Der Regionalverband Ruhr schlägt in einer Vorlage die Genehmigung des umstrittenen Eon-Kohlekraftwerks in Datteln vor. Bei Sozialdemokraten und Grünen hat die Suche nach einem Kompromiss begonnen. Hauptziel: Gesichtwahrung.
Jürgen Trittin ist kein Freund von schwarz-grünen Bündnissen. Schon als 1994 in Gladbeck CDU und Grünen die erste schwarz-grüne Koalition in einer Stadt beschlossen, wetterte der damalige Parteivorsitzende öffentlich gegen seine Parteifreunde. Und nun das: Anfang Mai, wenige Tage vor der Landtagswahl in NRW, sah es so aus, als ob die erste schwarz-grüne Koalition in einem Flächenland unmittelbar bevorstünde. Alle Umfragen hielten für den Tag nach der Wahl nur zwei Konstellationen für möglich: Eine große Koalition und Schwarz-Grün. Die Grünen standen bereit, ihre Verhandlungskommission bestand aus Realpolitiker und linken schwarz-grün Befürwortern.
Trittin suchte einen Weg, die befürchteten Koalitionsverhandlungen mit der CDU zu erschweren und rief in der Rheinischen Post das Eon-Kraftwerk Datteln zum Knackpunkt jeder Koalition aus:
„ Eine nachträgliche Genehmigung für einen rechtswidrigen Bau wird es mit uns nicht geben.“
Doch. Und es ist für Trittin nicht gut gelaufen. Denn jetzt belastet der Konflikt um Datteln eine rot-grüne Koalition. Und das auch noch auf Vorschlag eines grünen Planers. Thomas Rommelspacher, Grüner, ehemaliger Landtagsabgeordneter und im RVR für die Planung zuständig, hat in der vergangenen Woche genau das vorgeschlagen: Über ein sogenanntes Zielabweichungsverfahren will Rommelspacher Datteln genehemigen. Das Land, so sein Argument, lasse ihm keine andere Wahl. Solange das versprochene Klimaschutzgesetz nicht auf dem Weg ist, könne er Datteln nicht verhindern. Seine Vorlage, über die im Ruhrparlament am 13. Dezember entschieden wird, unterfüttert er mit über 1500 Seiten an Dokumenten.
Die muss nun irgendwie vom Tisch. Denn für den Fall, dass die Sozialdemokraten der Vorlage zustimmen wollen, haben die Grünen schon einmal mit der Aufkündigung der rot-grünen Koalition im RVR gedroht. Sabine von der Beck, stellvertretende Fraktionsvorsitzende: „Wir stehen jetzt am Beginn eines komplizierten Diskussionsprozesses. Die Unterlagen müssen durchgearbeitet und bewertet werden. Sollte die SPD jedoch für die Möglichkeit, in Datteln ein Kraftwerk zu bauen stimmen, wäre das für uns das Ende der Zusammenarbeit. Trittins Stolperstein für schwarz-grün – er ist zur Belastung für die rot-grüne Zusammenarbeit geworden – im Ruhrgebiet und in Nordrhein-Westfalen.
In den Kreisen der SPD reagiert man verschnupft auf die Äußerungen von der Becks: „Solche Vorfestlegungen nutzen im Moment niemanden. Sie erschweren nur die Lösung des Problems.“ Auch das NRW-Wirtschaftsminister Harry Kurt Voigtsberger sich für Datteln ausgesprochen hat, behagt den Genossen im Ruhrgebiet nicht mehr. „Auch Eon muss sich an die Gesetze halten. Wir werden nicht das Recht zugunsten eines Konzerns verbiegen.“ Nun gelte des die Kuh vom Eis zu holen.
Auch NRW-Umweltminister Johannes Remmel ist bemüht die Wogen zu glätten, die von Rommelspacher ausgehen: „Es handelt sich um einen normalen Prozessverlauf. Letztlich wird ausschlaggebend sein, ob die hohen Hürden, die das OVG Münster im Urteil von September 2009 aufgestellt hat, genommen werden können oder nicht. Im Koalitionsvertrag ist festgeschrieben, dass kein Recht verbogen werden darf.“
Nur die Union steht noch hinter Datteln Der CDU-Landtagsabgeordneter Josef Hovenjürgen: „Die Grünen können im Moment vor Kraft nicht laufen und sind nicht in der Lage, die industrielle Entwicklung zu akzeptieren. Wir werden auf der gesetzlichen Grundlage abstimmen.“ Aber auch für Hovenjürgen stellt sich die Frage, ob der Kühlturm bleiben kann wo er erreichtet wurde. Und das könnte Teil der von allen hinter den Kulissen gesuchten Kompromisslinie sein: Ein Teilabriss des Kraftwerks, der für Eon teuer wäre, aber immer noch günstiger als der Verzicht auf den Standort. Hinter den Kulissen wird auch darüber geredet, das Eon das Kraftwerk nicht unter voller Last fährt, um so weniger CO2 auszustoßen. Oder dass das Unternehmen verpflichtet wird, im Gegensatz zur Genehmigung des Baus massiv in regenerative Energien zu investieren. Viele ist denkbar – Hauptsache EON, die Grünen und die SPD können ihr Gesicht bewahren. Das ist auch Eon klar. Auf Anfrage erklärte das Unternehmen, man stehe in einem ergebnissoffenen Prozess. Vieles scheint möglich in den kommenden Monaten.
Aber erst einmal wird geprüft: Die Unterlagen des RVR, denen weitere Prüfungen und Gutachten durch das Land folgen könntenDer Grüne Fraktionsvorsitzende Reiner Priggen bemüht sogar den Dichter Wolf Wondratschek: „Auch bei hoher Geschwindigkeit steht die Kirche im Dorf,“ sagt Priggen. „Die RVR Verwaltung hat eine Beschlussvorlage mit über 1500 Seiten vorgelegt. Die muss man gründlich prüfen und dann sehen, wie es weitergeht.“
Es gilt, Zeit zu gewinnen.
Der Artikel erschien in ähnlicher Form in der Welt am Sonntag






