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Der Werkbund NW und die Wirklichkeit

Der Werkbund NW hat mit einer Stellungnahme auf den Ruhrplan von Albert Speer Junior reagiert. Das Papier zeugt von einem bedenklichen Realitätsverlust.

Über den Pottblog wurde ich auf die „Stellungnahme zum Speer-Plan für die Metropole Ruhr“  des Deutschen Werkbund NRW aufmerksam. Über den Ruhrplan habe ich hier auf den Ruhrbaronen vor ein paar Wochen geschrieben. Das der Werkbund  NRW auf den Ruhrplan reagiert finde ich gut: Es wird viel zu wenig über das Ruhrgebiet und seine Strukturen gestritten.

Der Ruhrplan bietet eine gute Gelegenheit zum Streit: Das Büro Albert Speer und Partner (AS&P) fordert in dem Papier, die Emscher-Zone zum Teil aufzugeben. Siedlungen sollen abgerissen und alte Industriegelände zu Grünflächen umgewandelt werden. AS&P fordert, die öffentlichen Mittel in den wirtschaftlich stärkeren Städten entlang der A40 zu konzentrieren, um deren Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

AS&P hat aber auch den Mut, die politischen Strukturen im Revier zu kritisieren: Im Ruhrplan fordert das Büro eine Stärkung zentraler Entscheidungsinstanzen und beschreibt  die Kooperation der Städte als das, was sie ist:  Ineffiziente Kirchturmpolitik, die nicht in der Lage ist, den Schrumpfungsprozess des Ruhrgebiets zu begleiten.

Das alles sieht das Papier des Werkbund NW ganz anders. Nach einem, durchaus interessanten, Exkurs durch die regionale Planungsgeschichte, würdigt der Werkbund erst einmal die IBA als  wichtigen Schritt zur Erneuerung der Emscher-Zone:

Diese Internationale Bauausstellung setzte ihre 120 Projekte nicht in den reichen Süden, auch nicht in die Mitte, sondern in diesen „Hinterhof“. Absichtsvoll.

Der Grundgedanke: Endlich auch für diesen Bereich den Anspruch desGrundgesetzes und der Demokratie zu realisieren. Denn die Bevölkerung hat auch hier ein Menschenrecht auf Gleichheit. Und es ist Aufgabe der

Autoritäten, die Gleichheit der Lebenschancen zumindest tendenziell nach vorn zu treiben. Damit hat die IBA viel Ausgezeichnetes geleistet. Diese Internationale Bauausstellung setzte ihre 120 Projekte nicht in denreichen Süden, auch nicht in die Mitte, sondern in diesen „Hinterhof“.Absichtsvoll.Der Grundgedanke: Endlich auch für diesen Bereich den Anspruch desGrundgesetzes und der Demokratie zu realisieren. Denn die Bevölkerung hatauch hier ein Menschenrecht auf Gleichheit. Und es ist Aufgabe derAutoritäten, die Gleichheit der Lebenschancen zumindest tendenziell nachvorn zu treiben.Damit hat die IBA viel Ausgezeichnetes geleistet.

Was die Autoren verschweigen: Den wirtschaftlichen Abstand der Emscher-Zone zum Süden des Ruhrgebiets konnte die IBA nicht verringern.

Auch das Lob der Dezentralität des Reviers fällt mir ein wenig überschwenglich aus:

Die Dezentralisierung ist eine außerordentlich wichtige Struktur: Sie verhindert, dass Ruhr eine Megastadt wird – mit deren menschenfeindlichen Tendenzen zu hoher Ballung, Dimensionslosigkeit, Monostruktur und vielem mehr.

So hat das Ruhrgebiet neben viel Banalität, die es überall gibt, eine große Farbigkeit an unterschiedlichen Städten. Die Entfernungen sind gering. Man kann jede leicht erreichen.

Die meisten Städte im Ruhrgebiet sind, das ist nun einmal die Wirklichkeit, vom Bevölkerungsschwund gekennzeichnete öde Käffer. Die vom Werkbund geforderten Investionen, um deren Profil zu verstärken, sind reine Verschwendung: Welches Potential sollen  denn Herne, Bottrop oder der Essener Norden haben, das man pushen kann? Nutzt dieses Pushen den Menschen die da leben wirklich oder geht es nicht nur um den Erhalt überkommener Strukturen? Nur ein Mehr an Zentralität ist in der Lage die Situation im Revier zu verbessern und gleichzeitig Verwaltungskosten zu senken.

Manchmal ist das Werkbund Paper aber auch einfach nur peinlich:

Die Städte im Norden der Region sind vernünftig aufgestellt und ordentlich verwaltet. Es fehlt ihnen nichts, um dort gut zu leben. Die meisten Länder der Welt können sie um ihre Lebens-Qualitäten und um diesen Infrastruktur-Standard beneiden.

Erst einmal: Es geht um die Region zwischen A2 und A40 – das räumliche Zentrum des Ruhrgebiets und nicht um den integrierten Speckgürtel im Norden. Haltern, Kirchhellen – da ist die Welt noch  Ordnung. Das scheinen die Werkbündler übersehen zu haben. Auch übersehen haben sie die Massenarbeitslosigkeit, die hohe Umweltbelastung, den Sanierungsstau in den Siedlungen, die Leerstandsquoten, die Abwanderung…So toll kann es in der Emscher-Zone nicht sein.

Reflexartig stellt sich der Werkbund gegen die Ideen des Ruhrplans und verteidigt eine Planungspolitik, die gescheitert ist.  Das wundert nicht: Es ist die Politik die seine Mitglieder zum Teil begleitet und entwickelt haben. Eine Entschuldigung für ein so dürftiges Papier ist das allerdings nicht.

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Angelika
Angelika
13 Jahre zuvor

In Bottrop kennst du dich schon mal nicht aus. So viel ist klar!

Lektor
Lektor
13 Jahre zuvor

Schon besser, die copy-paste-Fehler sind weg, aber fällt Ihnen hier nichts auf? …

„Das der Werkbund NRW auf den Ruhrplan reagiert finde ich gut“

„da ist die Welt noch Ordnung“

Manchmal doppelte Wortabstände, manchmal gar keine, Kommata mal weggelassen, mal unnötig zuviel. Seltsam, seltsam 😉

Angelika
Angelika
13 Jahre zuvor

„…und eine Stärkung der lebenswerten Viertel Bottrops…“

Kuck an, gibt also mehr Positives, als nur Kirchhellen. Seh ich auch so.

Marc
Marc
13 Jahre zuvor

Da hat der WB schon recht. Peinlich sind möglicherweise die Standards die der Autor hier anlegt. Die Vergleichsfolie sind ja nicht Köln oder Düsseldorf sondern strukturell verglichen Detroit, Manchester und z.B. die Region Halle. Dort ist die Situation um einiges problematischer bezogen auf Wohnqualität, Kriminalität etc.

Dagegen sieht es im nördlichen Ruhrgebiet vergleichsweise gut aus. Als Zugezogener war und bin ich immer noch erstaunt, das es im Ruhrgebiet relativ entspannt zugeht, und das bei Arbeitslosenzahlen von über 15 Prozent. Das ist ein Sonderfall. Klar ist die Oberhausener Innenstadt in keinem guten Zustand und wenn man einmal dort auf dem Weihnachtsmarkt war kommt es einen auch plötzlich sehr plausibel vor das sofort abreissen zu wollen, aber immerhin funktionieren noch die dortigen kommunalen Strukturen. Potential pushen heißt dort auch nicht den Rückstand gegenüber der A40 Achse aufzuholen sondern noch größere soziale Verwerfungen zu verhindern, also den Stillstand sichern. Das ist natürlich überhaupt nicht sexy, wohingegen so ein wenig Tabularasa natürlich ganz gut kommt… Das Problem des Speer-Planes ist eben das es sich um eine administrative Machtphantasie handelt die suggeriert in der Weise in die vorhandene Siedlungsstruktur eingreifen zu können. Das geht aber nicht. Dafür bräuchten wir eine andere Staatsform. Die „Abschaltung“ von ganzen Wohngebieten, und nichts anderes würde die Infrastrukturkosten wirklich dämpfen, ist mit deutschem Recht nicht möglich oder aber schlicht nicht bezahlbar. Was dann vom Vorschlag übrig bleibt, und da hat der WB nun mal Recht, ist die diskursive Abstrafung der nördlichen Gebiete ohne einen konstruktiven Vorschlag zu machen wie anschließend damit zu verfahren ist. (Verslummung als neues implizites städteplanerisches Druckmittel?) Vielleicht sollte man sich aber auch einfach von diesem Hirngespinst der Metropole Ruhr und den damit verbundenen Leuchturmbauten verabschieden. Denn die sind nun mal richtig teuer und bringen wenig.

Vor einigen Jahr gab es übrigens einen ähnlichen Plan eines Thinktanks für die darbenden Industriegebiete in Großbritannien. Das war dann aber noch eine Spur konsequenter. Dort wurde die Schließung ganzer Städte gefordert und die Umsiedlung der dortigen Bevölkerung in die britischen Wachstumsregionen um London…feuchte Träume managerialer Allmachtsphantasien…

nd Günter
13 Jahre zuvor

Überhaupt und dann genau zu lesen ist die Voraussetzumg, um zu verstehen, was der Werkbund in seiner umfangreichen Stellungnahme vorträgt.
Mit Vorurteilen und Verzicht auf Argument drauf zu hauen, ist nicht gerade intelligent. Der Werkbund ist sehr gut und intensiv an der Wirklichkeit. Einer seiner Autoren hat das Buch „Im Tal der Könge“ geschrieben (neu aufgelegt bei Grupello in Düsseldorf). Man kann und darf ganze Regionen nicht einfach abschreiben, mit der Behauptung, das seien Käffer und da würde sich nichts tun. Dies sind ordentlich aufgestellte Orte. Und unter Tun verstehen manche Leute offensichtlich nur Einkaufszentren, Großprojekte und dergleichen. Diskutieren wir doch mal, was Tun konkret heißen soll – und sagen wir dies nicht in abstrakten Obersätzen. Man muß sich genau ansehen, wem dieses angebliche Tun nutzt, zum Beispiel der Komet am Limbecker Platz. Die IBA mit einem Federstrich vom Tisch zu wischen, ist Realitätsblindheit – da wird überhaupt nicht hingeschaut. Ihr zu unterstellen, was sie nicht wollte (in richtiger Einschätzung dessen, was sie konnte und was nicht), ist argumentativ unkorrekt.
Im ganzen Land leben Menschen, sie haben im Gegensatz zu absolutistischen Staaten, in der Demokratie Rechte auf tendentiell gleiche und gute Lebensbedingungen – dies ist der Kern, warum wir den Speer-Plan als einen Anschlag auf das Ruhrgebiet halten.

nd Günter
13 Jahre zuvor

Eben dies hatte die IBA überhaupt nicht vor, weil sie die heuchlerische Leier von den Arbeitsplätzen der politischen Parteien durchschaut hatte – und wußte, daß diese Leier nicht mit immer demselben Spruch (den wir im Inhalt ja richtig finden) irgendetwas bewirkt. Sie probierte aus, was ein Milieu interessant macht: menschlich, nachbarschaftlich, kulturell, anregend. Dann entstehen vielleicht (!) auch Arbeitsplätze. Es gaht aber um viel mehr als um Arbeit – auch um viele weitere Dimensionen des Lebens. Dazu gibt es vieles zu sehen und vieles nachzulesen. Leute, macht euch die Mühe, hinzuschauen und nicht einfach mit einem halben Satz etwas wegzufetzen. Das mag ja Spaß mer Sinn ist etwas anderes.

crusius
crusius
13 Jahre zuvor

Ich würde mir etwas mehr Nüchternheit in der Debatte wünschen.

Der Diagnose, daß die von Speer dargestellte Zerissenheit von Planungsansätzen nur eine Fortsetzung der Kirchturmspolitik von ehedem mit anderen MItteln ist, wird kaum jemand widersprechen wollen. Der Wahnsinn, daß sich das Ruhrgebiet als Gemenge von Kleinstregionen („Emscher-Lippe-Region“ gegen „westliches Ruhrtal“) definiert, muß ein Ende haben. Nein, anders als der Werkbund uns weismachen will, war früher nicht alles gut – denn sonst wäre es jetzt nicht so, wie es ist. Oder glaubt ernsthaft jemand, daß der „New Park“ in Waltrop/Datteln irgendetwas in der Region zum Besseren wenden wird? Die Versiegelung solcher Riesenflächen zur kurzfristigen Subventionsabgreifung ist von unglaublicher Kurzsichtigkeit (und das kann doch auch der Werkbund nicht wollen, ist aber Resultat regionstypischer Kleinstaaterei).

Und doch erscheint mir für 200.000 € mir der sachliche Ertrag von Speers Studie, deren Präsentation ich nun endlich mal überflogen habe, doch sehr schmal, partiell widersprüchlich und methodisch höchst fragwürdig.

Schmal: Wir brauchen funktionale Synergien in einem grünen Städtenetzwerk. Ach.

Partiell widersprüchlich: Einerseits redet Speer einer Gentrifizierung von Kernstädten das Wort (so verstehe ich die vagen Andeutungen zumindest), andererseits sollen die sozial und ökonomisch Benachteiligten in diese neuen Stadtgesellschaften integriert werden. Was aber, wenn der Trendforscher mit seiner Umhängetasche zwar Medienprekariat, nicht aber den nordstadttypischen Alkoholiker an der Grenze zur Obdachlosigkeit um sich wissen will?

Methodisch fragwürdig: Auf welche Instanz, außer auf seinen Bauch, hat sich Herr Speer eigentlich verlassen, als er (ich mag das nicht alles abschreiben) „Weltoffenheit und Liberalität, „Kultur und Geschichte, … Authentizität“ zu Qualitäten erklärt, die für die creative class in ihren Standortentscheidungen relevant und zugleich „im Ruhrgebiet zu schwach ausgeprägt sind“.

Sozialpädagogische Neoliberalismus-Schelte reproduziert nur den im Ruhrgebiet weitverbreiteten Opfermythos und wird an der Situation der Region nichts ändern. Kritiklose Übernahme der Sprechblasen des Consulting-Gewerbes aber ebenso wenig. Langsam ist es an der Zeit, die Grabenkämpfe der 70er Jahre, die hier wohl immer noch ausgefochten werden, hinter sich zu lassen. Vielleicht wäre es kein Fehler, der von Speer gestellten Diagnose zuzustimmen, um andere, interessantere Antworten auf die von ihm gestellten Fragen zu finden. Zwei ganz dumme Fragen: Weiß eigentlich jemand, warum Menschen gerne in Castrop-Rauxel leben? Und hat die schon mal jemand gefragt?

Arnold Voß
Arnold Voß
13 Jahre zuvor

Vorweg: Ich finde klasse, dass ab jetzt sowohl das Speer- als auch das Werkbundpapier öffentlich zugänglich sind und die jeweils dort vertreten Positionen so pointiert einander gegenüberstehen. Danke insbesondere an den Werkbund, der hier ohne Entgelt aktive geworden ist.

Zum Speerpapier habe ich mich hier schon ausführlich geäußert. Kurz zusammengefasst: Es basiert auf einem Stadtverständnis, dass der Besonderheit des Ruhrgebiet nicht gewachsen ist und es fehlt im genau aus diesem Grunde eine positive Vision für die Emscherzone respektive das neue Emschertal. Hier genau setzt folgerichtig auch die Kritik des Werkbundpapiers an.

Aber auch im Werkbundpapier sehe ich eine einseitige Sicht der Dinge, die der Realität des Ruhrgebiets- und besonders seines Emscherbereichs genauso wenig gerecht wird. Voraussetzung dafür sind altbekannte Glorifizierungen und Mythen über die besondere Stadtlandschaft des Ruhrgebietes und über die IBA Emscherpark. Ich möchte im Folgenden meine Kritik daran in kurzen Kommentaren zu den folgenden Zitaten aus dem Papier pointiert verdichten.

Zur IBA-Emscherpark

„Das Unternehmen wird heute weltweit als vorbildlich angesehen und studiert. Es war genial. Karl Ganser, von Haus aus ein Geograph, verändertedie Parameter: an die Stelle des üblichen grobschlächtigen respektlosen Städtebaues aus nicht verarbeiteter absolutistischer Herkunft und einer
ähnlichen Architektur-Planung setzte er ein subtiles Studium der Ressourcen,Kontext-Analyse, menschliche Dimension, Kleinteiligkeit, Entwicklung ausdem jeweilig unterschiedlichen Fall. Verzicht auf Großmäuligkeit, Schickymicky,Kopfstand-Architektur.Dies war tiefgreifend Werkbund-Denken. Er selbst ist Werkbund-Mitglied. Es arbeiteten in der IBA 20 Werkbund-Mitglieder.“

Es gibt bis heute keine neutrale, d.h. nicht von den Verantwortlichen selbst geschriebene bzw. beeinflusste Wirkungsuntersuchung der IBA die auch nur im Ansatz dieses Urteil begründen könnte. Vielmehr kann man aus heutiger Sicht getrost davon ausgehen das es sehr wohl nichtgeniale, absolutistische, wenig kleinteilige, dafür aber ausgesprochen großmäulige Anteile gab bzw. gibt.

Die IBA Emscherpark war, genauso wie die sogenannten Mega-Projekte und die Schickymicky und Kopfstandarchitektur, die das Werkbundpapier zu Recht kritisiert, genauso auf weltweite Bildproduktion und Effekte aus. Die reale Nutzbarkeit für die Region stand auch hier mehr oder weniger an zweiter Stelle.

Ganz nebenbei war Karl Ganser IBA-intern der Absolutist par exellence. Heute ist er so eine Art ewiger Guru für die, die nach ihm nichts mehr zu Stande gebracht haben, was seinem Werk, und nichts anderes war die IBA-Emscherpark, das Wasser reichen könnte.

Zur Dezentralität

„Das Ruhrgebiet hat einen immensen Vorteil gegenüber den Megastädten:Es ist eine Region der Fläche. Aus historischen Gründen und sachlich ist es dezentral angelegt. Um diese flächenhafte Struktur beneiden uns sehr viele. Sie lässt eine große Vielfältigkeit zu.“

Das Ruhrgebiet ist ausschließlich aus historischen und nicht aus sachlichen Gründen dezentral angelegt. Wenn uns soviele darum beneiden würden, warum sind dann nach der IBA nicht alle hierher gekommen? Warum hat dann z.B. Berlin den größten Zuzug an jungen Leuten und nicht das Ruhrgebiet?

Zur Vielfalt

„Die Dezentralisierung ist eine außerordentlich wichtige Struktur: Sie verhindert, dass Ruhr eine Megastadt wird – mit deren menschenfeindlichen Tendenzen zu hoher Ballung, Dimensionslosigkeit, Monostruktur und vielem mehr.“ „So hat das Ruhrgebiet neben viel Banalität, die es überall gibt, eine große Farbigkeit an unterschiedlichen Städten.“

Das Ruhrgebiet ist trotz historischen Dezentralität räumlich eine Megastadt geworden und war und ist immer noch in weiten Teilen monostrukturiert. Die Vielfältigkeit, die hier ohne Zweifel möglich ist bzw. wäre, ist eine Schimäre. Vielmehr sind sich die einzelnen Städte immer ähnlicher geworden. Shoppingmals und Entertainmentcenter gibt es hier sogar mehr pro Einwohner als in vielen sogenannten Megastädten.

Zu Verkehr und Mobilität

„Die Entfernungen (zwischen den Städten) sind gering. Man kann jede leicht erreichen“

Der erste Satz stimmt und ist zugleich der Grund dafür, dass die meisten Menschen die das Ruhrgebiet besuchen, es für e i n e riesige Stadt ansehen. Den zweiten kann nur jemand dazu ergänzen der sich noch nie mit dem ÖPNV durch das Ruhrgebiet bewegt hat und sein Auto nur außerhalb der Rushhour bewegt.

Zu Arbeitslosigkeit und Sozialtransfer

„Dass die Region im Vergleich zu anderen Regionen mehr Sozialkosten aufzubringen hat, ist nicht ihre Schuld, sondern verdankt sie der Verantwortungslosigkeit der Konzerne, die die Industrien alternativlos und in kurzen Zeiten vernichteten.“

Nein nicht nur, sie verdankt es auch ihrer eigenen Verantwortungslosigkeit, ihrer Subventionsmentalität,ihre Provinzialität, ihrer ewigen Städtekonkurrenz, ihrer Borniertheit und ihren ewigen unhinterfragten Mythen.

Es fehlte hier schon von Beginn an eine offene und öffentliche Streitkultur über eine andere Zukunft und, was das Selbstbild betrifft, über jede Form der Selbstironie und Selbstkritik. Stattdessen entweder Gejammer (wir brauchen noch mehr Geld) oder Größenwahn (Wir sind eine Metropole).

Die soziale Frage der Emscherregion hat Karl Ganser übrigens, jenseits der Tatsache dass eine IBA diese nicht lösen kann, auch nie ernsthaft interessiert.

P.S. Die argumentative Verbindung, die im Werkbundpapier zu Speers Vater hergestellt wird, finde ich allerdings nicht nur als sachlich unangemessen sondern vom Stil her, bei aller verständlichen Angriffslust, gelinde gesagt geschmacklos.

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