Der Ruhrpilot

Reemrenreh von Bogomir Ecker, Foto: Roman Mensing / EMSCHERKUNST.2010

Ruhrgebiet: Die Flussbereinigung…Zeit

Medien: Wer hat das Zeug zum Schimi?…Bild

Medien II: ARD-Vorsitzende Piel will Geburtsfehler des Internets beseitigen…Netzpolitik

NRW: Laumann fordert Bund zur Hilfe für Kommunen auf…RP Online

NRW II: Auch die NRW-FDP setzt auf Westerwelle…RP Online

Ruhrgebiet II: Kuball erleuchtet das Revier…RP Online

Ruhr2010: 2-3 Strassen..Mimi Müller

Dortmund: Hopfen und Malz, der Pott erhalt’s…Spiegel

Essen: …spart – und die Essener sagen wo…Der Westen

Essen II: Bahn und Baufirmen streiten um Millionen…Der Westen

Duisburg: Türkische Buchmesse lockte 30.000 Besucher…Der Westen

Duisburg II: Ausstellung zu jüdischer Geschichte…Der Westen

Gladbeck: Hitlergruß in Gladbecker Feuerwehr…Indymedia

Wirtschaft: Vorschau auf 2011…Weissgarnix

Immobilien: Die feinsten Ecken im Revier…Der Westen

Internet: Bloggerin des Jahres wählen…Kaffee bei mir?

Handy: Jens testet Mozart…Pottblog

Eigene Stärken bewusst machen, sich helfen und was sonst noch wichtig ist

Geht nicht, gibts nicht“, hat sie gesagt. Eine Heimwerkerweisheit, die ich nicht nur schon immer für unzutreffend gehalten habe, sondern auch – ich will es mal so sagen: für nicht besonders geistreich, dafür aber für ziemlich lästig. „Wohlergehen und Wohlstand ­ das heißt nicht nur ,mehr haben`, sondern auch ,besser leben`. Dafür brauchen wir Sie: die Menschen, die etwas besser machen wollen, die sagen: Geht nicht, gibts nicht“, sprach die Kanzlerin in ihrer Neujahrsansprache. Und auch dies: „Deutschland ist so erfolgreich, weil Sie Tag für Tag Ihre Arbeit machen. Sie sind früh morgens auf den Beinen.“ Ja, ich weiß, ist schon okay – da braucht sich niemand drüber aufzuregen. Über die Neujahrsansprache letztes Jahr hatte sich Claudia Roth „entrüstet“ – okay, ich weiß: auch so etwas soll vorkommen. Sie ahnen nicht warum. Angela Merkel hatte nämlich von einer „Sanierung der Staatsfinanzen“ gesprochen, aber ein „Schuldenvermehrungsgesetz“, so Frau Roth, durch den Bundesrat „gepeitscht“. Starkes Stück, nicht wahr?

Dieses Jahr ist es ruhig geblieben um der Kanzlerin warme Worte. Bislang jedenfalls. Dabei … – Schuldenvermehrung und so, diesmal hätte Claudia Roth eigentlich allen Grund, sich zu echauffieren. Merkel hatte nämlich auch gesagt, … – tun Sie mir bitte den Gefallen und sagen es der Roth nicht! Also, Merkel sagte: „Der Euro ist die Grundlage unseres Wohlstands. Deutschland braucht Europa und unsere gemeinsame Währung. Für unser eigenes Wohlergehen wie auch, um weltweit große Aufgaben zu bewältigen.“ Mehr nicht, jedenfalls nicht zum Euro. Aber immerhin. Nicht, dass die Roth das hört! Man könnte ja – böswillig interpretiert – da eventuell herauslesen … Und die meisten Nachrichtenredaktionen haben genau dies herausgelesen. Gut, dass sie nicht auch gesagt hat: „Gute Freunde sind da, um zu helfen, wenn es einer braucht“. Andererseits: gute Freunde, sich einfach mal Helfen, also Solidarität und so …

Das wäre doch eigentlich etwas für die Claudia Roth. Nun ja, egal, das wäre wahrscheinlich doch etwas zu riskant gewesen. Die Merkel regiert ja nicht allein für die Roth, wenn man sich nicht einmal bei der so ganz sicher sein kann. Jedenfalls hat sie wahrscheinlich gut daran getan, es nicht zu sagen. Dafür hat es aber jemand anders gesagt. Ja, das mit den guten Freunden. In Bezug auf den Euro, ja sicher, in Hinblick auf Griechenland. Was dachten Sie denn?! „Gute Freunde sind da, um zu helfen, wenn es einer braucht“ – Chinas Ministerpräsident Jiabao hat es gesagt. „Für viele angeschlagene Staaten scheint das Reich der Mitte der letzte Rettungsanker zu sein“, schreibt Ralf Heß bei heise.de. „Für die Volksrepublik ist der Zeitpunkt gekommen, jetzt die in jahrelanger Arbeit erwirtschaftete Dividende einzufahren. Die Freundschaftsbekundungen Jiabaos gegenüber den angeschlagenen EU-Staaten dagegen sind wohl kaum mehr als eine diplomatische Floskel, mit der den Staatschefs dieser Länder der Kaufvertrag über Europa schmackhaft gemacht werden soll.“

Aber gut, was soll uns groß interessieren, was der chinesische Regierungschef so von sich gibt? Schließlich haben wir selbst ja auch eine tolle Regierungschefin. Und die hat jetzt gesagt, in besagter Neujahrsansprache: „Gemeinsam haben wir Enormes geleistet. Wir haben erfahren, was möglich ist. Das ist wichtig, denn wir Deutschen sind uns unserer Stärken selbst nicht immer bewusst.“ Das ist diese typisch deutsche Art: ständig an der eigenen Nation herummäkeln. Machen wir uns also unsere eigenen Stärken bewusst! So wie jetzt z.B. der Cicero mit seinem Januar-Titel: „Vorbild Deutschland. Was die anderen an uns bewundern.“ So geht es doch auch. Sicher, das Titelbild ist Geschmackssache. Und auch die Story direkt darunter: „Welthandel in Gefahr: Chinas Angriff auf die Wirtschaftsordnung“. Aber so ist es nun einmal, da kann man nichts machen – außer natürlich: sich gemeinsam mit der Kanzlerin auf die deutschen Stärken besinnen.

James MacDonald hat diesen Cicero-Artikel über die Chinesen geschrieben. Der steht aber (noch) nicht online; er heißt: „Der Kampf um Rohstoffe“. Ein Historiker, überhaupt ein ulkiger Kerl, dieser MacDonald. Vor drei Wochen war in der FAZ über ihn zu erfahren, dass er Staatsschulden offenbar für „gar nicht so übel“ hält. Der Schuldenstaat sei die Wiege der modernen Demokratie, behauptet er. Kredit zu geben, privat oder öffentlich, sei stets Ausdruck von Lebensfreude und wirtschaftlichem Optimismus: Würden nämlich die Schuldner nicht glauben, dass die Rendite auf das geborgte Geld größer wäre als die Kosten von Zins und Tilgung, würden sie auf den Kredit verzichten. Auch die Gläubiger müssten darauf vertrauen, dass das Einkommen des Schuldenstaats in der Zukunft wächst. Wirklich ulkig: wirtschaftlicher Optimismus und Lebensfreude in einem Atemzug zu nennen! Und überhaupt: wenn Schuldenstaaten die Wiege, und nicht nur die, sondern überhaupt Kennzeichen der modernen Demokratien wären, müssten Überschussländer doch Diktaturen sein. Ansichten hat dieser Mann!

Beim Aufstieg zur ökonomischen und militärischen Großmacht gefährde China jetzt die Grundpfeiler der internationalen Wirtschaftsordnung, weil es den freien Handel und überhaupt den Zugang zu Rohstoffen behindere, schreibt MacDonald in der aktuellen Ausgabe des Cicero: „Mit großer Eile hat China in Afrika, Zentralasien und Lateinamerika Konzessionen ausgehandelt und Vermögenswerte gekauft, um seine Versorgung mit Erdöl, Metallen und Nahrungsmitteln zu sichern. In Afrika werden die Konzessionen bereits von chinesischen Soldaten bewacht.“ Na sowas! Da hatte Joseph Nye nicht zuletzt im Hinblick auf die chinesische Afrikapolitik den politikwissenschaftlichen Begriff der Soft Power geprägt, und dann schalten die Chinesen einfach mal so um auf Hard Power. Und zwar nicht nur in Afrika. China, um noch einmal James MacDonald zu zitieren, „hat seine Fähigkeit demonstriert, Satelliten mit bodengestützten Raketen zu bedrohen, hat eine landgestützte Flugabwehr-Trägerrakete entwickelt, die die US-Navy daran hindern soll, ihre traditionelle Rolle als Schutzmacht anderer ostasiatischer Länder zu erfüllen; und die Hochseeflotte wächst rasch, die Chinas Militärmacht in weit entfernte Regionen tragen soll“.

„Chinas Welt – Was will die neue Supermacht?“ titelt heute der Spiegel. Eine berechtigte Frage; denn „so wie es sich jetzt abzeichnet, wird es eine multipolare Welt so wenig geben wie eine unipolare. Es wird wieder eine Ost-West-Konfrontation geben, in der nur nicht mehr die UdSSR, sondern China die Rolle des Gegenspielers der USA übernommen hat. Die bipolare Welt 2.0.“ So zu lesen in Zettels Raum. Heimlich, still und leise baue China globale Machtpositionen auf, heißt es dort, „wie ein Schachspieler“. So mag es gewesen sein, wenn man rückblickend die letzten gut vierzig Jahre seit Kiesingers legendärem „Ich sage nur China, China, China“ betrachtet. Inzwischen aber ist China, will man im Bild bleiben, zum Blitzschach übergegangen. Von Soft Power, von Langsamkeit, gar von Heimlichkeit kann inzwischen keine Rede mehr sein. Es sei denn, man zählte diese Form von Heimlichkeit mit dazu: „Seltene Erden – China hält Exportquote künftig geheim“. Die Frankfurter Rundschau meldete am Freitag: „Das staatliche ,China Securities Journal` berief sich bei seinem Bericht am Freitag auf nicht genannte Regierungskreise. Üblicherweise veröffentlicht das Handelsministerium die Ausfuhrquoten der begehrten High-Tech-Rohstoffe zwei Mal im Jahr. Die Regierung will die Ausfuhr in der ersten Jahreshälfte 2011 um 35 Prozent drosseln.“  

Dazu muss man wissen, dass es sich bei den Seltenen Erden um die strategischen Rohstoffe überhaupt handelt. In zahlreichen Hightech-Bereichen werden Seltene Erden gebraucht, wobei China 97 Prozent der Weltproduktion innehat. Die USA beabsichtigen China wegen der Exportrestriktionen – in Bezug auf diese strategischen Metalle – vor der Welthandelsorganisation WTO zu verklagen. Nur zu! Kleine Zusatzinformation: der Weltmonopolist China benötigt selbst mehr Seltene Erden als die gesamte Produktionsmenge. Kurzum: der High-Tech-Branche steht weltweit eine dramatische Rohstoffkrise ins Haus. Die Volksrepublik hat hier – ganz unabhängig von ihrer Globalstrategie – alle Trümpfe in der Hand. Unterdessen arbeitet die chinesische Zentralbank daran, ihre Währung als globale Reservewährung aufzubauen – dies tatsächlich mit der strategischen Ruhe eines Schachspielers. Heute erreicht uns die Meldung, wonach China eine Möglichkeit entwickelt haben will, Plutonium und Uran aus abgebrannten Brennstoffen zu gewinnen.

Ein deutscher Europapolitiker hat kürzlich darauf hingewiesen, dass es seit langem nicht mehr um G7 oder G20 gehe. Vielmehr gehe es um G2 oder G3. „Entweder wird Europa der Dritte im Bunde mit China und den USA oder Peking und Washington entscheiden ohne uns„, sagte der EU-Kommissar für Energie. Unglaublich: es ist Günther Oettinger. Ob er dies inzwischen seiner Parteifreundin hat klarmachen können? Wie sagte sie es noch so treffend in ihrer Neujahrsansprache, unser aller Kanzlerin? „Wir haben erfahren, was möglich ist. Das ist wichtig, denn wir Deutschen sind uns unserer Stärken selbst nicht immer bewusst.“ Nun ja, und falls es mit dem Selbstbewusstsein demnächst mal wieder richtig bergab gehen sollte, immer dran denken: „Gute Freunde sind da, um zu helfen, wenn es einer braucht.“

Platz für Kreative in Bochum

In ein altes Postgebäude in Bochum werden bald bis zu 100 Kreative einziehen – bis es einem Einkaufszentrum weichen muss.

Noch steht sie gegenüber dem Bochumer Rathaus: Die einstige Hauptpost der Stadt. 4000 Quadratmeter, von denen die meisten nicht mehr genutzt werden. Nur noch eine Postbankfiliale im Parterre erinnert an die alten Zeiten. Geht es nach dem Einkaufszentrumsbetreiber ECE, sind die Tage der alten Post gezählt. Es soll, wie der ganze Block, zu dem auch noch das Landgericht gehört, abgerissen werden. ECE will hier ein weiteres Einkaufszentrum errichten.

Aber bis es frühestens 2014 soweit sein wird, könnte sich das alte Postgebäude in eines der größten Künstlerhäuser Nordrhein-Westfalens verwandeln. Zwischennutzung heißt das Stichwort. Ist es in US-Städten wie New York durchaus üblich, leer stehende Immobilien zeitweilig und zu günstigen Preisen Künstlern, Galerien oder kleinen Agenturen zu überlassen, stößt die Idee in Deutschland noch immer auf Skepsis. Viele sorgen sich, dass sie das bunte Völkchen der Kreativen nicht mehr los werden, wenn es sich erst einmal in den Räumen niedergelassen hat.

Immobilienberater Bernd Albrecht, der unter anderem für ECE in Bochum arbeitet, war von der Idee, Künstler für ein paar Jahre Platz im Telekomgebäude einzuräumen, von Anfang an begeistert: „Die Verträge können in der ersten Januarhälfte in trockenen Tüchern sein.“ Albrecht ist sich sicher, dass das Modell der Zwischennutzung auch auf andere Projekte übertragen werden kann.

Entwickelt haben es für Bochum der IHK-Mann Rouven Beek und der Stadtplaner Dr. Arnold Voss. Sie wollen Kreative in der Bochumer Innenstadt binden. Beek: „Kreative wollen Cafés, Kneipen und brauchen den Nahverkehr. Das alles gibt es nur in der Innenstadt. Nur da können sie häufig die Mieten nicht bezahlen. Mit unserem Projekt wollen wir ihnen helfen, bezahlbare Räume zu finden.“

Um die fünf Euro Warmmiete soll die Quadratmetermiete in der alten Post kosten. Selbst für die meisten Existenzgründer bei Raumgrößen ab zehn Quadratmeter ein bezahlbarer Preis.

Doch Beek und Voss geht es nicht nur um die Kreativen und ihr wirtschaftliches Potential. Sie hoffen auf Synergieeffekte zwischen Künstlern, kreativen Jungunternehmern und den anderen Branchen in der Stadt. Bochum soll sich als Stadt der Kreativen auch gegenüber den großen Nachbarn Dortmund und Duisburg profilieren.

Bis zu hundert Kreative  können sich in der alten Post ansiedeln – und sollen auch in Bochum gehalten werden, wenn eines Tages die Bagger kommen. Beek will einen Förderverein gründen und bei den großen Immobilienbesitzern der Stadt nach weiteren Räumen suchen. Er will für die Stadt und die Kreativen eine langfristige Perspektive, kein spektakuläres Strohfeuer.

Mit der Ruhr2010 GmbH und ihrem für Kreativwirtschaft zuständigen Direktor Dieter Gorny hat in Bochum übrigens keiner gesprochen. Die hatten eigentlich vor, sich für preiswerte Räume für junge Kreative stark zu machen und versprachen die Förderung der Kreativwirtschaft. Gefördert hat man sich allerdings in erster Linie selbst: Gornys neues European Centre für Creative Economy (ECCE) hat für sich das Raumproblem gelöst: Man residiert nobel im gerade zum dritten Mal eröffneten U-Turm in Dortmund. Die klamme Revierstadt unterstützte die Ansiedlung von Gornys aus drei festen Mitarbeitern bestehenden Truppe großzügig mit über 400.000 Euro.

Der Artikel erschien in ähnlicher Form bereits ist der Welt am Sonntag

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Medien: Der „Tatort“ kehrt zurück ins Ruhrgebiet…Der Westen

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NRW: „Wir mögen auch Männer!“…Zeit

NRW II: CDU-Chef Röttgen glaubt nicht an Neuwahlen…Der Westen

NRW III: 14 Dioxin-Höfe gesperrt…RP Online

NRW IV: Erdgassuche kann beginnen…Der Westen

Bertelsmann-Studie: Lücken in der sozialen Gerechtigkeit…FAZ

Bochum: SPD will Einkaufszentrum…Ruhr Nachrichten

NRW: Sprecher der LAG Bildung verlässt die Linkspartei

Ulrich Schröder war Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Bildung der Linkspartei in NRW. Am 31. 12. 2010 hat er die Partei verlassen. Der Grund: Die Zustimmung zum Steag-Deal und der Mangel an innerparteilicher Diskussionskultur. Wir dokumentieren hier den Brief, mit dem er seinen Austritt begründet:

Genossinnen und Genossen,

hiermit gebe ich meinen Austritt aus der Kaderpartei „Die Linke“ zum
31.12.2010 bekannt. […]

Anlass für meine Entscheidung ist die Aushebelung grundlegender
Mechanismen zur demokratischen Entscheidungsfindung in einer so
zentralen politischen Frage wie der regionalen Energiepolitik. So
zeugt die im Kreisverband Bochum auf keiner einzigen
Kreismitgliederversammlung im Vorfeld der Beschlussfassung im Stadtrat
diskutierte Übernahme des Evonik-Steag-Konzerns von einem
unentschuldbaren Mangel an innerparteilicher Demokratie. Es kann nicht
sein, dass der Ankauf von einem Unternehmensanteil von 51 Prozent an
einem maroden Energieunternehmen mit einem völlig veralteten
Kraftwerkspark samt Atomstromsparte sowie höchst fragwürdigen
Auslandsgeschäften unter Arbeitsbedingungen, die mit hiesigen
Standards gänzlich unvereinbar wären, von einer Handvoll
Ratsmandatsträger_innen an der Mitgliedschaft vorbei durchgestimmt
wird. Es ist mit jeglichem emanzipatorischem Anspruch einer sich als
linker politischer Alternative verstehenden Partei völlig unvereinbar,
wenn eine solche Entscheidung auf der Ebene der Mandatsträger_innen
getroffen wird und nicht das Gespräch mit der Basis gesucht wird,
sondern vielmehr mit einigen Abgeordneten der Landtagsfraktion, um
dann direkt an die Öffentlichkeit heranzutreten statt an eine
Kreismitgliederversammlung. Dies ist insbesondere ein Schlag ins
Gesicht jener Genoss_innen, deren Politikverständnis basisdemokratisch
geprägt ist. So führten beispielsweise Bündnis 90 / Die Grünen 1998
über das ökologisch unverantwortbare Braunkohletagebau-Projekt
„Garzweiler II“ eine breite Debatte in jedem einzelnen
NRW-Kreisverband – wenn auch mit dem knappen bedauerlichen Resultat
einer Entscheidung für einen Ausbau des Braunkohletagebaus und damit
für eine Weiterführung der damaligen rot-grünen Koalition.

Zudem scheinen die meisten an der Entscheidungsfindung in Sachen
Evonik-Steag-Übernahme beteiligten linken Landes- und
Kommunalpolitiker_innen weder die relevanten Passagen der
Landesverfassung NRW, noch die eigenen programmatischen Grundlagen zu
kennen oder diese bewusst zu ignorieren: „Großbetriebe der
Grundstoffindustrie und Unternehmen, die wegen ihrer monopolartigen
Stellung besondere Bedeutung haben, sollen in Gemeineigentum überführt
werden“, heißt es in Artikel 27 (1) der NRW-Verfassung, auf die sich
die Linke wiederholt in ihrem Landtagswahlprogramm bezogen hat. Somit
ist es nicht hinnehmbar, dass ein solcher Konzern wie Evonik-Steag für
einen horrenden Betrag von 649 Millionen Euro aufgekauft wird –
angeblich, um bedeutende Teile des Unternehmens wie die ökologisch
unverträglichsten Kraftwerke sowie die (relativ lukrative) Atomsparte
abzuwickeln. Wer für einen solchen Konzern mehr als einen Euro
bezahlt, hat weder den Kapitalismus durchschaut noch die ideologischen
Grundlagen einer Partei wie „Die Linke“ auch nur annähernd begriffen.
In einer Partei, in der sich die politische Ignoranz der eigenen
Ideale in derart rasanter Weise durchsetzt, wie die
Evonik-Steag-Übernahme zeigt, ist für Menschen, die den Glauben an die
eigenen ideologischen Grundwerte noch nicht verloren haben, kein Platz
mehr. Daher kehre ich der Kaderpartei „Die Linke“, die sich von
Grundsätzen innerparteilicher Demokratie sowie ihren eigenen
ideologischen Grundlagen innerhalb kürzester Zeit in erschreckendem
Umfang verabschiedet hat, hiermit unwiderruflich den Rücken.

Dr. Ulrich Schröder

letzte Woche / diese Woche (KW1)

Frohes neues Jahr! Mir wurde letztes Jahr einmal zugetragen, meine letzte Reihe bei den Ruhrbaronen namens „3 für 7“ sei doch gut gewesen. Dieses Jahr mache ich dann bis auf weiteres einmal eine neue Kolumne.

Letztes Jahr erschien diese Kolumne immer dienstags. Dieses Jahr habe ich den Sonntag gewählt, weil er mir richtig erscheint und ich nicht in diese Werktags-Arbeitsplatz-Zielgruppe hineinschreiben mag. (Hat schon jemand die positiven Auswirkungen auf das Betriebsklima, das Bruttosozialprodukt, die Konsumfreude und die innere Sicherheit erforscht, dadurch dass sich die arbeitende Bevölkerung zwischendurch immer mal in Artikeln und Kommentarspalten echauffieren darf? Nein? Na, macht doch mal. Das Jahr ist noch lang!)

Letztes Jahr war (nicht nur) im Ruhrgebiet Kulturhauptstadtjahr. Da habe ich auch woanders für Sie potentiell Interessantes veröffentlicht, zum Beispiel hier. Lesen Sie doch noch einmal ein wenig davon, ist ja Sonntag! Dieses Jahr ändern sich die Themen, denn Kultur und Ruhr sind ja durch, wie sogar Stefan Laurin hier sagt.

Aber es soll hier neben einem Rückblick halt auch der Ausblick nicht fehlen und gewisse Kontinuitäten aufgezeigt werden. Zum Beispiel jetzt nicht, dass sich in der letzten Woche die Menschen viel über das Wetter unterhalten und dabei den Staat oder die Kommune um Hilfe angefleht haben und dies auch in der kommenden Woche tun werden. (Ich meine: Wofür würden Sie denn gerne (!) Steuern zahlen? Notieren Sie das doch bitte heute einmal auf einem Zettel. Und dann sage ich Ihnen, ob ich mit Ihnen hier noch leben möchte, wenn es bald mehr Volksabstimmungen und regionalistische Protestkultur in Deutschland gibt. Danke.) Nun, also Kontinuitäten auch in dem Sinne, dass Themen länger und anders verfolgt werden, als es die an Schlagzeilen und Klickzahlen orientierte extrem-journalistische Sau-durch-das-Dorf-treib-Maschine zu tun in der Lage ist.

Letzte Woche sah sich Hannelore Kraft als Leitbild gegen „Vermännlichung“? Und was sagt Renate Künast diese Woche dazu? Vielleicht fragt ja mal einer von dem Blatt nach, das hier diese nervende Dauerwerbung geschaltet hat. Ich wünsche mir und vor allem Ihnen hingegen einen angenehmen Sonntag!

Foto: Jens Kobler

Der Ruhrpilot

Hannelore Kraft
Hannelore Kraft

NRW: Kraft sieht sich als Vorbild gegen „Vermännlichung“…Welt

NRW II: Neujahrsansprache von Hannelore Kraft…Pottblog

Internet: Kurzer internationaler Jahresrückblick…Netzpolitik

Ruhrgebiet: Wo liegt Emschau?…Unruhr

Kultur: Bochum bekommt ein Konzerthaus…Welt

Kultur II: Linkschleudern, Leseschleudern…FAZ

Politik: Die verschmähte Liebe des Jörg Tauss…F!MBR

Verkehr: Das Handicap der Elektromobilität…Frontmotor

Internet: Was ich 2010 ungern zugebe…Blogbar

Zeitgeist: Ich fand das Alte Testament oft grausam und unerbittlich…Zoom

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