Herr Klaus war in Dortmund

Rathaus Dortmund

Unsere Gastautorin Ulrike Märkel über den Besuch des tschechischen Präsidenten Klaus in Dortmund.

Am Donnerstag bin ich auf einer interessanten Veranstaltung. Der Staatspräsident der tschechischen Republik, ein anerkannter Eurokritiker, besucht Dortmund und wir sind eingeladen.
Unser Oberbürgermeister Ulrich Sierau weist in seiner Begrüßung darauf hin, dass wir gerade eine Sternstunde Dortmund erleben und dass seit Gorbatschow kein Präsident mehr in Dortmund war. Man hätte das gar nicht erwähnen dürfen – was für ein Vergleich. Um wie vieles lieber wäre ich (meiner Erinnerung an den kalten Krieg geschuldet) zu diesem Anlass da gewesen. Vielleicht hätte ich mich sogar getraut leise „Gorbi, Gorbi“ zu rufen.
Zurück in der Realität: Präsident Klaus hält eine Rede. Erstaunt stelle ich fest, dass jemand die Währungsunion für ein Nachkriegsunglück, die europäische Idee als Zwangsjacke und die soziale Marktwirtschaft als Schuldige an der Finanzkrise ansieht. Sternstunden sehen anders aus.
Vielleicht aber will er auch nur sein Buch gut verkaufen, für das er immer wieder diskret Werbung macht. Möglicherweise verdient ein Präsident gar nicht so gut und kann ein paar Tantiemen brauchen? Aber es ist schlimmer – er hat eine Mission: „Fürchte den Euro!“  Wie ärgerlich, die aktuelle Situation ist für jeden Europanikmacher eine Steilvorlage. Und ehrlich gesagt – neulich fand ich in meinem Portemonnaie einen Euro mit einer kleinen Eule drauf. Das hat mich etwas verunsichert.
Dann folgt die Erklärung des Sechs-Punkte-Programm zur Rettung Europas. Zwei der Punkte beziehen sich darauf, dass grüne Ideologie Europa unterwandert und die Wirtschaft schwächt. Aha. Bis zu diesem Tag habe ich geglaubt, dass wir GRÜNE von ein paar Menschen gewählt wurden. Nun bin ich auf einmal Teil einer Verschwörung und europaweit subversiv arbeitender grüner Kräfte. Ich bin beeindruckt.
Seinen Höhepunkt findet die Klaus’sche Rhetorik darin, dass die GRÜNE Ökologie die „Liquidierung der Ökonomie“ bedeutend. Liquidierung. Respekt – ich hatte keine Ahnung wie viel Einfluss die Forderung nach regenerativer Windenergie auf die Wirtschaftslage hat. Die Finanzmarktkrise bekommt auf einmal ein völlig neues Gesicht und ich fühle mich ganz wichtig. Und mächtig motiviert im nächsten Wahlkampf noch viel mehr grüne Papier-Windräder an Kinder zu verteilen.
Dann malt Herr Klaus mit einem Edding in der Hand, ein paar Pfeile und Kreise an ein Flipchart (ich sage die Wahrheit) und erklärt dem geneigten Publikum, wie Europa und Euro nicht funktioniert. Zum Schluss darf das Publikum –auch wir einfachen BürgerInnen– ein paar Fragen stellen und unsere Meinung sagen. Das finde ich nett.
Bis der NRW-Europaminister Kuschke vom Staatspräsidenten angeblafft wird. „Respektieren? Sagen Sie laut, dass Sie dagegen sind“. Er hat doch lediglich eine übliche höfliche Formulierung gefunden, seine gegenteilige Meinung zu kommunizieren. Ab jetzt rutsche ich tiefer in meinen Stuhl und bin heilfroh, dass die Veranstaltung nur sehr mäßig besucht ist.
Als ich mich nach einiger Zeit soweit sortiere, dass ich eine Frage formulieren kann (mein Ärgerlevel hat eine gewisse Grenze bereits überschritten), mahnt das Protokoll zur Abreise – das Wirtschaftforum wartet. Ich schlucke meine Frage runter. Das ist sicher besser so. Ich schätze Herr Klaus frühstückt morgens am liebsten einen halben Grünen.
„Sehr geehrter Herr Präsident, wie passt die Tatsache, dass in Deutschland nun Milliarden Euro in der Folge des Atomausstiegs in regenerativen Energien investiert werden mit Ihrer Theorie zusammen, dass GRÜNE Politik die Wirtschaft schwächt? Und warum ist die Tatsache dass Deutschland führend beim Know-How regenerativer Energien ist, ein wirtschaftlicher Nachteil, obwohl durch den Export und Wissenstransfer ein zusätzlicher Mehrwert für die Bundesrepublik entsteht?“
Ach egal – morgen kaufe ich mir das Buch von Dr.Vaclav Klaus „Blauer Planet in grünen Fesseln: Was ist bedroht – Klima oder Freiheit?“ Man lernt ja nie aus.
Ulrike Märkel ist Ratsmitglied der Grünen in Dortmund

Köln-Kalk will Pro NRW stoppen

Pro NRW: Markus Beisicht

Wenn die Anhänger von ProNRW am 19. November gegen das Autonome Zentrum in Köln-Kalk demonstrieren, werden sie auf Widerstand treffen. Köln.Kalk macht dicht!

Hetze gegen Ausländer, billige Anzüge  und ein Führer dem es immer wieder gelingt, seine Zuhörer allein dadurch zu erheitern, indem er in ein Mikrofon spricht und eine krachende Wahlniederlage in Berlin: Markus Beisicht hat um sich herum eine kleine Loosertruppe geschart. Und die ist immer auf der Suche nach Gelegenheiten sich zu blamieren. Zum Beispiel durch die Ankündigung von „Großdemonstrationen“ zu denen dann häufig nur gute 100 Gestalten kommen. Und die haben dann auch noch Ärger mit Gegendemonstranten. 

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Schwere Kindheit gehabt und trotzdem beziehungsfähig?

Jeder von uns kennt so jemanden. Nette, freundliche Menschen, die allseits beliebt sind, viele Freunde haben und in einer glücklichen Beziehung leben. Da diese Menschen nicht dazu neigen, sich selbst all zu sehr in den Vordergrund zu stellen, kommt erst einige Zeit nach dem Kennenlernen zufällig die Rede darauf, wie sie aufgewachsen sind. Und auf einmal kommen wahre Horrorgeschichten ans Licht: Als Kind ungewollt, von der Mutter vernachlässigt, vom Vater geschlagen, ein Elternteil früh verstorben oder nie kennen gelernt, Alkoholprobleme in der Familie und ähnliches. Erstaunt reibt man sich die Augen und fragt sich: Wie hat es dieser Mensch unter diesen Bedingungen geschafft, zu einem für andere so angenehmen Zeitgenossen zu werden? Warum wurde er/sie nicht drogenabhängig, kriminell und langzeitarbeitslos und ist mehrfach geschieden, so wie andere unter vergleichbaren Bedingungen? Was haben diese Überlebenskünstler, was die Gescheiterten nicht haben? Von unserer Gastautorin Eva Neumann. 

Die Psychologie kennt viele Antworten auf die Frage, was Menschen psychisch krank und beziehungsunfähig macht. Wenig umstritten war lange Zeit die Annahme, dass ein Kind, das von den Eltern wenig Liebe und Zuwendung bekommen hat, womöglich sogar Vernachlässigung und Misshandlung ausgesetzt war, im späteren Leben Schwierigkeiten in Beziehungen mit anderen haben wird. Wer als Kind nicht geliebt wurde, der kann als Erwachsener weder sich selbst noch andere lieben, das galt quasi als Naturgesetz. Vor allem in populärpsychologischen Veröffentlichungen wird diese These nach wie vor gern verbreitet.

In der wissenschaftlich fundierten Psychologie bekam dieses Bild in den vergangenen Jahren jedoch Risse. Aus der Bindungsforschung liegen mittlerweile mehrere Studien vor, in denen es nicht gelang zu belegen, dass Beziehungsmuster aus der frühen Kindheit im Erwachsenenalter unverändert fortgesetzt werden. In diesem Forschungsansatz wird zwischen sicheren, ängstlichen und vermeidenden Bindungen unterschieden. Sichere Bindungen sind durch Nähe und Vertrauen gekennzeichnet, ängstliche durch unrealistische Ängste in der Beziehung und das Gefühl eigener Minderwertigkeit, und vermeidende durch Kälte und Distanz. Die neueren Studien haben gezeigt, dass Menschen das Bindungsmuster, das in der Kindheit in der Beziehung zu den Eltern gelebt wurde, nicht unbedingt als Erwachsene fortsetzen. Eine sichere Bindung an die Eltern ist zwar eine gute Voraussetzung dafür, im Erwachsenenalter ebenfalls sichere Bindungen an den Partner und an eigene Kinder aufzubauen, und ängstliche und vermeidende Bindungen sind diesbezüglich eher von Nachteil, doch es gibt viele, die das Bindungsmuster der Kindheit im späteren Leben nicht beibehalten. Wer als Kind sicher an die Eltern gebunden war, hat als Erwachsener nicht immer glatt verlaufende, glückliche Partnerschaften, und umgekehrt gelingt es einem Teil derjenigen, deren Bindung an die Eltern ängstlich oder vermeidend war, die schlechten Erfahrungen abzuschütteln und als Erwachsener glückliche Beziehungen aufzubauen.

Faszinierend und rätselhaft sind die zuletzt genannten. Die Bindungsforschung nennt das Muster, das sie als Erwachsene aufweisen, erarbeitet sicher. Die Bezeichnung ist fast selbst erklärend: Diese Menschen haben das Gefühl von Sicherheit in engen Beziehungen nicht von den Eltern vermittelt bekommen, sondern sie haben es sich selbst erarbeitet. Unter denjenigen, die in der Kindheit eine schlechte Beziehung zu den Eltern hatten, sind sie eine Minderheit. Die meisten setzen leider das fort, was sie selbst als Kinder erlebt haben. Dennoch gibt es immer wieder Menschen, die dieses Schicksal durchbrechen, die als Erwachsene die Liebe suchen und finden, die sie als Kinder entbehren mussten. Zwei aktuelle Studien der Bindungsforschung konnten Antworten finden auf die Frage, was diese Menschen dazu befähigt, trotz widriger Bedingungen in der Kindheit zu psychisch gesunden Erwachsenen mit sicheren Bindungen an andere zu werden.

Saunders und ihre Mitautorinnen (2011) beschäftigten sich mit äußeren Faktoren, die zu erarbeiteter Sicherheit führen können. Sie fanden zwei Bedingungen, die im Leben dieser Menschen häufig erfüllt waren: Bei vielen gab es eine so genannte alternative Bindungsfigur. Das heißt, diese Menschen hatten zwar schlechte Beziehungen zu beiden Elternteilen, doch es gab eine andere Person, die dem Kind emotionale Wärme und Geborgenheit vermittelte. Meistens war dies jemand aus der Familie, zum Beispiel die Großmutter; es konnte aber auch eine andere Person sein, mit der das Kind häufig Kontakt hatte, zum Beispiel eine Lehrerin oder ein Trainer. Es scheint so zu sein, dass es für den Erwerb des Gefühls von Sicherheit in engen Beziehungen reicht, wenn eine Person da ist, die dem Kind dieses Gefühl vermittelt, und diese Person muss nicht die Mutter oder der Vater sein.

Eine weitere Bedingung, die im Leben der erarbeitet Sicheren häufig erfüllt war, bestand darin, dass sie sich psychotherapeutische Hilfe gesucht hatten. Die Psychotherapie war besonders wirksam, wenn es sich nicht nur um eine Kurzzeitberatung gehandelt hatte, sondern um eine Behandlung über einen längeren Zeitraum. Auch wenn die Wirksamkeit von Psychotherapie immer wieder kritisch hinterfragt wird: Diese Methode scheint zu wirken, wenn es darum geht, schlechte Erfahrungen mit den Eltern in der Kindheit aufzuarbeiten.

Erarbeitet Sichere heben sich aber nicht nur durch äußere Faktoren von denen ab, die schlechten Kindheitserfahrungen verhaftet bleiben. Sie haben auch eine andere Art des Fühlens und Denkens in engen Beziehungen. Mit inneren Prozessen, die zu erarbeiteter Sicherheit führen können, beschäftigten sich McCarthy und Maughan (2010). Sie stellten fest, dass Menschen, die schlechte Erfahrungen gut verarbeitet haben, in folgender Weise denken und fühlen: Sie erkennen an, dass es die schlechten Erfahrungen gegeben hat, und ordnen diese angemessen ein. Das heißt, sie sind sich darüber im Klaren, dass sie in der Kindheit eine schlechte Beziehung zu den Eltern hatten. Die Erinnerung daran verdrängen sie nicht, sie lassen sich aber auch nicht davon beherrschen. Sie haben im Umgang mit den Erinnerungen sozusagen einen guten Mittelweg gefunden. Sie erkennen weiterhin an, dass die Beziehungserfahrungen der Kindheit zu ihnen gehören, dass sie zu einem Teil ihres Selbst geworden sind. Schließlich haben sie trotz ihrer negativen Erinnerungen ein positives Bild von Beziehungen, das heißt sie halten enge Beziehungen in ihrem Leben für wichtig und glauben daran, dass sie dort Liebe und Geborgenheit finden können.

Die Botschaften der beiden zitierten Studien sind durchweg positiv. Die Befunde zeigen, dass eine schwierige Eltern-Kind-Beziehung nicht unvermeidbar zu Beziehungsstörungen im späteren Leben führen muss. Eine schwierige Kindheit ist kein Fluch, der nicht mehr abgeschüttelt werden kann. Es gibt vielmehr Wege, die zu glücklichen und erfüllten Beziehungen im Erwachsenenleben führen können. Einer dieser Wege besteht darin, Beziehungsangebote von Menschen, die anders als die Eltern zu Wertschätzung bereit und fähig sind, zu nutzen und auf diese Weise korrigierende, ausgleichende Erfahrungen machen zu können. Auch professionelle Hilfe im Rahmen einer Psychotherapie kann helfen. Schließlich ist es wichtig, sich des Gefühls des Ungeliebtseins in der Kindheit bewusst zu sein, dessen Bedeutung für die eigene Entwicklung anzuerkennen, es aber eindeutig der Vergangenheit zuzuordnen und im aktuellen Leben Vertrauen in nahe stehende Menschen zu haben.

Innovativ an den beiden Studien ist, dass nicht mehr das, was krank macht, im Vordergrund steht, sondern es wird aufgezeigt, wie Menschen unter widrigen Bedingungen Widerstandskraft entwickeln. Es gibt sie eben, die Menschen, die es in der Kindheit schwer hatten, aber weit davon entfernt sind, das, was sie selbst als Kinder erlebt haben, als Erwachsene an andere weiterzugeben. Sie sind vielmehr gute Freunde, liebevolle Partner und fürsorgliche Eltern. Sie setzen sich wohltuend von denen ab, die eigenes Fehlverhalten, wie zum Beispiel rücksichtsloses Verhalten dem Partner gegenüber oder Vernachlässigung von Kindern, mit in der Kindheit selbst erlittenen Traumata rechtfertigen wollen. Erarbeitet Sichere zeigen, dass es möglich ist, ungünstige Beziehungsmuster zu durchbrechen und als Erwachsene ein selbst bestimmtes, glückliches Leben zu führen. Schauen wir uns diese Menschen an. Sie sind stille Helden des Alltags. Von ihnen können wir lernen, was unsere Beziehungen glücklich macht.

Literatur:

McCarthy, G. & Maughan, B. (2010). Negative childhood experiences and adult love relationships: The role of internal working models of attachment. Attachment and Human Development, 12, 445-461.

Saunders, R., Jacobvitz, D., Zaccagnino, M., Beverung, L.M. & Hazen, N. (2011). Pathways to earned security: The role of alternative support figures. Attachment and Human Development, 13, 403-420.

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Occupy: „We stand with the 99 Percent“

„We are the 99 Percent“ ist der Slogan der Occupy-Bewegung. Nun hat sich das verbliebene eine Prozent zumindest zum Teil begonnen, sich mit dem Protestlern zu solidarisieren.

Ich mag den Occupy-Slogan mit den 99 Prozent nicht. Er ist mir zu großkotzig. Und mich schreckt er ab. Ich will nicht zu „99 Prozent“ gehören. Ich mag keine Gruppen, große schon gar nicht. Aber darum soll es hier nicht gehen. Es geht um das verbliebene eine Prozent . Dass die auch kein Block sind, macht die Site „westandwiththe99percent“ deutlich. Dort outen sich wohlhabende US-Bürger, die sich um Geld keine Sorgen machen müssen und zum Teil mit allen Privilegien aufgewachsen sind, und solidarisieren sich mit den Occupy-Demonstranten. So erklären sie ihre Bereitschaft, mehr Steuern zu zahlen. Und erkennen an, dass auch sie zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden müssen:

It isn’t fair that I have retired in comfort after a career working with financial instruments while people who worked as nurses, teachers, soldiers, etc. are worried about paying for their future, their healthcare, and their children’s educations.

They are the backbone of this country that allowed me to succeed.

I am willing to pay more taxes so that everyone can look forward to a secure future like I do.

Schöne Aktion. In Deutschland, wo die Steuersätze im Vergleich zu den USA gerade bei den großen Einkommen deutlich höher liegen, gibt es eine vergleichbare Initiative.

Wenn schon, denn schon: Keine Lügen über Gaddafis Ableben

Wenn es denn soetwas wie eine Facebook-Youtube-Arabischer-Frühling-Revolution gibt, dann wollen wir doch bitte im Medium bleiben und nicht einfach das glauben, was uns die neuen Machthaber schon jetzt als ihre Revolutionsklitterung verkaufen wollen.
Und ich bin mir doch recht sicher, dass hier das Ende Gaddafis zu sehen und zu hören ist. Kein Krankenwagen, keine Festnahme, nur Gewalt und Hass. Wer die gewalt(tät)ige Wahrheit nicht sehen mag, bitte nicht klicken…

„Saab – dass passt doch zu ihnen als Grieche. Die sind auch pleite!“

Es war an einem einer dieser warmen Sommerabende, von denen es in diesem Jahr nicht viele gab, und ich sitze mit Athanasios Papapostolou draußen vor einer Kneipe am Kölner Ring.  Am Nachbartisch drei Pärchen. Sie wirken gut situiert. Zwei Flaschen Wein stehen auf dem Tisch, und man unterhält sich laut miteinander. Fußball, Lokalpolitik und dann kommt das Thema irgendwann auf Griechenland. „Ich soll meine Steuern für die faulen Säcke geben? Die sollen erst mal lernen, was arbeiten heißt!“ Der Mann mit blauem Pullover und schütterem Haar lehnt sich zurück und genießt sichtlich die Zustimmung seiner Tischgenossen. 

„Das“, sagt Papapostolou, „passiert jetzt ständig. Ich hab schon aufgehört, mich darüber aufzuregen. Aber dumme Sprüche über Griechenland und die Griechen sind mittlerweile an der Tagesordnung“.

Als der Chef eines Kölner Animationsstudios nach Ende des Leasingvertrages seinen alten Saab gegen einen neuen austauschte, war der Vertreter  der Leasingfirma der Ansicht, er hätte die richtige Automarke gewählt: „Saab – das passt doch zu ihnen als Grieche. Die sind doch auch pleite.“

Das Verhältnis zwischen Deutschen und Griechen war schon einmal besser als in diesem Sommer.  Über Jahrzehnte hinweg war es, vor allem was die Sympathien der Deutschen für die Griechen betraf, ausgesprochen gut. Griechenland war der Sehnsuchtsort zahlreicher Aussteiger, die sich in den 70er und 80er Jahren mit Rucksack und Isomatte auf den Weg gen Süden machten und den Sommer über in billigen Unterkünften abstiegen oder gleich am Strand  schliefen. In Frankreich riskierte man dabei, unsanft durch den Fußtritt eines Polizisten geweckt zu werden. Auf Kreta oder Rhodos konnte man sich in der nächstgelegenen Taverne waschen und einen Kaffee trinken. 

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Warum einmal Freiheit gegen 1027mal Sicherheit für Israel ein Gewinn ist

Gilat Schalit ist frei. Der von der Hamas 2006 verschleppte israelische Soldat ist gestern gegen unter dem Strich 1027 palästinensische Gefangene ausgetauscht worden. Ein zu hoher Preis für Israel? Nein! Von unserem Gastautor Michael Blatt.

Das Verhältnis 1:1027 mag womöglich zu Nachahmungstaten anstacheln, von freigelassenen Palästinensern potenzielle Gefahr ausgehen. Doch die Entscheidung Israels, das konkrete Leiden Schalits zu beenden, ist ein erster Schritt, das eigene innere Leiden zu behandeln. Das Leiden einer tief verstörten Nation.

Ankunftshalle Flughafen Ben Gurion – Passkontrolle für Ausländer: Sind Sie das erste Mal in Israel. Reisen Sie alleine? Haben Sie Freunde oder Verwandte in Israel? Welchem Beruf gehen Sie nach? Wie lange bleiben Sie? Wo übernachten Sie? Willkommen in Israel.

Auf der Fahrt zum zentralen Busbahnhof von Tel Aviv wird an mehr als einem Dutzend trostloser Stationen gehalten. Abseits der Straße nichts als Schotter und triste Betonbauten. Junge Soldaten, Männer und Frauen um die 20 steigen ein, steigen aus. Manche allein, andere in der Gruppe. Fast allen hängen die Kopfhörer von iPod oder iPhone aus den Ohren. Junge Menschen in Uniform.

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Raucherverbot in NRW: Woanders funktioniert es doch auch?

Kneipe Foto: FlickR/Qlis (CC-BY-NC-ND-2.0)

Wenn jemand totalitäre Gesetze einführen will, hört man immer wieder das Argument: „Woanders funktioniert es ja auch“. Dass dies in den seltensten Fällen der Wahrheit entspricht, zeigt ein Exkurs nach Bayern, mehr als ein Jahr nach Einführung des totalen Rauchverbots in der Gastronomie. Von unserem bayerischen Gastautor Werner R. Niedermeier.

Der stellvertretende Chefredakteur der Münchner Abendzeitung, Georg Thanscheidt, schrieb: „Rauchen in Münchner Kneipen – das hat was von Whiskey trinken im Chicago der 20er Jahre: Es ist verboten, trotzdem machen es (immer noch) viele. Nach meinen subjektiven Erfahrungswerten als Nichtraucher wird in mindestens einem Drittel der Münchner Wirtschaften gequalmt: meist erst nach 0 Uhr, mancherorts ganztägig“. Ist es das, was Frau Steffens unter „Funktionieren“ versteht?

Sebastian Frankenberger , der Chef der Splitterpartei ÖDP, die von Jutta Dittfurth einst als „Öko- Faschisten“ bezeichnet wurde und Erfinder des totalen Rauchverbots in Bayerns Gastronomie, behauptet zwar nach wie vor, zuletzt in einem Bericht der dpa, das Rauchverbot „hat sich größtenteils eingespielt. Es gibt nur wenige schwarze Schafe“. Nun, Herr Frankenberger hat in einer Vielzahl von Lokalen Hausverbot – wie will er sich da ein objektives Bild machen?

Die Antiraucherlobby verweist gerne auf eine Veröffentlichung des statistischen Bundesamtes, nach der in Bayern seit dem Rauchverbot der Umsatz in der Gastronomie gestiegen sei, während er ohne totales Rauchverbot in der NRW-Gastronomie gesunken sei. Jemand, der dies behauptet, hat wohl sehr genau das Buch „So lügt man mit Statistik“ von Walter Krämer oder eine ähnliche Veröffentlichung gelesen. Zuerst einmal: In dieser Statistik werden nur Betriebe

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Der Kampf mit der Angst – neue Proteste in Weißrussland

Volksversammlung am 8. Oktober 2011 in Minsk In Weißrussland ist eine neue Protestkampagne gestartet. In rund 30 Städten fanden am Samstag die „Volksversammlungen“ statt. Die Opposition ist in ihrem Kampf entschlossen. Die Organisatoren der Aktion wollen einen Allgemeinstreik vorbereiten. Das Regime übt auf sie Druck aus und reagiert mit Festnamen. Doch ihr wichtigster Gegner ist die Angst der Menschen in „der letzten Diktatur Europas“. Eine Reportage von der Volksversammlung in Minsk.

Es regnet in Minsk. Doch das ist wohl nicht das schlechte Wetter, was viele Menschen davon abgehalten hat, an diesem Samstag an der Volksversammlung im Park der Völkerfreundschaft teilzunehmen. Das ist die Angst vor Festnahmen und Repressionen. Die Regierung hatte die Protestaktion der Opposition im Vorfeld für illegal erklärt und drohte den Teilnehmern mit Konsequenzen. Trotzdem sind in Minsk einige Hunderte Menschen zu der Veranstaltung gekommen.

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