lässt. Er zeigt die Wege auf, die von Gott wegführen. Er beschreibt die Befreiung des Geistes von Gott, die Aufklärung und irgendwann auch Sex mit Giraffen. OK.

Aber er verneint nicht Gott und das beeindruckt mich an dem Buch. Hinter der Aufklärung kommt noch etwas. Da draußen irgendwo. Hoffnung?

Ja und, das alles in tollen lustigen Bildern.

Am meisten beeindruckt hat mich der Satz zur Angst vor dem Tod: „Ich habe keine Angst, denn bin ich – ist er nicht und ist er – bin ich nicht.“ Das war von irgendwem zitiert. Ist ja auch egal. Einfach ein guter Spruch, der das Denken an den Tod erleichtert. Und das im Comic.

Prototyp erscheint am 1. OKtober.

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Wittke wird es. Konrad zieht zurück. CDU-Ruhr hat einen neuen Chef

Die CDU Ruhr wird in Zukunft von Oliver Wittke, dem amtierenden NRW-Verkehrsminister, geführt. Der Europa-Parlamentarier Christoph Konrad zog seine Kandidatur überraschend nach Rücksprache mit CDU-Kreischefs zurück. Dabei hatte er seinen Hut allerdings auch überraschend in den Ring geworfen. Flott rein, flott raus. 🙂

Die erste Aufgabe von Wittke wird es sein, dafür zu sorgen, dass in Dortmund ein passabler Gegenkandidat zu dem SPD-Dreigestirn gefunden wird. Dann könnte er direkt seinen ersten triumphalen Sieg vorweisen. Die SPD in ihrer Herzkammer geschlagen zu haben.

Der rasende Stillstand – Kamerun auf Zweckel

„Westwärts“ von Katja Eichbaum und Schorsch Kamerun und nach Rolf-Dieter Brinkmann ist ein Hybrid aus Installation und Theaterstück, ein persönlich-unpersönliches Werk, ebenso Innehalten wie Agitation. Es gibt ein Orchester, 150 Statisten und eine Schauspielerin. Aber das Raumkonzept von Constanze Kümmel und die Texte sind hier das sine qua non.

Gerade die Maschinenhalle Zweckel in Gladbeck ist eine dieser typischen unter Denkmalschutz stehenden Hallen die vor allem meist leer stehen. Gut erhalten, mit etwas Grün und Lichtern drum herum. Aber vor allem: bespielbar. Und so stellt ein Triennalen-Regisseur denn gerne mal eine Bühne dort hinein, ob rechts, hinten, vorne, in der Mitte oder links. Das gibt es bei „Westwärts“ aber direkt mal nicht. Stattdessen werden die Zuschauer zu Begehern des Stücks, und zwar in zu 90% durchsichtigen Gängen die sich durch die Halle schlängeln. Hier und da geht es bergauf oder –ab, und einige Male ist der Weg auch nicht vorgegeben: Freies Bewegen möglich, im Rahmen der Rolle als Publikum natürlich.

Man riecht sogar etwas: Erde hier, Essen da. Mal etwas Verbranntes, und dann wieder das allgegenwärtige Plastik. Es gibt Sitzmöglichkeiten auf zwei kleinen und einer großen Tribüne. An der einen kleinen geht der Blick auf das von Carl Oesterhelt geleitete Orchester samt Proklamateurin Sandra Hüller, die Teile aus Rolf-Dieter Brinkmanns „Westwärts“ vorträgt. Das ist durchaus überall zu hören, und viele Monitore zeigen Szenen aus dem Geschehen „auf der anderen Seite des Plastiks“: Menschen die spielen, Vorräte sortieren, Wäsche falten, sich in einem Massenschlafsaal organisieren (lassen), Holzkisten unter die Erde bringen, Puppen waschen, lesen, meditieren, schlafen (Foto: Ursula Kaufmann), sich massieren lassen, essen, trinken, Anpflanzungen und Akteneinträge vornehmen. Gegen Ende begibt sich Sandra Hüller in den Schlafsaal und hält einen langen Monolog, gerichtet an die schweigend zuhörenden Menschen.

Brinkmann sollte gelesen sein, hier etwas Kurzes:

Geschlossenes Bild

Überraschend
die zufällige Anordnung
des Aschenbechers
der Tasse, der
Hand zu einem
geschlossenen Bild.
Keiner kann sagen, hier
wird gelebt.

Und Schorsch Kamerun zum Stück:
„Man soll bloß keine sogenannte böse Überraschung erleben müssen. Im Sinne des natürlichen Wunsches nach Kontrolle des Seins sind wir dafür hoch empfänglich. Ich vermute allerdings, dass es nicht schaden würde wieder viel mehr zuzulassen, weil sich hinter dem verhinderten Unbekannten ja vielleicht eine aufregende Gefahr verbirgt.“

Also schaffen Kamerun und Eichbaum einen Ausnahmezustand im Rahmen einer Art „Stunde Null“, in der die Texte Brinkmanns wie eine lyrische Gebrauchsanleitung zum eigenständigen Leben auf die Statisten wie das Publikum herabprasseln. Das wirkt zusammen mit der neo-klassischen Musik von Oesterhelt oft eindringlich und manchmal recht hypnotisch bis psychedelisch. Eine Schwere hängt in der Luft, nur aufgelöst durch den Druck der Worte und die zutiefst menschlichen Insassen dieses merkwürdigen Lagers. Am Ende ist das Publikum bewegt und mischt sich rasch mit all den Schauspielern zur Rückkehr in den Alltag. Es ist gut anzunehmen dass etwas in allen haften bleibt von diesem Stück das es geschafft hat einiges an Beatnik-Dynamik nach Gladbeck zu transportieren. Eine gute Arbeit. Letzte Vorstellung im Rahmen der Ruhr-Triennale: Samstag, 27. September, ab 19 Uhr.

Die Datendeals der Telekom

Klammheimlich hat die Telekom ein neues Geschäftsfeld erschlossen: Dem Sammeln und Dealen mit Daten. Nicht irgendwelche, sondern die ihrer vielen Millionen Kunden. Also Name, Adresse, Telefonnummer und Bankdaten. Abrufbar ist alles über das Internet.

Spion Foto: Flickr/lintmachine

Zuständig ist eine Tochter mit dem Namen SAF Unternehmensverbund, die ihren Sitz in einem alten Telekomgebäude in Heidelberg hat. Was man bei dem Laden alles für Daten abrufen kann, kann man auf der Internetseite: www.saf-portal.de sehen. Die Daten stammen aus dem Bestand der Telekom (Festnetz und Handy), den Gerichten und anderen Quellen. Lieferant und Partner ist unter anderem die Deutsche Post. Dazu kann man über das Portal auf alle Melderegister zugreifen und auch einen Ermittler losschicken, der 35 Euro netto pro Einsatz kostet. Der fragt dann bei den Nachbarn, wo denn die gesuchte Person abgeblieben ist. Mit 32 Millionen Bankverbindungen und 47 Millionen Adressen ist das Unternehmen einer der größten Datendealer Deutschlands.

Kaum zu glauben, aber das ist legal, wie mir mehrere Datenschützer versicherten. Gedeckt ist die Speicherung durch das Kleingedruckte in den Telefonverträgen. Und die Abfrage der Melderegister ist auch vom Gesetz gedeckt, auch wenn die Telekom pro Monat alleine 30.000 bis 40.000 Datensätze in Berlin abfragt.

Ganz sauber läuft es bei der Telekom-Tochter aber trotzdem nicht: Ich habe über das SAF-Portal die Bonität einiger Privatpersonen abgefragt, die natürlich im Vorfeld zugestimmt hatten. Nachdem ich die Antworten hatte, habe ich gewartet. Denn die Telekom muss dem Gesetz nach die Betroffenen informieren – und zwar zeitnah. SAF-Chef Peter Bürker rühmte sich im Interview noch, dass alles automatisch geht. Spätestens nach einer Woche hätten die Betroffenen die Mitteilung, wer welche Daten abgefragt hat, behauptete er. Tja, was soll ich sagen? Ich und die Betroffenen warten immer noch; seit über zwei Monaten.

Konfrontiert mit dem Ergebnis meiner Stichproben reagierte Bürker betroffen. Dann schickte er seine Juristen ins Rennen und mit denen wurde es krude. Erst behaupteten das Unternehmen, nur bei einer negativen Bonität müssten sie die Betroffenen informieren. "Das ist völliger Blödsinn“, sagte mir ein Datenschützer. Im Gesetz steht davon auch kein Wort. Am vergangenen Montag bekräftigte das Unternehmen in einer schriftlichen Stellungnahme: "Eine Benachrichtigung erfolgt nur dann, wenn das erste Mal Negativmerkmale bei der Accumio (eine SAF-Tochter) gespeichert oder von der Accumio erstmals "ohne Kenntnis" des Betroffenen übermittelt werden." Am Mittwoch rudert die Telekom zurück und räumt ein: „Selbstverständlich erfolgt im Falle der erstmaligen Übermittlung eine Benachrichtigung des Betroffenen.“ Auf eine Erklärung für den Sinneswandel warte ich noch heute.

Die Telekom versucht das Ding nun nach dem Motto „Wer ist schon diese kleine Tochter“ runterzuspielen. Das ist billig, denn ich finde es sehr bedenklich, wenn die Telekom-Juristen offenbar schon elementarste Grundsätze des Datenschutzgesetzes nicht verstehen. Die Mitteilung an die Betroffenen ist wichtig. Wie soll ich sonst erfahren, wo welche Daten über mich liegen? Ein Datenschützer sagte mir, dass das Ausbleiben der Mitteilung branchenüberlich ist. Denn ein Bürger könnte ja darauf bestehen, dass bestimmte Daten gelöscht werden. Der Firmen gehen dann die für viel Geld gesammelten Rohstoff verloren, das kann denen nicht schmecken.

Die Nachlässigkeit in Sache SAF wirft ein trübes Licht auf den Gesamtkonzern. Die Tochter unterliegt nach Bürkers Angaben den schärfsten Datenschutzbestimmungen. Wenn aber solche Pannen möglich sind, dann scheint es bei der Telekom mit dem Schutz unserer persönlichsten Daten nicht weit her zu sein. Man darf nicht vergessen, wir reden hier über das Unternehmen, dass Journalisten und Aufsichtsräte bespitzelt hat.

Welchen Sprengstoff die Telekom da in ihrem Konzern hat, wird den Verantwortlichen allmählich klar. Die haben SAF mit ihren 500 Mitarbeitern auf den Prüfstand gestellt. Bedenken gibt es zwar noch, da eine Menge Telekom-Daten auf den Rechnern der SAF-Gruppe lagern. Aber über kurz oder lang wird der Laden verkauft. Als möglicher Käufer wird der Bertelsmann-Konzern mit seiner Tochter Arvato genannt.

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„Guten Tag, ich bin von Unitymedia…“

Ich habe ein Problem: Ich gehe ans Telefon wenn es klingelt. Immer. Das wird sich vielleicht bald ändern.

Wenn das Telefon klingelt gehe ich ran. Auch wenn die Nummer unterdrückt ist. Ein paar Freunde von mir und auch mein Stiefvater haben ihre Telefonnummern unterdrückt und hinter jedem dieser Anrufe, deren Sender ich ja nicht sehe, könnte sich ja ein Hilferuf oder die Einladung auf ein Feierabendbier verbergen. Manchmal, wenn ich gerade auf der Arbeit über das Festnetz telefoniere, klingelt mein Handy. Tut es das penetrant, unterbreche ich kurz das Gespräch und nehme den Anruf an. Meistens meldet sich dann aber kein mir nahestehendes Wesen, sondern irgendwelche Frauen mit dem Satz "Guten Tag, ich bin von Unitymedia." Früher war ich noch freundlich, erklärte, ich sei zufriedener Kunde der Telekom und hätte nicht vor zu wechseln. Mittlerweile fluche ich schon, wenn ich den Namen Unitymedia nur höre – eigentlich will ich das nicht, weil ich weiß, dass die Arbeit in einem Callcenter nicht Vergnügungssteuerpflichtig ist, ich will freundlich sein, aber in den letzten Monaten hat Unitymedia meinen Gelduld arg strapaziert. Post von Unitymedia bekomme ich fast täglich – sie wandert ungelesen ins Altpapier.  Alleine für mich ist da bestimmt schon ein guter Hektar tropischen Regenwaldes abgeholzt worden – selbst Günter Jauch kann nicht so viel Bier  in sich hineinkippen, um die ökologischen Schäden auch nur halbwegs in Grenzen zu halten.

Am Telefon erklärte mir mal einen Mitarbeiterin, ich wäre ein Kunde von Unitymedia. Ich erklärte ihr, dass unser Kabelanschluss Teil des Mietvertrages wäre, ich das Geld meinem Vermieter überweisen würde und noch nie eine vertragliche Beziehung zu Unitymedia gehabt hätte. Ob mein Vermieter seinen  Kabelvetrag bei Unitymedia oder einem albanischen Telekomunikationsdienstleiter hat, sei mir schurzpiepenegal – könnte ich wählen, ich hätte nur noch DVBT. Und Fernsehen sei sowieso blöd und langweilig.

Aber was ich auch erklärt habe, es interessiert Unitymedia nicht. Ein Freund hat ihnen schon ein Einschreiben geschickt mit dem Verbot ihn mit Werbung einzudecken – die Reklamestalinorgel änderte noch nicht einmal ihre Schussfrequenz.

Der gleiche Freund ist übrigens Hausbesitzer und brauchte mehrere Monate um Unitymedia zu erklären, dass sich die Rechnungsadresse geändert hat. Unitymedia bekam es nicht hin, die Rechnung an die richtige Adresse zu schicken, hatte aber schon mit dem Mahnen begonnen. Kein Wunder, dass das Unternehmen an solchen Aufgaben scheitert, wenn die gesamt Belegschaft offensichtlich damit beschäftigt ist, das Land mit Telefonterror zu überziehen. Ich glaube es geht ihnen auch gar nicht mehr um Vermarktung, ich würde allein wegen der letzten Monate nie zu Unitymedia wechseln, egal was für ein Angebot sie machen würden,  es macht ihnen Spaß, Menschen an den Rand des Wahnsinns zu treiben. Täglich rechne ich damit, dass ein Pizzabote schellt und mir freudestrahlend 100 Salamipizzen auf die Arbeit bringt, die ich  angeblich telefonisch bestellt habe. Ich bin mir sicher, das Minuten später das Telefon klingelt, sich eine freundliche Damenstimme meldet und  in den Hörer flötet: "Guten Tag, ich bin von Unitymedia, haben die Pizzen geschmeckt?" und dann im Hintergrund ein ganzes Callcenter ins lautes Lachen ausbricht. Denn irgendeine Steigerung des Terrors wird ja bald mal kommen müssen…

Kampf um die Jugend

Die Demokraten werfen in den USA alles in die Wagschale, um den nächsten Präsidenten zu bestimmen. Während auf der einen Seite die Republikaner mit sexlosen Leben vor der Ehe und beten bis zum Umfallen werben, bekommt der schmale Obama Rückendeckung vom dicken Pro-Dem Michael Moore.

Der Dog-eat-Dog-Filmemacher will die jungen, weißen Typen aus den Trailerparks an die Urne  holen. Sie sollen für Obama stimmen – damit irgendwas wenigstens anders und damit auf jedem Fall besser wird. Dafür wirft er weiße Feinrippslips in die Menge und natürlich Nuddeln.

Moore hat das "Slacker Uprising" (frei übersetzt etwa: Aufstand der faulen Säcke) , schon 2004 erfolglos für Kerry durchgezogen. Über das Ding damals hat er ein Film gedreht, den man nun frei herunterladen kann – um Obama zu stützen, oder so….. Und zwar hier: klack

Hier das Demo-Band