Ein sehr schöner, wenn auch schon etwas älterer, 3Sat-Beitrag zum Thema Religion. Ich hab ihn erst Gestern gefunden. Richard Dawkins, für mich ohnehin einer der großen Schlauberger auf diesem Planeten, sieht in Religionen einen der großen Gründe für Konflikte. Für ihn ist der Gottesglaube das Problem. Übertragen auf die gerade abflauende Integrationsdebatte: Ohne Religion gäbe es viele Probleme gar nicht mehr – auf allen Seiten. Rationale, aufgeklärte Menschen haben weniger Probleme miteinander.
Adé „Ratgeber Technik“
Technik und Fernsehen – das paßt nicht mehr zusammen. Sagt die ARD.
Die ARD übt sich ja gegenwärtig nur noch im Verzicht: Weil unersättliche Intendanten vor 10 Jahren das ganze Internet offensiv erobern wollten, müssen nun überall durchaus sinnvolle Online-Beiträge der Öffentlich-Rechtlichen nach gewissen Fristen gelöscht werden – weshalb es auch nur noch selten Sinn ergibt, auf einen derartigen Beitrag zu verlinken.
Immerhin gibt es extrem anarchistische Vorratsdatenspeicherer, die diesem Mißstand abhelfen. Offiziell drohte man ihnen zwar bereits mit der Rechtsabteilung der öffentlich-rechtlichen Anstalten, klammheimlich ist man aber doch froh über diesen zivilen Ungehorsam, dem Datenverbrennen Einhalt zu gebieten.
Ja, soweit ist es schon gekommen: Unsereins mußte noch Steine werfen, um sich zum Außenminister zu qualifizieren – heute reicht dagegen schon das heimliche Abspeichern und Tauschen öffentlich-rechtlicher Websites oder eines Heino-MP3s, um staatlich anerkannter Anarchist zu werden. Dies erinnert an die öffentlich-rechtliche BBC, die zwecks Einsparen von Bandmaterial und Regalplatz viele Folgen von Dr. Who aus dem Archiv gelöscht hatte und sich archivtechnisch von privaten Raubkopierern aushelfen lassen mußte.
Technik allerdings mochte man bei ARD & ZDF schon länger nicht mehr besonders, man braucht sie ja auch üüüüberhaupt nicht zum Senden. Entsprechende Stimmen von entsprechend indoktrinierten Praktikantinnen quäkten mir schon vor Jahren entgegen.
Daß man nun aber die Traditionssendung meiner Kindheit, den „Ratgeber Technik“, absägt, ist bitter. Zwar trifft zu, daß die Sendung altbacken geworden ist, aber dann sollte man sie halt modernisieren. Aber nun, wie soll das gehen, wenn die Praktikantinen zwar ihren Ipod und ihr Handy wollen, und ihr Fernsehstudio und ihre Schnittmaschinen, von der Kaffeemaschine ganz zu schweigen, dann aber keine Technik leiden können?
Also: Schnell alles abspeichern, bevor es depubliziert ist!
Grüne im Glück
In einer Forsa-Umfrage sind Grüne und SPD gleich auf. Grüns kann sich freuen – für die SPD ist das eine Katastrophe.
Es ist eine Momentaufnahme, aber sie hat mehr als Symbolgehalt: SPD und Grüne liegen in einer Forsa-Umfrage beide bei 24 Prozent. In Berlin überlegt sich Renate Künast (Grüne) als OB-Kandidatin gegen Wowereit (SPD) anzutreten und auch in Baden-Würtemberg scheint ein Grüner Ministerpräsident nicht mehr ganz ausgeschlossen zu sein.
Fast jede vierte Stimme für die Grünen – das zeigt, wie gering in dieser Gesellschaft der Zusammenhalt geworden ist. Die unterschiedlichen Fraktionen dieser Gesellschaft haben immer weniger miteinander zu tun, fühlen sich immer weniger füreinander verantwortlich und haben immer weniger Berührungspunkte. Und wenn man ehrlich ist: Anders will man es ja auch gar nicht mehr haben.
Die Grünen sind die Partei für Leute, die wenig Probleme haben und sich Sorgen machen können über abstrakte Fragen. Grünen Wähler verdienen gut und wenn nicht, werden sie es irgendwann wahrscheinlich tun. Oder es ist ihnen nicht so wichtig. Postmaterialisten eben. Man ist links oder war es und schätzt am Linkssein den Lifestyleaspekt. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Auch das sehe ich nicht als verwerflich an. Lifestyle, die Definition seiner selbst über Produkte, ist eine gute kapitalistische Errungenschaft. Wenn es einem besser geht, weil man ein Bio-Würstchen gekauft hat, ist das eine feine Sache. Hauptsache es wirkt. Nur klar ist: Postmaterialismus muss man sich leisten können. Viele Wähler der Grünen können das.
Bei der Klientel des SPD sieht das ein wenig anders aus. Hartz IV ist für die meisten Grünen ein theoretisches Problem. Für Teile der traditionellen SPD-Wähler ist es Realität. Sie wollen gefördert , nicht gefordert werden. Leistungslosen Zugang zu finanziellen Ressourcen verspricht die Linkspartei – also wird sie gewählt.
Für viele Grüne ist der Klimawandel eine große Bedrohung. Ihre Wähler wollen die Wirtschaft ökologisch umbauen. Für sie eine lässige Angelegenheit, die sie entweder nicht betreffen wird oder von der sie profitieren werden. Ein Facharbeiter in einer Aluminumhütte oder bei einem Automobilhersteller ahnt, dass er bei diesem Prozess schnell hinten rüber kippen kann. Und eine SPD, die sich eng an die Grünen bindet, verliert bei diesen Menschen an Glaubwürdigkeit.
Das Besondere an den Grünen und ihren Wählern ist, dass sie sich selbst nicht als Klientel- und Lifestylepartei empfinden, sondern glauben, im gesamtgesellschaftlichen Interesse zu handeln. Das erlaubt ihnen, weit in das traditionelle, bürgerliche Lager hinein zu wirken. Bei der SPD, der FDP oder der Linkspartei ist das anders. Ihre Ideen wirken auf das andere Lager abschreckend oder obskur. Ihre Forderungen haben nicht den moralischen Überbau. Atomkraft, Klimawandel – immer geht es um das große Ganze. Wie popelig erscheinen da die Fragen des Alltags, für die die Grünen auch nur selten realistische Antworten haben?
Motorola „Ausflipp“: Android-Handy für Mädchen
Wie bekommt man einen Androiden in eine Frauenhandtasche? Motorola glaubt, die Lösung gefunden zu haben.
Eigentlich ist Apple der Spezialist für Mädchenfarben: Frühere Exemplare des Ipod mini waren dafür berüchtigt, nur in für richtige Kerle untragbaren Pastelltönen lieferbar zu sein. Doch auch andere Hersteller haben inzwischen Geräte in Barbie-Farben im Sortiment.
Als ich das neueste Motorola Android-Handy mit Tastatur zum Test anforderte, erwartete ich eigentlich den Nachfolger des Milestone, einem technisch hochwertigen Android-Smartphone.
Das Milestone 2 kommt allerdings erst in einigen Wochen auf dem Markt. Solange gibt es das Flipout (zu deutsch: Ausrast) und das Backside Backflip. Ersteres ist laut Motorola für 300 € ohne Vertrag bei O2, The Phone House und Vodafone zu haben, letzteres laut Motorola für 200 € mehr ebenso vertragsfrei bei Amazon und Mogelcom.
Das Flipout richtet sich an eine junge Zielgruppe, die auch mal mit kleineren Taschen unterwegs ist. Gerade für junge Frauen ist es besonders interessant, da es in praktisch jede Handtasche passt und zu jedem Kleidungsstil dank seiner unterschiedlich farbigen Cover passt. Das Backflip ist da viel erwachsener und zielt auf etwas ältere Nutzer ab.
so die Erklärung von Motorola zum Unterschied der Ausrichtung der beiden Geräte, die sich technisch außer in Gewicht, Größe und Auflösung der Kamera (3 MP vs. 5 MP) nicht wesentlich unterschieden.
Tatsächlich liegen Flipout und Blackflip inzwischen beide bei etwas unter 300 € ohne Mobilfunkvertrag auf Amazon.de. Beide haben eine Tastatur, eine Kamera und „Motoblur“, eine Motorola-eigene Android-Ergänzung, die die Verknüpfung mit Twitter, Facebook & Co. erleichtern soll sowie alle eingerichteten Mailaccounts, auch via Exchange, zusammenfaßt.
Letzteres nennt sich „universeller Posteingang“, in dem dann alle eingegangen Mails chronologisch aufgelistet werden, unabhängig von ihrer Quelle. Beim Antworten werden sie aber wieder entsprechend auseinandersortiert. Zudem lassen sich mit Motoblur Accounts auch fernlöschen, falls man sich das Handy klauen läßt und zu blöd oder faul war, ein Paßwort für den Zugriff einzurichten.
Das Flipout dürfte momentan das kleinste Android-Smartphone mit Tastatur darstellen. Es ist wirklich für junge Frauen gedacht: Der älteren Generation dürfte das Display doch etwas zu klein sein, und spitz gefeilte Fingernägel dürften dem Treffen der kleinen Mäusetasten sehr zuträglich sein. Die Rückseite kann gewechselt werden – es muß also nicht Rosa sein, Orange und Lindgrün sowie Schwarz stehen ebenfalls zur Verfügung. Außerdem kommt frau nicht so in Streß wie mit einem Iphone.
Gegenüber dem ersten in Deutschland verfügbare Android-Handy, dem G1, benahm sich der Browser auf Spiegel online wesentlich ungeschickter und mußte ständig manuell gezoomt werden – andernfalls war zwar die Media-Markt-Flash-Werbung bestens zu sehen, doch der Text unlesbar. Die Ruhrbarone erscheinen dagegen auf dem Flipout in einer gut lesbaren Mobile-Version.
Beim Ansehen des täglichen Dilbert-Cartoons machte das Flipout seinem Namen schließlich alle Ehre: Es rastete aus und zeigte diesen flackernd hin- uind herspringend wie auf einem alten Fernseher, bei dem das Bild durchläuft. Es gab auch hin und wieder Probleme mit Umlauten und HTML in E-Mails, doch seltener als bei anderen Geräten.
Außerdem versagte die einzig mir bekannte sinnvolle Anwendung für eine Kamera im Handy, Android Shop Savy, mit dem Flipout: Shop Savy liest den Barcode von Verpackungen und zeigt dann die günstigsten Händler im Umkreis und im Netz, die dieses Produkt anbieten. Doch die Kamera des Flipout war im Ggeensatz zum HTC G1 nicht imstande, einen Barcode lesbar einzuscannen: Offensichtlich kann sie im Nahbereich nicht ausreichend fokussieren.
Alles andere funktioniert jedoch einwandfrei mit dem Flipout und der Android Market stört sich auch nicht am ungewöhnlichen Bildschirmformat: Die gängigsten nachträglich zu ladenden kostenlosen Android-Anwendungen wie QYPE oder CAB4me stehen fur das Flipout zur Verfügung und funktionieren auch.
Das Ein- und Ausklappen der Tastatur ist praktisch gelöst. Das fast quadratische Display-Format versagt es einem allerdings leider, längere Texte nach dem Einklappen der Tastatur hochkant zu lesen: Der Text dreht sich zwar wie bei Androids üblich beim Deaktivieren der Tastatur um 90°, aber das Format ändert sich dabei nicht wesentlich. Die Eingabe längerer Texte ist über die Mini-Tastatur wiederum sogar mühsamer als auf dem Bildschirm.
Die Batterielaufzeit, ein Schwachpunkt vieler Android-Telefone, ist bei Nichtbenutzung durchaus brauchbar – das Flipout schaltet von sich aus viele energieintensive Baugruppen bei Nichtbenutzung in Standby. Beim Surfen via UMTS ist dagegen der Akku angesichts der kleinen Bauform schnell leer und das Gerät erwärmt sich spürbar. Deutlich sparsamer – auch gebührentechnisch – ist das Flipout, wenn man es über einen WLAN-Hotspot benutzt.
Wer unterwegs einfach nur auf dem Laufenden bleiben will und einen schicken, kompakten, damenhandtaschenkompatiblen Fremdenführer mit Navigations- und Taxiruffunktion sucht, bei dem ist das Flipout gut aufgehoben. Ich warte lieber auf das Milestone 2.
Fernsehen vs. Web: Lineare Berieselung vs. gezieltes Lesen
Manchmal gelingt es Radio und Fernsehen sehr effektiv, mich daran zu erinnern, warum ich wahllose Berieslung durch Magazinsendungen nicht mag.
Gestern war ich nur kurz dabei, den Festplattenrekórder mit Arte-Stoff für die nächste Woche zu füttern – da die Schwiegermutter zu Besuch ist, kann man ohnehin nicht länger fernsehen.
Da all diese Geräte einem auch zwangsweise das laufende Programm vorsetzen, fiel mir auf, daß in „Metropolis“ etwas über den Fotografen Peter Lindbergh sein sollte – und zwar nach dem gerade laufenden Beitrag über ein altes Designsofa.
(3): Peter Lindbergh
Der deutsche Fotograf Peter Lindbergh, seit 30 Jahren in der Modebranche tätig, hat sich durch seine natürlichen Aufnahmen prominenter Models und Schauspielerinnen einen Namen gemacht. Er legt großen Wert auf eine respektvolle Darstellung der Frau und lässt sich auf die Besonderheiten des Gesichts ein. Die Schwarzweißtechnik nutzt er zur Steigerung der Emotion. Von seinem realistischen Ansatz her kritisiert er den systematischen Rückgriff auf die Retusche und verteidigt die Darstellung des Körpers mit seinen Unvollkommenheiten. Rund 200 Bilder und Filme aus dem Gesamtwerk des Fotografen werden ab 25. September in der Ausstellung „Peter Lindbergh. Photographs and Films 1980-2010“ im C/O in Berlin gezeigt.
Ich tröstete die Schwiegermutter mit „nur 5 Minuten“. Sie versteht kein Deutsch – und auch kein Französisch.
Doch es kam noch eine Menge anderes uninteressantes Zeug, doch nicht der beworbene Beitrag. Ums Verrecken nicht. Obwohl ich nun 45 Minuten statt 5 Minuten an der Kiste festhing.
Und auch in „Arte +7“ ist der Beitrag nicht existent, der eigentlich zwischen dem Beitrag über das 70er-Jahre-Sofa und dem Beitrag über diesen verrückten amerikanischen Buchschreiber sein müßte. Der extrem absurd war, weil er englisch sprach (das hätte die Schwiegermutter immerhin verstanden), deutsch synchronisiert wurde, doch die Bücher in der französischen Variante gezeigt wurden.
Anscheinend hat die Metropolis-Redaktion den Beitrag über Peter Lindbergh niemals gemacht. Und wenn, wäre er wohl nur eine Kurznotiz von ein paar Sekunden geworden.
Aber ich habe mich über eine Stunde mit einem Mischmasch von Kram beschäftigen müssen, der mich – Kultur hin, Kultur her – gar nicht interessiert. Nur Claude Chabrol war interessant – doch da hatte ich noch gar nicht eingeschaltet.
Doch genau das – für jeden etwas, aber für keinen genug – ist das Prinzip dieser nervigen Magazinsendungen. Schön für Leute, die ohnehin nur ziellos durch die Kanäle zappen – blöd für „Programmgucker“ wie mich.
Immerhin: Arte sendet zumindest meistens nach Programm. MTV z.B. hat dagegen eigentlich noch nie ein groß angekündigtes und beworbenes Special auch tatsächlich zum beworbenen Termin ausgestrahlt.
Das Fernsehen mag Leute, die eine bestimmte Sendung oder einen bestimmten Beitrag sehen wollen, und nicht irgendwas, leider nicht besonders.
Die Estnische (5): Kranke Holzhäuser*
Kassisaba ist der Katzenschwanz Tallinns, das Stadtviertel drückt sich an Altstadtring und Bahndamm. Morgens und abends erklingt ein lyrischer Tusch. Die Fanfare kommt von Band auf einem alten Stadttor und markiert Sonnenauf- und Sonnenuntergang. Leider wird die Zeit zwischen den Klängen kürzer. Fürchte ab Ende November ertönt die Fanfare, Sonne geht auf, kurz darauf wieder Fanfare, Sonne verschwindet und dann fünf Monate Schweigen. Noch ist es nicht so schlimm, aber der Winter naht unausweichlich wie der Tod. Brrr.
Laut unserer Maklerin ist Kassisaba ein tolles Viertel, hier würde sie auch gerne wohnen, sagte sie; – wenn sie nicht zuviel Geld hätte, ein zu dickes Auto, zu viele Sorgen um ihre Kinder oder um sich selbst. Aber es ist hübsch hier mit den gepflegten Holzhäusern, fast dörflichen Straßen, dem kleinen Park, der britischen Botschaft, dem Tante-Emma-Laden und einem Alkoholnahversorger namens „9-22“ im Souterrain, in den ich mich aber nicht hinein traue.
In der Idylle aus Läden, Stadthäusern, Sowjetbauten und Apartmentblöcken vermodern allerdings auch Holzhäuser in wilden Gärten. Abends klettern Obdachlose in die Bruchbauten. Stellen Joghurt ins Fenster oder ein Radio, bis die Besitzer mit Latten und Brettern anrücken, um ihre morschen Besitztümer für den Winter zu verrammeln. Holzhäuser sind wie kranke Tiere. Fehlt eine Glasscheibe, ein Rost vor dem Kellerfenster, wird das Haus verwohnt, dann verschwindet es Stück für Stück in Rucksäcken von Männern mit Brechstangen.
Unser Haus hat dünne Wände, für Brechstangen ist es zu neu und massiv. Die Haustür hat einen Code, der Hof eine automatische Pforte, die auch nicht verhinderte, dass in unserem betagten Auto seit gestern das Radio fehlt. Das Nachbarhaus wurde aus blassgrün angemaltem Holz gebaut, auf dem achteckigen Turm steckt ein Messingkreuz, durch das ein Querbalken geschlagen ist; es sieht aus wie ein schlichtes Eiskristall unterm Mikroskop, ein Vorbote.
An diesem Stammsitz der estnischen orthodoxen Kirche sprechen sie französisch und englisch. Metropol Stephanus stammt aus dem Kongo, ein Sohn zypriotischer Flüchtlinge. Als Kongo unabhängig wurde, flüchteten die Zyprioten nach Belgien, Stephanus studierte in Brüssel, arbeitet für französische orthodoxe Gemeinden, von denen ich noch nie etwas gehört hatte, bis er den Ruf nach Tallinn erhielt. Eine französische Nonne besorgt dem Metropol von Tallinn den Haushalt, kauft ein mit einer Tasche von Super U und einem kleinen grünen Fiat mit französischem Kennzeichen.
Der Chauffeur der estnischen Kirche – die wie das ganze Estland einen langen Kampf um ihre Unabhängigkeit von Moskau, hier den Moskoviter Patriarchen, führt – hat lockiges langes graues Haar und sieht aus wie ein orthodoxer Usbeke. Er trägt bestickte Westen, auch mal Umhänge. Wenn er allein im Auto sitzt, hört er düstere Musik von Bands, deren Namen sich mit Runenbuchstaben schreiben. Die schwarze französische Limousine fährt er mit einer Umsichtigkeit, mit der er auch die Einfahrt im Auge hat, damit nur niemand die Brechstange ansetzt. Vor dem Winter.
* 2010, Ruhrgebiet ist bald vorüber. Das nächste große Ding heisst Tallinn 2011, Geschichten von der See. Und ich bin dabei. Mit Geschichten von der See, der Stadt und diesem überhaupt ziemlich seltsamen Land am nordöstlichen Rande Europas.
Pro NRW buhlt um Politically Incorrect
Lange Zeit hatte man den Eindruck Pro NRW und das Blog Politically Incorrect (PI) seien gleichgeschaltet: Das rechtspopulistische Blog berichtete wohlwollend über die rechtspopulistische Kleinpartei von Markus Beisicht und tat so, als ob es eine ernstzunehmende Partei sei.
Doch damit ist es vorbei. Pro NRW fühlt sich von PI ungerecht behandelt. In einem offenen Brief an den PI Gründer Stefan Herre schlägt die Pro Köln Fraktionsvorsitzende Judith Wolter den gewohnt weinerlichen Pro NRW Ton an:
Wie Du weißt, hat ein großer Anteil der Leserschaft von PI bei den letzten Wahlen pro NRW gewählt oder hat unsere Bürgerbewegung unterstützt. Jetzt ist aber jeder konstruktive Dialog zwischen der veröffentlichten Meinung bei PI und pro NRW bzw. pro Köln abgebrochen. Ja, es ist für uns bitter, das wir dies feststellen müssen: Es gibt auch bei PI mittlerweile einen Unterschied zwischen veröffentlichter und öffentlicher Meinung. Das allein wäre schon Anlass genug zur Sorge. PI hat in seiner Berichterstattung die Arbeit der Pro-Bewegung unter die allseits bekannte Schweigespirale gelegt, und wir möchten Dich öffentlich fragen, warum?
Der Grund für die Sorge ist die Gründung der rechtspopulistischen Partei „Die Freiheit“ in Berlin durch die CDU Politiker René Stadtkewitz und Marc Doll sowie den ehemaligen Piraten-Funktionär Aaron Koenig. PI hatte wohlwollend über die Gründung berichtet. PI-Gründer Herre wohl Kontakt zu Stadtkewitz. Stadtkewitzs Partei hat gegenüber Pro NRW und Pro Deutschland bislang einen großen Vorteil: Die Führungskräfte sind zwar stramm rechtspopulistisch, haben aber, im Gegensatz zur Pro NRW-Führung, bislang keine ehemaligen Nazis in ihren Reihen. Bei Pro NRW hingegen tummeln sich ehemalige Funktionäre der NPD, der Republikaner und anderer rechtsradikaler Gruppen. Pro NRW wird in NRW auch vom Verfassungsschutz beobachtet – alles Hindernisse für einen Erfolg der Partei in bürgerliche Kreise hinein.
Die Freiheit hat solche Probleme bislang nicht. Aber man kann davon ausgehen, dass dies nicht mehr lange so sein wird. Die Gründung einer rechtspopulistischen Partei in Deutschland wird aktive und ehemalige Nazis anziehen. Vor allem die Aussicht auf Mandate und die damit verbundenen Gelder dürfte so machen der regelmäßigen Erwerbsarbeit entwöhnten Rechten anziehen.
„Abfälle schluckt der Staubsauger“ – das Atomkraftwerk zum Selberbauen
Die Lebkuchen stapeln sich seit Wochen in den Supermärkten, Weihnachten muss vor der Tür stehen, Zeit also, nach passenden Geschenken Ausschau zu halten.
Hier wäre die ideale Gabe für die technisch versierte Kanzlerin Angela Merkel und ihren strahlenden Atomschutz-Minister, pardon, Atom- und Umwelt-Schutzmininister Norbert Röttgen: Das Atomkraftwerk zum Selberbauen aus dem Jahr 1983, Maßstab 1:350, mit herausnehmbaren Brennelementen. Es entspricht einem „DWR 1300 MW“, wie er derzeit etwa in Lingen vor sich hin rottet, und sollte zu Übungszwecken in keinem ordentlichen Terroristenhaushalt fehlen. Wer so ein Bastelkraftwerk bislang nur aus Loriots legendärem Weihnachtssketch mit der Familie Hoppenstedt kannte, kennt aber die KWU nicht (mehr). Vorsichtig, wenn du dich an den Namen noch erinnern kannst, bist du in einem Alter, in dem hast du auf dem Arbeitsmarkt keine Chance mehr.
Die Siemens-Tochter aus Erlangen, Erbauerin praktisch aller ewig laufenden Reaktoren in Deutschland, ist längst weg von der Atomkraft und dem alten Namen, baut heute großartig wirksame Gas- und Dampfturbinen und nennt sich Siemens Power Generation. Das heißt nicht, dass hier die Nachfolger der Generation Praktikum eine Heimat fänden, sondern, soviel Englischkenntnisse besaß auch ich vor kurzem nicht, dass es hier um Kraftgewinnung geht. Als ich die wunderschöne Firma 2008 einmal besuchen durfte anlässlich ihrer Qualitätstage, wurde wenig später bekannt, dass man im Jahr zuvor Nonconformance-Kosten in Höhe von 300 Millionen Euro fabriziert hatte. Um den Blick ins Online-Wörterbuch zu sparen: Die hatten für 300 Millionen Schrott gebaut. So stand es in der Zeitung, beim Termin selbst wurde eine andere Zahl genannt, die ich hier nicht wiedergeben darf, mich aber hoffen ließ, ich würde eines Tages für von mir geschaffenen Müll auch so großzügig entlohnt wie die Siemensleute.
Wie hoch bei denen die Murksrate Jahre zuvor war, als man noch Atomkraftwerke entwickelte, blieb bei dem Besuch unerwähnt. Um die Komplexität ihrer Arbeit wussten die Ingenieure indes; ihrem Atompappwerk haben sie damals nebst 27-seitiger Bauanleitung auch einen Übungsbogen für das ungefährliche Büro- und Sozialgebäude beigefügt. Damit konnte später beim Einsätzen der Brennstäbe mit der x–x-x-Falz (nach vorne knicken) und der o-o-o-o-Rillkante nichts falsch laufen. Für den Modellbau gelten die gleichen Regeln wie für das, was sich heute Energiepolitik nennt: Es „gibt es Kniffe und Kunstgriffe, die man zumindest kennenlernen muß. Im Laufe der Zeit knobelt sich jeder sein eigenes System aus.“ Das Basteln am Atomkraftwerk war auch 1983 schon umweltfreundlich, denn „der Modellbau mit Karton verursacht keinerlei Geräusche, die Abfälle schluckt der Staubsauger und der Klebstoff kommt aus der handlichen Tube“. Atomfreunde brauchen weder besondere Fertigkeiten noch besondere Werkzeuge. Strick- und Stopfnadel, Zahnstocher, ein paar Rundhölzer tun es im Grunde schon, nur sollte man „bei der Anschaffung einer Pinzette nicht am falschen Platz sparen!“
Wer dann noch im Primärkreislauf die „Explosionszeichnung auf Rückseite von Teil 216“ beachtet, hat nach etwa 130 Mannstunden den Reaktor stehen. Komplizierter ist die neue Atompolitik der Regierung auch nicht. Auch wenn man annehmen darf, dass Norbert Röttgens Basteln am Kartonmodell ähnlich misslingen würde wie das selbstgebastelte Energiekonzept von CDU/FDP. Er würde seine AKW-Ruine nach außen schon gut verkaufen, wie er die Verlängerung der Kraftwerkslaufzeiten auch verkauft mit schönem Politikersprech von der Brückentechnologie. Wo doch Krücken- oder Tückentechnologie mindestens ebenso schön klänge. Wenn die Atomkraft die Brücke in eine Welt erneuerbarer Energien ist, dann war das Giftgas des Ersten Weltkrieges auch nur die Brücke zur Atombombe von Hiroshima.
Aber das ist eine Ewigkeit her, und die spielt bei der Atomkraft bekanntlich keine Rolle, jedenfalls nicht bei den Kosten. Das unterscheidet sie von der heimischen Steinkohle, deren Ewigkeitskosten sie unbezahlbar erscheinen lässt. Da haben auch revolutionäre Kohle-Tunnel-Konzepte (um mal die Brücke zu meiden) keine Chance. Eines habe ich als Teilzeitsteiger und Ehrenhauer auf Auguste Victoria entwickelt. Um die letzten Ruhrgebietszechen zu retten, will ich auf dem Weltmarkt riesige Kohlenmengen zu 80 Euro pro Tonne kaufen, auf Prosper/Haniel in Bottrop nach untertage verbringen, von dort nach Marl befördern und sie auf AV dann als deutsche Steinkohle für 170 Euro/Tonne wieder ans Tageslicht fördern. Ausgefeilter erscheint die Atompolitik derzeit auch nicht. Außerdem: Mit polnischen Schweinen und Parmaschinken soll das in der EU bekanntlich gut klappen.
Der Nachteil des KWU-Atomkraftwerks zum Selberbauen soll zum Schluss nicht verschwiegen werden. Im Gegensatz zum Weihnachtsgeschenk der Hoppenstedts kannst du getrost alles falsch machen. Es macht nicht „puff“, und es fallen auch keine Häuser und keine Kühe um. Fantastisch.
Ein neueres Atomkraftwerk zum Nachbau findet sich hier:
Point Alpha, „Haus auf der Grenze“: In der Landschaft ist die Mauer verschwunden, in den Köpfen noch nicht
Point Alpha ist eine Gedenkstätte an der ehemaligen Grenze zur DDR. Sie kann beispielsweise von Schulklassen besucht werden. Erwachsene, die die DDR noch erlebt haben, werden sie leider eher meiden.
Das Ruhrgebiet ist von der deutsch-deutschen Grenze am wenigsten tangiert worden. Viele Ostdeutsche geben sich deshalb heute Fremden gegenüber als Bewohner des Pott aus. Sie schafften die Flucht aus ihrem Land nicht, als es noch existierte und versuchen es nun zu verleugnen, wo dies gar keinen Sinn mehr ergibt. Zudem verrät die Sprache diese späten „Republikflüchtlinge“ – weshalb sie Telefonate auch eher vermeiden und lieber schriftlich kommunizieren.
Nur einer jener merkwürdigen, traumatischen Effekte, die das „bessere Deutschland“ bis heute hinterlassen hat, über 20 Jahre nach dem Fall der Mauer. Denn in den Köpfen ist sie oft noch existent, wobei die Betroffenen in einer Mischung aus Opfer und Täter agieren. So werden sie als Lehrer beispielsweise heute von dem Staat bezahlt, den sie einst bekämpften. Und mißtrauen ihm immer noch:
Ich habe mein Staatsbürgerkundebuch immer gelesen und verstanden
Der Mauerfall ist für viele immer noch wie ein verlorener Krieg:
Der Gorbatschow ist ein Verbrecher – der hat unsere schöne DDR verraten!
oder auch:
Am 17. Juni gab es keinen Aufstand – das ist doch alles Westpropaganda!
Natürlich ist das eine Minderheit – damals wie heute. Es erschrickt trotzdem, wie sehr die damalige Indoktrination weit über das Ende einer Diktatur hinaus fortwirkt, die doch eigentlich nur das Beste wollte – wenn auch nicht unbedingt für die Bevölkerung.
Der linken Weltanschauung, die ja durchaus positiv begann, die Menschen befreien wollte, nicht wie die rechte das Gegenteil wollte, erweisen diese ewig Gestrigen damit einen Bärendienst.
Sie werden „Point Alpha“ also wohl nie besuchen, denn es ist ein ehemaliger Stützpunkt des Klassenfeinds, der US-Armee. Man sah hier hinüber nach Geisa, in die DDR, da man wenn, dann an dieser Stelle, im sogenannten Fulda Gap, einen Einmarsch russischer Panzer befürchtete.
Und auch die Opfer des DDR-Regimes werden sich „Point Alpha“ kaum ansehen – zu groß dürfte der Schmerz sein.
Neugierigen „Wessies“ und eben Schulklassen hat dieses Freiluftmuseum jedoch einiges zu bieten. Neben dem „Haus auf der Grenze“ kann eben der ehemalige Stützpunkt Alpha der US-Armee besichtigt werden sowie ein ehemaliger DDR-Grenzturm. Dieser allerdings nur von außen.
Die im Museum ausgestellte eher gruslige Maske ist übrigens keine Atomschutzmaske, sondern lediglich die Winterausrüstung der US-Armee.
Alle Bilder: Jo Frank
Singen mit Mina – Ein melancholischer Vokalkurs
„Was geht auf Deutsch, und was geht nicht?“ fragt sich Andreas Lichte. Ein Sprach- und Vokal-Kurs mit einem Lied von Mina.
Vokale geschrieben (fast!) wie gesungen, Text wörtlich übersetzt, Wortstellung wie im Italienischen:
Non Credere
Nicht glauben
Noooooo, nooooooo, noooooooo,
Nein, Nein, Nein
No-oooo, non crederleeeeee
Nein, nicht glauben ihr
non gettare nel ventooooooo
nicht werfen in den Wind
in un solo momentoooooo
in einem einzigen Moment
quel che esiste fra noi-iii
das, was existiert zwischen uns
Noooooo, nooooooo, noooooooo
Nein, Nein, nein
n-oooo ascoltamiiiiiiiii
nein, hör zu mir
tu per lei-ii sei un giocattolooooooo,
du für sie bist ein Spielzeug
il capriccio di un attimooooooo
die Laune von einem Augenblick
e per me sei sei la vi-itaaaaaa.
und für mich du bist das Leben
Se lei ti amasse, i-iooooooo,
Wenn sie dich liebte, ich
se lei ti amasse, i-iooooooo,
Wenn sie dich liebte, ich
saprei soffrire ed anche morire
ich würde wissen leiden und auch sterben
pensando a teeeeeeeeee.
denkend an dich
Ma non ti ama, noooooooo,
Aber nicht dich sie liebt, nein
lei non ti ama, noooooooo,
sie nicht dich liebt, nein
ed io non voglio vederti morire,
und ich nicht will sehen dich sterben
morire per leiiiiii.
sterben für sie.
Noooooo, nooooooo, noooooooo,
Nein, Nein, Nein
No-oooo, non crederleeeeee
Nein, nicht glauben ihr
non gettare nel ventooooooo
nicht werfen in den Wind
in un solo momentoooooo
in einem einzigen Moment
quel che esiste fra noi-iii
das, was existiert zwischen uns
Se lei ti amasse, i-iooooooo,
Wenn sie dich liebte, ich
se lei ti amasse, i-iooooooo,
Wenn sie dich liebte, ich
saprei soffrire ed anche morire
ich würde wissen leiden und auch sterben
pensando a teeeeeeeeee.
denkend an dich
Ma non ti ama, noooooooo,
Aber nicht dich sie liebt, nein
lei non ti ama, noooooooo,
sie nicht dich liebt. nein
ed io non voglio vederti morire,
und ich nicht will sehen dich sterben
morire per leiiiiii.
sterben für sie.
Ma non ti ama, noooooooo,
Aber nicht dich sie liebt, nein
lei non ti ama, noooooooo,
sie nicht dich liebt. nein
ed io non voglio vederti morire,
und ich nicht will sehen dich sterben
morire per leiiiiii.
sterben für sie.





