Der abgesagte Wahlkampf – und die verpasste Chance des BVB

Hans-Joachim Watzke. Archiv-Foto: BVB

Das kommt überraschend! Nun doch kein Wahlkampf, keine inhaltliche Kontroverse auf offener Bühne, kein Ringen um den richtigen Weg – Borussia Dortmund bekommt doch keinen offenen Wettbewerb um das Präsidentenamt.

Amtsinhaber Reinhold Lunow hat am Freitag seinen Verzicht erklärt. Damit bleibt die spannendste Frage der letzten Monate unbeantwortet: Wie viel Demokratie und innerer Streit ist beim BVB eigentlich noch gewollt?

Lunow war für viele Mitglieder der Hoffnungsträger, der Garant dafür, dass der Verein nach fast zwei Jahrzehnten Watzke-Herrschaft ein Gegengewicht aufbaut. Er stand für Transparenz, für den Anspruch, die Mitglieder stärker einzubeziehen und dem Klub wieder ein Stück Ursprünglichkeit zurückzugeben.

Dass er nun (nach schwachen Umfragewerten) von sich aus den Rückzug antritt, mag aus Gründen der Harmonie und Einigkeit nachvollziehbar sein – politisch jedoch ist es eine Kapitulation. Denn ohne ihn fehlt dem Wahlprozess jede Alternative, jede Reibung, jede ernsthafte Debatte.

Watzke wiederum, der einstige Retter und heute unbestrittene Machtfaktor, zieht sich als zukünftiger Präsident zwar offiziell ins zweite Glied zurück, prägt aber weiterhin jedes Detail des Vereins. Somit wird seine Stimme beim BVB auch zukünftig von immenser Bedeutung sein. Ohne offene Konkurrenz, ohne Kampfabstimmung kann das neue Präsidium unter ihm unangefochten in seinem Sinne agieren.

So bleibt der bittere Eindruck, dass Borussia Dortmund eine historische Chance verspielt hat. Statt einer lebendigen, demokratischen Auseinandersetzung um die künftige Richtung des Vereins erleben die Mitglieder eine Inszenierung der Geschlossenheit. Einigkeit wird zum Selbstzweck erhoben, Debattenkultur durch Schweigen ersetzt. Wer aber glaubt, dass man auf Dauer mit harmonischen Bildern die wachsende Distanz vieler Fans und Mitglieder übertünchen kann, unterschätzt die Sprengkraft des unausgesprochenen Unmuts im Umfeld.

Das Präsidentenamt beim BVB wird also nicht erkämpft, sondern verwaltet. Für einen Verein, der sich so gern als lebendiger Mitgliederklub inszeniert, ist das ein fatales Signal. Denn Demokratie lebt nicht von Verzicht, sondern von Wahl.

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