„Crack verändert alles“

Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal an seinem Schreibtisch (Foto: Michael Westerhoff)


Die Droge Crack ist in NRW auf dem Vormarsch. Während Kommunalpolitiker reagieren, sind die offiziellen Zahlen des Landes noch niedrig. Was auch an der Droge liegt.

Wer durch Dortmunds Fußgängerzone geht, kann sie nicht mehr übersehen: Heruntergekommene Drogenabhängige, zum Teil mit schorfigen, offenen Wunden, die sich zum Teil aggressiv verhalten. „Crack verändert alles“, sagt Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) . Seit Anfang des Jahres nehme das Problem mit Crack-Süchtigen in der Stadt zu: „Die Abhängigen verhalten sich anders, sind aggressiver und verwahrlosen sehr schnell.“ Die über Jahre entwickelten Konzepte zur Betreuung von Drogenabhängigen wie die Bereitstellung von Konsumräumen und Betreuungsangeboten würden bei dieser Klientel nicht mehr greifen. Viele Bürger und Händler in der Innenstadt fühlen sich bedroht und belästigt. Westphal macht das Thema zur Chefsache.

Neben der Erneuerung der Ordnungspartnerschaft mit der Polizei richtet die Stadt außerdem den Sonderstab „Ordnung und Stadtleben“ ein, der künftig in agilen Strukturen flexibel und nachhaltig auf die neuen Herausforderungen reagieren kann. Das gemeinsame Ziel: eine attraktive Stadt mit einer ansprechenden City. „Wir werfen einen breiten Blick auf das Thema. Es geht nicht nur um Repressalien, sondern auch um die Frage, wie man Sucht vermeiden und Suchthilfe weiterentwickeln kann – denn die klassischen Konzepte greifen hier nicht mehr“, sagte Oberbürgermeister Thomas Westphal am Dienstag in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Polizei Dortmund.

Im November soll dann in Dortmund eine „Crack-Konferenz“ stattfinden, an der Vertreter anderer, besonders stark betroffener Großstädte Düsseldorf, Frankfurt, Hannover und Hamburg teilnehmen. Doch all das wird nicht reichen: „Die Verfolgung von organisierter Drogenkriminalität in der Innenpolitik ganz nach oben auf die Tagesordnung. Da sind auch das Land, der Bund und die Europäische Union gefragt.“

Crack, eine Mischung aus Kokain und Backpulver, kam in den 80er-Jahren in den USA auf den Markt. In Deutschland spielte die Droge lange Zeit keine große Rolle. Das hat sich in den vergangenen Jahren geändert: Vor allem Frankfurt leidet unter einem Crack-Tsunami, der dort zu einem rapiden Verfall des Bahnhofsviertels geführt hat. In Nordrhein-Westfalen sind nach dem Jahresbericht Drogenkonsumräume aus dem Jahr 2021 vor allem Dortmund und Düsseldorf betroffen. Indem heißt es „Der Schwarzmarkt wird aktuell mit Kokain überschwemmt, es ist vergleichsweise günstig und wird viel konsumiert.“ Aus der Sicht der Mitarbeiter der Konsumräume habe sich die Klientel verändert, sie sei „gierig“ und „ausgemergelt“ und hätte jedes Schamgefühl verloren. Crack werde vor Ort selbst hergestellt: „Man benötigt hier keinen Abschluss zum Diplom-Chemiker, vielmehr kann die Aufbereitung von jedermann bewerkstelligt werden.“

Das ist auch aus Sicht der Polizei ein Problem. „Wir finden so gut wie nie Crack bei Süchtigen oder Dealern. Und wenn wir Backpulver finden, ahnen wir zwar, wofür es wahrscheinlich verwendet wird, aber Backpulver ist nicht illegal“, sagt ein Sprecher der Kölner Polizei. Entsprechend niedrig sind die offiziellen Deliktzahlen des Landeskriminalamtes, die aus dem Jahr 2022 stammen: Nur 393 Fälle wurden landesweit gezählt.  Sie bilden die Realität nicht ab.

Der Artikel erschien in einer ähnlichen Version bereits in der Welt am Sonntag

 

 

 

 

 

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